"You can't let me breathe in
We are falling into deep.."


Vielleicht bin ich ja das Böse.
Vielleicht habe ich Recht damit, die halbironische Bemerkung, Ein Teilscherz aufgrund meines Aussehens, aber vielleicht stimmt es ja.
Er hat ihr gesagt, er denkt darüber nach, auszuziehen.
Die Vaterfreundin warf mir heute vor, mein Vater habe verlauten lassen, er wolle ausziehen von hier, zu ihr.
Sie sagt, es ist meine Schuld.
Sie sagt, ich bin daran Schuld, dass er so ist.
Sie sagt, ich mache ihn kaputt.

Ich will niemanden kaputt machen.
Ich will nichts kaputt machen.
Ich will eines dieser Fastdurchschnittsleben mit ein bisschen Routine, nicht zu viel, nur so viel, das es eben Halt gibt, mit ein wenig Harmonie, aber nicht so viel, das ich kotzen muss. Ein mittelmäßiges Durchschnittsleben will ich.

Vielleicht habe ich ihn jetzt geschockt.
Er hat sich beschwert, über alles mögliche und unmögliche, und irgendwann darüber, dass auf der Arbeitsfläche in der Küche immer mein Teller steht, wenn ich etwas gegessen habe. Hat gesagt, ich würde das für "Das Drecksvieh" alias meine Katze machen.
Ich hab ihm erklärt, dass ich das mache, damit er sieht, dass ich esse.
Damit er sieht, dass ich etwas esse und das regelmäßig mache.
Das er stolz sein kann, eine Tochter mit geordnetem (Ha, ha) und vorhandenem Essverhalten zu haben.
Er hat gesagt, sieht man an deinen komischen Tabletten, die du im Nachttischschränkchen stehen hast.
In meinem Nachttischschrank stehen nicht rezeptpflichtige Arzneimittel, die ich nehmen muss.
Das habe ich ihm erklären wollen und er meinte, ja sicher, das Kohlenhydratzeug.
Nach einer Denksekunde machte es Klick und ich wusste, dass er von der Dose sprach.
Die Dose, die noch von ihr da war. In der ich Dinge lagere, die ihn nichts angehen. Erinnerungen. In der Dose.
Leer, seit 2007. Ich musste grade rechnen, um ihr Todesjahr wieder zu finden.
Als ich es ihm erklären wollte,kam mein Großvater die Treppe heruntergestapft,mit diesem kindlichen Sinn dafür, immer im falschen Moment hereinzuplatzen, und fing an, über Brennholz zu reden, und ich lief meinem Vater nach, in Socken über Steinboden zur Garage, und als er einfach weiterläuft, fange ich einfach an zu reden. Erkläre, ich nehme sowas nicht. Esse normal. Das kleine Herz krampft sich zusammen und schreit zum Verstand hoch, was fällt dem eigentlich ein, in meinem Zimmer herumzuwühlen, und ich sage ihm, verdammt ich hab abgenommen, auch wenn du es nicht siehst und ich es nicht glaube, falls du es gemerkt hast, ich hab abgenommen. Ich hab 79kg gewogen, zwischendurch, falls du es gemerkt hast, und ich hab im August zwischen 61 und 65kg gewogen, weil ich so fertig war.
Er wiederholt die Zahl, irgendwo zwischen Spott, Hohn und Ungläubigkeit, und ich bestätige es, ja. Aber hast du anscheinend nicht gemerkt..und falls du es gemerkt hast, ich hab wieder zugenommen, 70 bis 71 sind es jetzt. Er sagt nichts, hinter mir taucht die brüchige Stimme meines Großvaters auf, der den Wetterbericht der kommenden Tage herunterbetet, und weder er noch sonstjemand weiß, ob er es mir, meinem Vater oder doch nur sich selbst erzählt.
Der will von daheim ausziehen...
Er macht Anstalten, sein Auto einzuräumen, schläft heute bei ihr.
Mein Großvater redet weiter, ich höre ihn nicht und sehe keinen von ihnen, mein Hirn beginnt zu kreisen und ich sehe sie, dann sehe ich mich und schließlich Szenen des vergangenen Samstags, welche vom Anfang, als es so gut lief, und welche vom Ende, dieses schrecklich schmerzende, grauenvolle Ende, und dann sehe ich wieder sie, wie sie damals dalag, einfach so, sehe sie, so, wie jetzt auch, und ich sehe die Sinnlosigkeit, das alles.
Ich frage ihn, ob ich die Haustür schließen kann, er sagt ja und steigt ins Auto.
Mein Großvater steht erwartungsvoll auf dem Treppenabsatz, er erinnert mich an einen Wellensittich, irgendwie, aber ich bin nicht in Zuhörlaune, nicht jetzt, und so bleibe ich sachlich-distanziert und kurz angebunden, als er anfängt, wieder seine Fragen zu stellen, auf die er eigentlich keine richtige Antwort hören will, bei denen er jede Antwort abwürgt, wenn ihm etwas anderes in den Sinn kommt.
Als ich Anstalten mache, in unsere Wohnung zu gehen, sagt er, er wird noch einmal herunterkommen, ich sage ja und denke mir sarkastisch, ist ja ganz was neues.

