Montag, 17. Dezember 2012


Nach dem Parkplatzdrama kommt das Telefonat, nach dem Telefonat die Funkstille und dann keine sms, sondern gleich er persönlich. Durch die Kneipentür, auf den Stuhl neben mir, redet los, als wäre nichts gewesen.
Und ich will weinen.
Dann sagt er mir, wie toll ich bin, weil ich so übertrieben hilfsbereit und sensibel sei, und wie schön ich bin, weil ich so anders bin.
Außerdem, sagt er, wollten wir doch mal zusammen was machen, musikmäßig. Ob ich nicht mal vorbeikommen will, zwei Gitarren, eine Flasche Wein und viel zu lange wach bleiben und reden, wie früher.
Wieder, mit nur leicht glasigem Blick, die Feststellung, wie toll ich doch bin.
Und ich will ihm ins Gesicht schlagen.

Ich bin nicht über dich hinweg, Idiot, und ich habe dir gesagt, dass es so ist, und dass ich dich gleichzeitig hasse, und wie sehr du mir weh getan hast, und dass du dir alles kaputt machst, mit deinen eigentlichen Freunden und deiner Band und sogar mit dem Raucher, am Telefon habe ich es dir gesagt, und du hast es eingesehen, dachte ich, und habe mich ein bisschen besser gefühlt, weil du so immerhin was aus der Sache mitgenommen hast; und dann pflanzt du dich einfach auf den Barhocker neben mir, in dieser blöden Kneipe, die ich sowieso nicht mag, weil ich hier immer Angst bekomme vor lauter fremden Menschen und mieser Atmopshäre, und tust so, als wäre nichts gewesen, und nachdem der Raucher zum Rauchen an einen anderen Tisch geflüchtet ist, machst du bei eben bei mir allein weiter, und du kotzt mich gerade sowas von an, und deine Masche zieht nicht mehr, denn nein, es ist nicht alles in Ordnung,und es wird nicht in Ordnung, wenn du dein Standardprogramm abziehst und im Suff zu blöd und nüchtern zu unsensibel bist, um überhaupt irgendwas zu verstehen.

Und dann taucht dein Fangirlie auf, die, die Herzchen postet und doof kommentiert und sich die Haare braun gefärbt hat, nachdem du gesagt hast, blond sieht irgendwie tussig aus, und schmiert sich an dich und giftet gegen mich, im crescendo, erst nonverbal, böse Blicke und Augenbrauenakrobatik, dann später auch richtig, ich würde hier ja optisch reinpassen und sie sei sich nicht sicher, ob die Kneipe abgefuckter ist oder ich es bin, und überhaupt ists doch in der Dorfdisco viel cooler, warum man denn jetzt hier rumsitzen und sich von den ganzen gruseligen Leuten verräuchern lassen müsse.
Dein üblicher Konflikt, auf der einen Seite die Leute, die eigentlich deine Freunde sind/waren, und das Sumpflandschaftsmilieu die Menschen, bei denen du dich halbwegs heimisch fühlst, auf der anderen die Ghettofraktion.
Du weißt, dass ich genau das denke. Du kannst es aus meinem Gesicht lesen.
Und es verunsichert dich, bis auf die Knochen.
Also starre ich, mit leicht zusammengekniffenen Augen, so lange ich es aushalte, und lege alles an Aggression, Geringschätzung und dem ganzen anderen Zeugs,das ich vom Raucher tausendfach gehört und absorbiert habe, in diesen einen Blick und addiere meine eigenen Negativgefühle; ich hole sogar ein wenig Vatersfreundinhass aus einer Ecke meines Herzens, um der Sache etwas mehr Wucht zu geben, und erst, als du auf mich verstört genug wirkst, um mir die Gewissheit zu geben, dass du heute nicht mehr ruhig schlafen wirst, erhebe ich mich von meinem Hocker, winke deinem Fangirlie mit so viel abgebitchtem Zucker im bösartigen Grinsen, das man davon Diabetes bekommen könnte, zu, merke zur Verabschiedung noch an, dass sie ja sowieso in zehn Minuten ins Bett muss, und lasse mich zwar nur ganz leicht und sehr temporär herzschmerzgeheilt, aber durchaus nicht komplett weltuntergangsversunken auf dem Schoß der Satanistin nieder, weil der Raucher so unpraktisch mittig sitzt und ich mich nicht traue, am Nachbartisch einen Stuhl auszuleihen.