Thema: oh happy day.
Felsenfest davon überzeugt, Chaos und Verderben über mich und die Kleinstadt zu bringen, sobald ich alleine Schicht habe (also ab nächster Woche), reagiere ich logischerweise innerlich alles andere als gelassen, als die Chef-Stellvertreterin ihren Ehefrust/Hormonstau/die gesammelten Aggressionen, die sie sonst an ihren Kindern, die sie meistens für ein paar Stunden dabei hat, ausgelassen hat, heute auf mich entlädt.
Neun Minuten Verspätung beim Melden des Benzinpreises der Konkurrenz. Weltuntergang, Verwüstung, die Tanke wird bestimmt pleite gehen, weil ich nicht rechtzeitig bei der Hotline angerufen und unsere Preise entsprechend angepasst habe..
Am Vortag 10 Euro Kassendifferenz, die mich gefühlt über Nacht ergrauen lassen, sich aber gnädigerweise erledigen, als ich heute ein Plus von 13 Euro bei der Abrechnung habe. Es ist bekannt, dass das System immer mal spinnt; trotzdem werde ich seitdem genauestens überwacht und bei der Gelegenheit noch leidenschaftlich zur Schnecke gemacht, wenn ich der einzigen offiziell obdachlosen Trauergestalt , die sich von Pfandflaschenerspartem ein Fläschchen Hochprozentiges holt, oder den Kettenrauchern, die entnervt ihre Stange Marlboro wollen und mehr nicht, keine Autowäsche andrehe, wir haben da doch schließlich eine Sonderaktion und es ist Pflicht, jeden Kunden darauf hinzuweisen.
Und auf die Kaffeeaktion.
Sollten Sie sich also am Ende der Welt befinden, in der nächsten Zeit nur schnell eine Schachtel Zigaretten, oder das Feierabendbier holen wollen, und bei dem Versuch, zu bezahlen, erstmal minutenlang mit Autowäsche-Sonderangeboten und dem Hinweis darauf, wie toll doch unsere Kaffeespezialitäten sind, belästigt werden, lassen Sie Gnade walten.
Ich bin normalerweise gar nicht so nervig, und erst recht nicht so gesprächig gegenüber Fremden, aber das muss halt jetzt so.
Man kann darüber streiten, wie attraktiv ich in einer zu kurzen Bluse in einem Farbton, der Augäpfel zum Platzen, Typberater zum Selbstmord und zarter besaitete Angestellte zum Weinen bringt, wirke, aber immerhin darf ich sie offen lassen, solange ich ein schwarzes Shirt drunter trage (Ich weiß, das kommt überraschend, aber ja, ich besitze tatsächlich schwarze Kleidung).
Und in Kombination mit einem Paar an mir festgeklammerter Handschuhe, meinem Namensschild, so ich denn endlich eines bekomme, sowie zwischendurch einer orangenen Warnweste (wenn ich draußen bin), oder einer Einweghaube (wenn ich mit Backwaren hantiere) fällt die auch gar nicht mehr so arg auf.
Und eines steht definitiv fest: Dienst- oder Arbeitskleidung gibt Sicherheit.
So schaffe ich es irgendwie, meine neun Stunden (meistens im wahrsten Sinne des Wortes) durchzustehen, dabei zumindest ein paar Autowäschen und Kaffees zu verkaufen, mir zumindest äußerlich nichts von meiner Angst anmerken zu lassen, und nebenher sowas wie ein Freundschaftskonstrukt mit der Tabakfee aufzubauen.
Die Tabakfee ist eine der unzähligen Verwandten Mr.Gaunts und eine der Personen, die meinen Humor nicht nur verstehen, sondern absolut zum Schießen finden.
Außerdem ist sie fast so zugetackert wie ich, hat einen leichten Haartick, der durch regelmäßigen Kontakt zu mir eher/hoffentlich schlimmer als besser wird, und verzichtet darauf, mich komisch anzuschauen, als ich am Ende unserer Schicht übrig gebliebenes Gebäck (wird sonst weggeworfen) und ein paar abgelaufene Sachen (wandern sonst ebenfalls in den Müll) mitnehme.
"Weißt du was? Ich finds voll gut, dass du die neue Freundin von meinem Cousin bist. Von der vor dir hat er sich bloß rumschubsen lassen, und die anderen Tussis waren auch irgendwie scheiße, die haben ja alle fremdgevögelt. Aber bei dir hab ich ein richtiges gutes Gefühl."
-"Äh, danke."
"Ehrlich, wir hatten jetzt zweimal Schicht zusammen, und ich fand dich gleich voll sympathisch. Deshalb fand ich das auch so cool, als du vorhin gesagt hast, dass du mit ihm zusammen bist. Kommst du dann am Sonntag auch?"
-"Was ist denn am Sonntag?"
"Da feiert doch meine Mutter ihren fünfzigsten."
