Thema: oh happy day.
25. November 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
You will find me on the edge of my
own decay..
Ich will an Weihnachten nicht da sein.
Und ich werde an Weihnachten nicht da sein.
Während die Vatersfreundin tobt und Papa Mayhem immerhin eine Reaktion zeigt, indem er ihrem markerschütternden Geschrei zustimmt und dann weiter in der Werkstatt rumschraubt, ich mich auf meinem Bett zusammenrolle und versuche, weiterzuleben und der Elektriker dumme Sprüche raushaut, sage ich es mir immer wieder. Du musst Weihnachten nicht da sein und du wirst Weihnachten nicht da sein.
Für den Tag mit dem Teil der Quasi-Geschwister, der noch was mit seiner Mutter alias der Vatersfreundin zu tun haben will, habe ich schon vorgestern abgesagt, ich kann das nicht.
Und jetzt das hier. Geht auch nicht mehr.
Versuche, mich etwas zu strecken, merke aber, dass dann das Verlorenheitsgefühl größer wird und verzichte somit darauf.
Stattdessen zusammengerollt bleiben, einfach weiteratmen.
Am Fenster mit meinem provisorischen Minivorhang, der den richtigen, den die Vatersfreundin vor ein paar Wochen "zum Waschen" einfach geholt, aber nie wieder zurückgebracht hat, nur sehr schlecht ersetzt, stehen die Vatersfreundin und der Elektriker, ganz nah dran, bestimmt hinterlassen sie Atemtrübungen, und sie raucht und schimpft und deutet und sagt, da schau, das faule Stück, liegt nur im Bett.
Ich rolle mich weiter zusammen und stelle mir vor, in der Kleinstadt zu sein.
Auf dem Sofa zu liegen, beim Raucher, oder im Arm des Rauchers, der das alles nicht versteht und jedes Mal wieder sagt, das geht noch nicht. Die können dich doch nicht so behandeln.
Können sie aber.
Und als die Vatersfreundin endlich vom Fenster weggeht, füttere ich Kater Mayhem und verspreche ihm, über Nacht wieder da zu sein, packe das Notwendigste ein, setze mich ins Mayhemmobil und fahre in die Kleinstadt.
Ich kann mich von einem Zwischenstop im Supermarkt überzeugen; wenn ich schon ungeplant vor der Tür Ms Golightlys oder des Rauchers stehen werde, will ich wenigstens Bier oder eine Flasche Wein und Ausgangsmaterial für ein Abendessen mitbringen, zur Entschädigung.
Als ich bei den Zeitschriften ankomme, hat sich auch mein Inneres wieder halbwegs ausbalanciert und meine Angst wegen den möglichen Folgen meiner Spontanflucht führt, zusammen mit dem Eindruck, irgendwie aufdringlich zu sein, zu einem derart unguten Gefühl, dass ich die Sachen zurücktragen und wieder heimfahren will. Keinesfalls aufdringlich sein.
Mache ich auch soweit, alles zurücktragen und wieder rausgehen, aber neben meinem Mayhemmobil steht inzwischen nicht mehr nur eine Bundeswehrkarre auf der rechten Seite , sondern auch das metallic-blaue, beinahe 180 Grad zu schief eingeparkte Auto des Musikers, auch erkennbar an den überdimensionierten Plüschwürfeln, die am Innenspiegel hängen, auf der linken, und beide zusammen haben mich, in Kombination mit der Mauer, die vor mir in die Landschaft geworfen wurde, nach allen Regeln der Kunst eingekesselt und zugeparkt, ich habe keine Ahnung, wie ich in mein Mayhemmobil kommen soll, solange niemand wegfährt.
Also warte ich und versuche dabei, mich wieder ein bisschen zu stabilisieren. Land gewinnen, ich will nicht in mir selbst ertrinken, oder in der großen Welt draußen.
Ich bin doch Nichtschwimmer.
Und ich will mir sagen, irgendwann, da wird alles gut. Geht aber nicht, macht alles nur schlimmer und ich will anfangen zu weinen und fühle mich ausgesetzt wie ein Marienkäfer auf der Überholspur der Autobahn.
Aber ich bin es ja, die alles kaputt macht.
Nicht die Vatersfreundin, auf keinen Fall. Alles meine Schuld, sagt sie.
