Samstag, 5. März 2011
Thema: od serca
Sie haben ihre Sachen geholt.
Als klar wurde, dass meine Kunstlehrerin wohl nicht wieder kommen würde, wurde fieberhaft nach einer neuen Lehrkraft gesucht, während ich mindestens genauso fieberhaft nach einer neuen Leitung für die Theatergruppe suchte, hatte mir doch die Kunstlehrerin gesagt, ich solle diese Suche übernehmen, da sie sich nicht mehr um die Gruppe kümmern würde.
Es kam nicht überraschend, das mit ihr, für manche vielleicht schon, für mich nicht.
Ich hab es gemerkt, ansatzweise. Hab es gefürchtet.
Hab es wohl kommen sehen, aber immer gehofft, es würde nicht passieren, du kennst mich,ich will immer,dass alles wieder gut wird.
Das letzte richtige Stück haben wir ohne sie gespielt, unter Eigenregie, und ich bin fast verzweifelt unter dem Terror meiner Mitschauspielerin, die die Leitung an sich gerissen hatte und mich mehr als einmal ernsthaft dazu brachte,ans Aufhören zu denken.
Wir waren gut, minimale Ausgaben, maximale Wirkung,volles Haus, und als ich als Frau Momsen aus Dürrenmatts Meteor, von meiner Mitschauspielerin eingepackt in kackbraune Strumpfhosen, Zeltkleid und andere wunderbare Dinge, die mich 20kg schwerer wirken ließen, auf die Bühne stampfte, so schwerfällig, wie ich es eben spielen konnte, und den entsetzten Gesichtsausdruck der Sport-und Sprachlehrkraft, die mich als unfähige,unsportliche Lügnerin bezeichnet, sah, und als ich hörte, wie schon wieder die Verdunkelung einfach hochfuhr, stotterte, wackelte, weiter hochfuhr, und das Fluchen der alten Sache wahrnahm, die hinter der Bühne an der Technik saß und mit eben der Hallenverdunkelung kämpfte, und als mir dann klar wurde, dass es so zu Ende gehen würde, da hab ich gespielt.
Saß als menschliche Tonne da, sprach laut und deutlich und schwerfällig, lebte den Wutausbruch und war,kaum das ich saß, Frau Momsen, und als meine Co-Schauspielerin als Schwitter ihren Text vergaß, improvisierte ich, und als sie,nach meinem Bühnentod, meinen Kopf so zurückknallte, dass ich drei Tage danach immernoch eine Beule hatte, zuckte ich nicht, und ich saß 12 Minuten regungslos unter einem nach Mottenkugeln stinkenden Tuch auf der Bühne, mit überstrecktem Hals und somit unfähig zu atmen, und mit pochendem Schädel, und dachte an alles zurück.
An das erste Jahr, mit dem Probenwochenende, bei dem ich das Foto, das sich im seitlichen Header des neuen Layouts befindet, geschossen habe.
An das Schämen bei den Einspielübungen.
Ans nicht abschalten können.
An vergangene Stücke, und die Unsicherheit.
An den letzten Tag, an dem ich die alte Sache sah.
Daran, dass sich endlich Gruppendynamik ergeben hatte, und
daran, dass ich endlich akzeptiert wurde, ernstgenommen wurde,von ihnen.
Dass wir nicht nur gut, sondern genial spielten, an diesem Abend.
Daran, dass es vorbei war. In diesem Moment.

