Sonntag, 11. März 2012
Nächste Woche ist es also ein Jahr. Nicht in Tagen, aber dieses Jahr findet das Jubiläum statt, es ist das 10. Mal, damals war es das 9.Mal, also zählt es als ein Jahr.
Damals hörte sich das noch so
an.

Ein Jahr ist es her,dass ich mit der Mitgitarristin vor der Spelunke saß und auf die alte Sache samt Schwester wartete, nervös, wie immer, wenn es um ihn ging. Fast wäre ich umgekippt, als er dann auftauchte, so toll fand ich ihn. Wir waren gerade vom Piercer gekommen, mein rechtes Ohr pochte wie verrückt, aber schließlich war mir auch gerade ein Stab waagrecht durch den kompletten oberen Knorpelbereich gejagt worden, und als wir dann in der Spelunke saßen,war er gesprächig wie immer, nämlich garnicht.
Irgendwann löste sich das genauso in Luft auf wie die Nüchternheit der Mitgitarristin, leider wurde er nicht mir gegenüber gesprächig, sondern ihr, und in meine Verunsicherung aufgrund der Tatsache,dass da diese für mich so erwachsenen Fremden am Tisch saßen, mischte sich das Seelenleid, weil er da so einfach mit ihr redete. Was fiel ihm auch ein, diese fast Gleichaltrige, selbstsichere, offene Frau toller zu finden als mich?
An diesem Abend habe ich seine jetzige Freundin kennengelernt, und die Feindin.
Wir haben uns etwas irritiert angestarrt und es nicht geschafft, miteinander zu reden; die Feindin,damals noch braunhaarig, wechselte nur einen Satz mit mir und das wars auch.
Ich war also relativ alleine, mit der Mitgitarristin, die zeitweise mit dem Kopf auf dem Tisch lag, weil ich es in meiner Verunsicherung nicht geschafft hatte, sie vom Betrunkenwerden abzuhalten, und der Schwester der alten Sache, an die ich mich ein Stück weit klammerte, denn dieser Mensch, die Schwester, war sehr selten genervt von mir, eigentlich war sie das noch nie; und auch,wenn sie oft nicht versteht,was ich sage, tut sie wenigstens so, als würde sie es verstehen, und sie scheint mich zu mögen. Findet mich in Ordnung. Einfach so.
An diesem Abend war auch die Frau da, die irgendwie immernoch denkt, ich würde ihr Faust ausspannen wollen, und sie hat mein Verunsicherungsgefühl komplett gemacht, überhaupt wäre ich an diesem Abend am liebsten vom Erdboden verschluckt worden, aber dann hätte ich von der Seite der alten Sache weichen müssen, neben dem ich saß; und das war einfach keine Option.
Es hat angefangen, mir zu entgleiten, an diesem Abend;
Die oberflächliche Freundschaft zur Feindin hat angefangen, an diesem Abend.

Damals habe ich Faust wiedergesehen, nach Ewigkeiten, und den Intellektuellen, zwei Mitglieder dieser einzigartigen Theatergruppe, die wir waren und die wir zu Grabe getragen haben; sie ist zum akuten Problem geworden,das sich im Nachhinein zwar verabschiedet hat, aber nicht wie gewünscht; und es war der erste Schritt in Richtung mayhem 2.0.
Weil ich damals angefangen habe, zu lernen, dass diese Leute, egal, wie komisch sie wirken, mich nicht zwingend genauso schlecht finden wie ich das an manchen Tagen selbst tue.
Weil ich Gelassenheit geübt habe, die Gelassenheit, die trotz allem von der alten Sache ein bisschen auf mich übergegangen ist und manchmal die innere Ruhe auf den Plan treten lässt, von der ich nicht dachte, dass ich sie vor meinem 30. Geburtstag erreichen werde.

Nächste Woche um diese Zeit werde ich wieder nach Hause kommen, und ich werde schreiben, wie beim letzten Mal auch.
Wovon,das weiß ich noch nicht.
Wie ich überhaupt wieder heimkomme, auch noch nicht.

Letztes Mal ist der Intellektuelle gefahren, bei ihm war der Medizinstudent, der meinte, schade, dass ich noch so jung bin, eigentlich sei ich ja ganz süß; inzwischen hat er eine ganz süße Freundin, die jedes Mal hilflos große Augen macht,wenn er wieder fremdflirtet, wobei sie froh sein kann, wenn er nur das tut; monogame Beziehungen scheinen für ihn ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Aber es geht hier nicht um den Medizinstudenten, es geht darum,dass nächste Woche wieder die Welt untergehen wird.
Die Welt wird untergehen, mit einem lauten Knall und Spelunkenmusik im Hintergrund, und ich werde mittendrin sein und mit dem Weltuntergang anstoßen, entweder mit meinem stillen Wasser oder einem Guinness, und dabei werde ich ihm äußerst verwegen ins Gesicht grinsen, dem Weltuntergang, und sagen, na, altes Haus, schauste auch mal wieder vorbei.