Mittwoch, 28. Dezember 2016
Guten Morgen, ich schiebe Entzug.

Auf die glorreichen Feststellung, bedingt durch eine Dosiserhöhung doch nicht mehr genug Psychopillen (Medikament 2) bis zum nächsten Neurologentermin zu haben, folgte, ganz pflichtbewusst, ein Anruf bei eben dieser Praxis (20.12.). Guter Dinge und optimistisch, wie ich bin, ignorierte ich die gereizte Stimmung der Telefontussi, fragte nochmal, ob sie die richtige Adresse haben, unter Nennung ebendieser, genervtes "jaaa" als Antwort mitten im Satz, sie schicken mir das Rezept zu, alles gut.

Vorgestern gingen mir die Medikamente aus, nein, es war noch kein neues Rezept im Briefkasten.

Eine Kombination aus unkontrolliertem Zittern, dem Verdacht, eventuell spontan an Alzheimer erkrankt zu sein, und der Tatsache, dass ein "Vorsicht ich muss da durch" des Mr.s, während ich am Kühlschrank stand, dazu führte, dass mir vor lauter Schreck die Pflanzendrink-("Milch" darf man ja nicht mehr sagen, so wie pflanzliche "Käsealternative" nicht mehr "Käse" heißen darf, weils ja kein "richtiger" ist. Beim infamous Leberkääs ist das aber scheinbar was anderes) Packung aus der Hand und ein ekelerregend spitzer Schrei aus der Kehle flog, führte zum Verdacht, Entzugserscheinungen an den Tag zu legen.
Eventuell leicht verstärkt durch die Tatsache, dass ich gerade _die_ Definition von "Fahrigkeit" bin.

Heute (28.12.), morgens. Angedacht war acht Uhr aufstehen, um kurz vor neun schaffe ich es tatsächlich, das Bett zu verlassen.
Gute Quote.
Ein Anruf bei der zuständigen Neurologenpraxis.
Mein Rezept? Ja, das sei gestern morgen mit der Post wieder zurückgekommen, da nicht zustellbar.
Die Adresse hätte ich am Telefon nochmal angegeben?
Ja, dann müsste die ja passen. Welche es ist? Die aus der alten WG.
Oh, ich hätte ne neue? Seit April schon? Hm, das ist aber doof gelaufen, die muss ich doch mitteilen.
Das hätte ich der Kollegin gesagt?
Hmnja, kann man nix machen, heute zwischen 12 und 13 Uhr kann das Rezept abgeholt werden.
Ob ein über eine Woche altes Rezept überhaupt noch gültig ist, frage ich mich natürlich erst, nachdem ich schon aufgelegt habe. Meine Hirnzellen schmelzen in eine gräuliche Kohlsuppe, blubbernd und stinkend, und fegen mir als Tornado durch den Kopf.

Und ich dachte, ich hätt hier nichts mehr zu erzählen.




Montag, 5. September 2016
Wenn ich noch einmal gefragt werde, ob ich schwanger bin, und nach der Verneinung der Frage noch EINMAL einfach so mein Bauch getätschelt und mir EINFACH SO versichert wird, ich hätte ja "schon ein bisschen" (+4kg), bzw. "kräftig" (nochmal +2kg) zugenommen, STARRE ICH DER FRAGESTELLERIN IN DEN AUSSCHNITT UND FRAGE MITLEIDIG GUCKEND: "NA, HAST DU SCHON WIEDER ABGENOMMEN?"
Mindestens genauso deplatziert und übergriffig.

ARGH.
Direkte Menschen, die fragen, ob man schwanger ist: ok. Frustrierend, aber erträglich.
Noch direktere Menschen, die nach Dementierung der o.g. Aussage fragen, ob man zugenommen hat: Mental Mittelfinger zeigen, irgendwas sagen.

Die Menschen, die einfach meinen, zu wissen, DASS man zugenommen hat, und vor Allem die, die UNGEFRAGT meinen Körper anfassen, sprich, meinen Bierbauch tätscheln: MORD UND TOTSCHLAG ÜBER EUCH. Abstand bitte.

Mit viel Glück haben das Zweifeln, sich-mies-fühlen und letztlich wütend werden über sowas ein paar extra Kalorien verbrannt, sodass zu den sage und schreibe 700g, die ich meinem Körper in 4 Wochen an Gewichtsverlust abgerungen habe das ging auch mal deutlich schneller noch etwas mehr hinzukommt, bis ich mich wieder halbwegs wohl fühle.
Fürs Protokoll: Auch dann noch mit Bierbauch. Miese Haltung, miese Wirbelsäule und Hohlkreuz machen auch bei geringerem Körpergewicht ein "Oh, du hast ja auch ein kleines Bäuchlein". Zumindest bei mir.