Nach beinahe zwei Jahren Kampf ist es wohl wirklich vorbei,amtlich noch nicht, faktisch schon,
Und nicht nur die Kunstlehrerin ist weg, sondern inzwischen sind es auch die Theaterrequisiten.
Der neue Kunstlehrer wollte den Werkraum, die Lagerstätte für den etwas aktuelleren Theaterkram, ernsthaft als Werkraum benutzen.
Kurz bevor sie weg war, habe ich dort bereits aufgeräumt, auf ihren Wunsch hin sortiert, in Kartons gepackt und diese zur Seite gestellt. Die Arbeitsplätze waren frei und der Raum begehbar, doch das reichte ihm anscheinend nicht.
Als ich in de Schule kam, stand auf dem Pausenhof ein riesiger Bauschuttcontainer, er schien surreal groß, und er war komplett gefüllt. Ich sah Kleider, eine Pfauenfeder,Stühle, einen Pappbriefkasten, noch mehr Kleidung, der ganze Container bis oben hin und noch ein Stück mehr vollgestopft.
Hunderte von Euros und Mark, Wochen des Nähens und Milliarden von Erinnerungen auf den Müll geworfen.
Ich hab es nur noch mal gesehen, als ich ihm Labor war und aus dem Fenster gesehen habe. Zweimal.
Dann kam der Laster.
Ein Laster, genauso unreal groß wie der Container, mit einem Kettengreifdings, holte den Container, ich habe es nicht sofort mitbekommen, und so war das letzte, was ich von unserem Theater sah, eine kurz zwischen Bäumen durchscheinende Ecke eines blauen Müllcontainers.




