Dienstag, 10. März 2020
...und auch nicht bei den Hunger Games.

Der Souffleur ist konventionell attraktiv und quasi Frischfleisch im Theaterdunstkreis, dementsprechend gravierend sind die Auswirkungen - oooohs und aaaaahs, sobald man ihn Bühenelemente heben sieht, und noch nie waren so viele Frauen plötzlich Gelegenheitsraucherinnen oder mit der Planung ihres ersten Tattoos beschäftigt.
Auch sämtliche "Ich könnte ja niemals was mit einem jüngeren Mann haben"-Vorsätze scheinen über Bord geworfen, und so hat sich mittlerweile eine semi-permeable Mauer aus verzückten zwanzig- bis dreißigjährigen Damen entwickelt, durch die man sich erst mal durchkämpfen muss, wenn man ihm mitteilen will, er möge heute bitte in einer anderen Ecke sitzen, wir wollen da noch jemanden für Fotos unterbringen.

Interessanterweise nehme ich mich aus dem ganzen Geschwärme und Gezanke heraus und scheine es damit nur mehr anzufeuern. Je weniger ich mich beteilige, desto härtere Geschütze fahren die anderen Frauen auf.
Wenn ich neben dem Souffleur sitze, sitze ich neben dem Souffleur; wenn nicht, dann eben nicht.
Wenn er gerade rauchen geht, wenn ich dampfe, ok, aber ich warte nicht extra - ist eh noch nicht sicher, ob der einfach nur unsicher-überlastet oder doch ruppigdorfkinddoof ist.
Er macht irgendeinen uralten Pubertärwitz? Sage ich ihm.
Blöder Spruch über irgendwas Normabweichendes, was er nicht kennt? Konstruktivitätsschelle zum Mitnehmen.
Geht, ohne sich zu verabschieden? Ok, spare ich mir beim nächsten Mal die Begrüßung.

Männer (oder Frauen) sind keine Siegertrophäe am Ende eines langen, anspruchs- und leidvollen Wettbewerbs, in dessen Verlauf man zeigt, was für ein grandioser Übermensch man ist und die Konkurrenz ausschaltet, koste es, was es wolle.
Es gibt nen ganzen Haufen von denen, und entweder taugen sie was oder eben nicht. Sinnvollerweise findet man das raus, bevor man sich Pfeil und Bogen schnappt, um sie zu erobern.

Meine Psyche macht weiter mit diesem seltsamen Ding, bei dem wir uniblockiert sind, aber in allen anderen Bereichen des Lebens beinahe exponentielles Wachstum hinlegen. Als hätte sie die ganzen Jahre zugehört, gewartet, beobachtet, um jetzt loszusprinten; nicht wie ein Gepard, sondern wie ein verdammter Wanderfalke im Sturzflug nach oben.
Mit Raketenantrieb.

Und natürlich bin ich unsicher, natürlich ist da zwischendurch Frust, Verlust- und Versagensangst ohne irgendwas, das es zu verlieren gäbe oder irgendwas, wobei ich versagen könnte.
Wenn die zwanzigjährige Pissgelb-Jaqueline gaaaaaanz dringend Hilfe mit ihrem Kleid braucht und ihn danach in eine Unterhaltung über ihre gemeinsame Zuneigung zur Ghettosaufpartymusik verwickelt.
Oder die dreißigjährige schlechtrotgefärbte Wonderbra-Waldtraud demonstrieren muss, WIE chillig, WIE pflegeleicht, kumpelhaft, gnadenlos versaut, trinkfest und ÜBERHAUPT-NICHT-WIE-DIE-GANZEN-ANDEREN-WEIBER sie doch ist. Alles anstrengende Tussis, aber sie nicht, neee, sie ist schon immer besser mit Männern klar gekommen (die sehen das meistens anders, aber das ist ein unwichtiges Detail), und überhaupt, sie spielt Flöte, das zeigt, dass sie voll gut blasen kann, höhöhöhö.
Und sie hat ja mal vor zehn Jahren auf einer Weihnachtsfeier mit ihrer Arbeitskollegin rumgemacht, das war voll cool, also, außer, wenn jemand der Zuhörer das nicht cool findet, dann war es nicht cool, sondern eine ganz miese Nummer ihrer bösen Arbeitskollegin, die sie abgefüllt hat, jawohl.
Die natürliche Heimwegreihenfolge wäre Souffleur-Auto ->meine WG, aber Waldtraud geht natürlich gerne einen Umweg zu ihrem Auto, um noch ein Stückchen mit uns zu laufen und uns anzubieten, uns zu unseren jeweiligen Zielen zu fahren.
Unterwegs erzählt sie, was für ein famoses Musiktalent der Souffleur bewiesen hat, als er mit seiner Familienband ein Dorffest beschallt hat, sie hat sich das auf Youtube angeschaut (Jo, ein aus vier Akkorden bestehendes Lied im 4/4-Takt mit dem Bass zu begleiten ist schon eine echte Herausforderung), dass sie seine Tattoos ja soooo toll findet, und dass er nach der letzten Aufführung gerne bei ihr schlafen kann.
Dann fährt sie ihn die ca. 200m zu seinem Auto, was er anscheinend gerne in Anspruch nimmt.
Das Angebot, mich ebenfalls zu meiner WG zu fahren, lehne ich ab und mache einen kleinen Spaziergang draus, allein durch die riesige, erhabene, wunderschöne schlafende Stadt, die meine ist.

