Mittwoch, 22. Oktober 2014
Ich bin eine Allianz der Finsternis Zweckgemeinschaft mit dem Genie, einer zukünftigen Grundschullehrerin, eingegangen.
Und unsere Zweckgemeinschaft der Aussätzigen mutiert langsam zu etwas, das ich manchmal fast für eine Freundschaft halte, dank derer ich selbst im Nebenfach sehr losen Smalltalk mit einer Hand voll Kommilitonen führen konnte.
Dank ihr habe ich auch den Philosophen kennen gelernt.
Der kommt aus Polen, ist in Österreich zur Schule gegangen, hat am anderen Ende Bayerns sein Abitur gemacht, auf Lanzarote gearbeitet und studiert jetzt hier, freiwillig. Ihm war nach etwas Abwechslung.

Wenn wir zusammen Freistunden absitzen, unterhalten das Genie und, je nach emotionaler Basisstimmung, manchmal auch ich gefühlt die komplette Mensa/Cafeteria/Schlange vor der Kasse bei Penny. Sie kann man eventuell leicht übersehen, aber niemals überhören; ich passe mich in ausgelassenen Momenten an.
Wenn es stimmt, dass stille Wasser tief sind, ist der Philosoph der Marianengraben.

Wenn er und ich rauchen, während das Genie Pokemon auf ihrem magentafarbenen Gameboy Color spielt, zeigt sich manchmal dieses kleine, fast nicht sichtbare Lächeln in seinem Gesicht, während wir vor uns hin schweigen, und vielleicht tragen diese Kippenpausen dazu bei, dass ich Dienstags und Donnerstags gleich nach dem ersten Weckerklingeln aufstehe und mich beinahe uneingeschränkt auf die Uni freue.

Wir sitzen zusammen die Sprachwissenschaft-Vorlesung ab und sie waren einer meiner Gründe, im dazugehörigen Seminar den Dozenten zu wechseln; ihretwegen habe ich es sogar geschafft, mich persönlich bei meinem ab- und ihrem anzumelden, Angst vor zwischenmenschlichem Kontakt hin oder her, und bei der Gelegenheit sogar gleich den Brummbären alias das Grummlon wieder getroffen, der im Sommer ein anderes Seminar mit mir besucht hat und mit dem ich die wohl seltsamste Zweckgemeinschaft des Semesters dargestellt habe.
Anscheinend hat er sich sogar ein bisschen gefreut, mich wieder zu sehen.


Dann hat das Genie mir erzählt, dass ihr Krebs wieder da ist.
Nicht einmal ihren Eltern, in deren Villa sie wieder wohnt, hat sie es erzählt. Nur mir und ihrer besten Freundin.
Einfach so, während ich je zwei ihrer Ratten auf den Schultern und meinem Schoß sitzen hatte und die fünfte gerade dabei war, es sich in meinem Ausschnitt bequem zu machen.
Auch der Philosoph und ich können nichts daran ändern, dass sie Donnerstage hasst und Freitage meistens ein einziger Kampf gegen die Nachwirkungen der Bestrahlung sind, den sie tarnt und versteckt, so gut es geht.

Darüber schweigen wir; nur manchmal, wenn der Philosoph gerade in einer anderen Fakultät sitzt, oder noch in seinem Bett liegt und schläft, und auch sonst noch niemand oder keiner mehr da ist, verliert sie einen Halbsatz darüber und ich die Fähigkeit, zu sprechen.