Mittwoch, 23. Februar 2011
Thema: od serca
Vaterfreundin,

Unsre Beziehung zueinander ist das beste Beispiel für oberflächliche Fastfreundschaft, das mir je begegnet ist.
Gemeinsamkeiten hin oder her, zu unterschiedliche Ansichten und Persönlichkeiten können nur nebeneinander her und miteinander existieren, wenn einer zurücksteckt und leidet, und bei uns bin das ich.
Direktheit schön und gut. Auch arrangiere ich mich damit, dass du Sensibilität und Feinfühligkeit nicht gerade mit Löffeln gefressen hast, aber weißt du, nur weil du stark und mutig und rücksichtslos und direkt und laut und selbstbewusst bist, heißt das nicht, dass du jeden entsprechend behandeln kannst.
Ich bin zu empfindlich, manchmal, definitiv. Aber Rücksichtnahme wäre ganz schön, ich meine, ich nehme auch so oft Rücksicht auf dich; und es ist nunmal nicht jeder laut, mutig,direkt und rücksichtslos stark, manche sind eben ängstlich stark. Weißt du, das, was sie immer sehen und als jene Offenheit und jenen Mut bezeichnen, den sie so an mir bewundern, ist in Wahrheit nichts als die höchste Steigerungsstufe, der Superlativ meiner Angst, der dazu führt, dass mein Gehirn völlig abschaltet und, im Idealfall, das Bauchgefühl, oder aber der Autopilot übernimmt.
Das ist bei anderen.
Nachdem du zu meinem Vater gehörst, dachte ich, ich bin mal ich, und ignorierte diverse Bemerkungen, weil ich mir dachte, es sei eben deine Art, während es sich immer deutlicher abzeichnete, dass ich eben doch noch ein Exemplar von der Sorte meines Vaters bekommen hatte, und bei allem guten Verständnis näherte ich mich immer mehr der emotionalen Explosion an.
Heute hast du mich zum Weinen gebracht.
Das ist keine große Kunst, du bist nicht die erste, die das schafft: der Junge, dem ich 6 Jahre lang hinterher lief, aus Liebe, und der wohl nie ganz egal sein wird, hat mich schon oft zum Weinen gebracht, teilweise ohne, dass er etwas dafür tun musste. Mein Vater hat mich oft zum Weinen gebracht, so dumm es sich anhört, das Leben hat mich zum Weinen gebracht.
Aber du hast kein Recht dazu.
Du hast kein Recht, mir einen Essstab mit Hebelbewegungen, bei denen mich jede einzelne ein Stück weit zu skalpieren scheint, "heimlich" und auch dann, wenn ich darauf hinweise, dass es wehtut, in die hochgeklammerten Haare zu stopfen. Weißt du, wenn da schon eine Frisur ist, dann hat das einen Grund und meistens sitzt sie ziemlich fest, und davon abgesehen, dass du nicht das Recht hast, dich in meinen Privatbereich einzumischen, saß ich danach eine Viertelstunde mit Kamm und Öl da und versuchte, ohne größere Schäden die Knoten zu entfernen, die du hinterlassen hast, und dabei meine schmerzende Kopfhaut zu massieren.
Du hast kein Recht, mir vorschreiben zu wollen, wann ich mein Zimmer aufräume; Ich habe gesagt, ich räume es auf, ich habe aber auch mehrfach gesagt, dass ich keine Zeitangabe geben werde, weil ich Prioritäten setzen muss. Du hast mir nicht zu drohen mit Rauswurf meiner Sachen oder meiner Gitarre. Du bist nicht mein Vater.
Du hast kein Recht, mich anzuschreien aus künstlicher Empörung und den Kopf zu schütteln über meine vermeintliche Dummheit und mich, wenn ich Bedenken habe, an der mir angebotenen Jugendbegegnung in Israel teil zu nehmen, weil ich Angst vorm Fliegen habe und davor, dass man am kompletten Programm teilnehmen muss, zu dem auch zweimal im Meer schwimmen, Klettern und eine Radtour gehören. Nichtteilnehmen am Programm bedeutet Heimreise auf eigene Kosten, und so viel Geld hab ich nicht.
Falls die Gruppe, das Flugzeug oder nur ich entführt werde(n), haben ja sowohl mein Vater als auch du darauf hingewiesen, dass ihr kein Lösegeld bezahlen werdet.
Du hast kein Recht, mich zu beleidigen, das hat nämlich prinzipiell erstmal niemand. Die einzigen, die mich beleidigen dürfen, sind nahestehende Fastfreunde, und dann nur aus Spaß und nicht ernst gemeint. Wenn ich also schon zustimme, mir deinen Drecksköter, den du dir ja nicht aus dem Tierheim holen kannst, sondern extra beim Züchter bestellt hast, anzusehen, falls ich vorbeikommen kann und Zeit habe, möchte ich mich nicht dumm anmaulen lassen: Ich weiß, dass Sonntag zu "Wochenende" zählt, aber weißt du, ich habe zu tun, ich werde fortgebildet, spiele Gitarre und muss um meine Versetzung oder einen annehmbaren Notendurchschnitt für einen Schulwechsel kämpfen. Mich dann nochmal anzumaulen von wegen "Du hast da Zeit, du musst am Sonntag nicht auf dem Sofa rumliegen", tschuldigung, aber das find ich scheiße. Ist dein winziger Verstand fähig, zu begreifen, dass ich auch ein Leben habe? Ich wäre FROH UND GLÜCKLICH WENN ICH EINEN GANZEN SONNTAG AUF DEM SOFA LIEGEN KÖNNTE! ICH WÄRE FROH UND GLÜCKLICH, WENN ICH EINEN TAG MEINE RUHE HABEN KÖNNTE! WAS GIBT DIR EGOISTISCHEM STÜCK EIGENTLICH DAS RECHT, MICH ZU BEANSPRUCHEN, ZU BEVORMUNDEN, ZU BELEIDIGEN, ABZUWERTEN UND DICH ÜBER MICH LUSTIG ZU MACHEN??
War das jetzt endlich deutlich und laut genug?
I hope so.

Ich nehme Rücksicht, also nimm du bitte auch Rücksicht, dass ich eben etwas empfindlicher bin, unsicherer, leichter zu verletzen. Das bedeutet nämlich nicht, dass ich dumm, lebensunfähig oder scheiße bin.
Ich find den Großteil deiner Person nämlich genauso beschissen wie du meine, also könnten wir uns einfach auf nicht allzu engen Kontakt einigen, der nur so weit geht, dass wir die Smalltalkgrenze nicht überschreiten, oder?
In zwei Jahren habe ich genügend physischen Abstand zwischen all das hier und mich gebracht, so lange werde ich doch wohl aushalten.
Sag nicht, ich würde es nicht versuchen. Ich gebe dir eine Chance, ich habe dir von Anfang an eine gegeben, auch wenn ich wusste, dass es schwierig werden würde; nicht aus der falschen Angst heraus, du würdest den Platz meiner Mutter einnehmen wollen, sondern aus der Gewissheit, dass deine Person zu anders ist, um mit meiner auf freundschaftlicher Basis zu verkehren.
Also nimm einfach Rücksicht, oder noch besser, halt dich einmal in deinem Leben zurück, denke vielleicht daran, dass ich auch Gefühle habe, irgendwo, und dass es eben Leute gibt, die anders sind als du, aber trotzdem daseinsberechtigt.
Ich sehe auch gezwungenermaßen über so viel hinweg, bei dir.

