Dienstag, 24. Dezember 2019


Diesjähriger Weihnachts-Soundtrack, Part 1.
Erstens ist die Band super, zweitens wird alles besser, wenn man eine gute Therapie eine gute Prise anständigen Black Metal drüber streut, und drittens konnte ich dank Bröselzahn zwischenzeitlich fast genauso hübsch Blutklumpen aus meinem Mund purzeln lassen wie Onielar auf der Bühne, was in meinem Fall zwar etwas weniger Begeisterung beim Publikum auslöst (bisher) und vermutlich auch nicht endlos reproduzierbar ist, aber hey - der Wille zählt und ich kann jetzt sagen, dass ich meinem weiblichen Vorbild zumindest temporär ein Stück näher gekommen bin.:)




Mittwoch, 18. Dezember 2019
Gelernt, was Intrusion ist und prompt aus dem Hirnkorsett (stütz- und formgebende Stäbchen: Abfuckspiralen) rausgeklickt. Rausgekickt? Gekrochen?
Lawinenverschüttet in irgendeine Richtung losschaufeln, von der man hofft, dass sie ins Leben zurück führt.
Mit den Schmerzen einer Kindsgeburt - nur, dass es sich bei den Kindern um ausgewachsene Elefantenzwillinge handelt, ein Kaiserschnitt keine Option und Epiduralanästhesie nicht verfügbar ist und sie dabei schreien, als würde ihr letztes Stündlein schlagen.

Meine Psyche, das Wunderwerk, hat dem Ding, das in ihr drin wuchert, gestern einen Gnadenmoment entlockt.

Natürlich hat es bis dahin gnadenlos übersteuert und mich zum Ehrengast und Prime Time - Zuschauer gemacht, sodass ich mich aus der ersten Reihe dabei beobachten konnte, wie ich mich auflöse, bis nur noch Verzweiflung übrig ist.
Bevor, während und nachdem ich mit dem Kaffee-Mann zusammen saß; in allen anderen wachen (und oft genug auch nicht-wachen) Momenten sowieso. Und natürlich fängt es heute wieder an. Aber gestern gab es einen Gnadenmoment, eine ganze wunderbare Stunde lang hatte ich Besuch von mir selbst.
Heute habe ich es beim Zurückschleichen ertappt und es hat nicht mal so getan, als wäre es betroffen oder hätte ein schlechtes Gewissen.

Aber es ist feige.
Ein hinterlistiges Arschloch vielleicht, aber feige wie ein verzogenes Grundschulkind mit schlechten Manieren und Prinzessinnen-Komplex.
Ist angewiesen auf beständiges Lauern; immer mal an der Tür kratzend, um zu sehen, wo ihre Schwachstellen liegen, in der Hoffnung, reinpoltern und Sachen kaputt machen zu können. Will Saw spielen, vergisst aber, dass auch das nur ein Film ist. Fiktion, die der Realität nicht stand hält. Auch die schlimmste Gruseltour findet ihr Ende, selbst die fieseste Geisterbahn ist nur ein Schauspiel.
Als Mensch wäre es beinahe bemitleidenswert, als Pflanze würde es eine gründliche Dosis Unkrautvernichter zu fressen bekommen, bis es elendig verreckt.

Nun ist es aber weder ein menschlicher, noch ein pflanzlicher Störenfried,mit dem ich es zu tun habe, sondern ein mentaler, dessen Wurzeln sich irgendwo in Richtung Bewusstseinsfundament befinden.
Das ist jetzt nicht unbedingt schön; akut drinsteckend ist es sogar ziemlich hässlich und geht ganz schön an die Substanz.

Und damit komme ich zurecht.
Das Grübeln, Verzweiflen, Schämen, die unzähligen Male, die mich mein Hirn, meine Psyche, das Ding in ihr oder die Welt da draußen auf- und zerfressen hat, wieder ausgeschissen oder auf's Trottoir gekotzt - natürlich mit Nachtreten, entweder ganz oder gar nicht;
dann quält es mich halt,
dann zerreißt es mich halt, dann ist es eben unaushaltbar.
Und weiter?

Es gibt keinen Kampf- denn da ist kein anderer Gegner.
Es gibt keinen Krieg - denn es gibt nichts zu gewinnen.
Es gibt eine Route, Format: Chaosstern.
Das muss reichen.
Und das reicht.(?)