Montag, 22. August 2016
Ich will hier nur kurz was festhalten.
Bevor ich es vergesse, es nicht mehr glauben kann (der Prozess setzt bereits jetzt ein), oder wieder mal vom Zahnarzt ausgeknockt bin:

Eigentlich ist das schon ziemlicher Schwachsinn.
Ich habe absolutes Höchstkampfgewicht meines Lebens erreicht, und nein, das liegt nicht nur daran, dass eineinhalb bis zwei Körbchengrößen dazu gekommen sind.
Wieder Ernährungstagebuch führen und sich als Versager fühlen, wenn tatsächlich Feststoffe gelistet sind?
Schwachsinn. Vollkommener, beschissener Blödsinn.


Ebenfalls festhaltenswert: Es geht weiter.
Nicht der besser-schlechter-besser-schlechter-... Achterbahnturbo, wobei, der wahrscheinlich auch.
Aber vielleicht besteht die Chance, dass ich das überlebe.
Also, das alles.
Ich weiß nicht, wie es mir geht, wenn alles ok ist, deshalb bin ich auch so überlastet, wenn dieser sehnlichst herbeigewünschte Zustand ("Es wird alles gut") eintrifft und einfach mal knallhart alles besser wird.
Und halte mich fest an dem, was immer noch scheiße ist.
Wieso hat mir eigentlich keiner gesagt, wie mies man sich fühlen kann, wenn es besser wird?
Ich weiß nicht, was dann noch von mir übrig ist. Den Teil kenne ich nicht, an den Teil bin ich nicht gewöhnt, und ich habe Angst, dass er mir wieder weggenommen wird, aber auch Angst davor, das er tatsächlich real sein und bei mir, oder noch schlimmer, in mir existieren könntekann.
Aber ich werds vielleicht überleben.
Einfach mal weiter gucken.Keinesfalls planen, das macht nur darauf aufmerksam, dass das zerfällt, oder losgelassen werden sollte/wird, woran man sich halten konnte.

Zusammenfassend: Wie immer jede Menge Mist, von dem ich dachte, dass ich ihn nicht loslassen kann/nicht loswerde, und ohne den ich nicht weiß, was ich mir vorstellen soll, oder was so passiert, oder was so ist, aber eventuell kann mans überstehen.

Wir halten also fest: Ziemlich viel Blödsinn hier.
Kann man aber vielleicht überleben.




Freitag, 1. Juli 2016
Die immer wiederkehrende ironische Unterstellung, der Billardspieler/Mr.Mayhem und ich seien in Auftreten und Gesamtwirkung mit einem alten Ehepaar, mindestens aber mit einer epischen Langzeitbeziehung zu vergleichen, bewahrheitet sich.
Beziehungs-Insiderwitze.
Inzwischen gemeinsames Billardspielen, statt nur noch beobachtendes.
Ich beziehe zwei Bettdecken und koche für mindestens zwei Leute, denn manchmal haben wir Besuch.
Meistens Tante Emma und ihren Freund, die Betreuung brauchen und gerne so wären wie wir.
So vertraut.
So stabil.
Hachwürg, "in guten wie in schlechten Zeiten".

Nachdem ich ihr Tagebuch gelesen hatte, habe ich mir vorgenommen, nicht wie meine Mutter zu enden, beziehungstechnisch.
Deshalb habe ich mich vom Raucher getrennt.
Weil ich nicht in einer Beziehung bleiben konnte, die mir nur Stabilität gegeben hat, während ich Gefühle und letztlich auch so gut wie alle physischen Angelegenheiten auslagern wollte/ausgelagert habe.

Der Billardspieler liegt mir am Herzen.
Mehr als der Raucher. Vielleicht sogar mit Mr.Gaunt messbar.
Ich habe es gerade nicht übers Herz gebracht, zu schreiben "mehr als Mr.Gaunt".Nicht mehr (?).

Letztlich gibt es doch mehr Parallelen, als ich wollte.
Ich sehe Mr.Mayhem, wenn er von der Arbeit heimkommt, durch oft recht lange Autobahnheimwege nicht vor 21, 22 Uhr. Wenn er auf den an mein Zimmer angrenzenden Balkon geht, eine raucht, und sich dann entweder an seinen PC (in seinem Zimmer) setzt, oder ins Bett (in meinem Zimmer) fällt, äußerste Ecke, möglichst weit weg, Rücken zu mir.
Seit Monaten.
Gut gelaunt erwische ich ihn nur, wenn er genug Geschäft geschrieben hat und sich für etwa zehn Minuten darüber freut, bis ihm etwas anderes auffällt, das ihn stört. An sich, an seiner Familie, an der Welt.
Das "genug" ist dabei eine fiktive Zahl, an die er sich klammert, und die anscheinend unerreichbar ist.
Ob es so ist, wie es mir vorkommt, und er seine Emotionen von seinem Kontostand abhängig macht?
- Ja.
Ob er das gut findet?
- Ja, schon.

