Freitag, 20. März 2015
...as we know it




Auf dem Weg zu meinem Termin bei der Frau, die hauptberuflich in seltsame Gehirne schaut, fühle ich mich relativ indifferent, hyperventiliere im Wartezimmer erstmal einfach so vor mich hin und habe auf dem Rückweg vom Heulen ganz verklebte Wimpern, dazu eine Liste, die ich abtelefonieren soll ("Ich darf Ihnen nur 10 Stunden geben, Sie brauchen aber mindestens mal ein bis zwei Jahre wöchentliche Therapie"), die Empfehlung, mir eine Tiefenpsychologin oder Traumatherapeutin zu suchen, und die Info, dass ich neben meiner Depressionsgeschichte auch noch ganz wunderbare Anzeichen einer dissoziativen Störung zeige, was sich aber nochmal jemand anderes genauer anschauen soll, vielleicht bin ich auch einfach nur komisch.

Am Abend davor habe ich Legolas laut eigener Aussage so ein bisschen das Leben gerettet.
Wir saßen vor Skype, stundenlang, er am Ende und ich für ihn der einzige echte Mensch auf der Erde, und er hat geheult und ich zwischendurch fast auch, aber wir haben uns zusammengerissen.
Erst ich, dann er.
Irgendwann hat er sich nicht mehr betäubt und leer gefühlt. Es hat mit Weltschmerz angefangen und sich, zu meinem großen Erstaunen, weiter gewandelt, zu richtiger Motivation, aus der Scheiße rauszukommen.
Ich sage ihm, dass ich das damals, in seinem Zustand, nicht so schnell geschafft habe, wie er, und er meint, er ist ja schließlich auch nicht alleine damit.


Am nächsten Tag (an dem ich ebenfalls meinen ersten Termin hatte) hat er es tatsächlich geschafft, sich in den Terminkalender einer Therapeutin zu quetschen, die erste Sitzung hinter sich, dabei mehr geheult, als ich, und ist ein bisschen verstört von den "Bei Ihnen isses fünf vor zwölf, Sie hätten schon viel früher kommen müssen!"-Aussagen, mit denen er wohl genauso bombardiert wurde, wie ich.

Er muss entscheiden, ob er sich für bis zu 6 Wochen einweisen lassen möchte (was ihm nahe gelegt wurde),
ich stehe wieder vor der unlösbaren Aufgabe, mit fremden Menschen zu telefonieren.
Wir sitzen uns wieder per Webcam gegenüber, jeder mit zwei Katzen neben sich, reden über Antidepressiva, die Sonnenfinsternis, seine Bands und die Kurzgeschichten, die ich früher geschrieben habe, und ich beschließe, dass das gut so ist.

Er hat das Waschlappen-Sein zurückgefahren und das schlechte Gewissen weggepackt, ich habe erfolglos versucht, ihn komplett aus meinem Hirn zu verdrängen; kalter Entzug is nich.
Küssen kann er wohl nach wie vor nicht, als Beziehungsgeschichte würde es nach wie vor nicht funktionieren (damit habe ich bisher kein Problem), aber mir tut es gut, mit ihm zu reden, umgekehrt ist es das Gleiche, und somit lass ich das jetzt erstmal so.


..and I feel fine.




Freitag, 13. März 2015
Tante Emma und ich sitzen, ganz, wie es das Klischee verlangt, jede mit einem Kaffee vor sich im Garten der Uni (Sie erinnern sich, der kaputte Automat. Wir müssen Geld sparen), während sie die Einzelheiten meines Abends bei Legolas wissen will.