-"Bis jetzt wusste ich noch nicht mal, dass überhaupt irgendwas ist."
"Was, hat Mr.Gaunt dich da noch nicht gefragt?"
-"Nee, der sagt einem doch immer erst frühestens ne halbe Stunde vorher Bescheid. Wahrscheinlich hat ers selbst verpeilt, oder will nicht hin."
"Mir egal, wenn der dich nicht mitbringt, bring ich dich mit!"
Auch mal ne Ansage.
Unter der furchtbaren Angst davor, alles mögliche falsch zu machen (nein, Tanke ist nicht nur "kassieren und Kaffee kochen") und an ganz realen Problemen wie rumspinnender Technik, Abschließmechanismen aus der Hölle, sowie den aufgestauten Aggressionen meiner Co-Chefin zu scheitern, habe ich irgendwo ein gutes Gefühl bei der Sache.
Habe Arbeit, habe zumindest eine Kollegin, mit der ich mich eventuell sogar anfreunden kann.
Auch, wenn ich sie auf der Arbeit so gut wie nie sehen werde, weil meine Einlernzeit in dieser Woche endet und ich danach alleine bin.
Ich versuche, die Angst/Panik nieder zu ringen, indem ich mir immer wieder vorbete, dass das mit einer der besten Jobs ist, der mir passieren konnte. Acht Euro zehn die Stunde, nach neun Monaten sogar neun Euro dreißig, Freischein, was Piercings, Tattoos und bunte Haare angeht, und je nach Schicht Gebäck oder andere Sachen, die ich mir sonst nie leisten könnte (Ich habe heute zum ersten Mal in meinem Leben Häagen Dazs probiert. Und letzte Woche nach der Spätschicht einen Donut, der sonst 1,20 (!) gekostet hätte! Luxus), gratis.
Fehlt nur noch sowas wie Selbstsicherheit, um nicht, wie jetzt, zwanghaft nur an das, was schief gegangen ist, zu denken, und vielleicht etwas weniger davon überzeugt zu sein, dass mit meiner Spätschicht am kommenden Montag die Welt untergeht.
Neun Minuten Verspätung beim Melden des Benzinpreises der Konkurrenz. Weltuntergang, Verwüstung, die Tanke wird bestimmt pleite gehen, weil ich nicht rechtzeitig bei der Hotline angerufen und unsere Preise entsprechend angepasst habe..
Am Vortag 10 Euro Kassendifferenz, die mich gefühlt über Nacht ergrauen lassen, sich aber gnädigerweise erledigen, als ich heute ein Plus von 13 Euro bei der Abrechnung habe. Es ist bekannt, dass das System immer mal spinnt; trotzdem werde ich seitdem genauestens überwacht und bei der Gelegenheit noch leidenschaftlich zur Schnecke gemacht, wenn ich der einzigen offiziell obdachlosen Trauergestalt , die sich von Pfandflaschenerspartem ein Fläschchen Hochprozentiges holt, oder den Kettenrauchern, die entnervt ihre Stange Marlboro wollen und mehr nicht, keine Autowäsche andrehe, wir haben da doch schließlich eine Sonderaktion und es ist Pflicht, jeden Kunden darauf hinzuweisen.
Und auf die Kaffeeaktion.
Sollten Sie sich also am Ende der Welt befinden, in der nächsten Zeit nur schnell eine Schachtel Zigaretten, oder das Feierabendbier holen wollen, und bei dem Versuch, zu bezahlen, erstmal minutenlang mit Autowäsche-Sonderangeboten und dem Hinweis darauf, wie toll doch unsere Kaffeespezialitäten sind, belästigt werden, lassen Sie Gnade walten.
Ich bin normalerweise gar nicht so nervig, und erst recht nicht so gesprächig gegenüber Fremden, aber das muss halt jetzt so.
Man kann darüber streiten, wie attraktiv ich in einer zu kurzen Bluse in einem Farbton, der Augäpfel zum Platzen, Typberater zum Selbstmord und zarter besaitete Angestellte zum Weinen bringt, wirke, aber immerhin darf ich sie offen lassen, solange ich ein schwarzes Shirt drunter trage (Ich weiß, das kommt überraschend, aber ja, ich besitze tatsächlich schwarze Kleidung).
Und in Kombination mit einem Paar an mir festgeklammerter Handschuhe, meinem Namensschild, so ich denn endlich eines bekomme, sowie zwischendurch einer orangenen Warnweste (wenn ich draußen bin), oder einer Einweghaube (wenn ich mit Backwaren hantiere) fällt die auch gar nicht mehr so arg auf.
Und eines steht definitiv fest: Dienst- oder Arbeitskleidung gibt Sicherheit.