Egal, was es dieses Mal ist,
oder beim nächsten Mal,
oder in 10 Jahren
oder in 20
30
oder irgendeiner anderen Zahl von Jahren bis zu meinem Ableben:

Ich komm da wieder raus.
Unendliche Seelenstärke, edle Gesinnung, tiefer Glauben, hohe Ziele oder irgendwelcher anderen Kram, der sich stilisieren, romantisieren oder verkitschen lässt, hat damit genauso viel zu tun wie Game of Thrones mit dem Sandmännchen.
Ich bin keine inspirierende Persönlichkeit und keine traurige Gestalt, weder zu Großem bestimmt noch laufend großartig; ich hab' weder nen Plan, noch bin ich komplett verloren. Manchmal lebe ich, manchmal vegetiere ich; meistens existiere ich irgendwie so vor mich hin und mache dabei irgendwelche Sachen, oder auch nicht.

Die Welt ist so ein großer, beliebiger Ort, selten mit Schicksal, meistens mit Zufall.
Man muss sie weder hassen noch lieben; sie macht eben einfach ihr Ding.

Ich tus auch - nicht aus persönlicher Größe oder Hoffnung, dass es irgendwann mal gut ist, wenn ich mich nur genug anstrenge, gut genug arbeite (woran auch immer), gut genug hoffe; dass ich den Hirnsumpf dauerhaft trocken legen, ein neues, echtes, solides, beständiges Fundament reinzimmern und da mein Häuschen drauf stellen kann; oder dass die ganze Scheiße irgendwann mal einfach wird. Die Hoffnung klopft gelegentlich an, wenn sie kurzzeitig vergisst, dass wir einander schon längst aufgegeben haben.

Manches entsorge ich eben.
Dinge, Glaubenssätze, Menschen,alte, neue Träume und Albträume, Absperrwände, Leitpfosten, Landkarten, Pläne und Wünsche und Ziele, die Exuvien, wenn ich mich mal wieder aufgelöst habe- was man so raus und über Bord schmeißt.

Und das weitermachen, bei tendenziell schlechter Sicht, wohin auch immer?
Es klingt tausend mal einfacher, als es ist aber well, that's how I roll.




Samstag, 14. Dezember 2019
Nachdem der Kaffee-Mann nicht geschrieben hat, habe ich das letztens einfach mal übernommen. Ganz lässig gemeint, ich fand unser Gespräch ganz nett, wie sieht's kommende Woche bei dir so aus?

Seitdem schreibt er mal, mal ist er nur ewig online und macht keine-Ahnung-was (AAAAAH!).
Aber immerhin: er fand unser Treffen auch ganz nett, da-und-da wäre noch Platz im Terminkalender, zum Wochenende hin allerdings nicht mehr, da besucht er eine Freundin (AAAAAAAH!), und dann ist ja Weihnachten und er bei der Familie, das sei bei mir bestimmt genauso (Nope).

Mit mir selbst diskutierend, ob ich unser Treffen auf einen zeitlich stressigen, aber zahnarztkram-freien Tag lege, oder auf einen entspannteren, der allerdings mittags den entsprechenden Termin enthält, äußere ich nach Bauchgefühl die Tendenz zu letzterem (ich lebe gerne gefährlich), ein bisschen auch aus gesprächstaktischen Gründen.
Je nachdem, ob mein Bröselzahn also Wurzelspitzen-Dingsda kriegt oder ganz rausmontiert wird, könnte das spannend werden.

Wird es eventuell sowieso: Kaffee-Mann hat sich gemerkt, dass ich zwei Lieblingskneipen habe und vorgeschlagen, statt dem Kaffee ein Bier trinken zu gehen.
Das kam überraschend - er ist der mittvierzigjährigste Beinahe-Gleichaltrige, der mir je begegnet ist (eventuell sogar mehr als Ex- Mr.Mayhem).
Er wohnt bereits mehrere Jahren in der Unistadt und hat hier noch nie eine Kneipe von innen gesehen - ich habe da schon Hausarbeiten geschrieben (wurde übrigens eine 1,7. Ist aber auch schon länger her).
Generell besuche er nicht so oft Kneipen; er habe das bisher irgendwie selten auf dem Schirm gehabt, stelle es sich aber spannend vor.
Und er hat sich, vor die Wahl gestellt, ob wir in einen Pub gehen oder in meine Stammkneipe, für letztere entschieden - was entweder unbedarft oder todesmutig ist.
Es treffen also aufeinander: mein minimal schnarchig-weltfremder, introvertiert-verkopfter Anzugträger-Kaffetyp (der nicht "meiner" ist, aber ich lass das jetzt so stehen) und ein schmuddeliges Kellerloch voller Randgestalten, Biker, Altrocker, Spielsüchtiger, Metal-Menschen und der ein oder anderen gefährlichen Haus-Mischung.
Oh, und die Katzen - es gibt dort zwei Kneipen-Katzen, die regelmäßig vorbeischauen, sich entweder auf einem Barhocker (der für die Katzen freigehalten oder freigemacht wird, sonst gibt's Probleme) oder einem Gast drapieren und herzerwärmend hasserfüllt durch die Gegend starren. Und einen Kneipen-Hund - der gehört dem Besitzer und hilft beim Gäste-aufräumen, wenn es zu spät wird.