Dass sie angeblich genauso kaputt sei wie meine Mutter, und dass ich daran Schuld wäre. Bei ihr und bei meiner Mutter.
Sagt sie und tut so, als trüge sie das Leid der Welt auf ihren Schultern und mich noch dazu.
Als würde es mir nichts ausmachen.Unverwundbar, unsensibel, ignorant. Wie ich es eben bin.
Als der Musiker und der Raucher den Supermarkt verlassen, bin ich nahe am Untergehen und, was meine Fahrtüchtigkeit betrifft, deswegen vermutlich jenseits von Gut und Böse.
Selbst der Musiker merkt es, obwohl ich nicht mehr als Hallo gesagt habe, lädt seinen Kram alleine ein und sagt, er würde dann später mit dem Bier und dem Fresskram vorbeikommen und mir den Raucher jetzt erstmal da lassen . Ob er uns zu dessen Wohnung fahren solle.
"Passt schon, so weit ist das ja nicht, werde ich schon schaffen. Aber danke."
-"Kein Ding, kein Ding!" Er steigt in sein Auto, schmettert meine Entschuldigungs- undAusreden Erklärungsversuche ab, sagt, das ist schon ok so, und dass er es als eine entsprechende Entschädigung ansieht, wenn wir heute Abend mit ihm ins Kino gehen und einer von uns fährt.
In Gedanken bin ich wieder bei der Bitchparty und dem Moment, in dem er gesagt hat, wir seien die drei Musketiere.
Vielleicht ist das gerade der "einer für alle"-Moment, denke ich mir und rutsche wieder ein Stück weiter ab in Richtung weinen.
Der Raucher vor mir sieht mich so undefinierbar an, dann nimmt er mich wortlos in den Arm, endlos lange, Weltstillstand.
"Du musst da weg." Er hält mich weiter fest, irgendein Kind schreit, weil es kein Spongebob-Überraschungsei bekommen hat und vielleicht sind da irgendwo Leute, die verständnislos schauen, aber das ist jetzt egal, und ich versuche wieder, mich zu beruhigen, irgendwie die Balance zu finden und die Fassung nicht völlig zu verlieren, während er es wieder sagt, und noch ein drittes und viertes Mal. "Du musst da weg."
Dann drückt er mich nochmal und fragt, ob ich mit zu ihm möchte, und ich antworte wahrheitsgemäß, eigentlich hatte ich das vor, aber ich kann doch nicht einfach so auftauchen, deshalb habe ich kehrt gemacht und gewartet, bis ich irgendwie ausparken kann, um wieder heim zu fahren.
Und er antwortet, ich würde heute nirgends hinfahren, außer jetzt mit zu ihm; zu "der Psychopathin" würde er mich jedenfalls nicht wieder einfach so lassen.
Dass es in Ordnung ist, und ich mich nicht aufdränge, und ich fast jederzeit vorbeikommen könne.
Ohne zu fragen, was passiert ist, und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
In der Raucherwohnung riecht es nach Bratenfleisch, Nudeln und Soße, seine Mutter war zwischendurch hier und hat mehrere Behälter voll Essen dagelassen, darunter auch einen etwas kleineren, in dem nur Nudeln und Soße schwimmen. "Für mayhem" steht auf dem Haftnotizzettel, der am nicht ganz geschlossenen Deckel klebt, und kurze Zeit später folgt in einem Telefonat unter anderem der Hinweis, dass der Raucher endlich lernen solle, selbstständig zu kochen, damit nicht immer ich das Kommando übernehmen und mir selbst so grundlegende Dinge wie Gewürze oder einen normal großen Kochtopf von seinen Eltern borgen müsse, wenn es was anderes als Fertigfutter geben soll.
"Und wehe, du isst ihr die Nudeln weg, ich habe extra mehr gekocht. Das Mädchen braucht was Vernünftiges zu essen, sonst fällt sie uns noch vom Fleisch!"
Die Rauchermutter schreit jedes Mal so laut ins Telefon, dass man sie auch dann noch hört, wenn man nur nebendran sitzt und gedankenleer die Decke anstarrt, während der Raucherhund fröhlich vor sich hin sabbert und dabei nur knapp neben meinen Füßen auf den Boden tropft.
