Mittwoch, 14. März 2012
Ich habe "nein" zum Wettkampf gesagt.
Das war eine Überwindung, ich bin nicht gut darin, nein zu sagen, wenn alle erwarten,dass ich ja sage, aber ich habe es trotzdem getan.
Und heute hat die Chefin geschrieben, dass es schade ist,dass ich nicht mitgehe; dass dann ein wichtiger Teil der Gruppe fehlen würde. Erkundigte sich noch, ob es Zeitgründe wären, die die Schuld tragen.
Sie schrieb das so ganz ganz einfach , als wäre das eine der klarsten,selbstverständlichsten Tatsachen der Welt. Wenn du nicht mitgehst jetzt, dann fehlt ja ein wichtiger Teil unserer Mannschaft....
Einfach so schrieb sie das.
Sie sagt, ich bin ein wichtiger Teil der Mannschaft. Wichtig. Für die Gruppe. Ich.
Können Sie sich das vorstellen?

Die Chefin ist eine sehr bestimmte, praktisch nur in greifbaren Fakten denkende, direkte und einfache Person, normalerweise ist ein "nein" für sie ein "nein" und die Sache damit geklärt, ich ging davon aus,dass es auch beim Wettbewerb so sein würde, aber so war es nicht.
Sie hat nachgehakt.
Ich habe fünfzig Minuten gebraucht, um eine Antwort zu tippen, dabei zigmal gelöscht,was ich geschrieben habe, denn es ist gar nicht so einfach, eine Erklärung zusammenzuzimmern, die besser klingt als "Ich bin noch von den Gemeinschaftsspielen des letzten Mals verängstigt, fühle mich mit so vielen Menschen um mich herum fast genauso unwohl wie bei den Aktionen, und glaub mir, bei denen habe ich mich massivst unwohl gefühlt, weshalb ich auf mich selbst wirke wie die größte Nervensäge der Welt gleich nach Heidi Klums Stimme, außerdem komme ich nicht damit klar,wenn Menschen wie der Kommentator ihre überkindliche Seite heraushängen lassen und damit meine dann sowieso schon angegriffenen Nerven überstrapazieren und ich würde den gesamten Wettbewerb zusammengekauert in einer Ecke verbringen mit dem Gedanken, am liebsten von den Mauern hinter mir verschluckt zu werden, womit ich die Restgruppe ganz massiv stören und nerven würde".
Mir und ihr wollte ich nicht zumuten, diese Erklärung auszusprechen; ihr nicht, weil sie es nicht verstehen würde, mir nicht, weil.. sie es nicht verstehen würde.
Das altbekannte Problem, die Menschen, mit denen ich regelmäßig zu tun habe, sind einfach zu normal für mich.
Hirn abschalten und einfach reden ist nicht immer eine Lösungsmöglichkeit...

Meine Katze,die hat solche Probleme nicht. Wenn fremde Leute kommen, kann sie sich unter meiner Bettdecke oder auf meinen Armen verkriechen und mit dem sehr angenehmen Gefühl, in Sicherheit bei jemandem, der das alles versteht, zu sein und sich da festhalten zu können, dort bleiben, bis für sie die Gefahr gebannt ist.
Für gewöhnlich verstecke ich mich nicht unter Bettdecken, zudem habe ich es aufgegeben, mich auf den Arm nehmen zu wollen, mir bleiben also keine guten Flucht- oder Ausweichoptionen und ich muss das tun, was ich fast so schlecht beherrsche wie Großvater Mayhem sein Gerede unter Kontrolle hat: mich entscheiden, und das leider immer zwischen zwei Extremen.
Ich hätt' so gerne Mittelmaß...

In diesem Fall habe ich mich entschieden. Für Nein. Eigentlich.
Und dann kommt sie einfach da her und bezeichnet mich als Teil der Gruppe, als einen wichtigen noch dazu;
schlägt es mir ins Gesicht wie eine Ohrfeige, schlägt meiner Entscheidungsfestigkeit damit einen weiteren Zahn und meinem Verstand einen weiteren Teil seiner entscheidungsbezogenen Orientierungskraft heraus und erschüttert meinen Standpunkt bis in die Grundfesten, ganz selbstverständlich,ohne es zu wissen.
Und ich formuliere eine Erklärung, die nicht nach einem greifbaren Fakt, nämlich der Tatsache, dass ich an diesen Tagen bei der alten Sache eingeladen bin, aufhört, sondern erst endet, nachdem ich auch die abstrakten Gründe, die, die in der Gefühlsebene verwurzelt liegen, gezeichnet habe, mit Worten, so gut es eben geht, aber ich kann nicht gut zeichnen, glaube ich, nicht umsonst habe ich Kunst abgelegt, und ob die Bilder, die ich aus Worten entstehen lasse, besser sind, ist die Frage..

Und dann antwortet sie mir, die Chefin, und überrascht mich nicht mehr ganz so sehr.
Sagt,dass es kein Problem ist,wenn ich wo eingeladen bin, und dass sie mich hätte überzeugen wollen,wenn ich einfach keine Lust gehabt hätte. Punkt.
Am Schluss noch ein "Wenn wir dir helfen können, sag Bescheid".
Es wirkt wie eine Standardfloskel zum Beenden der Nachricht. Und das wars.

Keine bekloppten Spiele, keine blöden Aufgaben, keine nervigen Mitsanitäter, kein Isolationsgefühl,wenn alle tanzen, schwimmen oder sonstwas, nur ich nicht, keine Halbeinsamkeit in der Gruppe, keine Ultracoolen, die es schaffen, mir mit ihrem Stockbrot die Haarspitzen anzusengen,wenn der Dutt zum Zopf entrollt ist, keine Unterhaltungen mit dem Bedreadeten und keine Blickwechsel mit dem Mädchen,das hinter der vermeintlich alkoholfreien Bar steht, keine abwertenden weiblichen Blicke, wenn meine Gitarre und ich zusammen mit ein paar Anderen am Feuer sitzen und spielen.Keine Witze mehr, die nur unsere Gruppe versteht.

Der Wettkampf findet dieses Jahr ohne Frau Mayhem statt.
Und Frau Mayhem könnte gerade deswegen heulen.