Freitag, 13.05.11, nachts.
Ankunft beim Wettkampf: 23.35 Uhr, somit den angenehmen und noch komplett nüchternen Teil des Abends inklusive Filmgucken verpasst.
Ich sitze unent- und halb ausgeschlossen am Rand einer improvisierten Tanzfläche, während der schlechte DJ schlechte Chartsmusik spielt und die anderen tanzen. Unter ihnen befindet sich auch meine Mitsanitäterin, die sich aufführt wie sonst nur mit geschätzten 2 Promille und mich gelegentlich halbherzig auffordert, mitzutanzen, was ich jedes Mal ablehne, bis sie anfängt, ganz allein den vor längerer Zeit mal im Sportunterricht gelernten Tanz, eine interessante Kreuzung aus Aerobic und Striptease ohne Klamottenwerfen, aufführt und dabei lacht wie eine Bekloppte. Kurz entschlossen stelle ich mich dazu und mache mit, erstens bin ich übermüdet, zweitens verzweifelt, drittens soll sie sich nicht alleine zum Deppen machen, viertens bin ich mit der Gesamtsituation unzufrieden und fünftes brauche ich meine gesamte Selbstkontrolle morgen, es ist also strategisch klug, sie nicht vorher schon aufzubrauchen.
Es schließen sich uns zwei andere aus unserem Team an, und als wir fertig getanzt haben, bemerke ich, dass er mich beobachtet, was er auch weiter tut, obwohl ich zurückstarre. Meine Mitsanitäterin zerrt mich weg, weil sie Fox mit mir tanzen möchte, ich lehne dankend und schon etwas aggressiv ab, was sie nur noch mehr zu motivieren scheint und schließlich fliehe ich zur "Bar", an der es nur Wasser, Cola, Fruchtsaftschorle und Kindercocktails gibt, sind ja auch jüngere Gruppen da.
Als ich mit dem Rücken zur Barmannfrau, deren/desse Geschlecht ich nicht auf Anhieb ausmachen konnte, die/der aber deswegen auch etwas faszinierendes hatte, lehnte und halbgelangweilt eine zweifelhafte blaue Flüssigkeit durch einen Strohhalm trank, versank ich halb in Deprimiertheit, bis schließlich, eine gefühlte halbe Stunde später, der Leiter des Ganzen ihn von vorhin vorbeizerrte, zusammen mit ein paar anderen Leuten, vermutlich dessen Gruppe. Ich konnte die Wortfetzen "Tankstelle", "Alkohol kaufen", "seid ihr völlig bescheuert?" aufschnappen und schloss daraus, dass sie den restlichen Abend wohl im Schlafraum verbringen müssten. Kurzentschlossen machte ich mich auf den Weg, musste sowieso meine Sachen hochbringen, traute mich aber nicht, mit ihnen zu reden. Er guckte wieder, und sein Gesicht kam mir sehr bekannte vor.
Der restliche Abend verlief uninteressant, spontane Schwankungen zwischen Präsens und Präteritum in den Texten sind natürlich beabsichtigt.
Ich sollte schlafen, morgen früh um 7 gehts los.

Samstag, morgens.
Kackkinder.Ja, ganz eindeutig. Aufstehen um halb sechs,weil die noch nicht strafmündige und hochgradig minderjährige Hälfte der Teilnehmer am Vorabend schon früh ins Bett gegangen ist und jetzt ausgeschlafen hat, im Gegensatz zu mir. Der Rest scheint relativ wach zu sein, ich beschließe, die Gunst der frühen Stunde zu nutzen und ins Bad zu gehen,so lange sich davor noch keine kilometerlange Schlange gebildet hat.
Als ich die Tür öffne, ertönt ein dumpfes "Aua!", und als ich mit einem "Tschuldigung" eintrat, sah ich in das Gesicht von ihm vom Vorabend, das vermutlich genauso übernächtigt aussah wie ich. Wortlos wendete er sich wieder dem Waschbecken zu, unter dem er sich die Haare wusch, während ich meine wieder im Spontandutt verpackte, und als er sich aufrichtete, überlegte ich,ihn freundlich darauf hinzuweisen, dass er in meiner Gegenwart ruhig öfter in Boxershorts, mit freiem Oberkörper und nassem Haar rumlaufen könnte, entschloss mich aber dagegen, bin ja eher zurückhaltend.
Beim Frühstück kurze Begegnung an der Kaffeekanne, dann nichts mehr. Vor Wettkampfsbeginn setze ich mich in ein bequemes Fenster, eigentlich, um nochmal durchzuatmen und zumindest die Theorie zu wiederholen/überhaupt mal zu lesen, entscheide mich aber dagegen und suche mir meinen Block und einen Kugelschreiber.
nachmittags
Die Hemmschwelle sinkt, die Stimmung steigt, und ich hätte nie gedacht, dass es mir so egal sein kann, dass ich mich zum Deppen mache, und so völlig egal, was andere davon denken.
Nun, offensichtlich funktioniert das, vielleicht ja auch Gruppendynamik, jedenfalls gehören spontanes Tanzen und improvisiertes Schauspiel zusammen mit dem Rufen seltsamer Namen in noch seltsameren Momenten schon zum Standardverhalten dazu. Meine Gruppe färbt auf mich ab, vielleicht verhalte ich mich ja gerade auch wie eine normale 16jährige. Als der Kreativteil beginnt, neue Gruppen gebildet werden und er fast in meine gekommen wäre, überlege ich immernoch,woher ich ihn kenne, und als er schließlich auf der Bühne steht und spricht,fällt es mir wieder ein. Ich überlege, mich zu freuen, eine erneute Chance erhalten zu haben, ihn eventuell doch mal anzusprechen, doch leider fällt mir noch im selben Moment auf, dass das technisch schwierig werden könnte, und ein, dass da gewisse Unterschiede bestehen und der nette Junge, der ein bisschen älter wirkt als ich, ein bisschen größer ist als ich und fast so "erwachsen" (Achtung,Vorwurf von anderen) wirkt wie ich, zusätzlich gut eineinhalb Jahre jünger ist als ich.
Sicher, Beziehung auf keinen Fall. Aber Ablenkung ist ja ganz gut, eigentlich..
Seine Gruppe gewinnt in einer anderen Kategorie, wir gewinnen auch, und mit viel Glück sehen wir uns dann beim nächsten Wettbewerb. Ich schreibe während der Siegerehrung, zusammengekauert an der Hauswand sitzend und eigentlich nur, um meine Gedanken festzuhalten. Vielleicht spreche ich ihn ja doch an, schaden kanns nicht. Wenigstens, um ihm zu erklären, wie idiotisch es ist, bei einem Leiter wie diesem zu versuchen, nachts zur Tanke zu gehen und sich Wodka kaufen zu wollen, wenn man noch nicht mal Bier trinken darf.

abends.
Ich bin wieder daheim. Ich habe Angst, meine Selbstsicherheit ist wieder verschwunden, entweder das schlechte Gefühl oder das Unterbewusstsein sagen mir, dass es ein bisschen desasterlike wird und ich komme mir in kurzem Rock und Strumpfhosen so fett vor wie schon lange nicht mehr, werde mich aber trotzdem damit in die Absteige trauen, weil die Jeans auch mal wieder gewaschen werden müssten.
Noch Nägel lackieren, dann ganz langsam schminken, um viertel neun gehts los, Fahrgemeinschaft, auf in den Kampf.