Ich freue mich, dass der Kaffee-Mann das Experiment vorgeschlagen hat; gleichzeitig fürchte ich mich etwas davor - was mache ich eigentlich, wenn uns die Gesprächsthemen ausgehen, das Bier aber noch nicht leer ist? Oder wenn da Menschen auftauchen, mit denen ich mal was hatte? Oder es so voll ist, dass wir keinen richtigen Platz finden? Oder, schlimmer: so leer, dass wir (fast) alleine mit dem Wirt sind?
Normalerweise gehe ich nicht nur zu zweit mit fast fremden Menschen was trinken, um sie kennen zu lernen.
Wenn es um eine menschliche Heizdecke ging, kam das vielleicht vor, aber das ist was anderes.

Aber ok, dann gehe ich kommende Woche eben mit dem Kaffee-Mann ein Bier trinken.
In meiner Stammkneipe.
Ganz lässig.
Und so.

Manchmal wäre es praktisch, Freunde zu haben, die zufällig gerade dann vorbei kommen, wenn das Gespräch oder mein Verstand zu sterben droht, und die die Situation etwas entspannen.
Man könnte sie irgendwo in der Nähe verstecken und an der Art, wie ich meine Dampf-Wölkchen auspuste, könnten sie sehen, was Sache ist, durch's Gebüsch heranrobben und gut geplant zufällig auftauchen.
Würde man mich darum bitten, ich würde das machen - mit Sonnenbrille auf und versteckt hinter dem Klavier (notfalls müsste man vorher eines heranschaffen) die Situation beobachtend, analysierend und stets bereit zum Angriff/Zugriff/Eingriff.
Wäre aber irgendwie auch komisch - und ich wüsste nicht, wen ich fragen sollte.
Also lassen wir es, und ich regle das, wie man das eben so regelt - wie auch immer das funktioniert.
Wenn ich ihn nicht vorher in die Flucht schlage oder auf der Kumpelschiene abgestellt werde, bevor ich weiß, ob ich da hin will.




Mittwoch, 11. Dezember 2019
Habs nicht geschafft, zur Uni zu gehen .Wecker gehört, Teechen gekocht, Katze gekuschelt - und im Sitzen eingeschlafen.
Der Dozent denkt wahrscheinlich auch, ich hab' keinen Bock. Dauernd bin ich nicht da, und wenn ich es bin, brauche ich für meine Antworten auf seine Diskussionsfragen zu lange, weil ich mich nicht kurzfassen kann und beim Reden in meinem Hirn verlaufe.
Vielleicht schreib ich ihm eine Mail. Beim anderen Seminar, das ich quasi teilzeit-besuche, habe ich das getan und dem Kursleiter erklärt, dass ich Angst habe, er denkt, ich hätte keinen Bock auf den Kurs oder wolle nicht mehr teilnehmen; dass das nicht der Fall ist, sondern ich's einfach nicht gepackt habe, Erkrankung und so, Verweis auf den Nachteilsausgleich. Da steht eh drauf, dass ich meine Dozenten drüber informieren soll.
Die Angst, aus dem Kurs zu fliegen oder als demotiviert/faul abgestempelt zu werden wiegt schwerer als die, den Mitleidsnummer-Eindruck zu erwecken.
Vielleicht schick ich wirklich ne Mail. Wenn mir das wichtig ist, darf ich das machen.

Der Dozent, der meine BA betreuen würde, hat das Angebot schon vor dreieinhalb Ewigkeiten gemacht und seit zweieinhalb nichts mehr von mir gehört, ich hab Angst, dass der auch denkt, ich hab keinen Bock oder bin faul. Wenn ich ihn in der Uni sichte, gehe ich möglichst schnell in eine andere Richtung, weil ich mich so schäme.
Ist das ok, dass man sich nicht so oft meldet? Gefühlt alle anderen haben so einen engen Draht zu ihrem BA-Betreuer (gehabt), und ich könnte nichts berichten außer "ich hab das noch im Kopf, ich lebe noch, ich studiere noch, es dauert noch". Ich schäme mich. Massiv. Und wenn ich es gerade mal geschafft habe, mich auf die richtig akuten Sachen zu fokussieren, zwingt es sich mir doch wieder auf.