Natürlich war da Aggression.
Natürlich ist da Traurigkeit.
Aber ich kann einfach mal damit umgehen.
Natürlich will irgendwas in meiner Psyche Geisterbahn fahren.
Ich aber nicht, also lassen wir das.

Die seltsame alte Frau in meinem Kopf, die Bibliothekarin, die hier inventarisiert und irgendwann vielleicht mal sortiert und ausmistet, hat sich das so angeschaut, über den Rand ihrer dreieckigen Brille hinweg. Dann hat sie sich am Kopf gekratzt, ihren weißen Dutt zurecht und die Katze vom Schreibtisch geschoben, in ein paar Kisten, die da rumstehen, gewühlt und dort ein paar Brösel vom Selbst gefunden.
Ein bisschen -sicherheit, ein bisschen -wert, ein bisschen Ego.
Sie hat sie auf die Kommandobrücke gebracht und da sitzen wir jetzt, wärmen uns die Hände an ihnen, mit hochgezogener Braue das Geschehen beobachtend, dampfend (ich regulär, sie eine E-Pfeife, das passt besser zu ihrem Stil, sagt sie), dann und wann nicken wir uns wissend zu und der Kompass richtet sich gen Klarkommen aus.

Ziemlich geiler Scheiß, ehrlich gesagt.




Freitag, 6. März 2020
Das Leben scheint sich ein Beispiel an meinem Dickschädel zu nehmen.
Oder an meinem Humor.
In jedem Fall produziert es gerade eine ganz erstaunliche Menge an Phänomenen, die ich noch nicht klar als Wunder, Skurrilität, oder Vorboten der nächsten Runde auf der Geisterachterbahn einordnen kann.

Angstblockade in allen Uni- und Alltagsbereichen, Genialitätsanfälle im Freundeskreis (nach wie vor noch nicht vergrault) sowie vor und auf der tatsächlichen Theaterbühne.
Therapiefortschritte, Ernährungsfortschritte und die Unfähigkeit, das als Erfolge zu wertschätzen, weil die Unibaustelle wichtiger ist und ich dort (gefühlt, die Therapeutin sagt, ich soll mich nicht dauernd selbst fertig machen) versage. Oder das Versagen droht, und ich aus meiner beschissenen Selbstsabotage anscheinend doch nicht rauskomme.
(Oder Angst habe, sie nicht früh genug/lange genug ruhig stellen zu können. Empfinde es als relativ entmutigend, dass die dumme Sau gerade jetzt wieder auf den Plan tritt, wenn ich sie am wenigsten gebrauchen kann.)

Jemanden kennen gelernt, der zu denken scheint, dass er mich mögen könnte.
Der Cousin einer Schauspielkollegin wurde zum Souffleur ernannt, und dieser Souffleur scheint irgendwas besonderes an mir zu sehen.
Sitzt da so rum und macht sein Ding, schaut dabei aber immer mal wieder nach mir. Ob es mir gut geht.
Ob er seine Sache richtig macht.
Ob er nach der Arbeit vorbeifahren und mich einsammeln soll, damit ich nicht zum Aufführungsort pendeln muss. Und dass er mich danach auch heimfahren kann.
Dass er mir gerne nen Kaffee oder was zu Essen mitbringt, als Schauspieler vergesse man sowas bestimmt manchmal?
Wie es meinen Katzen geht.

Ich pendle zwischen Faszination und Fluchtreflex.
Faszination am Anfang, die ersten paar Male, als er da plötzlich rumgestanden hat.
Fluchtreflex, seit er vorsichtig meine Nähe sucht.
Nicht aufdringlich, nicht schmierig-gruselig-eklig, stets mir die Entscheidung überlassend, wie viel ich gerade ertrage.
Eskalation auf der Kommandobrücke - Houston, wir sind getriggert.

