Sonntag, 1. Januar 2017
Ich vermisse Mr.Gaunt.

In etwas mehr als einem Monat ist es drei verdammte Jahre her, dass er nicht mehr "mein" Mr.Gaunt ist, er war in der Zwischenzeit mal verlobt (bis sie ihn genau so abgeschossen hat, wie er mich), hatte oder hat eine Nichtshalbesnichtsganzesfickgelegenheit (was ja eigentlich mein Fachgebiet ist/war und laut ihm etwas, was er "niemals könnte"), läuft mir immer wieder mal über den Weg und spricht dann kein Wort mit mir.
Die Monate (oder Jahre?), in denen ich nicht wusste, ob ich ihn jetzt (zurück-)grüßen sollte oder nicht, sind vorbei, weil ich dazu nicht einmal eine Gelegenheit habe.

Eifersuchtsspitzen (mental) gegen die mutmaßliche Nichtshalbesnichtsganzesfickgelegenheit und dezentes Sabbern, wenn er mal wieder auf einer Bühne steht.
Ebenfalls mental, denn es ist mein Billardspieler/Mr.Mayhem, der neben mir steht und in den letzten Monaten ein Bedürfnis nach Nähe entwickelt hat, das drei kleine Ewigkeiten zu spät kommt und mich abstößt.

Das Schlimme: Ich kann weder sie, noch Mr.Gaunt, noch mich hassen oder Schuldzuweisungen anbringen; nicht auf die Art, auf die ich das sonst mache.
Es ist egal, ob sie älter ist als ich und ein geregeltes Leben hat, oder längere Haare, oder ob sie "hübscher" ist. Darum geht es nicht.
Oder darum, ob sie überhaupt noch in irgendeiner Verbindung zueinander stehen.
Ich habe verloren, ganz einfach und ganz definitiv.
Die "Anfangseuphorie", wie er es nannte, reicht eben nicht aus. Und ich bin egal. Vollkommen, schlicht und ergreifend. Ich habe immer noch Probleme, das wahrhaben zu können.

Wir sind auf neutralem Ignoranzlevel angekommen.
Nicht bewusst, weil da noch irgendwas im Raum stünde;
sondern einfach, weil man sich Fremden gegenüber so verhält.
Mit dem Unterschied, dass bei Fremden noch die Option besteht, sie kennen zu lernen.
Der Zug ist abgefahren.

Das mehroderwenigersoziale Netzwerk schlägt mir "neue Freunde" vor. Dazwischen Mr.Gaunts Profilbild.
Klassisches Beuteschema. In die Ferne schweifender melancholischer Blick, zwei Warwicks an der Wand und einer in der Hand, Zigarette, inzwischen fast schon episch lange Haare, die die Inszenierung, die er zeigt und die er ist und an der ich so hänge, einrahmen, eine Flasche, in der definitiv kein Wasser ist, in der Peripherie.

Der Großkatz hüpft zu mir aufs Bett und riskiert einen Blick auf den Bildschirm.
Ich seufze.
Großkatz miaut fragend das Foto an.

Was zur Hölle ist eigentlich los mit mir.




Mittwoch, 28. Dezember 2016
Guten Morgen, ich schiebe Entzug.

Auf die glorreichen Feststellung, bedingt durch eine Dosiserhöhung doch nicht mehr genug Psychopillen (Medikament 2) bis zum nächsten Neurologentermin zu haben, folgte, ganz pflichtbewusst, ein Anruf bei eben dieser Praxis (20.12.). Guter Dinge und optimistisch, wie ich bin, ignorierte ich die gereizte Stimmung der Telefontussi, fragte nochmal, ob sie die richtige Adresse haben, unter Nennung ebendieser, genervtes "jaaa" als Antwort mitten im Satz, sie schicken mir das Rezept zu, alles gut.

Vorgestern gingen mir die Medikamente aus, nein, es war noch kein neues Rezept im Briefkasten.

Eine Kombination aus unkontrolliertem Zittern, dem Verdacht, eventuell spontan an Alzheimer erkrankt zu sein, und der Tatsache, dass ein "Vorsicht ich muss da durch" des Mr.s, während ich am Kühlschrank stand, dazu führte, dass mir vor lauter Schreck die Pflanzendrink-("Milch" darf man ja nicht mehr sagen, so wie pflanzliche "Käsealternative" nicht mehr "Käse" heißen darf, weils ja kein "richtiger" ist. Beim infamous Leberkääs ist das aber scheinbar was anderes) Packung aus der Hand und ein ekelerregend spitzer Schrei aus der Kehle flog, führte zum Verdacht, Entzugserscheinungen an den Tag zu legen.
Eventuell leicht verstärkt durch die Tatsache, dass ich gerade _die_ Definition von "Fahrigkeit" bin.

