...as we know it




Auf dem Weg zu meinem Termin bei der Frau, die hauptberuflich in seltsame Gehirne schaut, fühle ich mich relativ indifferent, hyperventiliere im Wartezimmer erstmal einfach so vor mich hin und habe auf dem Rückweg vom Heulen ganz verklebte Wimpern, dazu eine Liste, die ich abtelefonieren soll ("Ich darf Ihnen nur 10 Stunden geben, Sie brauchen aber mindestens mal ein bis zwei Jahre wöchentliche Therapie"), die Empfehlung, mir eine Tiefenpsychologin oder Traumatherapeutin zu suchen, und die Info, dass ich neben meiner Depressionsgeschichte auch noch ganz wunderbare Anzeichen einer dissoziativen Störung zeige, was sich aber nochmal jemand anderes genauer anschauen soll, vielleicht bin ich auch einfach nur komisch.

Am Abend davor habe ich Legolas laut eigener Aussage so ein bisschen das Leben gerettet.
Wir saßen vor Skype, stundenlang, er am Ende und ich für ihn der einzige echte Mensch auf der Erde, und er hat geheult und ich zwischendurch fast auch, aber wir haben uns zusammengerissen.
Erst ich, dann er.
Irgendwann hat er sich nicht mehr betäubt und leer gefühlt. Es hat mit Weltschmerz angefangen und sich, zu meinem großen Erstaunen, weiter gewandelt, zu richtiger Motivation, aus der Scheiße rauszukommen.
Ich sage ihm, dass ich das damals, in seinem Zustand, nicht so schnell geschafft habe, wie er, und er meint, er ist ja schließlich auch nicht alleine damit.


Am nächsten Tag (an dem ich ebenfalls meinen ersten Termin hatte) hat er es tatsächlich geschafft, sich in den Terminkalender einer Therapeutin zu quetschen, die erste Sitzung hinter sich, dabei mehr geheult, als ich, und ist ein bisschen verstört von den "Bei Ihnen isses fünf vor zwölf, Sie hätten schon viel früher kommen müssen!"-Aussagen, mit denen er wohl genauso bombardiert wurde, wie ich.

Er muss entscheiden, ob er sich für bis zu 6 Wochen einweisen lassen möchte (was ihm nahe gelegt wurde),
ich stehe wieder vor der unlösbaren Aufgabe, mit fremden Menschen zu telefonieren.
Wir sitzen uns wieder per Webcam gegenüber, jeder mit zwei Katzen neben sich, reden über Antidepressiva, die Sonnenfinsternis, seine Bands und die Kurzgeschichten, die ich früher geschrieben habe, und ich beschließe, dass das gut so ist.

Er hat das Waschlappen-Sein zurückgefahren und das schlechte Gewissen weggepackt, ich habe erfolglos versucht, ihn komplett aus meinem Hirn zu verdrängen; kalter Entzug is nich.
Küssen kann er wohl nach wie vor nicht, als Beziehungsgeschichte würde es nach wie vor nicht funktionieren (damit habe ich bisher kein Problem), aber mir tut es gut, mit ihm zu reden, umgekehrt ist es das Gleiche, und somit lass ich das jetzt erstmal so.


..and I feel fine.





arboretum, Freitag, 20. März 2015, 22:05
Ich weiß nicht, inwieweit Du Infos hinsichtlich der Kostenübernahme durch die Krankenkasse bekommen hast. Hier sind ein paar allgemeine Informationen, dies könnte auch noch interessant für Dich sein. Zudem könntest Du Dich auch noch bei Deiner Krankenkasse erkundigen, entweder steht dazu etwas auf deren Website oder Du schickst Ihnen eine Mail, wenn Du nicht telefonieren magst. Immerhin hast Du jetzt schon mal noch neun Stunden bei der Therapeutin.


mayhem, Dienstag, 24. März 2015, 04:22
In der Theorie sollte das übernommen werden, meinte auch die Therapeutin. Tante Emmas Seelenklempnerin ist Traumatherapeutin und hat laut ihr gerade noch 4 Plätze frei, eventuell ist die also auch eine Option. Sie weiß ja nicht, dass ich die Frau mayhem bin, von der ihr Tante Emma immer mal erzählt. Trotzdem..hm.

c17h19no3, Freitag, 20. März 2015, 23:02
muss nicht verkehrt sein. nur darfste dem armen kerl keine hoffnungen machen. verzweifelte menschen klammern schnell. gern auch an andere verzweifelte menschen. kenn ich ja von mir. ;)

hoffe, das ist ne gute therapeutin. meiner hat ja nicht so viel gebracht. sobald sie anfängt, nur mit den schultern zu zucken und lieb zu lächeln, weg. ;)


mayhem, Dienstag, 24. März 2015, 04:20
Er hat von sich aus deutlich (ja, er kann tatsächlich deutlich kommunizieren, wenn er will) gemacht, dass er aktuell keine feste Beziehung mit irgendjemandem möchte, weil er sich dazu aktuell nicht in der Lage fühlt.
Beim Rest höre ich sehr genau in mich hinein, ob und was mir gut tut, damit ich im Zweifelsfall die Notbremse ziehen kann, und vertraue darauf, dass er das auch so handhabt. Bin ja nicht seine Mutti, auf noch ein energieziehendes Anhängsel hab ich eigentlich keine Lust.

Nach der Sitzung fand ich sie ok, aber soll ja sowieso wo anders hin, somit hat sich das eh erledigt.

Schulterzucken und lächeln bedeutet in dem Kontext wohl Überlastung? Mir wurde ja auch gesagt, ich sei ein zu "anspruchsvoller und komplexer" Fall.