Thema: monolog
18. März 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Faust und ich, wir laufen durchs Ghetto zur Wohnung der Kollegin, weil sie sich um halb elf mit der Begleitung abgeseilt, aber vorher versprochen hatte, den Ersatzschlüssel unter der Fußmatte liegen zu lassen, damit ich, auch, wenn sie bereits schlafen oder noch nicht da sein würde, das Haus betreten können würde.
Hinter mir liegen zu lange Stunden mit zu schlechter Musik, zu teuren Getränken und zu kalten Menschen, aber ich habe mit der Freundin der alten Sache geredet, er scheint ihrem Selbstbewusstsein gut zu tun und sie mag sowohl mich als auch meinen Humor.
Er hat nicht mit mir geredet, kein Wort hat er gesagt, keinen Ton von sich gegeben, nicht zur Begrüßung, nicht zum Abschied, nicht zwischendurch. Nichts. Auch,wenn ich geschrieben habe, dass ich es aufgebe, uns retten zu wollen, tat es weh. Es tut weh.
Nicht einmal ein Wort zum Abschied.
Faust und ich, wir reden übers glücklich sein, er zündet sich eine Zigarre an, ich nehme ein weiteres Hustenbonbon, und er sagt, er bewundert es, dass ich so daran festhalte, dass alles gut wird; dass gerade ich an sowas glaube.
Vielleicht bin ich naiv und halte mich an einer Utopie fest, um nicht völlig den Überblick zu verlieren, überlege ich laut.
Optimismus der Verzweifelten, lacht Faust, und muss fast so schlimm husten wie ich, allerdings ist er nicht seit einer Woche so erkältungsgeplagt, dass er nicht mehr richtig sprechen kann, sondern schlicht und ergreifend motivierter Raucher. Aber vielleicht bahnt sich doch einer Erkältung an;im Rahmen seines Studiums beschäftigt er sich gerade wieder mit Leichen und "gut gekühlt kann man die besser verarbeiten", hatte er mir mal mit seinem ganz eigenen Humor erklärt.
Irgendwann kommt er näher, aber nicht zu nah, Faust und ich, wir wahren immer unseren Höflichkeitsabstand, das ist etwas, woran er auch dann noch denkt, wenn er stockbesoffen ist, und ich finde das sehr rücksichtsvoll von ihm.
Eine Weile laufen wir so schweigend nebeneinander her, mit Höflichkeitsabstand, dann und wann raschelt eine Stadtkatze im Gebüsch oder eine Laterne flackert, um kurz auszufallen, sich wieder anzuschalten und dann sehr gelblich weiter zu leuchten, und man sieht sogar Sterne am Himmel.
"Sag mal, du wirst ja jetzt auch bald 18, oder?", erkundigt er sich. Noch einer, der es nicht abwarten kann, so, wie beinahe die komplette Truppe. Zumindest der Teil, der mit mir redet."Wie feierst du denn?"
Ich überlege kurz, nichts zu sagen.
Aber nachdem Faust daran gewöhnt ist, dass ich manchmal anders bin als der normale Rest der Welt, erzähle ich es ihm doch.
Zu meiner Überraschung lächelt er, das wärmste Lächeln, das ich bis jetzt in seinem Gesicht gesehen habe, und er sagt, nichts anderes habe er von mir erwartet.
Sind irgendwann bei der Kollegin angekommen,stehen noch zwei Minuten da und schweigen uns an, dann eine Abschiedumarmung,trotz Höflichkeitsabstand, er wünscht mir viel Glück für die Klausuren, ich wünsche ihm, dass er auch daran glaubt, dass alles gut wird, und dann macht er sich auf den Weg zurück in die Spelunke, zu den anderen, während ich den Ersatzschlüssel suche, finde und nach Betreten der Wohnung schonmal Teewasser aufsetze, weil die Kollegin noch nicht da ist, aber eigentlich auch bald auftauchen müsste.
Faust ist einer von den Guten, glaube ich.
Das war er also, mein grandioser Abend. Ohne Weinkrampf, ohne Schlagzeuger, ohne Fremden.
Ohne ein Wort mit der alten Sache zu wechseln.
War wohl ein Zeichen, mal wieder, das Schicksal winkt jetzt nicht mehr mit Zaunpfählen, sondern mit Baumstämmen, und das, was mal unsere Freundschaft war, die besondere, das ist nicht mehr da, und alles in mir sträubt sich dagegen, es wahrhaben zu wollen, ich bin eben doch naiv und kindisch.
Und weil ich naiv und kindisch und manchmal seltsam bin, werde ich mich dann, wenn es soweit ist und ich Geburtstag habe, ins Mayhem-Mobil setzen und losfahren.
Ein paar Stunden werde ich fahren, bis nach Prag.
