Sonntag, 11. November 2012
Thema: monolog
Wie immer nach nur zwei Stunden Schlaf und noch halb vom Vortag geschminkt aus dem Bett des Rauchers gekrochen, Tee, beziehungsweise für ihn Kaffee gemacht und Frühstück gesucht (vergeblich), er nimmt mit den Tortillachips vom gestrigen Abend vorlieb, ich finde noch ein paar Kekse; anschließend im Bad stehen, Zähneputzen und den jeweils anderen mit der eigenen optischen Durchgeficktheit zum Schmunzeln bringen; danach legt er sich und seinen kaputten Rücken wieder auf dem Sofa ab, während es für mich heißt aufhübschen, zurechtmachen, seriös wirken. Seminarveranstaltung, mal wieder.
Auf dem Weg vom improvisierten Parkplatz zur Halle den Automechaniker auf seiner Privatnummer angerufen und nochmal betont, dass der Sensor alias das Einzige, was mich von einem korrekt funktionierenden Auto trennt und gleichzeitig das, was das Ruckeln und stottern und Ausfallen verursacht, sofort morgen bestellt werden soll. Ja, dringend.
Nein, ich kann nicht bis nächste Woche warten.
Danke, freut mich, schönen Sonntag noch.
Auf dem Weg zurück zum improvisierten Parkplatz die übrig gebliebene Angst (Reden vor fremden Menschen) ansatzweise zur Seite gewischt, die Nachbarin angerufen, ob heute Abend alles klappt, keine Reaktion, dafür aber einen kleinen Nervenzusammenbruch bekommen, dann tief durchgeatmet und beschlossen, dass keine Reaktion bedeutet, alles ist in Ordnung.
Also habe ich heute um 19 Uhr ein Gespräch mit meinen zukünftigen Vermietern.
Alleine.
Versuche, mich zu beruhigen und rede auf mich ein wie auf einen Boxchampion, dessen übermächtiger Gegner drei Köpfe größer und zwanzig Kilogramm Muskelmasse schwerer ist, und ich wäre beinahe im stabilen Bereich angekommen.

Und dann schreibt der Fremde.
Versucht es wieder über den Standardeinstieg, semi-lustige Memebildchen zu den immer gleichen Themen, und ich zeige mich neutral-freundlich, gebe ihm hoffnungsvoll eine Vorlage, um ein etwaiges Gespräch zu beginnen, eine richtig gute sogar, aber er ignoriert sie und haut lieber einen herzlosen Smalltalkfetzen raus und erstickt eine Unterhaltung damit sehr effektiv im Keim. Die obligatorischen Gesprächspausen, wieder Memebildchen, wieder Pausen, dann wieder ein Standardspruch.
Tut weh, ziemlich sogar, und früher hat er wenigstens ansatzweise versucht, sich Mühe zu geben, aber ich dränge das, was wehtut, etwas zur Seite, denke mir, dann eben nicht und belasse es, nach einer längeren Schweigepause meinerseits, schließlich bei einer kurzen Antwort.
Auf die natürlich sofort reagiert wird.
Ich lasse ihn wieder warten, so, wie ich darauf warte, dass es vorbeigeht.
Ich will keine Freundschaft-als-wäre-nichts-gewesen, ein geschreddertes Herz ist nicht "nichts", emotionaler Weltuntergang ist nicht "nichts", das, was da weh tut, ist eindeutig wesentlich mehr als "nichts".
Und ich will nicht in der Endlosschleife um Verzweifeln und Hoffen gefangen bleiben, aber ich finde den Weg nach draußen nicht, und ich habe Angst, dass "einfach weiteratmen, alles wird gut" diesmal keine Option ist, diesmal ist es schlimmer als sonst, diesmal tut es mehr weh, viel mehr, und ich weiß nicht, was ich noch machen soll, von wegen Abhärtung und dickes Fell, es wird ja doch jedes Mal schlimmer.
Als er nicht mehr antwortet, starte ich keinen weiteren Versuch, das Gespräch am Laufen zu halten oder es zu reanimieren, wie ich es sonst immer getan habe.
Es kommt auch keine Antwort zurück.
Dafür die Vatersfreundin an, und zur Feier des Tages werde ich sogar gefragt, ob ich mitessen will. Was es gäbe? Cordon Bleu. Danke, kein Bedarf.
Immer noch nichts von ihm; dann Symbolwechsel und er ist offline.
Ja, es tut weh.




(1/5)