Freitag, 22. August 2014
Thema: gefunden.



Unter Menschen spüre ich Insekten auf der Haut
Spüre, wie sie kriechen, krabbeln, kratzen und mich beißen
Unter Menschen stelle ich mich lieber mal ins Abseits
Bevor ich alles abfackel und mit euch verbrenne!

Der erste Kaffee morgens, Käfer in der Lunge
Zu viele Zigaretten. Kaum erwacht, schon angeekelt
Voll gut- Tollwut!

Alpträume, Bauchschmerzen, jeden Tag...Scheißtag.
Zu viel erlebt
Missbrauchter Körper
Alles ist ihr scheißegal

Distanzmensch, Verdammter!
Gesichter namenslos, Blicke ausdruckslos
Tiefgefroren...Totgeboren

Die alte Hure am Ende meiner Straße spuckt mir ins Gesicht und lallt sich Würmer aus der Nase
Fick dich!

Wie soll ich anders? Warum sollte ich anders?
In der Ruine...
Wo all die tollen Mitmenschen
GegenMenschen sind


(Distanzmensch, Verdammter von Fäulnis. Lyrics stammen aus dem CD-Booklet)




Donnerstag, 21. August 2014
Tante Emma und ich haben es uns auf dem WG-Sofa bequem gemacht und tun das, was man wohl gemeinhin als "chillen" bezeichnen würde, wäre da nicht die standardmäßige innere Unruhe, die mein Seelenleben aus dem Exil funkt. Standard soweit.
Dann ein Anruf vom Proll, dem Freund der Prinzessin (Tante Emmas Schwester). Der Herr hat gerade Geld und ihm steht der Sinn nach Party.
In die Glitzerdisco soll es gehen, er würde uns ein Taxi entsenden, sämtliche Getränke bezahlen und mir eine bis zwei Schachteln Zigaretten spendieren, damit ich nicht meinen ganzen Tabak auf(b)rauche, um das musikalische Schlachtfest zu überstehen. "Und wir trinken Kurze." Die brauche ich dann wohl auch.
Mein Ausnahmsweisefeierabendbier sorgt nicht gerade dafür, dass die mir eigene Gutmütigkeit gedämpft wird, und so zeigt Tante Emmas bekiffte Zeitlupen-Argumentation von wegen "Schwester endlich wieder sehen" (Ja, letzte Woche ist schon so lange her), "einfach aufm Raucherbalkon sitzen und chillen" und "Boah, Burger King!" Wirkung.
Gefrustet von allen Exilsachsen und Surfern dieser Welt, der baldigen Besucherin und wie sie alle heißen, sowie der Gesamtsituation, ringe ich mir ein "Is ja gut, sag ihm wir kommen mit. Und zweimal Pall Mall Menthol. Und Salitos. Literweise Salitos und Cuba Libre. Und für dich nen kleinen Kirschsaft" ab.

Im Hintergrund spielt He's a Pirate das Lied aus dem "Spiel mir das Lied vom Tod"-Soundtrack, als ich aus dem Taxi steige, Kampfstiefel an den Füßen, (Kunst-)Lederjacke (nach dem Waschen gemäß Etikett in postapokalyptisch-dunkelgraumelierter Mad Max-Optik) über einem Arm, die glücklich zugedröhnte (dass sie nicht sabbert, ist alles) Tante Emma überm anderen gefaltet, mit wehendem Haar und der Mütze, die mir Mr.Gaunt geschenkt hat, auf dem Kopf (Mütze gibt Sicherheit, zumindest diese), und vielleicht nicht zu hundert Prozent motiviert, aber definitiv stilecht in die Glitzerdisco einmarschiere.