-"Ja,Mama..."
"Und frag sie mal, ob es ihr gesundheitlich gut geht. Ist ja ganz blass, das arme Mädchen. Wobei, Vegetarierin ist sie ja auch, hast du gesagt. Wird wohl daran liegen.
Oder Stress, Abitur macht sie ja gerade, hast du gesagt."
-"Ja,Mama..."
"Frag sie mal, was sie hat, und ob sie Schüsslersalze dagegen nimmt, wenn nicht kann ich ihr sagen,welche sie braucht."
-"Ja, Mama..."
"Kann man ja nicht mit ansehen, das arme Mädchen.
Dass ihre Eltern da nichts sagen..."
Ich fühle mich gleich noch ein Stück schlechter im Angesicht so viel mütterlich-resoluter Fremdfürsorge und bitte den Raucher, seiner Mutter ein Danke auszurichten.
"Ach, die is immer so, das is schon ok.
Und du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, wenn sich zur Abwechslung mal wer um dich kümmert und dich nich alleine in der Scheiße lässt."
Bitte lass mich nicht allein.
Um 19Uhr fahren wir los und sammeln den Musiker ein, um 20.15 Uhr sitze ich neben dem Raucher im Kino, warte darauf, den zweiten 3D-Film meines Lebens zu sehen und stelle fest, dass Werbung auch dann nicht besser wird, wenn man sie in dieses Format packt und einem die Hightech-Zahnbürste (oder die Brüste der weiblichen Hauptdarstellerin des Werbefilmchens) förmlich entgegen springen.
"Gib mal bitte mein Zeug rüber."
Der Musiker, der auf der anderen Seite des Rauchers sitzt, hat kurz vor Abfahrt noch eine Tüte Gummibärchen und eine Tafel Schokolade in meine Tasche geworfen, um nicht auf die völlig überteuerten Kinosüßigkeiten angewiesen zu sein, und strahlt wie ein Kind an Weihnachten, als er sie in der Hand hält und mit Kinobier runterspülen will.
"Die müssten Taschenkontrollen einführen", findet der Raucher, "allein schon, damit niemand sowas bringt. Schokolade und Hefeweizen, da wird mir schon schlecht, wenn ich zuschau."
-"Brauchst ja nicht hingucken. Banause."
Irgendwo zwischen Gemetzel Nummer fünf und sieben vergrabe ich meinen Kopf an der Schulter des Rauchers.Sicherheit suchen, Vertrautes riechen, von der Welt abschotten. Unendliche Müdigkeit.
Irgendwann wird alles gut. Sage ich mir, nur halb überzeugt, und sagt mir der Raucher, der fest daran glaubt, und als wir wieder im Auto sitzen, und mir die Nachbarin per SMS versichert hat, dass ihr Vater noch wach und in einer halbwegs wutbefreiten Phase ist, leihe ich mir das Raucherhandy, weil seine Flatrate auch fürs Festnetz gilt, und rufe an, entschuldige mich dafür, dass es so lange gedauert hat, bilde mir ein, die Vermieterin ein "Mach es nicht, mach es bloß nicht" im Hintergrund zischen zu hören, schaffe es aber schließlich, eine positive Antwort aus ihrem Mann herauszukitzeln und einen Termin fürs abschließende Gespräch zu bekommen.
Für einen kurzen Moment herrscht Stille , dann umarmen mich der Raucher und, so gut es von der Rücksitzbank aus eben geht, der Musiker so fest, dass mir einen Moment die Luft wegbleibt, und irgendwo aus dem Untiefen meiner dämonischen Seele kommt ein mädchenhaft-meerschweinartiges Quietschen und ich sage, was die Vermieterin gesagt hat, und dass ich die dumme Kuh wegdiskutiert habe, und freue mich so lange, bis ich das Handy wieder an den Raucher zurückgeben will.
Dann stelle ich fest, dass der Touchscreen wieder nicht wollte, wie er sollte, und ich noch nicht aufgelegt habe.
Hups.
Eventuell also dann ein etwas unentspannteres Gespräch mit Tendenz zum ultimativen Showdown, sollte ich mich wirklich verhört haben.
Montag, 20.15 Uhr, weil der Vermieter vorher die Tagesschau sehen will. Primetime.
