Thema: monolog
Aber das Ding überlebt.
Und ich schlage mich nichtmal schlecht, so zwischen KBMs und der Sadistin, die meine Witze über die Reitpeitsche, die im Wohnzimmer des Rauchers an der Wand hängt, weil seine pferdesportbegeisterte Schwester sie bei ihrem Auszug vergessen hat, und ihre möglichen Verwendungszwecke ernst nimmt, allerdings mich für eine Lachnummer hält, weil ich ihrer Meinung nach zu "lasch" mit dem Raucher und der Peitsche umgehe, und die, wie die KBMs, der Meinung ist, dass alle Ausländer vertrieben oder "entsorgt" werden sollten, obwohl sie selbst Tschechin ist.
Neben mir die alte Sache plus Freundin, beide anfangs gesprächig wie immer, aber dann startet er tatsächlich einen ungelenken Unterhaltungsversuch, weil sich der Verband, mit dem man nach der Blutspende die Sauerstoffversorgung meines Unterarmes gefühlt komplett zum Erliegen gebracht hat, noch an meine Arm befindet, und wir schaffen es tatsächlich, zu reden, übers Blutspenden, und er erzählt,dass sie ihm beim letzten Mal einen Nerv durchgepiekst haben und das irgendwie unpraktisch ist, und ich sage, solche Idioten, und freue mich innerlich ein bisschen, weil er mit mir redet und ich, ewige Idiotin, natürlich wieder mal denke, hey, unsere Freundschaft ist vielleicht gar nicht völlig verloren.
Und der Rest schüttelt sich beim Gedanken daran, dass wir beide uns freiwillig Blut abzapfen lassen, aber als ich die Flasche Apfel-Blaubeerwein, die ich dafür als Gratisgeschenk bekommen habe, aus der Tasche ziehe, legt sich die allgemeine Abneigung etwas und der Wein ist leer, bevor ich auch nur einen Schluck probieren konnte.
Also der Griff zum Wasser, erneut Schock, Unverständnis und Abneigung in den Gesichtern der KBMs und der Sadistin, die mein ketzerisches Handeln kommentarlos beobachten und nicht gerade zu meinem Wohlbefinden beitragen,sodass es mir irgendwann zwischen Trinkspielrunde vier und sieben erwartungsgemäß zu viel wird und ich flüchte mich unter dem maroden Balkon auf die Terasse setze und ein paar Schritte in mich gehe. Einfach weiteratmen, dann wird das schon wieder.
Es wird nicht wieder, auch nicht, nachdem ich bis 350 gezählt habe, und auf einmal sitzt da Legolas im zweiten Klappstuhl und starrt mich wortlos an.
Dann: "Ich habe mir gedacht, ich frage dich lieber, ob alles in Ordnung bei dir ist, so, wie die da drinnen qualmen, kann einem sehr schnell schlecht werden, wenn man nicht daran gewöhnt ist."
-"Danke, aber mir gehts gut. Ich hab nur bisschen Luft gebraucht."
"Gedanken sortieren?"
-"Teilweise."
"Dachte ich mir; deshalb habe ich auch gewartet und dich nicht unterbrochen."
Schweigen, bis der KBM durch die Terassentür ein Stück Baguette nach uns wirft.
"Idiot", grummelt Legolas, hebt das Brot auf und starrt den KBM mit einem Blick an, der Grillkäse frittieren könnte.
-"Sei froh,dass er nicht mit einer vollen Schüssel nach uns geworfen hat..." Dem KBM ist alles zuzutrauen, und Chili con Carne hat zwar keine sehr ausgedehnte Flugbahn, dafür aber umso verheerendere Auswirkungen beim Zusammentreffen mit den meisten Kleidungsstoffen. Außer vielleicht Plastikplane.
-"Man wirft auch nicht mit Brot. Vor allem war das fast ein ganzes Baguette, und die Vegetarier haben sonst nichts zu essen außer Knabberzeug, weil mal wieder niemand daran gedacht hat, dass es auch Menschen gibt, die kein Fleisch essen..."
"Ich glaube, ich bin heute die Einzige. Und ein Viertel Baguette wird wohl reichen, nach der Blutspende bin ich sowieso immer total müde und hab keinen Hunger, trotzdem musste ich mir dort schon Essen reinzwingen."