Neben sehr vielen irritierten Blicken bekomme ich vor allem unglaublich schlechte Musik entgegengeworfen und verbringe die ersten zwei Stunden pendelnd zwischen Bar und Raucherbalkon.
Der ist, genau, wie mir der Surfer erzählt hat, als er sich gerade noch ein Glas Wasser holen wollte und Tante Emma und ich abgeholt worden sind, wirklich ganz nett, Sand auf dem Boden, Korbsessel, Sofas, hab schon Schlimmeres gesehen.
Die Sehnsucht, die ich nach derAbsteige, oder alternativ wenigstens dem Gruftkeller, verspüre, ist nicht in Worte zu fassen.

Zwischen ach-so-lasziv (innerhalb ihres Kopfes: hocherotisch, Außerhalb: Paarungstanz einer Lemurendame auf Speed) tanzenden Vierzehnjährigen (Sondermodelle in der Mittzwanzigervariante ebenfalls vorhanden), halb vögelnden Pärchen (langfristig oder für ein paar Stunden), den obligatorischen Obercreeps (die gibts irgendwie überall. Aber selbst die sind im Gruftkeller sympathischer!) und ein paar Swag-Yolo-Prollonauten fühle ich mich so seltsam deplatziert und danke meinem Ego dafür, dass es mich immer noch an Orte gehen lässt, die besser sind als das hier, auch, wenn Mr.Gaunt und neuer Anhang dort ebenfalls anwesend sind.
Würde ich es so machen, wie er nach der Trennung von der Löwin, und über ein Jahr lang nur in Discos und schlechten Elektroschuppen aufschlagen...oh, das erklärt Einiges.
Während ich noch so über die psychischen Auswirkungen wiederholter Folter durch grausame Musik und noch grausamer tanzende Menschen sinniere, flatscht sich ein Arm um meine Schultern, ich werde mit einem "Seeeeers mayhem!" mit in ein Gruppenfoto gezogen und bin später am Abend auf einem der Partyfotoflachbildschirme über der HipHop-Area zu bewundern.
Der Arm hängt am Corsafahrer, einem meiner Tankstellenstammkunden, der so furchtbar unserem Alter entsprechend ist, dass es schon richtig weh tut.
"Äh, ja, Hallo Corsafahrer. Wieso musste ich da jetzt mit aufs Bild?" Eigentlich will ich nur gemütlich Salitos trinken und eine rauchen, danke.
-"Weil wir uns schon eeeeewig nicht mehr gesehen haben ey! Wie gehts dir?"
"Ja, man lebt. Du, ich muss aber echt weiter, siehst du die da drüben aufm Sofa?"
-"Was, die Fertige?"
"Ja, genau! Das is ne Freundin von mir, die muss ich bisschen überwachen quasi-"
-"Die is doch total zugekifft!"
"..schauen, dass sie nicht zu viel trinkt.."
-"Alter, sabbert die?!"
"..aufpassen, dass sie sich nicht vollsabbert und so. Du verstehst? Ah super, ich wusste, du verstehst das, voll einfühlsam und so"
-"Du findest mich einfühlsam? Oh, danke. Hast du Lust, zu tanze-"
"Also, man sieht sich!"

"Und, wars so schlimm?" Damit wir bei der Guten-Morgen-Kippe ein Gesprächsthema haben, erkundigt sich der Surfer, der am Vorabend ganz überrumpelt davon war, dass es mich auch in hübsch zurechtgemacht gibt, am nächsten Tag nach bleibenden Schäden, die der Abend hinterlassen haben könnte.
-"Worte können nicht beschreiben, wie schlimm. Ich hätte alle fünf Sekunden jemandem ins Gesicht schlagen oder vor die Füße rotzen können."
"Hach, so haben wir dich hier kennen und mögen gelernt."
-"Und alle sind sie unfähig, Mindestabstand zu halten! Oder zu tanzen! Nur verzweifelt-notgeile, wild rumzuckende Vollidioten! Ich hätt eigentlich jeden einzelnen umtreten müssen! Und nur mit brennender Kippe rumlaufen und alle anzünden, die zu blöd sind, nen verdammten Mindestabstand zu halten! Argh!"
"Deine liebevolle Art ist jedes Mal wieder herzerfrischend. Das sagt man doch so, oder?"
-"Irgendwie hab ich das Gefühl, du nimmst mich nicht ernst."




