Sonntag, 26. April 2015

Am Wochenende war ich mit Tante Emma, ein paar ziemlich komischen Menschen, sowie dem Ziegen- und den Katzenmann unterwegs.
Ich bin ultimativ über mich selbst hinausgewachsen, habe eine fast leere Tanzfläche geentert, und das laut Tante Emma so effektiv und eindrucksvoll, dass ein verirrtes generisches Alternative-Mädchen mit Tendenz zum Hipstertum versucht hat, mein Tanzverhalten ("Stil" kann man dazu ja nicht sagen) zu imitieren, was aufgrund der Tatsache, dass man dazu eine solide Basis aus aufgestauten Negativemotionen, einen mindestens mittelschlechten Gleichgewichtssinn, und eine gewisse Menge an Haupthaar, mit der man sich auf volleren Tanzflächen sowas wie einen Mindestradius erschleudern und gleichzeitig gut von irritierten Blicken abschirmen kann, braucht, wohl eher schlecht als recht gelungen ist.
Triumph!

Außerdem habe ich den Katzenmann so nachhaltig angegraben, dass selbst Leuchtreklame mehr Interpretationsspielraum gelassen hätte.
Zumindest dachte ich, dass es so wäre, bis Tante Emma meinte, wenn ich mich weiter so blöd anstelle und nicht langsam mal ein bisschen aufdrehe, würde das in zehn Jahren nichts werden.
Da sich der Katzenmann tendenziell noch blöder anstellt, dämmerte mir gegen Ende des Abends, dass sie recht haben könnte.
Die Lage war also ernst.
Nachdem ich eine Weile über meinem Cuba Libre gebrütet und mental eine Pro/Contra-Liste erstellt hatte (Pro-Seite: Er spricht mit mir, und das sogar freiwillig; Tante Emma meint, er würde sich Mühe geben, mich in Gesprächen nicht auszuschließen; früher oder später folgt er mir auf die Tanzfläche, um dort mit einem gewissen Sicherheitsabstand neben mir zu stehen, noch schlimmer auszusehen, als ich, und immer mal zu gucken, was ich so mache; zwischendurch werde ich auch so aus dem Augenwinkel beobachtet;
Contra-Seite: Ich weiß nicht, ob das was zu sagen hat), entschloss ich mich zu dem radikalsten Schritt, den ich bisher bei derart schlechter Informations- und Faktenlage gegangen bin: Ich nahm mir vor, ihn nach seiner Handynummer zu fragen.(Denken Sie sich an dieser Stelle ein dramatisches Dam daam daaaaaam).

Es gab also theoretisch ein klares Missionsziel.
Praktisch ist Tante Emma um zwei gegangen, weil sie zu schüchtern zum Tanzen und zu müde, um sich das noch weiter anzuschauen, war; um vier lag ich im Wohnzimmer der Ziegenmann-WG, auf dem Gästebett, der Katzenmann lag im Wohnzimmer der Ziegenmann-WG, auf dem Sofa, und ich war keinen Schritt weiter.

Natürlich kam ich auch morgens/mittags, als wir uns am liebevoll vom Ziegenmann gedeckten Frühstückstisch gegenüber saßen, während unser Gastgeber, ganz der vorbildliche Hausmann, abwechselnd mit Kaffee kochen, Post reinholen, und Wäsche aufhängen beschäftigt war, nicht weiter.

Auch nicht, als wir im gleichen Bus saßen. Jeder Versuch, meinen generell zwar vorhandenen, aber unter Bergen an Unsicherheit begrabenen Mut zusammenzunehmen, scheitert. Es ist ein Trauerspiel.

Dann muss er aus- und ich umsteigen und ich bereite mich mental darauf vor, ihn in etwa drei Monaten und an der Seite des Metalgirlies (Moment, Hirn. Die hat er als seine beste Freundin bezeichnet, _nicht_ als seine feste) wieder zu sehen.

"Also dann..", meine ich und mache irgendeine komische Armbewegung zwischen Winken und Umarmung (man kann ja nie wissen).
-"Also dann", meint der Katzenmann macht irgendeine komische Armbewegung, die in eine Umarmung übergeht.
Dann müssten wir eigentlich in verschiedene Richtungen gehen.


"Ey, ich bin jetzt mal so dreist und frag, ob du mir deine Nummer geben willst."
Höre ich mich auf einmal sagen, als wäre es für mich das Einfachste und Selbstverständlichste auf Erden.
-"Ja", höre ich ihn antworten, als wäre das das Selbstverständlichste überhaupt.
Ein paar Sekunden später habe ich seine Nummer; nachdem ich ihn angeklingelt habe, hat er meine und ich die Bestätigung, dass ich keine falsche gekriegt habe.
Ich haue noch ein, zwei blöde Sätze zur Unsicherheitskompensation raus, dann geht jeder seiner Wege und ich dazu über, alles unwirklich zu finden, mir viel zu viele Gedanken zu machen, an der Gesamtsituation zu zweifeln und mit mir selbst zu wetten, ob er mir noch in diesem Monat schreibt.