"Sooo viel gibts da nicht zu erzählen", sprechen Faulheit und das Bedürfnis, mich wieder etwas runterzufahren, aus mir, "er ist anscheinend ein sehr kuschelbedürftiger Mensch, was so zur Abwechslung ziemlich angenehm war; wenn du von ihm geküsst wirst, fühlt es sich an, als würde er dir dein Gesicht runterfressen, was ich jetzt nicht so geil fand; generell sind wir physisch jetzt nicht so super kompatibel und ich hab nicht die Motivation, da ewig nach Kompromissen zu suchen, weil seine Art zumindest jetzt keine ist, mit der ich dauerhaft in ner Beziehung klarkommen würde.
Aber man kann sich echt gut mit ihm unterhalten."
Tante Emma zündet sich eine Zigarette an, dann fasst sie nochmal zusammen:
"Er kann nicht küssen und nicht vögeln, hat wahrscheinlich wieder rumgeheult, dass das mit euch nicht geht, aber trotzdem in der nächsten Sekunde weitergemacht, und er redet die ganze Zeit wirres Zeug?"
-"Das mit dem wirren Zeug hab ich nicht gesagt."
"Ja, aber wenn du sagst, dass du dich mit ihm unterhalten kannst, dann kanns ja nur wirres Zeug sein."
-"Stimmt auch wieder."

Tatsächlich hatte ich bei Legolas nach langer Zeit mal wieder das Gefühl, mit jemandem zu reden,der mir, so arrogant das jetzt klingt, gewachsen ist.
Ihm scheint diese Kompatibilität, kombiniert mit einer gewissen Anziehungskraft, die ich wohl auf ihn ausübe (Egopush!), enorme innere Konflikte bereitet zu haben, und die Tatsache, dass ich ihn bei entsprechenden Schritten darauf hingewiesen habe, dass ich wenig Lust auf anschließendes Gejammer und Bereuen seinerseits habe, hat es ihm wohl auch nicht leichter gemacht, aber ich bin schließlich nicht für sein Wohlergehen zuständig.

Natürlich habe ich nicht auf dem Sofa geschlafen, und natürlich waren wir ewig wach, und natürlich fand ich es sehr angenehm, mich mit jemandem gut unterhalten zu können, beim Einschlafen im Arm gehalten zu werden, und baden ist zu zweit auch fast angenehmer, als alleine.

Da dem Ganzen aber ein phasenweise sehr, sehr eigensinniger, ziemlich egozentrischer Mann gegenübersteht, mit dessen gegenwärtiger Art ich in einer Beziehung auf Dauer nicht klarkommen würde (zumindest nicht, ohne regelmäßig zum Wikinger zu flüchten, mich auszukotzen und besseren Sex, wenn auch mit weniger kuscheln, zu haben), ich keine Lust habe, mir beim Küssen das halbe Gesicht runterfressen/ansabbern zu lassen (vielleicht habe ich einfach ein absurd kleines Gesicht und er einen absurd großen Mund, wer weiß) und alles, was darauf folgte, auch nicht so der Bringer war, werde ich wohl weiterhin mit einem Buch und einer Flasche Radler/einem Glas Wein baden.

Der große emotionale Zusammenbruch, mit dem ich fast gerechnet hatte, als er meinte, er könne zur Zeit generell keine Beziehung führen (um kurz darauf wieder ziemlich überzeugt festzustellen, wie toll ich eigentlich bin, und sich bei mir ankuscheln zu wollen), bleibt bisher aus.

Der einzige Dämpfer ist gerade mein Hirn, das, total überlastet durch so viel Nähe und das daraus resultierende mehr-oder-weniger Wohlgefühl (abwechselt mit Frustration und Kopf-meets-Tischplatte-Reflex), Endorphine und alles andere rausgehauen hat, als gäbe es kein morgen mehr, jetzt vor leeren Speicherkammern sitzt und vermutlich Entzug schiebt.
Das ist vielleicht etwas unangenehm, aber im Bereich des Erträglichen. Läuft halt so im Hintergrund mit und wurde schon besser, als ich meinem Entzugs-Hirn und mir eine Pizza geordert und versprochen habe, dass wir hier, zuhause, auch mal wieder baden.
Ohne Legolas oder sonstwen, aber die Wanne ist eh zu klein für zwei Personen.
Und so kann ich wenigstens in Ruhe lesen und mein Radler trinken, ohne, dass jemand meine Aufmerksamkeit für sich einfordert.

