Thema: od serca
Vaterfreundin,

Unsre Beziehung zueinander ist das beste Beispiel für oberflächliche Fastfreundschaft, das mir je begegnet ist.
Gemeinsamkeiten hin oder her, zu unterschiedliche Ansichten und Persönlichkeiten können nur nebeneinander her und miteinander existieren, wenn einer zurücksteckt und leidet, und bei uns bin das ich.
Direktheit schön und gut. Auch arrangiere ich mich damit, dass du Sensibilität und Feinfühligkeit nicht gerade mit Löffeln gefressen hast, aber weißt du, nur weil du stark und mutig und rücksichtslos und direkt und laut und selbstbewusst bist, heißt das nicht, dass du jeden entsprechend behandeln kannst.
Ich bin zu empfindlich, manchmal, definitiv. Aber Rücksichtnahme wäre ganz schön, ich meine, ich nehme auch so oft Rücksicht auf dich; und es ist nunmal nicht jeder laut, mutig,direkt und rücksichtslos stark, manche sind eben ängstlich stark. Weißt du, das, was sie immer sehen und als jene Offenheit und jenen Mut bezeichnen, den sie so an mir bewundern, ist in Wahrheit nichts als die höchste Steigerungsstufe, der Superlativ meiner Angst, der dazu führt, dass mein Gehirn völlig abschaltet und, im Idealfall, das Bauchgefühl, oder aber der Autopilot übernimmt.
Das ist bei anderen.
Nachdem du zu meinem Vater gehörst, dachte ich, ich bin mal ich, und ignorierte diverse Bemerkungen, weil ich mir dachte, es sei eben deine Art, während es sich immer deutlicher abzeichnete, dass ich eben doch noch ein Exemplar von der Sorte meines Vaters bekommen hatte, und bei allem guten Verständnis näherte ich mich immer mehr der emotionalen Explosion an.
Heute hast du mich zum Weinen gebracht.
Das ist keine große Kunst, du bist nicht die erste, die das schafft: der Junge, dem ich 6 Jahre lang hinterher lief, aus Liebe, und der wohl nie ganz egal sein wird, hat mich schon oft zum Weinen gebracht, teilweise ohne, dass er etwas dafür tun musste. Mein Vater hat mich oft zum Weinen gebracht, so dumm es sich anhört, das Leben hat mich zum Weinen gebracht.
Aber du hast kein Recht dazu.
Du hast kein Recht, mir einen Essstab mit Hebelbewegungen, bei denen mich jede einzelne ein Stück weit zu skalpieren scheint, "heimlich" und auch dann, wenn ich darauf hinweise, dass es wehtut, in die hochgeklammerten Haare zu stopfen. Weißt du, wenn da schon eine Frisur ist, dann hat das einen Grund und meistens sitzt sie ziemlich fest, und davon abgesehen, dass du nicht das Recht hast, dich in meinen Privatbereich einzumischen, saß ich danach eine Viertelstunde mit Kamm und Öl da und versuchte, ohne größere Schäden die Knoten zu entfernen, die du hinterlassen hast, und dabei meine schmerzende Kopfhaut zu massieren.
Du hast kein Recht, mir vorschreiben zu wollen, wann ich mein Zimmer aufräume; Ich habe gesagt, ich räume es auf, ich habe aber auch mehrfach gesagt, dass ich keine Zeitangabe geben werde, weil ich Prioritäten setzen muss. Du hast mir nicht zu drohen mit Rauswurf meiner Sachen oder meiner Gitarre. Du bist nicht mein Vater.
Du hast kein Recht, mich anzuschreien aus künstlicher Empörung und den Kopf zu schütteln über meine vermeintliche Dummheit und mich, wenn ich Bedenken habe, an der mir angebotenen Jugendbegegnung in Israel teil zu nehmen, weil ich Angst vorm Fliegen habe und davor, dass man am kompletten Programm teilnehmen muss, zu dem auch zweimal im Meer schwimmen, Klettern und eine Radtour gehören. Nichtteilnehmen am Programm bedeutet Heimreise auf eigene Kosten, und so viel Geld hab ich nicht.
Falls die Gruppe, das Flugzeug oder nur ich entführt werde(n), haben ja sowohl mein Vater als auch du darauf hingewiesen, dass ihr kein Lösegeld bezahlen werdet.
Du hast kein Recht, mich zu beleidigen, das hat nämlich prinzipiell erstmal niemand. Die einzigen, die mich beleidigen dürfen, sind nahestehende Fastfreunde, und dann nur aus Spaß und nicht ernst gemeint. Wenn ich also schon zustimme, mir deinen Drecksköter, den du dir ja nicht aus dem Tierheim holen kannst, sondern extra beim Züchter bestellt hast, anzusehen, falls ich vorbeikommen kann und Zeit habe, möchte ich mich nicht dumm anmaulen lassen: Ich weiß, dass Sonntag zu "Wochenende" zählt, aber weißt du, ich habe zu tun, ich werde fortgebildet, spiele Gitarre und muss um meine Versetzung oder einen annehmbaren Notendurchschnitt für einen Schulwechsel kämpfen. Mich dann nochmal anzumaulen von wegen "Du hast da Zeit, du musst am Sonntag nicht auf dem Sofa rumliegen", tschuldigung, aber das find ich scheiße. Ist dein winziger Verstand fähig, zu begreifen, dass ich auch ein Leben habe? Ich wäre FROH UND GLÜCKLICH WENN ICH EINEN GANZEN SONNTAG AUF DEM SOFA LIEGEN KÖNNTE! ICH WÄRE FROH UND GLÜCKLICH, WENN ICH EINEN TAG MEINE RUHE HABEN KÖNNTE! WAS GIBT DIR EGOISTISCHEM STÜCK EIGENTLICH DAS RECHT, MICH ZU BEANSPRUCHEN, ZU BEVORMUNDEN, ZU BELEIDIGEN, ABZUWERTEN UND DICH ÜBER MICH LUSTIG ZU MACHEN??
War das jetzt endlich deutlich und laut genug?
I hope so.