So schaffe ich es irgendwie, meine neun Stunden (meistens im wahrsten Sinne des Wortes) durchzustehen, dabei zumindest ein paar Autowäschen und Kaffees zu verkaufen, mir zumindest äußerlich nichts von meiner Angst anmerken zu lassen, und nebenher sowas wie ein Freundschaftskonstrukt mit der Tabakfee aufzubauen.
Die Tabakfee ist eine der unzähligen Verwandten Mr.Gaunts und eine der Personen, die meinen Humor nicht nur verstehen, sondern absolut zum Schießen finden.
Außerdem ist sie fast so zugetackert wie ich, hat einen leichten Haartick, der durch regelmäßigen Kontakt zu mir eher/hoffentlich schlimmer als besser wird, und verzichtet darauf, mich komisch anzuschauen, als ich am Ende unserer Schicht übrig gebliebenes Gebäck (wird sonst weggeworfen) und ein paar abgelaufene Sachen (wandern sonst ebenfalls in den Müll) mitnehme.
"Weißt du was? Ich finds voll gut, dass du die neue Freundin von meinem Cousin bist. Von der vor dir hat er sich bloß rumschubsen lassen, und die anderen Tussis waren auch irgendwie scheiße, die haben ja alle fremdgevögelt. Aber bei dir hab ich ein richtiges gutes Gefühl."
-"Äh, danke."
"Ehrlich, wir hatten jetzt zweimal Schicht zusammen, und ich fand dich gleich voll sympathisch. Deshalb fand ich das auch so cool, als du vorhin gesagt hast, dass du mit ihm zusammen bist. Kommst du dann am Sonntag auch?"
-"Was ist denn am Sonntag?"
"Da feiert doch meine Mutter ihren fünfzigsten."
-"Bis jetzt wusste ich noch nicht mal, dass überhaupt irgendwas ist."
"Was, hat Mr.Gaunt dich da noch nicht gefragt?"
-"Nee, der sagt einem doch immer erst frühestens ne halbe Stunde vorher Bescheid. Wahrscheinlich hat ers selbst verpeilt, oder will nicht hin."
"Mir egal, wenn der dich nicht mitbringt, bring ich dich mit!"
Auch mal ne Ansage.
Unter der furchtbaren Angst davor, alles mögliche falsch zu machen (nein, Tanke ist nicht nur "kassieren und Kaffee kochen") und an ganz realen Problemen wie rumspinnender Technik, Abschließmechanismen aus der Hölle, sowie den aufgestauten Aggressionen meiner Co-Chefin zu scheitern, habe ich irgendwo ein gutes Gefühl bei der Sache.
Habe Arbeit, habe zumindest eine Kollegin, mit der ich mich eventuell sogar anfreunden kann.
Auch, wenn ich sie auf der Arbeit so gut wie nie sehen werde, weil meine Einlernzeit in dieser Woche endet und ich danach alleine bin.
Ich versuche, die Angst/Panik nieder zu ringen, indem ich mir immer wieder vorbete, dass das mit einer der besten Jobs ist, der mir passieren konnte. Acht Euro zehn die Stunde, nach neun Monaten sogar neun Euro dreißig, Freischein, was Piercings, Tattoos und bunte Haare angeht, und je nach Schicht Gebäck oder andere Sachen, die ich mir sonst nie leisten könnte (Ich habe heute zum ersten Mal in meinem Leben Häagen Dazs probiert. Und letzte Woche nach der Spätschicht einen Donut, der sonst 1,20 (!) gekostet hätte! Luxus), gratis.
Fehlt nur noch sowas wie Selbstsicherheit, um nicht, wie jetzt, zwanghaft nur an das, was schief gegangen ist, zu denken, und vielleicht etwas weniger davon überzeugt zu sein, dass mit meiner Spätschicht am kommenden Montag die Welt untergeht.
huehnerschreck,
Mittwoch, 15. Januar 2014, 14:32
oh, tankstellenjobs sind beileibe nicht banal ... meine mutter hat das jahrelang gemacht, inkl. schichtdienst. und zwischendurch saubermachen, regale aufräumen, ware annehmen und wegräumen und den laden bewachen. macht sich gut, wenn man allein und die bude voll ist.
auch kassendifferenzen, abhauende tankkunden, austickende technik – gab es alles gratis mit dazu. aber auch: nette kollegen, nette kunden, neue freunde.
in der summe war es bei meiner mutter so, dass sie zu anfang auch gepflegt schiss inne bux hatte, und klar war auch ab und an mal was. aber in der summe war es ein guter, wenngleich anstrengender job.
ich drück dir die daumen.
auch kassendifferenzen, abhauende tankkunden, austickende technik – gab es alles gratis mit dazu. aber auch: nette kollegen, nette kunden, neue freunde.
in der summe war es bei meiner mutter so, dass sie zu anfang auch gepflegt schiss inne bux hatte, und klar war auch ab und an mal was. aber in der summe war es ein guter, wenngleich anstrengender job.
ich drück dir die daumen.