Heute (28.12.), morgens. Angedacht war acht Uhr aufstehen, um kurz vor neun schaffe ich es tatsächlich, das Bett zu verlassen.
Gute Quote.
Ein Anruf bei der zuständigen Neurologenpraxis.
Mein Rezept? Ja, das sei gestern morgen mit der Post wieder zurückgekommen, da nicht zustellbar.
Die Adresse hätte ich am Telefon nochmal angegeben?
Ja, dann müsste die ja passen. Welche es ist? Die aus der alten WG.
Oh, ich hätte ne neue? Seit April schon? Hm, das ist aber doof gelaufen, die muss ich doch mitteilen.
Das hätte ich der Kollegin gesagt?
Hmnja, kann man nix machen, heute zwischen 12 und 13 Uhr kann das Rezept abgeholt werden.
Ob ein über eine Woche altes Rezept überhaupt noch gültig ist, frage ich mich natürlich erst, nachdem ich schon aufgelegt habe. Meine Hirnzellen schmelzen in eine gräuliche Kohlsuppe, blubbernd und stinkend, und fegen mir als Tornado durch den Kopf.

Und ich dachte, ich hätt hier nichts mehr zu erzählen.




Montag, 5. September 2016
Wenn ich noch einmal gefragt werde, ob ich schwanger bin, und nach der Verneinung der Frage noch EINMAL einfach so mein Bauch getätschelt und mir EINFACH SO versichert wird, ich hätte ja "schon ein bisschen" (+4kg), bzw. "kräftig" (nochmal +2kg) zugenommen, STARRE ICH DER FRAGESTELLERIN IN DEN AUSSCHNITT UND FRAGE MITLEIDIG GUCKEND: "NA, HAST DU SCHON WIEDER ABGENOMMEN?"
Mindestens genauso deplatziert und übergriffig.

ARGH.
Direkte Menschen, die fragen, ob man schwanger ist: ok. Frustrierend, aber erträglich.
Noch direktere Menschen, die nach Dementierung der o.g. Aussage fragen, ob man zugenommen hat: Mental Mittelfinger zeigen, irgendwas sagen.

Die Menschen, die einfach meinen, zu wissen, DASS man zugenommen hat, und vor Allem die, die UNGEFRAGT meinen Körper anfassen, sprich, meinen Bierbauch tätscheln: MORD UND TOTSCHLAG ÜBER EUCH. Abstand bitte.

Mit viel Glück haben das Zweifeln, sich-mies-fühlen und letztlich wütend werden über sowas ein paar extra Kalorien verbrannt, sodass zu den sage und schreibe 700g, die ich meinem Körper in 4 Wochen an Gewichtsverlust abgerungen habe das ging auch mal deutlich schneller noch etwas mehr hinzukommt, bis ich mich wieder halbwegs wohl fühle.
Fürs Protokoll: Auch dann noch mit Bierbauch. Miese Haltung, miese Wirbelsäule und Hohlkreuz machen auch bei geringerem Körpergewicht ein "Oh, du hast ja auch ein kleines Bäuchlein". Zumindest bei mir.




Montag, 22. August 2016
Ich will hier nur kurz was festhalten.
Bevor ich es vergesse, es nicht mehr glauben kann (der Prozess setzt bereits jetzt ein), oder wieder mal vom Zahnarzt ausgeknockt bin:

Eigentlich ist das schon ziemlicher Schwachsinn.
Ich habe absolutes Höchstkampfgewicht meines Lebens erreicht, und nein, das liegt nicht nur daran, dass eineinhalb bis zwei Körbchengrößen dazu gekommen sind.
Wieder Ernährungstagebuch führen und sich als Versager fühlen, wenn tatsächlich Feststoffe gelistet sind?
Schwachsinn. Vollkommener, beschissener Blödsinn.


Ebenfalls festhaltenswert: Es geht weiter.
Nicht der besser-schlechter-besser-schlechter-... Achterbahnturbo, wobei, der wahrscheinlich auch.
Aber vielleicht besteht die Chance, dass ich das überlebe.
Also, das alles.
Ich weiß nicht, wie es mir geht, wenn alles ok ist, deshalb bin ich auch so überlastet, wenn dieser sehnlichst herbeigewünschte Zustand ("Es wird alles gut") eintrifft und einfach mal knallhart alles besser wird.
Und halte mich fest an dem, was immer noch scheiße ist.
Wieso hat mir eigentlich keiner gesagt, wie mies man sich fühlen kann, wenn es besser wird?
Ich weiß nicht, was dann noch von mir übrig ist. Den Teil kenne ich nicht, an den Teil bin ich nicht gewöhnt, und ich habe Angst, dass er mir wieder weggenommen wird, aber auch Angst davor, das er tatsächlich real sein und bei mir, oder noch schlimmer, in mir existieren könntekann.
Aber ich werds vielleicht überleben.
Einfach mal weiter gucken.Keinesfalls planen, das macht nur darauf aufmerksam, dass das zerfällt, oder losgelassen werden sollte/wird, woran man sich halten konnte.

Zusammenfassend: Wie immer jede Menge Mist, von dem ich dachte, dass ich ihn nicht loslassen kann/nicht loswerde, und ohne den ich nicht weiß, was ich mir vorstellen soll, oder was so passiert, oder was so ist, aber eventuell kann mans überstehen.

Wir halten also fest: Ziemlich viel Blödsinn hier.
Kann man aber vielleicht überleben.