Samstag, 1. Oktober 2011
Vielleicht sind die Momente, in denen er gar nichts sagt, schlimmer als die der Endlosstreite. Vielleicht ist es schlimmer, wenn jeder Versuch, etwas zu erklären, vielleicht sogar, warum ich etwas getan habe oder nicht, sofort durch Wechsel auf Alltagsmodus erstickt wird.
Es ist schlimmer als die ewigen Explosionen der Vatersfreundin.

Wut oder Enttäuschung, etwas anderes scheint er mir nicht entgegenbringen zu können. Nicht mehr?
Sie sagt, sie versteht ihn immer mehr, nur im sich im nächsten Moment bei mir zu beschweren,dass sie ihn nicht versteht.

Wut oder Traurigkeit, manchmal auch die Angst, mehr scheine ich ihm nicht entgegenbringen zu können.
Wut, wenn ich wieder einmal vor die vollendeten Tatsachen des "du arbeitest dann mit" gestellt werde, Wut, wenn wieder irgendwas nicht funktioniert, wenn ich versuche, etwas zu sagen, irgendwas mit Gefühlen oder, schlimmer, was so los ist mit mir und bei mir, und ich wieder unterbrochen werde mit dem Hinweis, dass ich mal wieder Putzhinweis Nr.2 noch nicht ausgeführt habe, wenn er mir wieder erklärt, wie ich angeblich bin und was in meinem Kopf los ist, der Meinung ist, er würde mich besser kennen als ich, weil ich doch keine Ahnung habe, von garnichts, wenn er ihr wieder erklärt, wie ich doch angeblich bin, wenn er garnichts sagt, während sie wieder loslegt, angefeuert von seinen Erklärungen, die er vorher dargelegt hat, und sie mir wieder erklären will, was in seinem und meinem Kopf vorgeht, und genau wie er jedes Mal der Meinung ist, genau zu wissen, was ich denke und fühle.
Oft in diesen Momenten auch Traurigkeit.
Manchmal sogar Traurigkeit, wenn er nicht zu Hause ist.
Dass ich sowas wie Einsamkeit jemals kennen würde..
Oft folgt die Traurigkeit gleich auf die Wut, und sobald er das Haus verlassen hat oder zur Tagesordnung übergegangen und das Thema somit vorzeitig beendet ist, verkrieche ich mich in mein Zimmer und die Gefühle schlagen um.
Ich bin allgemein viel ängstlicher, als man das immer denkt, und in meinem aktuellen Versuch, dazu und zu meinen anderen tausend Schwächen zu stehen, stoße ich ihn noch mehr vor den Kopf als sowieso schon.

Das ist mehr als der übliche Eltern-Kind Konflikt.
Es ist Krieg und Leid und Hass und Leben.
Es macht mehr Probleme als die üblichen Konflikte, mir zumindest, und ich habe mich damit abgefunden, den Kontakt früher oder später völlig abzubrechen, aus Selbstschutz.

Und das tut weh. Oft genug. Nicht ganz so sehr, wenn die Wut vorne liegt, viel mehr, wenn die Traurigkeit die Führung übernommen hat. Aber es ist da.

Der Hass ist da, die Wut ist da, die Traurigkeit ist da, die Angst ist da.
Manchmal sind die die Momente wie damals, als er mich zum Bahnhof gebracht hat, bevor ich 400km in den Urlaub gefahren bin, und ich ihn sekundenlang abschiedsumarmt habe und ich fast geweint hätte und er glaube ich auch.
Viel öfter sind da die Momente, in denen ich das Gefühl habe, dass es nicht mehr geht, weil er mich mehr als nur verletzt. Und er weiß genau, dass er das tut. Und in diesen Momenten scheint er es zu genießen, vermutlich tut er das auch.
Vielleicht ist da danach ein schlechtes Gewissen, weil er weiß, dass er es wieder einmal geschafft hat, etwas zu sagen, was mich wieder ein Stück mehr in Richtung nichtsgehtmehr geschubst hat. Zum tausendsten Mal in den Abgrund.
Die Momente, in denen er nichts sagt. Die, in denen er zu viel vom falschen sagt. All das. Sie.


Und dann ist da noch ein kindliches "Ich hab meinen Papa lieb".
Unausgesprochen sitzt es in der Ecke, aus der es sich schon seit Jahren nicht rausbewegt hat.Vielleicht wartet es auf einen Moment, in dem es erwidert wird, ohne im nächsten Moment schon wieder dem Enttäuschungsschweigen, der erstickten Diskussion, der Strafpredigt oder einer erneuten verletzenden Aussage ins Gesicht blicken zu müssen.