Samstag, 15. Juni 2013
Prüfungen vorbei. 15 Englisch, 3 Mathe, insgesamt ganz ok , man merkt relativ deutlich, wo meine Stärken liegen.

"Deine Stärken? Nichtwissen so rüberzubringen, dass jeder denkt, dass du voll die Ahnung hast, und damit nicht nur durch alle Schuljahre, sondern sogar sehr gut durchs Abi zu kommen."
Die Egoschleuder und ich haben die hochbeinigen, nahezu perfekt würfelförmigen Sessel, die ich bei meinem Umzug aus Opa Mayhems leerer Wohnung und vor dem Sperrmüll gerettet habe, in den Garten getragen, einen umgedrehten leeren Wasserkasten als improvisierten Tisch dazwischengestellt und mich ein bisschen gefeiert.
Natürlich lange nicht so ausgiebig, wie diverse Klassenkameraden das gefühlt seit heute Mittag im Nachbargarten tun, aber man wird ja schließlich auch nicht jünger.
-"Stimmt."
Die Egoschleuder zeigt sich wieder sehr umgänglich und sogar Anzeichen sozialen Verhaltens, so wurde ich diesmal gnädigerweise vorher gefragt, ob ich ihn überhaupt sehen will (wahrheitsgemäße Antwort:"Weiß ich selbst nicht so genau"), bevor er sich aufs Fahrrad geschwungen hat und mal schnell die 15km gefahren ist, und es wurde auch nicht einfach irgendein Wein mitgenommen, sondern einer, der auf der Grenze zwischen halbtrocken und lieblich balanciert, trocken mag ich nämlich eher selten. "Ein, zwei Flaschen Wein krieg ich besser im Rucksack unter als drei Packen Pussybier, und das bringt ja nix, wenn du dann nichts zu trinken hast."
Wir sitzen so im Garten, gelegentlich fliegt mal ein Volleyball oder eine leere Flasche rüber, einmal auch ein ehemaliger Musikkurskollege, irgendwas deutsch-hiphop-abartiges wummert aus einer zu basslastigen Anlage und übertönt dabei das Konzert, das die Grillen hier jeden Abend für mich geben und das normalerweise bis in mein Luftschloss hinauf sehr gut zu hören ist, und eigentlich ist das alles ganz gut so, angenehmer Durchschnitt eben.
Mit der Egoschleuder verbindet mich zwar kein unzerstörbares seelisches Band und auch keine tiefgreifende Freundschaft, aber wenn er will, kann er relativ angenehme Gesellschaft sein, das kann man sich zwischendurch schon mal geben. Man darf nur nicht zu viel Zeit mit ihm verbringen, sonst fühlt er sich zu sicher und fängt wieder an, den Arschlochfaktor mehr hochzuschrauben, als ich das mag, und man sollte eine gewisse Grunddistanz wahren. Genug Nähe, um ein bisschen Wärme abzukriegen, aber genug Abstand, um meine irrsinnige Verletzlichkeit für mich zu behalten.
Klingt anstrengender, als es ist, es gibt traurige Gestalten, für die der Kleinkrieg, den ich gelegentlich mit der Egoschleuder führe, Alltagsrealität in Form einer Beziehung ist.
"Du, langsam wirds schon ein bisschen kalt..wollen wir dann wieder rein?" Da, er hat mich schon wieder nach meiner Meinung gefragt. Ich sage es doch, Wunder geschehen.

Er findet es doof, sich ins Fenster zu setzen und der Sonne beim endgültigen Abtauchen zuzuschauen, also lassen wir das und hören noch ein bisschen Musik, bis sein Kopf auf meiner Schulter immer schwerer wird und er einfach einschläft. Also schiebe ich ihn ein Stück zur Seite und in eine meiner Meinung nach halbwegs schlaftaugliche Position, klettere über ihn und aus dem Bett und setze mich noch ein bisschen zu Kater Mayhem ins Wohnzimmer, der erst verschlafen blinzelt, dann faucht und höchst motiviert sämtliche Krallen und Zähne in meiner Hand vergräbt, als ich einen Versuch starte, ihn von dem (schwarzen) Bandshirt, das mir die Egoschleuder endlich gegeben hat und auf dem man helle Katzenhaare naturgemäß ganz wunderbar sieht, runter zu schieben, nur um schließlich zwei Sekunden später schnurrend anzutappsen und sich auf meinem Schoß zusammen zu rollen.
Männer.

Gegen 3 wird die ganze Sache mit Schneidersitz und Rücken gegen die Wand (das Sofa ist nach wie vor umgeklappt, weil die Egoschleuder beim letzten Mal eigentlich dort hätte schlafen sollen, Sicherheitsabstand und so, daraus aber dann doch nichts geworden ist) doch dezent schmerzhaft, und weil ich auch so schon oft genug Rückenschmerzen und davon abgesehen keine Lust habe, morgen mal wieder nicht zu wissen, wie ich eigentlich aufstehen soll, falte ich mich auseinander, platziere das (protestierende) Kätzelein neben dem Shirt, das ich schneller wegziehe, als mein haariger Mitbewohner sich auf die neue favorisierte Schlafunterlage werfen kann,lasse mich beim Zähneputzen von einer sage und schreibe fünf Zentimeter großen Spinne, die sich in der Schräge über dem Spiegel häuslich einzurichten scheint, nachhaltig erschrecken, versuche später mal wieder erfolglos, eine gerechte Platzverteilung der Liegefläche meines Bettes zu erreichen, gebe irgendwann entnervt auf, rolle mich auf meinem Viertel zusammen, frage mich kurz darauf mal wieder, wie es die Egoschleuder fertig bringt, sich im Schlaf circa fünffach zu verrenken, irgendwann so halb auf mich drauf zu werfen, sämtliche Arme und Beine gefühlt mehrfach um mich herum zu verknoten, mich so fest festzuhalten/zu umklammern, dass man meinen könnte, ich würde sonst geklaut werden, und in dieser Position, die jeden Orthopäden zur Verzweiflung bringen würde, zufrieden bis zu acht Stunden am Stück zu schlafen, wenn ich es nicht vorher schaffe, mich zu befreien und irgendwie noch ein kleines Stück Liegefläche zu erkämpfen, und ob es irgendeine Möglichkeit gibt, ihm das abzugewöhnen.
Sein ins Kissen genuscheltes "Duentkommschmirnisch" lässt mich daran zweifeln, diesmal bin ich aber schnell genug, sämtliche Umklammerungsversuche abzuwehren.
Unwilliges Knurrgrummeln seinerseits, ein sehr bestimmtes "Rutsch rüber!", verbunden mit einem Schubser, meinerseits, und fünf Minuten später habe ich meine Hälfte zurückerobert und außerdem eine angenehm nahe, aber nicht zu nahe Schlafposition eingenommen. Geht doch.

Zehn Minuten später ist er wieder eingeschlafen, somit zum offensichtlichen Instinktverhalten zurückgekehrt und ich werde wieder festgehalten, als ginge es um mein Überleben.
Aber kann man sich schonmal geben, das.
Immerhin liegen zwischen uns genug Welten, um in jeder Situation für genug mental-emotionalen Sicherheitsabstand zu sorgen, auch dann, wenn objektiv betrachtet keiner (mehr) da zu sein scheint.