Eventuell ist da Angst.
Aber vielleicht muss das so.
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Zitat aus Edge of Decay von Thoughts Paint The Sky
own decay..
Ich will an Weihnachten nicht da sein.
Und ich werde an Weihnachten nicht da sein.
Während die Vatersfreundin tobt und Papa Mayhem immerhin eine Reaktion zeigt, indem er ihrem markerschütternden Geschrei zustimmt und dann weiter in der Werkstatt rumschraubt, ich mich auf meinem Bett zusammenrolle und versuche, weiterzuleben und der Elektriker dumme Sprüche raushaut, sage ich es mir immer wieder. Du musst Weihnachten nicht da sein und du wirst Weihnachten nicht da sein.
Für den Tag mit dem Teil der Quasi-Geschwister, der noch was mit seiner Mutter alias der Vatersfreundin zu tun haben will, habe ich schon vorgestern abgesagt, ich kann das nicht.
Und jetzt das hier. Geht auch nicht mehr.
Versuche, mich etwas zu strecken, merke aber, dass dann das Verlorenheitsgefühl größer wird und verzichte somit darauf.
Stattdessen zusammengerollt bleiben, einfach weiteratmen.
Am Fenster mit meinem provisorischen Minivorhang, der den richtigen, den die Vatersfreundin vor ein paar Wochen "zum Waschen" einfach geholt, aber nie wieder zurückgebracht hat, nur sehr schlecht ersetzt, stehen die Vatersfreundin und der Elektriker, ganz nah dran, bestimmt hinterlassen sie Atemtrübungen, und sie raucht und schimpft und deutet und sagt, da schau, das faule Stück, liegt nur im Bett.
Ich rolle mich weiter zusammen und stelle mir vor, in der Kleinstadt zu sein.
Auf dem Sofa zu liegen, beim Raucher, oder im Arm des Rauchers, der das alles nicht versteht und jedes Mal wieder sagt, das geht noch nicht. Die können dich doch nicht so behandeln.
Können sie aber.
Und als die Vatersfreundin endlich vom Fenster weggeht, füttere ich Kater Mayhem und verspreche ihm, über Nacht wieder da zu sein, packe das Notwendigste ein, setze mich ins Mayhemmobil und fahre in die Kleinstadt.
Ich kann mich von einem Zwischenstop im Supermarkt überzeugen; wenn ich schon ungeplant vor der Tür Ms Golightlys oder des Rauchers stehen werde, will ich wenigstens Bier oder eine Flasche Wein und Ausgangsmaterial für ein Abendessen mitbringen, zur Entschädigung.
Als ich bei den Zeitschriften ankomme, hat sich auch mein Inneres wieder halbwegs ausbalanciert und meine Angst wegen den möglichen Folgen meiner Spontanflucht führt, zusammen mit dem Eindruck, irgendwie aufdringlich zu sein, zu einem derart unguten Gefühl, dass ich die Sachen zurücktragen und wieder heimfahren will. Keinesfalls aufdringlich sein.
Mache ich auch soweit, alles zurücktragen und wieder rausgehen, aber neben meinem Mayhemmobil steht inzwischen nicht mehr nur eine Bundeswehrkarre auf der rechten Seite , sondern auch das metallic-blaue, beinahe 180 Grad zu schief eingeparkte Auto des Musikers, auch erkennbar an den überdimensionierten Plüschwürfeln, die am Innenspiegel hängen, auf der linken, und beide zusammen haben mich, in Kombination mit der Mauer, die vor mir in die Landschaft geworfen wurde, nach allen Regeln der Kunst eingekesselt und zugeparkt, ich habe keine Ahnung, wie ich in mein Mayhemmobil kommen soll, solange niemand wegfährt.
Also warte ich und versuche dabei, mich wieder ein bisschen zu stabilisieren. Land gewinnen, ich will nicht in mir selbst ertrinken, oder in der großen Welt draußen.
Ich bin doch Nichtschwimmer.
Und ich will mir sagen, irgendwann, da wird alles gut. Geht aber nicht, macht alles nur schlimmer und ich will anfangen zu weinen und fühle mich ausgesetzt wie ein Marienkäfer auf der Überholspur der Autobahn.
Aber ich bin es ja, die alles kaputt macht.
