Eine Überdosis Deutschunterricht und vor allem Dichtung, das wird es sein. Auf Dauer ungesund, so viele mehr oder weniger gequälte Künstlerseelen, die in der Schmalzigkeit ihrer Dichtung beinahe ertrinken, auf Dauer definitiv ungesund für mein Gehirn. Es kommt schon vor, dass ich in Reimen denke oder noch schlimmer, mich Goethezitate überfrauen.
Das ist eigentlich nicht der Grund dafür, dass ich dir wieder halblegal schreibe, mühevoll, weil mein rechter Zeige-und Haupttippfinger und ein Teil meiner linken Hand eingepflastert sind, aber immerhin, ich schreibe, und nach dieser Freistunde nur noch ein wenig Unterricht und dann die Heimfahrt, nur im Halbdunkel, aber besser als nichts.
Wobei, eigentlich hat mein Schreiben nie einen wirklichen Grund, keinen besonderen, und zumindest nicht bei den sinnvollen Einträgen, obwohl man doch davon ausgehen sollte, dass gerade sinnvolle Einträge, "gute" Einträge zu irgendeinem Zweck geschrieben wurden.
Nun, bei mir nicht, und in meinem Kopf sitzt immernoch Goethe neben Ovids Orpheus und fleht ihn an, endlich aufzuhören, in schrecklichen Stilmitteln und Grammatikgebilden zu singen und sich einfach auf die gute alte Subjekt-Prädikat-Objekt-Struktur zu besinnen und Singsätze zu bilden, die kürzer sind als 5 Verse.
Go Goethe,Go! Ich bin auf deiner Seite, auch wenn ich mich mit deinen dichterischen Ergüssen bis jetzt nicht wirklich anfreunden kann, aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass ich einen von ihnen halb durchanalysiert habe.

Durchanalysiert kam ich mir heute ebenfalls vor, nein, nicht durchanalysiert, durch-schaut, mit Blicken geröngt.
Von wem?
Stellst du diese Frage gerade wirklich?
Ich stand gerade vorm Vertretungsplan, immernoch auf einen Unterrichtstotalausfall hoffend, als am Rande meines Sichtfelds 6jahresproblem auftauchte. Mein Dersmiregal geriet etwas ins Schwanken, weil die Unsicherheit versuchte, auf es hinaufzuklettern, aber das Dersmiregal hielt tapfer stand, und als er dann schräg neben mir stand und mich aus übermüdet-tiefliegenden Augen auf diese seltsame Art und Weise ansah..
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.

..ignorierte ich ihn und bin weitergelaufen.
Goethe in meinem Kopf war verwirrt, weshalb ich ihm erklärte, dass es Vergangenheit ist oder sein soll, und er zog sich schweigend zurück, um nachzudenken, was er auch bis zur Mittagspause tat.
In dieser erörterte ich ca.20 Minuten für mich und mit mir, ob ich es wagen konnte, eine Laugenbrezel zu kaufen und zu essen, obwohl eigentlich anders geplant war und ich sogar einen Joghurt und einen Löffel dabei hatte. Wiedermal siegte nicht mein Wille, sondern ich, und als ich schweigend, brezelkauend und kaffeetrinkend hinter meinen Mitfastoberstüflern hertrottete und mal wieder nicht mitreden konnte, als es um neueste Gerüchte und Trends ging, begann ich zu rechnen, was etwas schwierig war, da mir einige Zahlen fehlten.
Nach einem vergeblichen Abstecher zum Milchautomaten, welcher zur Zeit streikt, möglichst kaschierend und tarnend die Bäckertüte vor mich haltend und stets auf den Boden blickend habe ich dann bemerkt, dass 6jahresproblem wieder bei den Wesen aus meiner Klasse saß, sogar einige Normalsterbliche dabei, nicht nur Upper Class, uh, was für eine Entwicklung. Wieder die Vermutung, sieht er vielleicht mich an, wieder "tut er jetzt für die cool oder mehr in meine Richtung?".
Orpheus sieht seine Chance, reißt einen seiner Sätze aus dem Zusammenhang und meint Posse pati volui nec me temptasse negabo: Vicit Amor.
Fast hätte ich zustimmend genickt, aber dann kam Goethe aus seiner Ecke und schlug Orpheus nieder, sodass dieser bewusstlos zu Boden sank, und da mein Geist eine Mischung aus einem schwarzen Loch und einem riesigen Mahlstrom ist, sinkt er vermutlich bis in alle Ewigkeit.
Jedenfalls vermute ich, dass es Goethe war, denn sonst befand sich zu diesem Zeitpunkt kein weiterer Besucher in meinem Kopf, zumindest hatte sich keiner bei mir angemeldet.

Alles in Allem kann man sagen, ich kämpfe weiterhin, auch mit der Vergangenheit.
ER ist Vergangenheit, und somit kämpfe ich also wieder damit, diese endlich ruhen zu lassen, und auch, wenn heute unter die Kategorie "leicht versagt" fällt, wenn man es unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, ich bin gerade dabei, mich davon abzuhalten, wieder komplett aufzugeben, auch wenn selbst Frittenbude nur noch eingeschränkt hilft und ich gerade auch keine Musik hören kann.
Somit bleibt mir nur die Heimfahrtmeditation in einem gnadenlos überfüllten öffentlichen Verkehrsmittel meiner Wahl mit mp3-Player auf voller Lautstärke und so verkabelt, dass ich ihn bei Bedarf alias spontanem Auftauchen meines Vaters, während ich heimlaufe, schnell verstecken kann.

Ich verabschiede mich von allen hier im Saal,
Auf Wiedersehn bis zum nächsten Mal.