Ich nehme Rücksicht, also nimm du bitte auch Rücksicht, dass ich eben etwas empfindlicher bin, unsicherer, leichter zu verletzen. Das bedeutet nämlich nicht, dass ich dumm, lebensunfähig oder scheiße bin.
Ich find den Großteil deiner Person nämlich genauso beschissen wie du meine, also könnten wir uns einfach auf nicht allzu engen Kontakt einigen, der nur so weit geht, dass wir die Smalltalkgrenze nicht überschreiten, oder?
In zwei Jahren habe ich genügend physischen Abstand zwischen all das hier und mich gebracht, so lange werde ich doch wohl aushalten.
Sag nicht, ich würde es nicht versuchen. Ich gebe dir eine Chance, ich habe dir von Anfang an eine gegeben, auch wenn ich wusste, dass es schwierig werden würde; nicht aus der falschen Angst heraus, du würdest den Platz meiner Mutter einnehmen wollen, sondern aus der Gewissheit, dass deine Person zu anders ist, um mit meiner auf freundschaftlicher Basis zu verkehren.
Also nimm einfach Rücksicht, oder noch besser, halt dich einmal in deinem Leben zurück, denke vielleicht daran, dass ich auch Gefühle habe, irgendwo, und dass es eben Leute gibt, die anders sind als du, aber trotzdem daseinsberechtigt.
Ich sehe auch gezwungenermaßen über so viel hinweg, bei dir.