Nicht die Vatersfreundin, auf keinen Fall. Alles meine Schuld, sagt sie.
Dass sie angeblich genauso kaputt sei wie meine Mutter, und dass ich daran Schuld wäre. Bei ihr und bei meiner Mutter.
Sagt sie und tut so, als trüge sie das Leid der Welt auf ihren Schultern und mich noch dazu.
Als würde es mir nichts ausmachen.Unverwundbar, unsensibel, ignorant. Wie ich es eben bin.
Als der Musiker und der Raucher den Supermarkt verlassen, bin ich nahe am Untergehen und, was meine Fahrtüchtigkeit betrifft, deswegen vermutlich jenseits von Gut und Böse.
Selbst der Musiker merkt es, obwohl ich nicht mehr als Hallo gesagt habe, lädt seinen Kram alleine ein und sagt, er würde dann später mit dem Bier und dem Fresskram vorbeikommen und mir den Raucher jetzt erstmal da lassen . Ob er uns zu dessen Wohnung fahren solle.
"Passt schon, so weit ist das ja nicht, werde ich schon schaffen. Aber danke."
-"Kein Ding, kein Ding!" Er steigt in sein Auto, schmettert meine Entschuldigungs- und
In Gedanken bin ich wieder bei der Bitchparty und dem Moment, in dem er gesagt hat, wir seien die drei Musketiere.
Vielleicht ist das gerade der "einer für alle"-Moment, denke ich mir und rutsche wieder ein Stück weiter ab in Richtung weinen.
Der Raucher vor mir sieht mich so undefinierbar an, dann nimmt er mich wortlos in den Arm, endlos lange, Weltstillstand.
"Du musst da weg." Er hält mich weiter fest, irgendein Kind schreit, weil es kein Spongebob-Überraschungsei bekommen hat und vielleicht sind da irgendwo Leute, die verständnislos schauen, aber das ist jetzt egal, und ich versuche wieder, mich zu beruhigen, irgendwie die Balance zu finden und die Fassung nicht völlig zu verlieren, während er es wieder sagt, und noch ein drittes und viertes Mal. "Du musst da weg."
Dann drückt er mich nochmal und fragt, ob ich mit zu ihm möchte, und ich antworte wahrheitsgemäß, eigentlich hatte ich das vor, aber ich kann doch nicht einfach so auftauchen, deshalb habe ich kehrt gemacht und gewartet, bis ich irgendwie ausparken kann, um wieder heim zu fahren.
Und er antwortet, ich würde heute nirgends hinfahren, außer jetzt mit zu ihm; zu "der Psychopathin" würde er mich jedenfalls nicht wieder einfach so lassen.
Dass es in Ordnung ist, und ich mich nicht aufdränge, und ich fast jederzeit vorbeikommen könne.
Ohne zu fragen, was passiert ist, und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
In der Raucherwohnung riecht es nach Bratenfleisch, Nudeln und Soße, seine Mutter war zwischendurch hier und hat mehrere Behälter voll Essen dagelassen, darunter auch einen etwas kleineren, in dem nur Nudeln und Soße schwimmen. "Für mayhem" steht auf dem Haftnotizzettel, der am nicht ganz geschlossenen Deckel klebt, und kurze Zeit später folgt in einem Telefonat unter anderem der Hinweis, dass der Raucher endlich lernen solle, selbstständig zu kochen, damit nicht immer ich das Kommando übernehmen und mir selbst so grundlegende Dinge wie Gewürze oder einen normal großen Kochtopf von seinen Eltern borgen müsse, wenn es was anderes als Fertigfutter geben soll.
"Und wehe, du isst ihr die Nudeln weg, ich habe extra mehr gekocht. Das Mädchen braucht was Vernünftiges zu essen, sonst fällt sie uns noch vom Fleisch!"
Die Rauchermutter schreit jedes Mal so laut ins Telefon, dass man sie auch dann noch hört, wenn man nur nebendran sitzt und gedankenleer die Decke anstarrt, während der Raucherhund fröhlich vor sich hin sabbert und dabei nur knapp neben meinen Füßen auf den Boden tropft.
-"Ja,Mama..."
"Und frag sie mal, ob es ihr gesundheitlich gut geht. Ist ja ganz blass, das arme Mädchen. Wobei, Vegetarierin ist sie ja auch, hast du gesagt. Wird wohl daran liegen.