Der Souffleur taugt nicht zum Idealbild, was prinzipiell eine gute Sache ist. Scheiß auf die Vergötterung; ein Lob der Realität, der tragfähigen.
Er ist ein paar Jahre jünger als ich und vielleicht so ein bisschen Dorfkind, wobei noch unklar ist, ob er das ist oder seine Unsicherheit. Die Nervosität, das Gefühl, besonders cool, besonders witzig, besonders sein zu müssen.
Kommt skurrilerweise nicht aus meinem Hirn, sondern aus seinem.
(Ein Lob dem Therapiefortschritt.)
Dabei spart er sich das Idealisieren oder Dämonisieren, weil das Kennenlernen anscheinend schon spannend genug für ihn ist.
Er gibt sich Mühe, aber es hat nicht den Anschein, dass er das mit einer bestimmten Agenda tut - kein manipulieren, kein hinarbeiten auf irgendeine Idealvorstellung eines Postens, den ich besetzen soll.
Nope, der macht das einfach so. Als wäre ihm was dran gelegen, Zeit mit mir zu verbringen und zu schauen, wer ich eigentlich bin.
Verstörend.

Er hat nach meiner Nummer gefragt und ob wir nach den Aufführungen, wenn wir beide mehr Zeit haben, mal was machen wollen, Gruftkeller oder so.
"Du hörst das doch gar nicht, fühlst du dich dann nicht unwohl?"
- "Das eine Mal werd' ich schon überleben. Dir gefällt's da, oder?"
"Geht schon. Ist auch meistens mein Vorschlag für Leute, denen ich die Konzerte nicht antun will, die ich sonst besuche.
Ist aber trotzdem komplett andere Ecke und ich möchte nicht, dass du dich da irgendwie verpflichtet fühlst, wir können echt auch wo anders hin."
-"Das weiß ich auch, dass man bei euch in der Stadt immer wo anders hin kann. Aber deine schräge Musik gehört halt zu dir dazu, und wenn das dein Schuppen is', zieh ich mir das eben rein."

Sollte ich dem Unterfangen zustimmen (und er nach wie vor ebenfalls), werde ich also in naher Zukunft mit dem Souffleur im Schlepptau tanzen gehen.
Weil er, silberkettchentragend, mit schlechten Tattoos dekoriert und gefühlt aus dem Ghetto heraufbeschworen, beschlossen hat, dass er mich, festivalbändchentragend, mit ziemlich grandiosen Tattoos dekoriert und vermutlich aus irgendeinem Sumpf gekrochen, kennen lernen und sich dabei nach mir richten möchte.

Und weil ich es mittlerweile hinkriege, beim Männer-/Frauen-TÜV zwischen "Das brauche ich" und "das möchte ich" zu unterscheiden.




Donnerstag, 27. Februar 2020

Der Horizont unendlich weit
Unendlich weit und tonnenschwer
Er bringt die Toten weg von hier

Das Meer
Die Fluten
Das Auge
des Sturms

Immer auf der Reise
Vom Irgendwo ins Nirgendwo
Auf der Reise
Im Auge des Sturms

Das Meer giert und schäumt
Fletscht die Zähne
Verbeißt sich im Rumpf
Tag für Tag
Knurrend
Bellend
Tag für Tag

( aus: Fäulnis, Im Auge des Sturms)


Da sitze ich, in meiner großen Stadt, und weine.
Kater Mayhem mit seinem zugeschwollenen Auge neben mir; müde, dösend, alt und friedlich.
Unendliche Angst, was ist, wen er mal nicht mehr ist.
Dieses Mal nur eine Entzündung, zweimal täglich Augentropfen und das wird wieder.
Todesangst bei jedem Tierarztbesuch, die mein Katerchen mit Ruhe und Würde trägt; im tiefsten, unerschütterlichsten Vertrauen zu mir.
Beide wissend, dass es irgendwann der letzte sein wird, und dass sich das Irgendwann nicht aufhalten lässt.

Er knurrt und faucht und beißt, sobald er aus seiner Box und auf dem Untersuchungstisch ist, weil da was ins Auge getropft werden muss und ich ihn nicht alleine halten kann.
Ich weine, sobald wir wieder zuhause sind und er sich neben mir zusammen rollt, abgekämpft und müde, verwirrt und verängstigt; trotzdem da und nicht von meiner Seite weichend, seit fast 14 Jahren nicht.
Länger da als meine Mutter weg.
Mich undeutbar beobachtend, irgendwann einfach ruhig neben mir, komme Krise, komme Panikattacke, komme Verzweiflung und Angst; komme, was wolle.