Ich muss mich nicht mit dir verstehen, ich will nicht mit dir kämpfen, aber wenn du es so willst, kannst du es so haben.
Denn nichts gibt dir das Recht, mich so zu behandeln, garnichts.
Wir sind keine Freunde.

mit freundlichen Grüßen

Frau/Fräulein/die mayhem,

auch, wenn ich ernsthaft überlege, ob du mich nicht siezen solltest, damit wenigstens der Hauch der Illusion, du hättest ein wenig Respekt oder Wertschätzung für mich übrig, entsteht.





huehnerschreck, Donnerstag, 24. Februar 2011, 13:15
ach verdammt ... auch das noch ... was ich nicht kapiere, nicht kapieren will, ist, warum sich neue freunde der eltern immer sooooo gern in die erziehung bevorzugt halberwachsener "kinder" einmischen müssen. und dann auch noch mit gemeinheit, brutalität und ohne jedes feingefühl.

der exkerl meiner mutter hielt das genauso. meinte, mit vorschriften, verboten und angedrohter körperlicher gewalt irgendwas reißen zu können. es hat lange (mehr als 10 jahre) gedauert, bis ich ihn nicht mehr hasste. und selbst das liegt nicht an irgendeinem guten gefühl ihm gegenüber, sondern nur daran, dass hass mich selber auffrisst.

keine ahnung, ob bei so einem harten schädel wie dem der vaterfreundin klartext mit mit eingefordertem respekt dir gegenüber zu mehr führen würde als zu weiterem gemaule und ggf. sanktionen ... zu deinem vater scheinst du ja nicht gehen zu können mit der bitte um beistand, oder?

c17h19no3, Donnerstag, 24. Februar 2011, 21:53
ich stells mir schwierig vor mit so einer vaterfreundin. ich finds ja schon schwierig mit der objektfreudin und die seh ich nur sehr gelegentlich. ;)

ich stells mir aber auch schwierig vor, jemands lebens(abschnitts)gefährtin zu sein mit einem "kind" in deinem alter. und dann mit deiner geschichte.

ich hatte vor dem objekt mal einen mann mit kind, wir waren zweieinhalb jahre zusammen und echt eine happy familiy, aber die kleine war damals fünf. da genügen ein paar kreative spielideen und ein bisschen toben und kuscheln und schon sagst sie "mami" und gibt küsschen. also kein vergleich.

meine jüngste freundin, die ich habe, ist 20. wir bewegen uns absolut auf augenhöhe und keine von uns ist gefühlt "älter" oder "erwachsener". wäre ich mit ihrem vaer zusammen, hm, ich weiß nicht, ob ich dann nicht einen anderen blick drauf hätte. spontan würde ich sagen, nein, aber wenn ich knochenhart ehrlich bin - vielleicht würde ich tatsächlich verantwortung verspüren.

freundschaft ist die einfachste art, für jemanden verantwortung zu übernehmen. aber freundschaft muss man sich verdienen. man muss durch den anderen erwählt werden. das funktioniert nicht, indem die vaterfreundin das einfach will oder "befiehlt". du hast dein recht, deine eigene familie zu wählen, jetzt und später.

ich könnte dir jetzt raten, sei doch einfach mal ein bisschen locker und nimm es an. ist sicher leichter dann. ich habs selber aber nie gekonnt, mich mit solchen situationen anzufreunden. ich habe auch immer gekämpft, mit anderen aber vor allem mit mir und tus noch heute. nietzsche löwin, kein kind, aber wenigstens kein kamel. ;)


huehnerschreck, Freitag, 25. Februar 2011, 11:13
also das mit den "kindern" des lebensabschnittsgefährten, die ggf. nicht viel jünger sind als man selbst, das kenn ich aus eigener anschauung.

der gewesene langzeitgefährte hat 2 söhne, der "kleine" wird dieses jahr 17, der ältere ist 26 und jüngst selbst vater geworden.