Ich muss mich nicht mit dir verstehen, ich will nicht mit dir kämpfen, aber wenn du es so willst, kannst du es so haben.
Denn nichts gibt dir das Recht, mich so zu behandeln, garnichts.
Wir sind keine Freunde.

mit freundlichen Grüßen

Frau/Fräulein/die mayhem,

auch, wenn ich ernsthaft überlege, ob du mich nicht siezen solltest, damit wenigstens der Hauch der Illusion, du hättest ein wenig Respekt oder Wertschätzung für mich übrig, entsteht.




Samstag, 5. Februar 2011
Thema: od serca
Lass mich zufrieden mit dem esgehtjasoschlecht, wer keinen Ausweg sehen will, sieht auch keinen, und ich stell mich nicht hin und spende Pseudomitleid, um Aufmersamkeitsbedürfnisse auszugleichen und Minderwertigkeitskomplexe zu bekämpfen.
Lösungsansätze werden als hirnlos-sinnfreie Scheiße abgestempelt und Ahnung hab ich ja sowieso keine, was seltsamerweise keinen von euch daran hindert, trotzdem wegen jedem Mist zu mir zu rennen, mir die Ohren vollzuheulen und sich dann zu beschweren, wenn ich ehrlich bin, eventuell zwischendurch mal meine Freundschaft als gar nicht real und ich als blöd zu bezeichnen, nur um später wieder anzukommen und das Ganze von neuem zu starten.
Ich helfe, aber nur bei Problemen, und ich höre prinzipiell fast immer zu, aber ich sehe es nicht ein, nicht vorhandene Kraft zu investieren in jemanden, der doch eigentlich nur hören will, wie tief er in der imaginären Scheiße, in die er sich selbst reingesteigert hat, steckt und die Bestätigung braucht, vermeintlich am Ende zu sein.
Sie sagen, sie wollen sich helfen lassen, aber wenn die Hilfe nicht in das passt, was von ihnen in ihrem Schmierentheater eingeplant ist, wird sie als unsensibel, gefühl-und nutzlos abgestempelt. Schließlich ists ja unmöglich, dass ich vielleicht mal in ähnlichen Situationen war oder, noch schlimmer, als Außenstehende mit Neutralblick ganz objektiv die Lage beurteilen kann.
Hat wieder was zu tun mit sich helfen lassen wollen oder eben nur laut um Hilfe schreien, damit die Leute einen überhaupt mal hören.
Und dann wundern sie sich, wenn ich aggressiv reagiere.
Aggression braucht bei mir lange, um zu entstehen und noch länger, um nach außen sichtbar zu werden, aber es gibt Dinge, bei denen ich keinen Spaß verstehe, und es gibt Dinge, die mich aus oben genannten Gründen wütend machen.
Und Wut ist ungesund, die macht mir Kopfschmerzen, Magenkrämpfe und später eventuell -geschwüre, und außerdem ist sie auch sowas, das sinnlos Kraft kostet, und ich egozentrisches, gefühlskaltes Arschloch mit Geltungssucht (darf ich mal kurz lachen?)brauch die im Moment für michmichmich und nochmal mich, und außerdem für die, die wirklich Hilfe brauchen und wollen.

mit freundlichen Grüßen

your favorite Arschlochkind.