Auf einmal ist das "Alles Anders" möglich, das Blatt kann sich wenden, und in diesem Moment, die unaufhaltsame Vergänglichkeit dieses 3,5kg-Katzenlebens in jeder Faser meines Bewusstseins brennend, klicke ich aus dem Dissoziationsnebel der letzten Tage und weine aus tiefstem Herzen.

Ich weine um meine Katze, der es, bis auf eine Entzündung im Auge, anscheinend gut geht, dem Glück und allen Göttern und/oder sonstigen Schicksalsinstanzen sei Dank.
Ich weine um Verlorenes und alles, was einmal verloren sein wird.
Ich weine über Vergänglichkeit, Verpasstes, Verlorenes, Zerstörtes; das, was war.



Ich weine aus Angst vor dem, was sein wird, oder kann; tiefste, verzweifelte Angst vor dem Möglichen.
Das Mögliche ist ungeheuer.

Ich kann meinen Abschluss machen, ich habe einen Betreuer. Neuer Themenbereich und es muss noch eingegrenzt und sehr schnell erledigt werden und das findet er genauso unangenehm wie ich.
Aber es ist möglich.
Zwei Hausarbeiten aus dem letzten Semester, eine davon in spätestens vier Tagen fällig. Knapp,
aber es ist möglich.

Einen Abschluss machen.
Einen Alltag haben.
Freundschaften.
Ein Leben, ein eigenes.
Es ist möglich.

Ich hab das bodenlose Fass geprengt, mich zurück an die Erdoberfläche gegraben, jede Menge verbrannte Erde unter den Nägeln und eine Perspektive vor der Fresse und da will Boden unter meine Füße und Aufschwung in mein Leben.
Das Mögliche ist Ungeheuer.

Schiere Überlastung, der helle Wahnsinn.
Alles blockiert.
Voller Inbrunst, voller Verzweiflung, im Begriff, sich aufzulösen, aber präsent genug, um mich nochmal auf die große Achterbahnfahrt durchs Geisterhaus zu schicken.
Eine letzte Machtdemonstration, bevor ich es endgültig abstreife, eine weitere Karteileiche auf dem Stapel der Exuvien.
Ich könnte ein ganzes Haus bauen, so viele habe ich davon mittlerweile angesammelt.

Egal, was der erbitterte Kampf gegen Windmühlen kostet - das wahre Grauen kommt mit dem Sieg.
Klopft an und wirft einen Brandsatz ins Feldlagerwohnzimmer, das große UND WAS JETZT.


Was ist, wenn es nicht nur besser werden kann - sondern tatsächlich besser wird?

Wenn ich in Mitten von Möglichkeiten sitze, zwischen den Stühlen und den Zeiten, auf alles vorbereitet, nur nicht auf das.
Aushalten gelernt, wieder aufstehen gelernt, sogar aussitzen gelernt.
Und plötzlich funktionieren Dinge.
Schmeißen sich Chancen in den Weg.
Haut mir das Glück mit einer Umarmung auf die Fresse, dass mir die Spucke wegbleibt.
Irgendwer hat die Orgel im Geisterhaus an einen Fünfzigtausendmegawattverstärker angeschlossen und der ganze Bewusstseinssumpf schreit im Crescendo.
Eine riesige Untergangssymphonie, in der alle gerne Star sein wollen: Selbstsabotage, Gedankenkreismahlstrom, namenlose Angst und gesichtslose Verzweiflung, irgendwo dazwischen lacht meine Mutter manisch und verzweifelt, weil ich selbst ihr entkomme.


Allgemeiner Ausnahmezustand, weil ich entweder von der alten Realität geschluckt werde oder mich tatsächlich in eine neue katapultiere.


Ich hab ja mittlerweile echt einiges gesehen, aber das ist neu.




Montag, 24. Februar 2020

like in a chair the color of the sun
as you listen to lazy piano music
and the aircraft overhead are not
at war.
where the last drink is as good as
the first
and you realized that the promises
you made yourself were
kept.
that's plenty.

that last: about the promises:
what's not so good is that the few
friends you had are
dead and they seem
irreplaceable.
as for women, you didn't know enough
early enough
and you knew enough
too late.
and if more self-analysis is allowed: it's
nice that you turned out well-
honed,
that you arrived late
and remained generally
capable.

outside of that, not much to say
except that you can leave without regret.
until then, a bit more amusement,
a bit more endurance,

leaning back
into it.
like the dog who got across
the busy street:
not all of it was good
luck.