Irgendwie habe ich es dann trotzdem geschafft, so zu tun, als wäre ich erwachsen; hab die frei gewordene Zeit (ich hätte noch zum Kurs gekonnt, wäre dann aber mittendrin reingeplatzt und er wäre sowieso halb vorbei gewesen) sogar einigermaßen genutzt.
Arzttermin (EKG wegen der Medikamente, und der Konsiliarbericht, den die Therapeutin noch braucht) klar machen wollen - ging keiner ran, aber hey, ich habe es versucht.
Tattoo-Studio angerufen, das nicht mehr so neue neueste Körperkunstwerk hat die Farbe nicht gut gehalten und innerhalb des ersten Jahres ist das Nachstechen kostenlos. Ging keiner ran, aber hey, ich habe es versucht.
Kieferchirurg angerufen, weil die Zahnärztin von gestern mich dorthin überweisen will. Ging einer ran.
Ob ich heute Nachmittag vorbeikommen will, es hat jemand abgesagt.
Und dann bin ich einfach mal da hin, wie das Erwachsene machen.
Kam mir blöd vor mit meinen Ausführungen dazu, dass die Betäubung bei mir nicht richtig wirkt und ich deshalb Angst habe, weil die Ärztin mich schon direkt am Anfang unterbrochen hat - klar wirkt die Betäubung nicht richtig, Sie nehmen ja Medikinet. Trotzdem fortgefahren, dass ich ihr das deswegen erzähle, weil die Ärzte vorher es nicht ernst genommen und mich damit ziemlich verstört haben. Der Kopfkrieg sagt, ich soll die Fresse halten, dein blödes Gelaber ist gerade unnütz und peinlich, ich sage, halt die Fresse, mir ist das gerade wichtig.
Sie nimmt es so ernst, dass sie am Liebsten gar nichts mit örtlicher Betäubung machen, sondern mich in den Dämmerschlaf schicken will - wenn's nach ihr geht, auch kostenlos, sie hat Mitgefühl oder Mitleid. Musste früher auch Medikamente nehmen, sagt sie, und sei deshalb beim Zahnarzt im Behandlungsstuhl festgehalten worden.
Mich haben sie nicht festgehalten, Panikattacke hin oder her, ich habe nicht versucht, zu entkommen.

Wir machen drei Termine aus: Bröselzahn, Weisheitszahn 1, Weisheitszahn 2, ich sage, ich überlege mir das mit dem Dämmerschlaf, ist schließlich ein gutes Angebot.
Aber eines, das mich traurig macht - als ich drüber aufgeklärt werde, wie das funktioniert, wird davon gesprochen, dass ich einen guten Freund, meine/n Partner/in oder Angehörige dafür brauche, es muss nämlich jemand mit mir im Aufwachraum ausharren, bis das Zeug abgeklungen ist, mich dann heimbringen und noch ein bisschen auf mich aufpassen.
Ich hab so jemanden aber nicht.
Und in dem Moment macht es mir was aus, sehr sogar; nicht, weil ich auf meine gratis Dosis Benzos verzichten muss, sondern weil ich mich alleine fühle, verloren oder verlassen oder beides. Wie ein ausgesetzter Hund am Straßenrand.

Dann erinnere ich mich daran, dass ich die Personalunion aus Mutter, Vater und allen anderen Bezugspersonen in meinem Leben bin, die auf mich aufpasst, frage nach, wie lange ich in dem Aufwachraum bleiben müsste, bis ich alleine heim darf, weil ich niemanden habe, der mich abholen kann.
Es könne sich doch bestimmt jemand den Nachmittag für mich freinehmen?
Nein.
Oh.
Ja.
Ja gut, dann örtliche Betäubung, Sie können uns ja Bescheid geben, wenn sich was ändert.
Ok.

