Montag, 25. Juli 2011
Thema: monolog
Die Tatsache, dass die alte Sache sich zwar gestern wieder meldete, aber nur, um nach meinem Rat bezüglich seiner neuen Auserwählten, die sich anscheinend nicht so abgeneigt zeigt wie sie es tat, hat mich erstaunlicherweise nur zutiefst verletzt, aber nicht in meinen Grundfesten erschüttert. Wohl, weil das Fundament schon längst zerbröckelt ist.
So tat es ein Stück weiter weh und ich erlebte mal wieder einen dieser Tage, die man wie in Watte gepackt wahrnimmt, nur gelegentlich drang ein Fetzen Negativgefühl, depressionsartig angehaucht, durch meinen Nebel. Wird wohl langsam (wieder?) zur Routine.
So überstand ich den Tag bis jetzt, vom Frühstück, das ganz stilecht aus Kaffee bestand,wie früher, wobei, eigentlich nicht, denn heute hatte ich noch Süßstoff drin, um das schreckliche Zeug irgendwie trinkbar zu machen,man wird weicher mit dem Alter, ich hätte mir eigentlich sogar ein wenig Milch genehmigt, entschied mich dann aber dagegen,wer weiß, was der Tag noch bringt, über das aufgezwungene nächste Frühstück in der Schule, in unserer wunderbaren Klassengemeinschaft, in dem ich mich von Luft und Selbstbeherrschung ernährte, über den Film, den wir danach sahen und der mir ein Stück weit den Magen so umdrehte, dass an Essen erst recht nicht zu denken war.
Fressbedürfnis nicht direkt vorhanden, nicht mehr seit gestern.
Der Film ist früher zu Ende als der eigentliche "Wandertag", der für uns keiner war, und so stehen mir genau 100 wunderbare Minuten Wartezeit bevor,die ich mit Schreiben zu verbringen gedenke, bis ich feststelle, dass ich entgegen meiner Gewohnheit weder Papier, noch Stift dabei habe und mein Passwort für die Schulcomputer nicht mehr funktioniert.
Also mache ich mich auf die Suche nach dem männlichen Antikörper, der zusammen mit mir und der Schulnebensitzerin die Kuriositätensammlung unserer lustigen Schulklasse darstellt. Auch, wenn er eigentlich nicht einmal positiv-kurios und tendentiell eher unsympathisch ist, so stellt er doch so etwas wie eine intelligente Lebensform dar und manchmal brauche ich geistreiche Unterhaltungen, in denen sich jemand überzeugt von meinen Ansichten zeigt, und so ist es ungeschriebene Tatsache, dass wir mehr oder weniger zusammen auf unsere Busse warten, wenn doch einmal Unterricht ausfallen sollte.
Doch der Antikörper hatte das undenkbare getan und war offensichtlich nach Hause gefahren, und mir fiel ein, dass wir ja sonst zur fünften Stunde warteten, die jetzt noch nicht einmal ansatzweise angebrochen war.
Somit blieb mir keine andere Ablenkung als ein Spaziergang zum örtlichen Buchladen, wo ich die 10 Euro, die sich in meiner Hosentasche fanden und die offensichtlich bereits mehrfach mitgewaschen wurden, gewinnbringend in ein geschätzt eher mittelmäßiges Buch investierte, auch, wenn ich eigentlich vorgehabt hatte, nur bis zum aufmodernisierten Bäckerladen mit Coffeshopanbindung zu gehen und mir dort einen Chai Latte zu holen, eventuell zur Feier des Tages einen großen. Den Buchladen erreichte ich genau zehn Minuten vor Mittagspause und das "Kann ich Ihnen helfen?" des Verkäufers wirkte etwas gequält, aber als ich dankend ablehnte und ihm schließlich mein Geld daließ für ein Buch, das zwar nicht schlecht klingt, aber auch nicht berauschend (vielleicht nehme ich es durch meinen geistigen Nebel auch nur nicht so richtig wahr), wirkte er wieder etwas versöhnt. Sobald ich draußen war, schloss er die Tür hinter mir ab und ich machte mich auf den Weg zurück zur Schule, sammelte nebenher ein Mädchen aus meiner Jahrgangsstufe ein und kam nicht dazu, das Buch zu lesen, weil ich so etwas tat wie mit ihr zu reden.
Smalltalk-like, wie immer, wenn ich mit den Wesen aus meiner Jahrgangsstufe rede, und ich verzichtete darauf, mit ihr zu diskutieren, als sie meinte, früher wäre es besser gewesen, denn jetzt drückten berufstätige Frauen, die keine Kinder wollen, sondern nur arbeiten, die Geburtenrate fast schon in den Negativbereich, und ich verzichtete auch darauf, mit ihr zu diskutieren, als sie mir erklärte, dass mein Vegetariersein eigentlich keinen Sinn mache, denn "irgendwas muss ja mit den Viechern auch gemacht werden, und son Schwein is ja sonst zu nichts nütze". War zu sehr in Nebel und dumpfem Seelenschmerz gefangen und wohl auch zu demotiviert für eine fruchtlose Grundsatzdiskussion.
Als ich in unsere Straße einbiege, steht das Auto der Vatersfreundin vor der Einfahrt, wie immer schrecklich geparkt als eine Blockade,Achtung, hier kommt keiner rein und niemand wieder raus, und mein Appetit verabschiedet sich ein Stück weiter. Seit einer Woche, nein, noch länger, sehe ich sie wirklich täglich, den ganzen verdammten Tag, dieses Wochenende sogar schon morgens und immernoch nachts, denn sie hat beschlossen,hier zu übernachten, und ich versuche, mich möglichst in mein Zimmer zurückzuziehen, von ihr regelmäßig mit einem "Dann geh in deine dunkle Kammer und mumifizier da drin" kommentiert. Ich vertrage keine positiv-familiäre Stimmung, erst recht nicht jetzt, auch wenn es sich ein Stück weit blöd anfühlt, meinen Vater, sollte er freundlich fragen, mit einem "Nein danke,ich trink keinen Kaffee mit" zu enttäuschen.
Aber Kaffetrinken hat sie erst eingeführt, und beim "Kaffeetrinken" ist immer auch ein Gebäckhaufen inklusive und so viel zwischenmenschliche Glücklichkeit, dass ich vermutlich den Kaffee vom Frühstück und die Luft vom zweiten Frühstück ausgekotzt hätte. Oder spontan auf die Straße gerannt wäre, um mich überfahren zu lassen. Wohl eher letzteres.
Somit sitze ich wieder hier,neben mir auf dem Nachttischschränkchen meine Tasse grüner Tee, eine halbleere Flasche Wasser und diverser Kleinkram, und versuche, den im Nebenzimmer rumwerkelnden vorlauten Elektriker, der immer so aggressivmachend laut seine hirnlos-dummen,möchtegernverarschenden Kommentare rausfeuert, nach Möglichkeit zu ignorieren.
Gefühlt würde ich gern den restlichen Tag damit verbringen, in einer Art Totenstarre zu schlafen, vielleicht werde ich es auch umsetzen, vorher muss ich aber diverse Planungsarbeiten dringendst in Angriff nehmen, was wieder den inzwischen so schwierig gewordenen und teilweise lästigen zwischenmenschlichen Kontakt fordert, für den mir Motivation und Nerven fehlen, und überhaupt verspüre ich soviel Lust auf das Ganze wie Jesus auf Karfreitag.