Mittwoch, 20. August 2014
Thema: gefunden.
I see that lantern trimmed low burning in our home.
And though I feel like crying, I swear tonight, I'll cry no more.






You should have closed your windows and got another dog.
You should have chained up all the doors and switched up all the locks...




Sonntag, 10. August 2014
Vermutlich liegt es an mir.
Der Hippiehäuptling, ein Freund Mr.Gaunts, den ich letztens wieder getroffen und Tante Emma zuliebe eingeladen habe, Tante Emma, und zwei ihrer Bekannten, der Limp Bizkit-Fan und der Offizier, sitzen um mich rum auf unserem Dach und halten mit Ausschau nach Sternschnuppen.
Könnten wir alle gebrauchen, sowas.
Tante Emma und der Freund Mr.Gaunts sind im Laufe des Abends zu einem verknalltheitstriefenden, klebrigen Einheitsbatzen geworden, der fröhlich händchenhaltend mit der jeweils freien Hand die Decke einascht, die sie aus dem Wohnzimmer mit hier hoch genommen haben, während der LimpBizkitFan irgendwann flüchtet, das verträgt sich alles nicht mit seinem Liebeskummer.
Der Offizier quatscht währenddessen den Hippiehäuptling voll, von wegen ich wäre ja so eine Traumfrau.
"Dann frag sie halt mal nach ihrer Nummer".
-"Boah, das mach ich." Der Offizier, der direkt neben mir sitzt, dreht sich wieder zu mir. "Hey, mayhem, würdest du mir deine Nummer geben?"
Da ist so viel naive, ganz normale Freude und Erwartungshaltung in seinem Gesicht, dass selbst das Gefühl, irgendwie..außerhalb zu stehen, die Alienhaftigkeit, die es sich heute Abend in meinem Gehirn bequem gemacht hat, für einen Moment nicht weiß, was sie dazu sagen soll.
"Ja, meinetwegen". In diesem Moment ist er einfach nur irgendein Endzwanziger, der sich einen Ast darüber freut, dass er die Handynummer der Fürstin der Verdammnis kriegt.
Armes Kind.

Es liegt an mir. Nicht am Wein, nicht an Medikamenten, die ich im Moment nicht mehr nehme, nicht an sonstwas.
Da sind Tante Emma und ihr neuer Anhang in Arbeit, der sie irgendwann rein trägt und sich mit ihr im Gästezimmer ablegt, weil sie beide total fertig sind.
Und der Hippiehäuptling, der sich ultimativ verbunden mit der Erde fühlt, als er so auf unserem Dach liegt und mit den Füßen die Farbrollen streichelt, die immer noch zum Trocknen hier liegen, obwohl mein Zimmer schon längst fertig ist.
Und der Offizier, der mich zur Traumfrau, nein, seiner Traumfrau erklärt hat.
Ich könnte mich nicht isolierter fühlen.
Aber vielleicht soll das so.

Vielleicht bedeutet "stabil" nicht, auf die klassische Art und Weise klar zu kommen; eingegliedert zu sein und sich heimisch in dem, was da draußen ist, zu fühlen.
Vielleicht bedeutet "stabil sein", zumindest das, das auch ich erreichen kann, in sich selbst sein Zuhause gefunden zu haben.
Und vielleicht ist diese erreichbare Stabilität, das Verankertsein in dem da draußen, das, was einen vorm Umfallen bewahrt, auch einfach nur die Glasglocke, unter der man sich bewegt, und die einen abschirmt.
Manchmal kann es ganz schön einsam unter dem Ding sein.
Manchmal ist das gut, manchmal auch nicht.
Aber vielleicht muss das so.