wir haben es grundsätzlich so gehalten, dass ich mich an den lg gewendet habe, wenn mir was nicht passte. ich hab mich nur dann geäußert, wenn ich direkt gefragt wurde, und gelegentlich bei schulsachen geholfen. auch wenn ich manchmal den hass-hals de luxe hatte (zugegebenermaßen sehr selten), hab ich es mir verkniffen, das selber zu äußern.
beispiel dafür: kiddo hat sich auf einem dorffest furchtbar besoffen und hinterher sein zimmer vollgekotzt. mit 14. saufen wird halt hier aufm dorf (bescheuerterweise) als erwachsensein betrachtet. find ich völlig bescheuert. aber was solls. ein jahr später, wieder ein dorffest, war kiddo wieder voll wie ein eimer und wurde von drei (!!) mädels heimeskortiert. die dann - nachts um vier - in seinem zimmer rumstanden und meinem lg gegenüber feststellten, dass kiddo ihnen gesagt habe, sie könnten selbstverständlich bei uns schlafen. und so geschah es dann auch: in meinem arbeitszimmer, wo noch der pc lief. waaaaaaaaaaaaaaaahh! da hatte ich nen hals de luxe! und hab mich sehr mit lg gestritten, weil ich das absolut indiskutabel finde, auf mehreren ebenen - aber da schlug das stolze vaterherz im dorfdreiklang oder so, er fand das eher lustig. (von der "nachtwanderung" zwischen den etagen hatte er nix mitbekommen. schön für ihn ...)
und so durfte ich abtreten. und hab das dann auch getan. unter der überschrift: "nicht meine baustelle."
ganz "einfach".

das mit dem lockersein ist, glaube ich, auf beiden seiten schwierig: als der "kind"-part bekommt man da einen wildfremden menschen vor die nase gesetzt (wenn man echt pech hat, nicht viel älter als man selbst), der sich evtl. auch noch ranzuwanzen versucht, den man sich aber nicht selber ausgesucht hat und ungünstigenfalls nicht ausstehen kann. und der dann unglaublich oberschlau daherfaselt und grundsätzlich alles besser weiß und -kann usw. usf. und dem elternteil auch noch in die erziehung reinquatscht.

von der "eltern"-seite aus bekommt man zusätzlich zu dem ausgesuchten partner im package einen jungen menschen mit eigenem kopp dazu, der möglicherweise auch noch voll auf konfrontationskurs geht (so hab ich das damals mit dem arschloch typen meiner mutter gehalten). und der dinge tut, die man selber völlig bekloppt findet und von der altersweisheit seiner eigenen siemunzwanzichdreiviertel lenze herab viiiiiiel besser und erfolgversprechender usw. usf. tun würde. gelegentlich streitet man dann noch mit dem partner des kindes wegen - was zusätzliche spannung bringt.

ich hab beide seiten erlebt und ... naja. schwierig. beides.

übrigens: ein schöner satz: freundschaft muss man sich verdienen, man muss vom anderen erwählt werden.

mayhem, ich drück dir die daumen, dass du immer mal die gelassenheit findest oder aufbringen kannst, um ihre art an dir ablaufen lassen zu können. dass ihr dasein und sich-einmischen dich nicht schmerzt. und vielleicht manchmal helfen kann. ich wünsch es dir ganz doll ...


mayhem, Samstag, 26. Februar 2011, 00:21
ich mache es ihr nicht schwer.. ich stand der vaterfreundin von anfang an neutral bis positiv gegenüber, weil man jedem eine chance geben sollte. ich höre mir prinzipiell auch an, was man mir sagt, auch, wenn es erziehungsmaßnahmen sind, aber ich komme eben, wenn wir länger aufeinanderhocken als 10 Minuten, nicht klar mit ihr, weil ich mit ihrer Art genauso wenig klarkomme wie sie mit meiner. Ich bin das hyperemotionale Sensibelchen, sie der eher direkte..Trampel. Um es übertrieben zu sagen und ohne sie beleidigen zu wollen. Sie weiß das, ich weiß das, alle könnten glücklich sein.


huehnerschreck, Montag, 28. Februar 2011, 11:50
mir scheint ebenfalls, dass du es ihr nicht übermäßig schwer machst - aber dir selber, weil du das, was sie tut, dichter an dich heranlässt, so, dass es dich verletzen kann.

sie weiß, du weißt. du weißt, dass sie weiß und vice versa - und trotzdem funktioniert es nicht. man steht sich jeweils selbst im weg, irgendwie.
aber hey - mit 16 _darf_ man hyperemotional und -sensibel sein.

ich wünsch dir kraft. viel kraft.