Auf dem Heimweg kaufe ich ein kleines Geschenk für eine wildfremde Person, Weihnachtswichteln in einem Forum, schreibe Tante Emma, ich rufe sie gleich zurück, komme heim, freue mich, wie gut ihre stationäre Therapie angeschlagen hat und verzweifle ein wenig, weil ihr manipulatives Arschloch von Verlobtem es wieder kaputt macht oder schon getan hat.
Ich verzichte darauf, auf ihn zu schimpfen, oder ihr zu sagen, dass er sie manipuliert - oft genug versucht.
Gebe ihr stattdessen Denkanstöße, vorsichtig genug, um keinen Vorwurf draus zu machen, und beschränke mich ansonsten darauf, einfach für sie da zu sein; so, wie man das mit seinem Kind im Geiste eben macht, beziehungsweise, wie ich mir vorstelle, dass man das mit seinem Kind (im Geiste) macht.
Ich wäre bereit, 400km einfache Strecke mit dem Fernbus zu fahren, um sie zu einem Termin beim psychologischen Gutachter zu bringen, zu warten, bis es vorbei ist, einen Kaffee mit ihr zu trinken und dann wieder heim zu fahren.
Ohne mit der Wimper zu zucken. Aus Anstand.
Ihr Verlobter ist nicht bereit, 10km einfache Strecke im Auto mit ihr zum Gutachter zu fahren, dafür müsste er nämlich seinem Chef sagen, dass er früher Feierabend machen will, und sein Chef ist ein Ausländer, mit denen redet er nicht.
Prioritäten, und so.


Später reserviere ich Theaterkarten - online, aber nicht, weil ich mich nicht traue, anzurufen, sondern einfach, weil es ein Formular dafür gibt und das am Bequemsten ist.
Das Kind in mir findet es wahnsinnig cool, wie ich so erwachsene Sachen mache - einen Theaterbesuch planen, Leute koordinieren, Wegbeschreibungen schicken und Karten reservieren, als sei es das natürlichste auf der Welt.
Die anderen sagen ab, aber ein Bekannter aus der Tagesklinik-Zeit ist dabei, also gehen wir eben zu zweit hin. Einfach so, unter der Woche ins Theater in diieser riesiggroßen Stadt, die mein Zuhause ist. Ich könnte mir dort sogar ein Bier oder ein Glas Wein kaufen und es wäre nicht seltsam, ich bin alt genug für die Quarterlife-Crisis und somit auch, um Alkohol zu trinken, wenn mir danach ist.

Ich bin ein angstgelähmtes, verlorenes Kind im Angesicht der Uni, brauche eine halbe Stunde in wachsender Verzweiflung, um zu entscheiden, welchen Tee ich beim Weihnachtswichteln ins Paket packe, und heute früh war ich zwar wieder entspannter bzgl. Kaffeetyp, aber jetzt klopft es wieder an, weil sich alle mögliche Scheiße in mein Hirn drängelt, und ich werde eventuell doch schon jetzt gucken, ob er geschrieben hat, aber das wird er nicht getan haben, denn entweder ist er gerade beschäftigt (was nach den vorherigen Nachrichten durchaus sein kann, er hat erzählt, was diese Woche so bei ihm ansteht), aber wieso kann er dann online sein, oder er mag mich eben nicht wieder treffen, dann ist das so, oder er ist verwirrt, das mache ich manchmal mit Menschen.
Vielleicht schaue ich aber auch nicht, weil ich Gedankenschienen, Emotionsspiralen und Ängsten zumindest nicht kampflos Platz auf der Bühne mache und befürchte, es würde sie füttern; ich bin Schauspielerin, ich bin Regisseurin und ich bin hauptrollen-geprüft, also habe verdammtnocheins ich das Sagen.


Ich spür mich immer nur in Momentaufnahmen und das Bild ist nur wenig vollständiger als das derer, die ich hier parke.
Eine davon besteht aus Angst, eine aus Scham- und Schuldgefühlen, eine aus Versagen, eine aus absoluter Großartigkeit, eine aus schierer Verzweiflung und eine aus tiefster Trauer um was-auch-immer.
Eine ist die Frau, die das ganze Schiff steuert. Als Nichtschwimmerin auf hoher Sturmsee.
Keine davon hat vor, aufzugeben.
Also machen wir weiter.
Jeder einzelne.

So bringt uns die goldenen Äpfel,
denn die, an die der Norden glaubt,
sind fabelhafte Gärtner
obschon uns vor dem Ewig graut
Doch nichts ist mehr so, wie es einstmals war
Und so ist auch das Ewig gestorben
Die Früchte, die brachten, wonach alle trachten
Sind schön, doch schon lange verdorben
Weit fort von den Zinnen verblendeten Lärms
Dort draußen, weit hinter den Toren
Liegt fast unerreichbar das Land, das wir suchten
Das Morgen ist noch nicht verloren