Montag, 6. Oktober 2014
Dank der einzig seriösen Internetseite, wenn es darum geht, in mir sympathischen Subkulturen verhaftete Menschen,und solche, die sich dafür halten, kennen zu lernen, hatte ich zwei Dates.
(Ja, ich habe tatsächlich ein Leben. Und da passiert sogar noch viel mehr, als hier landet).

Date Nr.1 studiert das gleiche Nebenfach wie ich und ursprünglich hatte ich nur um Hilfe bei der Wahl meiner Kurse gebeten, der entsprechende Modulplan sah nämlich weniger nach "Plan" aus, als viel mehr nach "Wir ballern einem Schimpansen jede Menge Wodka-E rein, schieben ein paar Mentos und einen Liter Cola hinterher, stecken das Ganze in die Mikrowelle, und das Endprodukt stellen wir dann online". Nur noch viel wirrer.
Date Nr.1 sah natürlich seine Chance, sich, nach fast zwei Monaten, in denen ich mich eher sporadisch gemeldet hatte, endlich davon überzeugen zu können, dass ich auch in echt absolut umwerfend bin, und beschloss, dass wir nach getaner Arbeit noch was trinken gehen würden.


"Wo bleibst du, mir ist kaaaaaaalt!". Sms von mir an Date Nr.1, nachdem ich, völlig durchgeweicht von dem Wolkenbruch, der mich bis zur Uni begleitet hat, seit zwanzig Minuten in der Kälte stehe (jetzt immerhin mit strahlendem Sonnenschein) und auf eine schwarze Gestalt am Horizont warte.
"Ja wart ich lauf grad die Treppe hoch".
Hoffnungsvoll und halb in Erwartung des Zweimeterhünen mit Wikingermähne und wehendem Mantel, den das Profilbild angekündigt hatte, zur anderen Hälfte überzeugt, gleich einem fünfundvierzigjährigen, einssechzig messenden Familienvater auf der Suche nach Abenteuern gegenüber zu stehen, wende ich meinen Blick zur Treppe.
Drei.
Zwei.
Eins.
Och neee.
Date Nr.1 ist mit Glück so groß wie ich, und mutmaßlich ein gutes Stück schwerer, was ihn allerdings nicht daran gehindert hat, sich in eine hellblaue Skinnyjeans zu quetschen, gegen die selbst meine geheiligte Lederleggings nach Baggy Pants aussieht. Ergänzt wird das Ensemble durch ein Steel Panther-Shirt (wie ich später feststelle, stilecht mit abgeschnittenen Ärmeln, aus denen sich Achselhaare in Form von mindestens zwei Hamstern pro Seite ans Tageslicht kringeln) und die obligatorische Lederweste mit diversen Patches.
Seine nicht ganz so wikingermäßige Haarpracht (also, die auf dem Kopf) hat Date Nr.1 mehr oder weniger erfolgreich über die beginnende Glatze gebürstet und zu einem Zopf (Zöpfchen?) gebunden.
"Hi, ich bin Date Nr.1."
-"Jo, bekanntermaßen bin ich mayhem". Und ich sehe in echt sogar noch besser aus, als auf meinen Fotos.
"Schön, dass es endlich geklappt hat. In echt find ich dich noch hübscher."
Sag ich doch.

Während des Stundenplanbastelns bleibt mir regelmäßig fast die Luft weg, während Date Nr.1 über die "wahren Werte des Metals" philosophiert, dabei erklärt, selbst "klassischer Oldschooler" zu sein,die "intoleranten Black Metaler" am Besten "alle in nen Container verfrachten und ganz weit weg verschiffen" zu wollen und dabei so intensiv nach Schweiß, versagendem Deo und irgendeinem Höllenkraut von Tabak stinkt, dass ich erwäge, unauffällig ein Räucherstäbchen anzuzünden.
"Du bist doch nicht son Black Metal Chick, oder?", fragt mich Date Nr.1 mit skeptischem Blick, während ich überlege, ob ich ein Seminar zum Totenkult im Wandel der Zeit, oder doch lieber eines über "das Kuriosum Religion" belegen soll, und nebenher anfange, Pläne zu schmieden, die mich davor bewahren soll(t)en, auch noch was mit meiner Begleitung trinken zu müssen.
-"Du, ich kategorisier mich eigentlich nirgends ein...ich bin ne Zeit lang quasi permanent durch die Black Metal-Szene geschleift worden und hab da einiges für mich entdeckt, aber ich würde meinen Musikgeschmack nie nur auf ein Genre reduzieren."
Für den Moment scheint ihn das zufrieden zu stellen.

Auf der Suche nach einem halbwegs netten und halbwegs erschwinglichen Café (in dieser Kombination so gut wie unmöglich, aber bekanntermaßen ziehen mich aussichtslose Problemfälle Herausforderungen ja an) verkündet Date Nr.1, dass er eigentlich lieber ein Bier trinken würde.
Etwas später sitze ich, mitten in der Großstadt, in der urigsten, dorfkneipenhaftesten, original bayerischen Bierkneipe, die ich bis jetzt kennen lernen musste, versuche gelegentlich halbherzig, unser Schweigen zu überbrücken, und kippe mir nebenher im Eilverfahren mein Colabier rein, damit das Trauerspiel endlich mal ein Ende hat.
Als ich einen Spruch über die "Jugend von heute, die nur noch an ihren Handys hängt" als Reaktion auf sein Smartphone-Getippe bringe, erklärt Date Nr.1 seelenruhig und kombiniert mit einem weiteren Versuch, mir unauffällig in den Ausschnitt zu schielen: "Ach, das ist nur meine Freundin, die schiebt immer bisschen Stress, wenn ich ohne sie unterwegs bin."
-"Du hast ne Freundin?" Dann geh und sabber die an. Los.
"Ja schon", meint Date Nr.1, und fügt ganz selbstbewusst und mit einem Unterton in der Stimme, der wohl verwegen klingen soll, hinzu: "Aber ich bin einfach kein Mann für nur eine Frau."
Als mich im Bus gen Heimat eine "war schön, dich kennen zu lernen"-sms samt hochgradig unerotischer Beschreibung, was der Herr am Liebsten auf der Unitoilette (Aufm Uniklo! Bäh! Da will ich ja nicht mal zum pissen hin!) mit mir gemacht hätte, entscheide ich mich dafür, das mit der Antwort erstmal zu lassen.

Date Nr.2 war im Vergleich zu Nr.1 wirklich ganz nett und schon deutlich wikingerhafter, entpuppte sich später aber als solide, felsenfest auf dem Boden, sowie stumpf und glücklich in seinem Durchschnittsleben verhaftet, und absolut verständnislos, was meinen Humor oder die seltsamen Produkte meines Verstands angeht und ist eigentlich nicht mal diesen einen Satz wert, so furchtbar distanziert-durchschnittlich-seltsam war das im Nachhinein.

Ich glaube, ich adoptiere einfach noch eine Katze.