Du hast mal gesagt, dass du traurig bist, dass ich dir so fremd bin, so selbstständig, viel zu erwachsen und weil ich nie etwas erzähle. Erinnerst du dich noch?
Weißt du, ich hab dir oft genug erzählt, von Belanglosigkeiten aus der Schule bis hin zu meinem belanglosen Seelenleben, aber du hast nicht zugehört oder es wieder vergessen, und oft bin ich gar nicht dazu gekommen, etwas zu sagen, weil du mich unterbrochen hast mit einem Hinweis, was ich noch sauber machen muss.
Heute hast du dich darauf verlegt, mich einfach zu ignorieren, als ich auf den Befehl, deiner Freundin Bescheid zu sagen, wir würden am Sonntag samt Großvater zum Mittagessen kommen, versucht habe, dir zu erklären, dass und wieso ich nicht mitmöchte.
Hab schon so oft versucht, dir zu erklären, warum ich zu viel Familie nicht vertrage. Heute mehr oder weniger nochmal.
Hab dir erklärt, dass ich nichts gegen sie an sich habe, dass ich es einfach nicht gut vertrage, diese ganze gottverdammte Idylle, schon schwierig, wenn wir zu dritt sind, aber nicht mehr auszuhalten, wenn die "ganze Familie" zusammen sitzt.
Zu dritt, das waren immer WIR. Meine Mutter war dabei beim zu dritt, aber sie ist nicht mehr dabei und wird auch nicht mehr dabei sein, und ich kann mir einfach kein neues " zu dritt" antun, nicht jetzt, nicht dann, nicht in absehbarer Zeit, ich hab dir gesagt, dass es bei mir noch dauert, bis ich mich daran gewöhnt habe, ich hab dir gesagt, dass ich darum manchmal nichts sage und dass ich darum manchmal versuche, dem ganzen aus dem Weg zu gehen. Am Liebsten würde ich dem ganzen immer aus dem Weg gehen.
Ich hab dir gesagt, dass ich lieber daheim bleiben möchte, weil ich es mir nicht antun kann.
Weißt du, ich kanns mir nicht antun, weil es sich falsch anfühlt, mindestens sehr komisch, weil es wehtut, manchmal mehr und manchmal weniger, und weil ich jedes mal wegrennen will, mindestens 10km, noch weiter, bis ich wieder daheim bin oder bis ich bei ihr bin, auf dem Friedhof, wo ich mich genauso falsch fühle, aber eigentlich ist sie dort.
Du hast nicht reagiert, einfach weiter deine Akten durchgesucht und nichts gesagt, und als ich nach Minuten, in denen ich einfach nur da saß, irgendwo zwischen Traurig und enttäuscht, meinte ich, ziemlich leise, dass ich mich über etwas mehr Mitgefühl gefreut hätte, und du hast gesagt, wer Mitgefühl will muss erstmal welches haben, weil du mal wieder deine hochheilige Ordnung-Sauberkeit-Disziplin-Dreifaltigkeit mit menschlichen Gefühlen verwechselt hast.
Dann bist du gegangen und hast zum Abschied eine Befehlssalve auf mich abgefeuert und gesagt, ich soll deine Freundin anrufen.

Trotz..allem und dem Hass, den ich für meine Mutter teilweise empfunden habe und teilweise immernoch empfinde, ich glaube, ich weine wegen ihr. Ich glaube, ich vermisse sie.
Kann es dir nicht genau sagen, aber ich glaube es.
Kann nicht darüber reden, egal, wie es mir geht,
aber kann objektiv darüber schreiben, während ich wimmernd vor einem Computer sitze.
Muss seelisch umschalten, wenn die Haustür zu hören ist, weil ich weiß, dass mein Großvater wieder heimgekommen ist, gleich auftauchen und sein Redebedürfnis ausleben wird. Sehr wahrscheinlich werde ich fünfmal seinen Essensplan der nächsten Woche hören, die Wettervorhersage und die Lottozahlen, und egal, was ich sage, ob es zum Thema passt oder nicht, er wird über mich hinwegreden, einfach so, als sei ich nicht da, und irgendwann wieder gehen, nur, um noch mindestens zwei Mal wieder aufzutauchen, vielleicht nachzufragen, ob ich der Vaterfreundin schon Bescheid gesagt habe wegen Sonntag.
So I hold by breath 'til my heart explodes.. .





huehnerschreck, Freitag, 25. Februar 2011, 11:18
ich drück dich virtuell.