Ich rutsche in die vermeintlich determinierte Elternschiene.
Nicht, weil ich mich auf etwas eingelassen habe, das ich nicht wollte, sondern weil das, oder der, den ich wollte und will, sich so sehr verändert.
Es kriecht nicht hinter einer Fassade hervor, sondern aus seinem Unterbewusstsein; ich glaube, das macht mir viel mehr zu schaffen.
Seine Kälte, seine Gleichgültigkeit, "ich hab doch gesagt, ich bin manchmal geldgeil".
Geküsst werde ich, wenn wir unter Menschen sind und mich jemand für seinen Geschmack zu lange angesehen hat.
Kurz, nachdem er sich an der Bar eine halbe Stunde mit einer Frau unterhalten hat, die ihm Getränke spendiert und so nachhaltig angeglüht hat, dass ich es mir nicht länger anschauen konnte und zum Rauchen geflüchtet bin.

Mir fehlt die Wärme und die Bestätigung, von der ich dachte, ich würde sie jetzt, in einer Beziehung, mit einem Menschen, für den ich romantische Gefühle habe, finden.
Die Art davon, die man nicht aus sich selbst heraus erzeugen kann, und die ich sonst über verschiedene Wege bezogen habe.
Geistiger Austausch mit Legolas, die Bestätigung, dass ich jemanden dazu bringen kann, sein schlechtes Gewissen und das, was er Moral nennt, auszuschalten, ebenfalls.
Wärme und gelegentliches Rebellentum vom Wikinger.
Sex nach Bedarf. (Und alle so: Waaaas, Frau Mayhem hat Sex? Aber das steht hier nie!)
Das ist ein Verhaltensschema, an das ich mich anscheinend recht gut gewöhnt habe, aber mit dem ich jetzt nichts mehr anfangen kann. Oder sollte.
Werde.

Die Amazone hat festgestellt, dass der harmlose Spaß zwischen ihr und dem Ziegenmann doch nicht so harmlos, sondern tendenziell eher wichtig ist. Tendenziell wohl schmerzhaft.
Ich habe festgestellt, dass sie den Blog gefunden hat (an dieser Stelle, falls du doch noch einen Blick hier rein werfen wolltest: Hallo! Und es sei der Hinweis angebracht, dass es einen Unterschied zwischen in emotionaler Aufgewühltheit und im _Vertrauen_ vorgelesenen Texten gibt, und denen die ich nicht vorlese, sondern bewusst und anyonym da parke, wohin sich keine mir Bekannten verirren sollen oder können, weil vielleicht der Inhalt gleich ist, aber nicht die Art, wie ich es sage, und das dann wieder nur Menschen auf die Füße tritt) und sie, dass ich, naturgemäß, über die Situation geschrieben habe.
Ich habe es als ein "wir sind quitt" betitelt, sie als ein "Schwamm drüber", und so wurde es mit einer Runde Schnaps besiegelt.

Ich hatte nicht mal richtig das Bedürfnis, ein "ICH hab es euch ja gleich gesagt" abzufeuern, oder mich über mir serviertes Leid zu freuen (soll ja manchmal helfen).
Das, was ich nicht verstanden habe, was mich irritiert und verletzt hat, das "es ist ein harmloser Spaß, den wir jederzeit beenden könnten" und das offensichtliche Nicht-Wollen, ist nicht mehr da.
Es ist kein Nichtwollen, sondern ein nicht Können.
Das war das Einzige, was ich hören wollte.
Dass die Karten auf den Tisch gelegt werden und ich aufhören kann, zu zweifeln, ob ich es vielleicht nicht wert bin... was eigentlich?
Vermutlich ist es ein egoistisches Sich-Hintergangen-Fühlen gewesen.
Das, was mich verletzte, weil dabei jemand, den ich kenne, hintergangen wurde, und man es weder sagte, noch sein ließ, obwohl es doch "harmlos" und ich eine "Freundin" und er der "geliebte Freund" war.
Alles, was ich hatte hören wollen, war die Erkenntnis, die Selbsterkenntnis, dass es eben nicht so ist.

Lediglich partielles Verständnis für die Blogsituation hin oder her, ich kann aufhören, Menschen und den Strudel aus Verletztheit* (mein Jungevogelseelchen), sehr detaillierten und tendenziell wohl eher krankhaften Rachephantasien (der Teil, der zur lustigen Teegesellschaft meines Hirns eher selten eingeladen wird) und allem anderen, was sich ebenfalls auf die Wasserrodelbahn werfen wollte, aus meinem Kopf verbannt zu halten.

Die Katzen jagen sich durchs Zimmer, seit ich irgendwann vor zwei Stunden angefangen habe, den Eintrag zu tippen.
Gustav Mahler (Symphonie No. 1, 3.Mov., endlich mal wieder) läuft ebenfalls in Endlosschleife.
Der Malibu-Likör 43- Kokosananasreismilch-Pansch allerdings ist leer.

Um es kurz zu machen: Hallo, da bin ich wieder.

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*die Autokorrektur hat interessanterweise "hirnverletzt" vorgeschlagen)