Da werde ich den Tag verbringen und mich umsehen, dorthin gehen, wo sie auch war, und die Brücke suchen, auf der sie die Ohrringe gekauft hat, die Ohrringe, die ich vor der Vatersfreundin und dem Tod durch Wegwerfen gerettet habe.
Vielleicht werde ich mich feiern, in Prag, vielleicht auch einfach nur da sein.
Vermutlich wird außer Faust niemand wissen, wo ich bin, und selbst er wird es schon wieder vergessen haben, die Leichen und das restliche Studium verlangen ihm allerhöchste Konzentration ab.
Ich werde wahrscheinlich alleine nach Prag fahren, falls ich spontan sentimental werden sollte, reicht es, wenn sich die Prager wundern, was mit der Touristin, die nur Englisch, und vermutlich sogar das mit deutschem Akzent spricht,los ist, und überhaupt glaube ich nicht, dass jemand anderes meine Pragfahrt verstehen würde.
Vielleicht frage ich meinen Vater.
Vielleicht gehe ich dann einfach hin zu ihm und sage Papa, morgen früh gehts los, dann fahren wir nach Prag, du und ich. Du musst dir keine Sorgen machen wegen dem Benzin, ich fahre, und uns wird nichts passieren, weil ich gut genug Auto fahre.
Wir fahren nach Prag, Papa, weil meine Mama dort war und weil sie gesagt hat, dass es schön war, so wunderschön, und weil da ihre Ohrringe herkommen, die deine Freundin wegwerfen wollte, deine Freundin, die für mich immernoch so ungewohnt und deplatziert ist, der ich immernoch keinen Platz in meinem Leben einräumen kann und die dann bitte daheim bleibt.
Richtig, Papa, ich möchte nicht, dass sie dann mitfährt,ich möchte, dass wir das zu zweit machen.
Aber vermutlich hätte Papa Mayhem sowieso keine Zeit für so etwas, oder keine Lust, und er würde mich auslachen, weil ich so eine dumme Idee habe und sie auch noch umsetzen will.
Bestimmt wird er das tun, und dann werde ich sagen,wenn du das denkst, dann kann ich es auch nicht ändern, und dann fahre ich eben alleine.
Und dann werde ich mich ins Mayhem-Mobil setzen und losfahren, bis nach Prag werde ich fahren und meinen achtzehnten Geburtstag mit meinem gedankenschweren Hirn und meinem gefühlsüberladenen Herz dort verbringen; vielleicht kann ich ja etwas davon dortlassen und komme ein Stück leichter wieder zurück.
Hinter mir liegen zu lange Stunden mit zu schlechter Musik, zu teuren Getränken und zu kalten Menschen, aber ich habe mit der Freundin der alten Sache geredet, er scheint ihrem Selbstbewusstsein gut zu tun und sie mag sowohl mich als auch meinen Humor.
Er hat nicht mit mir geredet, kein Wort hat er gesagt, keinen Ton von sich gegeben, nicht zur Begrüßung, nicht zum Abschied, nicht zwischendurch. Nichts. Auch,wenn ich geschrieben habe, dass ich es aufgebe, uns retten zu wollen, tat es weh. Es tut weh.
Nicht einmal ein Wort zum Abschied.
Faust und ich, wir reden übers glücklich sein, er zündet sich eine Zigarre an, ich nehme ein weiteres Hustenbonbon, und er sagt, er bewundert es, dass ich so daran festhalte, dass alles gut wird; dass gerade ich an sowas glaube.
Vielleicht bin ich naiv und halte mich an einer Utopie fest, um nicht völlig den Überblick zu verlieren, überlege ich laut.
Optimismus der Verzweifelten, lacht Faust, und muss fast so schlimm husten wie ich, allerdings ist er nicht seit einer Woche so erkältungsgeplagt, dass er nicht mehr richtig sprechen kann, sondern schlicht und ergreifend motivierter Raucher. Aber vielleicht bahnt sich doch einer Erkältung an;im Rahmen seines Studiums beschäftigt er sich gerade wieder mit Leichen und "gut gekühlt kann man die besser verarbeiten", hatte er mir mal mit seinem ganz eigenen Humor erklärt.
Irgendwann kommt er näher, aber nicht zu nah, Faust und ich, wir wahren immer unseren Höflichkeitsabstand, das ist etwas, woran er auch dann noch denkt, wenn er stockbesoffen ist, und ich finde das sehr rücksichtsvoll von ihm.
Eine Weile laufen wir so schweigend nebeneinander her, mit Höflichkeitsabstand, dann und wann raschelt eine Stadtkatze im Gebüsch oder eine Laterne flackert, um kurz auszufallen, sich wieder anzuschalten und dann sehr gelblich weiter zu leuchten, und man sieht sogar Sterne am Himmel.