Vielleicht bin ich es ja.
Vielleicht bin ich Schuld an allem, oder am Großteil.
Für sie kommt es aufs selbe heraus, und vielleicht ist das ja so.
Vielleicht bin ich ja wirklich weltfremd und mein Denken ist nicht vorhanden oder nur Schwachsinn.
Vielleicht ist es alles meine Schuld, vielleicht hab ich sie und habe es ruiniert.
Das alles.
Und vielleicht auch mich, vielleicht ja sogar mein Leben, diverse Möglichkeiten, Wege, Ziele. Beziehungen. Zwischenmenschliche Gegebenheiten.
Vielleicht funktionieren die angestrebten Neuanfänge deshalb nie, weil sie nichts werden können. Weil ich das Fundament gesprengt, die Bauarbeiter niedergemetzelt und alle Maschinen zerstört habe, ohne es zu wissen oder zu bemerken. Vielleicht ist es ja so.

So viel auf einem Haufen.. und ich muss mich damit herumschlagen, mir Lateinvokabeln in den überfüllten Schädel einzuhämmern, weil der Lehrer von der absurden Idee gesteuert wird, Noten von seinen Schülern zu brauchen, muss meine Leistungsverweigerung beim Sportnotenmachen planen, um nicht nachzugeben, immun zu sein gegen seltsame Blicke, Geläster und die Lehrkraft, um nicht das Weinen anzufangen.
Muss es verarbeiten. Die Sache mit der alten Sache.
Immernoch samstagstraumatisiert, nein, Trauma ist kein Wort dafür. Schmerz. Mehr als sonst, und mehr, als da sein sollte.
In Großbuchstaben mit Blut an meine Schädeldecke geschrieben ICH WILL DAS NICHT, DASS ES SO LÄUFT, Hoffnung wird gerädert und der Rest verbrennt auf dem Scheiterhaufen des Scheiterns. Kann ich bitte mal schnell eine Auszeit haben, so ein paar Wochen lang?
Oder, besser, kann nicht bitte mal schnell alles gut werden und ich mein Mittelmaß-Mittelschicht-Leben haben?
Ich bin mir sicher, dass ich verwechselt wurde, und irgendso ein Überheld, der für seine späteren Memoiren noch eine "tragische Kindheit" braucht, jetzt angekotzt rumsitzt und sich gelangweilt die Birne hohlsäuft, weil er anstelle des versprochenen Dramas ein Mittelmaßleben bekommen hat und ihm das nicht in den Kram passt.


Ich bin die 1,75 Meter messende Leere.
Und wenn ich nicht leer bin, bin ich Schmerz und Trauer/traurig.
Es sollte nie so kommen. Bitte..
Bitte, bestätigt es mir irgendjemand, das es nie so kommen sollte. Bitte sagt mir jemand, dass es nicht so weitergeht, und das es nicht mehr schlimmer wird.
Weißt du, ich glaube, ich kann das nicht.
Ich kann nicht ständig Neuanfänge aus dem Ärmel schütteln, aber ich kann auch nicht so weitermachen.
Ich kann gar nicht weitermachen im Moment und ich bin an einem Punkt angekommen, an dem es einfach nicht mehr geht.
Sonst ging es weiter, bzw. habe ich weitergemacht; hätte ich aufgehört, als es nicht mehr ging, sähe die Sache anders aus und du hättest, den alten Blog mit eingerechnet, um die 200 Einträge weniger zu lesen und die Welt ein Problem weniger.

