Freitag, 31. August 2012
Mit dem Raucher telefoniert, von 20 Uhr abends bis 4.30 Uhr morgens.
Um sechs stehen wir wieder auf; er, weil er auf die Arbeit muss, ich, weil die Handwerker wieder kommen.

Wir haben geredet, anfangs noch zu dritt, weil der Fremde auch da war, Bandprobe zu zweit, aber dann hat er sich auf den Heimweg gemacht und mich mit dem Raucher alleine gelassen.
Kommen auch so gut klar, und als wir über Zwischenmenschliches reden, sagt er, er findet es auch so, wie es jetzt ist, gut, mit uns. Also, Freundschaft.
Und dass er, egal, was eventuell sonst ist, diese Freundschaft gerne behalten würde.
Der Musiker hatte Recht, als er sagte, wir sind welche von den Guten.
Und auch, wenn ich eigentlich übermüdet bin und noch aus ganz anderen Gründen in einer handfesten Krise stecke, freue ich mich und bin auch ein bisschen gerührt, und für einen Moment verdrängt das die Weltuntergangsstimmung.

Aber die Weltuntergangsstimmung ist stärker, und sie hat gerade neue Nahrung bekommen, denn es wird nicht nur die Band mit Unterstützung durch Ms Golightly, die Nachbarin und mich zum Konzert fahren, nein, da werden auch noch der Metalbruder und der Klischeeblackmetalfan sein,und mitten im Geschepper und Geschrei auch die Ghettoschwester.

Richtig, die Ghettoschwester. Die der Fremde zwischendurch abholt und später auf einen Geburtstag fährt, den Geburtstag seines Fangirlies.
Zum Raucher hat er gesagt, dass er wiederkommen wird. Man zweifelt; ob zu Recht, wird sich zeigen.

Für den Raucher nach einem Gespräch mit dem Fremden und unzähligen mal mehr, mal weniger gravierenden Enttäuschungen die letzte Chance für diesen, zu beweisen, dass ihre Freundschaft ihm am Herzen liegt.

Für mich der Test, wie oft ich auf die Fresse fallen und trotzdem so weitermachen kann,
und wie lange meine Hoffnung eigentlich hält.
Wann es mich wirklich in den Abgrund reißt, ohne wieder Aufstehen.
Nah dran, näher als sonst.
Aber das Gefühl habe ich jedes Mal. Und jedes Mal fühlt es sich schlimmer an als sonst, muss ich überhaupt noch erwähnen,dass es das ist?
Es tut weh, es zerreißt mich, es überlastet mich, ich weiß nicht, was ich und wie ich noch weitermachen soll.
Das Übliche.

Für mich davon abgesehen eine Chance.
Insgesamt drei Bands, die gerne Fotos hätten, eine davon nicht nur hier bei uns einigermaßen bekannt.
Eigentlich auch mal wieder eine nicht funktionstüchtige Kamera, aber wenn ich sie bis morgen zum Laufen bringe, kann ich Bilder machen, und was für welche ich dann machen werde, da werden sie alle gucken, jawohl.
Die kleine Samsung und ich, wir schaffen das.

Außerdem eine Herausforderung.
So viele fremde Menschen,so viel personifizierte Feierlaune in Form der Ghettoschwester, der Nachbarin und auch Ms Golightlys um mich herum; so viel Unsicherheit in mir drin.
Normalerweise alles Gründe, daheim zu bleiben, oder Kriemhild in die Absteige zu begleiten,wie früher; aber es ist nicht wie früher, da sind andere Leute, die auch irgendwie Freunde sind, und außerdem habe ich gerade keine Zeit, mich von meinen eigentlichen Ängsten überrennen zu lassen, also sehe ich es als Herausforderung, die es zu schaffen/meistern gilt, und werde dabei ironischerweise von den anderen Ängsten, der Unsicherheit, fest im Schraubstockgriff gehalten.

So viele ernsthafte Gespräche geplant.
Ich mit der Ghettoschwester. Weil ich es ihr sage, todesmutig, in der Hoffnung, dass sie Rücksicht nimmt, irgendwie.
Der Raucher mit dem Fremden. Weil er sich Sorgen macht, er weiß doch, was zuviel trinken mit einem machen kann, sagt er; und weil der Unfallfahrer des Autos, von dem wir dachten, es sei das des Fremden, gestorben ist. 21 oder 22 müsste er gewesen sein. Vor drei Jahren auf dem Rummel gesehen, zwischendurch nochmal über den Weg gelaufen, abgeheftet, kennt man nicht mehr.
Jetzt die Meldung, dass er gestorben ist.

Ms Golightly mit dem Fremden.
Weil ich erst Klartext geredet habe und sie es jetzt versucht, unabbringbar in ihrem Trotz und ihrer Gereiztheit durch de Situation und mein Leid; die letzte Hoffnung kommt von außen, in dem Fall der Hinweis , dass er sich, bei allem Interesse, das ich vermutlich habe (hören Sie mein verzweifelt-irrsinniges Lachen bei "vermutlich"?), mal zusammenreißen und auch mal was sagen/machen sollte.

Vielleicht aber auch nur ich mit dem Fremden.
Obwohl ich es erst auf dem Festival versucht habe, obwohl ich verunsichert bin bis ins Knochenmark, Angst habe vor jeder potenziellen Reaktion oder davor, komisch zu wirken, auch, wenn meine Intuition schon die richtigen Worte finden und spontan gut entscheiden wird, was ich sage und was nicht.

Nicht, weil ich mutig geworden bin, das bin ich noch lange nicht, zumindest nicht in der Hinsicht, und auch nicht, weil man eine klare Tendenz ausmachen könnte, oder weil ich schlagartig die Fähigkeit,in emotionalen Situationen die perfekten Worte zu finden, entwickelt habe, oder weil ich noch jemanden suche, der mit mir zum Abschiedskonzert von Thoughts Paint The Sky (wie auch immer sich das mit meinen Schulzeiten vereinbaren lässt) geht,

sondern einfach, weil er mein Herz hat.