"Sag mal, du wirst ja jetzt auch bald 18, oder?", erkundigt er sich. Noch einer, der es nicht abwarten kann, so, wie beinahe die komplette Truppe. Zumindest der Teil, der mit mir redet."Wie feierst du denn?"
Ich überlege kurz, nichts zu sagen.
Aber nachdem Faust daran gewöhnt ist, dass ich manchmal anders bin als der normale Rest der Welt, erzähle ich es ihm doch.
Zu meiner Überraschung lächelt er, das wärmste Lächeln, das ich bis jetzt in seinem Gesicht gesehen habe, und er sagt, nichts anderes habe er von mir erwartet.
Sind irgendwann bei der Kollegin angekommen,stehen noch zwei Minuten da und schweigen uns an, dann eine Abschiedumarmung,trotz Höflichkeitsabstand, er wünscht mir viel Glück für die Klausuren, ich wünsche ihm, dass er auch daran glaubt, dass alles gut wird, und dann macht er sich auf den Weg zurück in die Spelunke, zu den anderen, während ich den Ersatzschlüssel suche, finde und nach Betreten der Wohnung schonmal Teewasser aufsetze, weil die Kollegin noch nicht da ist, aber eigentlich auch bald auftauchen müsste.
Faust ist einer von den Guten, glaube ich.
Das war er also, mein grandioser Abend. Ohne Weinkrampf, ohne Schlagzeuger, ohne Fremden.
Ohne ein Wort mit der alten Sache zu wechseln.
War wohl ein Zeichen, mal wieder, das Schicksal winkt jetzt nicht mehr mit Zaunpfählen, sondern mit Baumstämmen, und das, was mal unsere Freundschaft war, die besondere, das ist nicht mehr da, und alles in mir sträubt sich dagegen, es wahrhaben zu wollen, ich bin eben doch naiv und kindisch.
Und weil ich naiv und kindisch und manchmal seltsam bin, werde ich mich dann, wenn es soweit ist und ich Geburtstag habe, ins Mayhem-Mobil setzen und losfahren.
Ein paar Stunden werde ich fahren, bis nach Prag.
Da werde ich den Tag verbringen und mich umsehen, dorthin gehen, wo sie auch war, und die Brücke suchen, auf der sie die Ohrringe gekauft hat, die Ohrringe, die ich vor der Vatersfreundin und dem Tod durch Wegwerfen gerettet habe.
Vielleicht werde ich mich feiern, in Prag, vielleicht auch einfach nur da sein.
Vermutlich wird außer Faust niemand wissen, wo ich bin, und selbst er wird es schon wieder vergessen haben, die Leichen und das restliche Studium verlangen ihm allerhöchste Konzentration ab.
Ich werde wahrscheinlich alleine nach Prag fahren, falls ich spontan sentimental werden sollte, reicht es, wenn sich die Prager wundern, was mit der Touristin, die nur Englisch, und vermutlich sogar das mit deutschem Akzent spricht,los ist, und überhaupt glaube ich nicht, dass jemand anderes meine Pragfahrt verstehen würde.
Vielleicht frage ich meinen Vater.
Vielleicht gehe ich dann einfach hin zu ihm und sage Papa, morgen früh gehts los, dann fahren wir nach Prag, du und ich. Du musst dir keine Sorgen machen wegen dem Benzin, ich fahre, und uns wird nichts passieren, weil ich gut genug Auto fahre.
Wir fahren nach Prag, Papa, weil meine Mama dort war und weil sie gesagt hat, dass es schön war, so wunderschön, und weil da ihre Ohrringe herkommen, die deine Freundin wegwerfen wollte, deine Freundin, die für mich immernoch so ungewohnt und deplatziert ist, der ich immernoch keinen Platz in meinem Leben einräumen kann und die dann bitte daheim bleibt.
Richtig, Papa, ich möchte nicht, dass sie dann mitfährt,ich möchte, dass wir das zu zweit machen.
Aber vermutlich hätte Papa Mayhem sowieso keine Zeit für so etwas, oder keine Lust, und er würde mich auslachen, weil ich so eine dumme Idee habe und sie auch noch umsetzen will.
Bestimmt wird er das tun, und dann werde ich sagen,wenn du das denkst, dann kann ich es auch nicht ändern, und dann fahre ich eben alleine.
Und dann werde ich mich ins Mayhem-Mobil setzen und losfahren, bis nach Prag werde ich fahren und meinen achtzehnten Geburtstag mit meinem gedankenschweren Hirn und meinem gefühlsüberladenen Herz dort verbringen; vielleicht kann ich ja etwas davon dortlassen und komme ein Stück leichter wieder zurück.