Hast du jetzt erwartet, da kommt was in Richtung "So leicht mach ichs der Arschlochwelt aber nicht; jetzt erst recht" ?
Falsch gedacht.
Auch darüber bin ich lange hinaus. So fühlt es sich an, im Moment.
Vielleicht bin ich zu emotional. Hab aufgehört, dagegen anzukämpfen. Dagegen und gegen die Unsicherheit. Akzeptiere beides als gegeben, sieht man vom gelegentlichen Coolnessreflex ab, ging es ziemlich auf Kosten meines Selbstbewusstseins. Damit verbunden auf Kosten meines Humors, der jetzt wesentlich mehr zwischenmenschliche Sicherheit benötigt, um sich zu zeigen; solange bleiben schlechte Witze, dumme Bemerkungen und Idiotie als sichtbare Materialisierungen des Coolnessreflex'.

Sie hat gesagt, er überlegt, auszuziehen.
Ich wollte es gut finden, dann fiel mir ein, dass es nicht umsetzbar ist. Selbst, wenn er für Außenanlagen des Betriebs immer mal dort vorbeifährt, muss er doch regelmäßig ins Lager, das zum Haus dazugehört, und in den Keller.
Meine regenbogenfarben schimmernde Seifenblase zerplatzte wieder.
Aber manchmal, wenn ein wenig Zeit bleibt, werde ich ab jetzt auch davon träumen. Werde in Gedanken saubermachen in der Dreckbude, die unfertigen Wände zu Ende streichen und den Katzenkratzbaum aufstellen, werde mir ein Buch aus dem dann gekauften Billigbücherregal nehmen und mich ganz legal mit der Katze auf dem Bauch aufs Sofa legen, nicht zu früh und nicht zu spät schlafen gehen, und wenn mir danach ist, werde ich in jedem Zimmer Energiesparlampen einschrauben, wieder Pflanzen auf die Fensterbänke stellen, neue Vorhänge nähen oder zumindest die alten waschen, und wenn ich ein Päckchen bekomme, werde ich sicher sein können, dass es bei mir ankommt, ohne vorher gefilzt worden zu sein. Und wenn die Raben über den Pausenhof hüpfen und die Sonne so scheint, dass meine Regenbogengedankentraumseifenblase ganz besonders schön schimmert, kommt die alte Sache eventuell auch vor in der Geschichte.

So lange ich nicht einmal mehr fähig bin, meinen Verstand in Tagträumen und Wunschdenken zu versenken, bleibt nichts außer eben auf dem Scheiterhaufen mitzubrennen.
Could somebody save me please?
Einfach weiterexistieren. Selbst dafür reichts wohl nur ganz knapp.





c17h19no3, Samstag, 26. März 2011, 15:53
auf diese rettung habe ich auch lange gewartet. sie kommt aber nicht. das gute aber ist: man gewöhnt sich daran, dass nichts (gutes) passiert, wenn man es selbst nicht bewirkt. tagträumen ist dabei nicht falsch. es gibt so viel schönes da draußen. und dass man es sich bisweilen nicht vorstellen kann, heißt nicht, dass es nicht da ist.

fühl dich einfach mal aus der ferne umarmt. mein angebot des unterschlupfes bei uni- und stadterkundungswunsch steht immer noch.

gib dir ne chance. und mit (gesundem) appetit aufs leben klappt´s auch mit dem essen. dafür brauche ich auch kein psychogelaber von irgendwelchen ernährungsfuzzis mehr. kommt alles von selbst. die mittelmäßigkeit auch. ;)


mayhem, Montag, 28. März 2011, 18:15
ich glaube, es gibt diese momente, in denen man ausnahmsweise mal nicht selbst dafür sorgen kann, dass es einem gut geht. und nachdem prinzipiell erstmal auch niemand sonst befähigt ist, etwas zu unternehmen, gehts einem dann erstmal scheiße.

uni-und stadterkundungswunsch besteht durchaus, organisatorisch ists aber im momenteher schwer zu realisieren.
spätestens nächstes jahr in den sommferien ist der roadtrip im hippiebus quer durch deutschland, unigucken, aber fest eingeplant..

essenstechnisch wäre ja bei mir weniger ganz nett im moment, aber ich hab zur Zeit andere sorgen, als in meine alten klamotten passen zu wollen.
(das sowas mal von mir kommt)

ernährungsfuzzis stehe ich prinzipiell mit sehr viel skepsis gegenüber.



danke jedenfalls für deinen kommenar. man vergisst immer so schnell, dass es da draußen ja doch noch irgendwo andere menschen gibt.