(Charles Bukoswki: to lean back into it)

Countdown zur hyperbelfrei alles-entscheidenden Sprechstunde läuft.
Eine Bekannte malt Verständnis an die Wand und schwenkt die Liste der Anlaufstellen für (freiwillige und unfreiwillige) Abbrecher. Sie kennt das doch, braucht halt zwei bis drei Semster Vorlaufzeit mit diesen Betreuergeschichten, kann man halt nichts machen, wird dann halt so enden, war bei ihr doch genau gleich, ist doch alles nicht so schlimm, macht man halt Beamtin, oder Bürokauffrau, oder so, und verkauft selbstgestrickte Babymützchen, wenn der Partner genug verdient, geht das schon.

Ich kann nicht stricken.
Ich habe ein halbes Jahrzehnt Psychotherapie in der Krankenakte. Oder mehr.
Chronische Erkrankungen.
3 Punkte im vor Äonen erkämpften Matheabitur.
(Eine der großen Schlachten meines Lebens, einer meiner größten und stolzesten Siege.)
Das dazugehörige Zeugnis vor dreieinhalbtausend Umzügen verlegt.

Mich dafür entschieden, das gottverdammte Studium durchzuziehen und auszubügeln, was ich bisher verbockt(?) habe.
Eine Zulassung zum Master bekommen.
Eine Dozentin in der Rückhand, die mich noch kennt und mir, ohne zu wissen, was ich eigentlich vorhabe, die Betreuung meiner zukünftigen Masterarbeit angeboten hat, falls ich im Nebenfach (dann: Hauptfach) schreiben will - weil sie findet, dass mein Hirn ein düsterer und genialer Ort ist und es mehr davon braucht.
Ein halbes Jahrzehnt (oder mehr) an Therapie hinter mir, in dessen Verlauf ich zu einer halbwegs funktionierenden Erwachsenen geworden bin und es weiter werde.

Ich habe Muster erkannt, auf den Sondermüll geschmissen und bin dabei, mir neue zuzulegen.
Teilweise hab ich schon welche, und sie funktionieren erstaunlich gut.
Ich habe eine Hausarbeit in der Stammkneipe geschrieben (Einskommanochwas, Noch-Nebenfach) und mindestens zehn andere gar nicht. Eine in drei 17h-Schichten (Zweikommanochwas, Hauptfach).
Referate gehalten, an die ich mich nicht mehr erinnere, weil ich im Autopilot war.
Und eines, bei dem ich angefangen habe, zu weinen.
Und es trotzdem zu Ende gebracht.

Ich habe meine Katzen, einer bald 14, die andere irgendwas zwischen 5 und 8, meine Bücher, einen Arm voller Festivalbändchen und den anderen voller Tiere, Bäume und toter Menschen.
Einen Plan, nein, viele. Und tausend Sorgen für unterwegs.

Ich habe nicht mehr nur Funktionsgruppen, sondern auch wieder Freunde, und es beruht sogar auf Gegenseitigkeit.
Eine Therapeutin, mit der es funktioniert.
Medikamente, die mein Risiko für Herzrhythmusstörungen, Blutgerinnsel, Diabetes und lustigen Leberkram erhöhen und fett machen, aber dafür funktionieren.
Trotzdem aufgehört, weiter fett zu werden und angefangen, abzunehmen.
Wahrscheinlichkeitenmord ist mein Hobby.
Aufgehört, dem Zweifel sofort zu glauben.
Aufgehört mit der Schwarzweißsicht.
Mit dem Idealisieren, Projezieren, Dämonisieren.
Mit dem Rauchen.
Mit der Aussichtslosigkeit.


Ich bin nicht auf dem Weg zur Besserung, sondern auf der Autobahn.
Mit Panzer.
Und Feuerwerk.
Und da bleibe ich jetzt auch.
Mir egal, was die eventuelle Quittung für vermutliche Kollateralschäden der miesen Ausgangslage, ein etwaiges Schicksal, der Zufall oder irgendwelche Wahrscheinlichkeiten meinen, da an Mitspracherecht haben zu wollen.

Ich habe mein Matheabitur geschafft, meine Mutter überlebt und bisher noch jeden Weltuntergang, jede Krise und jede Ausweglosigkeit.

Ich habe nicht vor, da, das, mich, es, etwas aufzugeben.
Nicht schon wieder.
Nicht das hier.
Nichts mehr.
Nicht mehr.

Ich habe nicht vor, Bürokauffrau zu werden.
Oder Babymützchen zu stricken.