-"Es geht ums Prinzip, sowas regt mich auf.Hauptsache, vier Kästen Bier, drei Flaschen Met, Captain und Wodka gebunkert, viel zu viel Essen da, und das nur mit Fleisch, und dann noch mit Brot werfen. Das übrige Chili wird morgen wahrscheinlich auch in der Biotonne landen...ich war ein Jahr in Indien, seitdem stören mich solche Dinge noch viel mehr.
Mr. Gaunt ist übrigens auch Vegetarier, soweit ich weiß."
Lange Haare: Check, Gitarrist: Check, erträgliche bis sehr gute Ausdrucksweise: Check, Nichtraucher: vermutlich ja, und die Sperrklausel: trinkt nicht zu viel: vorsichtiges Check, angetrunken ist er zwar, aber nicht total weg, und inzwischen ist er zu Wasser und Cola übergegangen.
"Wie heißt du doch gleich? mayhem, oder?"
-"Ja. Dass du Legolas bist, ist ja allgemein bekannt.."
" Richtig, der unendliche Ruhm meiner Band eilt mir voraus." Tatsächlich wechselt sein Standardgesichtsaudruck fast ins freundliche, für eine Sekunde.
Dann geht er wieder dazu über, grimmig-böse zu schauen und nach einer Schweigephase erhebt er sich und hält mir die Tür auf, weil ich mich seiner Meinung nach ganz furchtbar erkälten würde, wenn wir nicht bald wieder in die viel zu warme und verqualmte Wohnung zurückkehren würden.

Drinnen ist inzwischen noch weniger Platz, weil der Mischpultmann, der Schlagzeuger, der Musiker und der Pinguin vorbeigekommen sind, alles ist noch verrauchter, die Musik noch schlechter und der allgemeine Alkoholisierungsgrad erreicht zusammen mit meinem Fluchtreflex ungeahnte Ausmaße.
Als diverse Paare wahlweise verschwinden oder sich mit Kuschelbedürfnis aufeinanderstapeln und sich auch der Musiker kurzerhand auf den Schoß des Mischpultmannes wirft und dabei quietscht "Ich bin deine Prinzessin!", entsteht eine Lücke auf dem Sofa, die groß genug für mich und die Raucherschwester ist, die netterweise eine Unterhaltung mit mir beginnt, sich nicht von meinen in dem Moment nicht vorhandenen Gesprächsfähigkeiten abschrecken lässt, im Laufe des Abends als mein Rettungsanker entpuppt und mit 23 von Tablettenabhängigkeit, einem Trinkverhalten, das beinahe an das grenzt, das der Raucher früher an den Tag gelegt hat, diversen Schlägereien, einer Arbeit in der Superklinik, einem Aufenthalt in der Gruselklinik bis hin zum erfolgreichen Loswerden eines gewalttätigen Exfreundes mit stalkerhaften Neigungen bereits diverse große und kleine Weltuntergänge überstanden und dabei nicht größere Macken als ich davongetragen hat.

Ihr Trinkverhalten ist vermutlich trotzdem nicht ganz im normalen Bereich, aber an diesem Abend ist das eher die Regel als die Ausnahme, und sogar die alte Sache ist angeheitert und lässt mich alleine, während der Raucher eine Kippe nach der anderen raucht, dazu aber immerhin den Raum verlässt.
Als ob das bei den Nebelschwaden noch etwas bringen würde.
Fühle mich nicht nur alleine, sondern beinahe ausgesetzt, während die KBMs und die Sadistin verkünden, die "Zecken" sollten auch "alle vergast" werden, ebenso wie "andere Schwächlinge" und die Blicke dabei mehr als einmal in meine Richtung wandern, Legolas stimmt ihnen zu, setzt Ausländer auf die imaginäre Liste und ist somit für mich gestorben; dann wandelt es sich zum großen, bodenlosen Angstgefühl, zu dem es immer wird, wenn alles viel zu viel und Flucht nach Hause der einzige Ausweg ist, aber ich kann nicht einfach wegfahren, schließlich ist es die Geburtstagsfeier des Raucherbruders und davon abgesehen muss ich in ein paar Stunden sowieso seriös sein.
Also falle ich tiefer in den Endlosschacht Angstzustand.