Oder Stress, Abitur macht sie ja gerade, hast du gesagt."
-"Ja,Mama..."
"Frag sie mal, was sie hat, und ob sie Schüsslersalze dagegen nimmt, wenn nicht kann ich ihr sagen,welche sie braucht."
-"Ja, Mama..."
"Kann man ja nicht mit ansehen, das arme Mädchen.
Dass ihre Eltern da nichts sagen..."
Ich fühle mich gleich noch ein Stück schlechter im Angesicht so viel mütterlich-resoluter Fremdfürsorge und bitte den Raucher, seiner Mutter ein Danke auszurichten.
"Ach, die is immer so, das is schon ok.
Und du brauchst kein schlechtes Gewissen haben, wenn sich zur Abwechslung mal wer um dich kümmert und dich nich alleine in der Scheiße lässt."
Bitte lass mich nicht allein.
Um 19Uhr fahren wir los und sammeln den Musiker ein, um 20.15 Uhr sitze ich neben dem Raucher im Kino, warte darauf, den zweiten 3D-Film meines Lebens zu sehen und stelle fest, dass Werbung auch dann nicht besser wird, wenn man sie in dieses Format packt und einem die Hightech-Zahnbürste (oder die Brüste der weiblichen Hauptdarstellerin des Werbefilmchens) förmlich entgegen springen.
"Gib mal bitte mein Zeug rüber."
Der Musiker, der auf der anderen Seite des Rauchers sitzt, hat kurz vor Abfahrt noch eine Tüte Gummibärchen und eine Tafel Schokolade in meine Tasche geworfen, um nicht auf die völlig überteuerten Kinosüßigkeiten angewiesen zu sein, und strahlt wie ein Kind an Weihnachten, als er sie in der Hand hält und mit Kinobier runterspülen will.
"Die müssten Taschenkontrollen einführen", findet der Raucher, "allein schon, damit niemand sowas bringt. Schokolade und Hefeweizen, da wird mir schon schlecht, wenn ich zuschau."
-"Brauchst ja nicht hingucken. Banause."
Irgendwo zwischen Gemetzel Nummer fünf und sieben vergrabe ich meinen Kopf an der Schulter des Rauchers.Sicherheit suchen, Vertrautes riechen, von der Welt abschotten. Unendliche Müdigkeit.
Irgendwann wird alles gut. Sage ich mir, nur halb überzeugt, und sagt mir der Raucher, der fest daran glaubt, und als wir wieder im Auto sitzen, und mir die Nachbarin per SMS versichert hat, dass ihr Vater noch wach und in einer halbwegs wutbefreiten Phase ist, leihe ich mir das Raucherhandy, weil seine Flatrate auch fürs Festnetz gilt, und rufe an, entschuldige mich dafür, dass es so lange gedauert hat, bilde mir ein, die Vermieterin ein "Mach es nicht, mach es bloß nicht" im Hintergrund zischen zu hören, schaffe es aber schließlich, eine positive Antwort aus ihrem Mann herauszukitzeln und einen Termin fürs abschließende Gespräch zu bekommen.
Für einen kurzen Moment herrscht Stille , dann umarmen mich der Raucher und, so gut es von der Rücksitzbank aus eben geht, der Musiker so fest, dass mir einen Moment die Luft wegbleibt, und irgendwo aus dem Untiefen meiner dämonischen Seele kommt ein mädchenhaft-meerschweinartiges Quietschen und ich sage, was die Vermieterin gesagt hat, und dass ich die dumme Kuh wegdiskutiert habe, und freue mich so lange, bis ich das Handy wieder an den Raucher zurückgeben will.
Dann stelle ich fest, dass der Touchscreen wieder nicht wollte, wie er sollte, und ich noch nicht aufgelegt habe.
Hups.
Eventuell also dann ein etwas unentspannteres Gespräch mit Tendenz zum ultimativen Showdown, sollte ich mich wirklich verhört haben.
Montag, 20.15 Uhr, weil der Vermieter vorher die Tagesschau sehen will. Primetime.
Eventuell ist da Angst.
Aber vielleicht muss das so.
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Zitat aus Edge of Decay von Thoughts Paint The Sky