"Ach, weißte was, wir konzentrieren uns jetzt einfach auf den Katzenmann für dich."
Diese Worte aus Tante Emmas Mund?
-"Aber ich hab gedacht, dass du...-"
"Ich hab grad mehr Auswahl als du, und der Normalo von letztens aus dem Gruftkeller gefällt mir eh besser. Mit dem Katzenmann verstehst du dich, findest den interessant und er hat Katzen. Wenn der jetzt nicht mit der Fotze von Silvester zusammen ist, wär der doch super, oder?"
"Ich weiß nicht, ob mir grad nach menschlichem Kontakt ist..." Da spricht mein selbstmitleidiges Entzugshirn.
"Hab dem Ziegenmann eh schon längst geschrieben, wir treffen uns heut im Pub mit denen. Du kannst dich auch später bei mir bedanken."




Dienstag, 10. März 2015
Edit 2: Betrachten Sie Edit Nr.1 als eventuell hinfällig, gründliches Nachdenken oder/und meine charmante Persönlichkeit haben anscheinend doch eine Art Umdenken angestoßen, jedenfalls wurde mir mitgeteilt, dass ich ja eigentlich recht habe, wenn ich sage, dass er sich schon wieder viel zu viele Gedanken macht, und mein "Einfach mal schauen, was passiert/Alles kann, nichts muss" eigentlich ganz sinnvoll ist.
Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, ob ich ihn überhaupt noch sehen will.

Edit: Betrachten Sie das mal alles als hinfällig, dem Herrn ist jetzt eingefallen, dass ich ja die Ex seines Kumpels bin und er deswegen zu viel Angst vor "möglichen Konsequenzen" hat.
Werde mich die nächsten Stunden darum kümmern, die Motten im Bauch zu erschießen.



Die letzten beiden Tage waren unbeschreiblich seltsam; wie das eben ist, wenn man mich mit jemandem zusammen setzt, der genauso wirr zu sein scheint, wie ich, aber noch viel schüchterner, und deshalb ein paar Nächte durchtexten muss, bis er ansatzweise ein paar Schritte in meine Richtung macht.

Ich bin nach wie vor instabil und wohl irgendwo mitten in einem depressiven...Schub,
gnadenlos übermüdet,
und in ein paar Stunden auf dem Weg zu Legolas.


Und ich entscheide mich ganz bewusst dafür, alle Paranoia gekonnt zu ignorieren, einfach mal zu schauen, was passiert, und mich voll und ganz auf mein hibbeliges, voll und ganz positives Gefühl von Verwirrung und die Schmetterlinge, oder, weil ich die lieber mag, Motten, zu konzentrieren, die langsam anfangen, sich in meinem Bauch zu regen.




Samstag, 7. März 2015
Morgen treffe ich Legolas, der immer mal Ansätze von "könnte vielleicht Interesse haben" gezeigt hat.
Seit 2012.

Mit dem ich, nach laaaanger Periode des Schweigens, heute (01:35Uhr) seit etwas mehr als zwölf Stunden schreibe, manchmal tiefgründiger, manchmal nicht, und insgesamt recht angenehm.
Bis er es gesagt hat. "Ich kann gar nicht verstehen, dass Mr.Gaunt mit dir Schluss gemacht hat. Du bist so eine nette Person. Und ob das mit seinem Anhang echt besser ist, wer weiß".
95% von mir sind überzeugt davon, mit Mr.Gaunt endgültig abschließen zu wollen und das auch zu können.
Die restlichen 5% versuchen hartnäckig, mich um meinen Schlaf zu bringen.
Und ein nicht näher bestimmbarer Anteil überlegt, ob das ein grottiger Anmachspruch war, oder nicht.


Tja, versuchen.
Am anderen Ende der Leitung sitzt nämlich eine der wenigen Personen, die ich nicht durchschauen kann, und bei denen ich definitiv nicht weiß, wie ich mich verhalten soll.
Und diese Person ist wieder single.
Und ein Wikinger.
Ein ziemlich ansprechender.

Und Mr.Gaunts bester Freund, sowie ein weiterer Ex der Löwin.

Und er schafft es gerade, mir dieses ganz spezielle, grenzdebile Grinsen zu entlocken.

Ich bin gespannt.