16. Juni 19 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Eine Informations- und Absolventenanwerbeveranstaltung.
Öffentlichkeitsarbeit, Unternehmenskommunikation, Fachjournalismus.
Traumschwiegersöhne, zierliche Handgelenke mit nicht ganz so zierlichen 600€-Handtaschen, der Quotenrebell in hochgekrempelten Haremshosen und Flipflops, mit zufrieden-verstrahltem Faultiergesicht unter der allwetterfest betonierten chilligen Surfermatte; obligatorisches Buddha-Tattoo (natürlich selbstgestochen, oder zumindest so aussehend) auf der Wade.
Eine mexikanische Bauingenieurin-to-be in zu kleiner Bluse und winzigem Minirock, die jede mögliche und unmögliche Gelegenheit nutzt, um zu betonen, dass sie Bauingenieurin wird.
"11.Semester Bachelor, seit einiger Zeit Praktikantin mit Schwerpunkt Content Management, will mal schauen, was mir der Arbeitsmarkt noch anbieten kann,falls ich doch keinen Bock, bei dem Unternehmen zu bleiben, oder auf 'nen Lehrauftrag am Institut für *obskures Nebenfach* hab."
Ich, Schauspielerin aus Leidenschaft, ganz ok mit Worten und offiziell ernannte Schreib-Maschine in einem Start Up, dessen Chef1 (der mit dem Geld) sich verpisst und Chef2 (der mit dem Hirn) mit offenen Rechnungen, gerade neu eingestellten Mitarbeitern und eben mir allein gelassen hat.
Die begeisterten, marketingliebenden, jung-dynamisch-PR-affinen Young Professionals, die das Unternehmen "soooo spannend, ich bin echt froh, dass ich die Chance habe, hier dabei zu sein!!" finden, waren nach Chef1s Abgang plötzlich nicht mehr so begeistert und durch die Bank so lange krank, wie ihre jeweilige Kündigungsfrist dauert.
Der verbliebene Chef kann mir nicht in die Augen schauen als er mir sagt, ich kann dich nicht bezahlen, deshalb musst du gehen.
"Dann mach ich den Shit bis Ende Juni eben unbezahlt."
Ich, Ausbeuterpraktika hassend und dank Studienkredit immer höher verschuldend, psychisch erkrankt und uniarbeitsblockiert.
Ich, meine Arbeit irgendwie doch ganz geil findend, dank Studienkredit knapp, aber ausreichend über die Runden kommend, und an meinem Grundsatz, keine Projekte mit nach Hause zu nehmen und nicht mehr als 10h/Woche zu arbeiten, festhaltend;
Praktikumsbericht vor mir her schiebend, der mir ganze fünf ECTS-Punkte im Nebenfach einbringt, was in der aktuellen Situation mehr wert ist als jedes Praktikantengehalt.
Ich, einzige verbliebene Texterin; gleichzeitig die Abteilung für Content Management und ihr Kopf; dafür sorgend, dass der verbliebene Chef immerhin nur noch 14-18h pro Tag arbeitet und zahlungsunwillige bis freche Kunden am Telefon zusammenfaltend, wenn seine Frau und kleiner Sohn vorbei kommen, damit der seinen Vater auch mal sieht.
Ich, mit der seit der Grundschule bestehenden, gerne "naiv" genannten Sturheit/fixen Idee, lieber das zu tun, was ich will als das, das mich reich macht.
Ich, ein Drittel eines um's Überleben ringenden Unternehmens, das mir den Glauben an (m)eine gewisse geistige Grundkompetenz und das Vorhandensein (m)eines Schreibtalents zurück gibt; in dem es egal ist, ob ich statt einer Mittagspause lieber alle zwei Stunden unseren Basketball durch's Büro jage, bis ich meine Anspannung in ihren Transportkorb geworfen und das Gedankenrasen müde gespielt habe. Das mich nicht zwingt, feste Zeiten anzugeben, wenn ich eine Phase habe, in der ich gefühlt nur zwei Minuten oder zwei Tage am Stück arbeiten kann, sondern zufrieden ist, wenn ich sage, ab wann ich da bin und ob ich in etwa erraten kann, ob ich 2h schaffe oder mehr.
Ich, gelegentlich mit unserem Übersetzer und früher auch dem Computerkrammensch (bevor er plötzlich zu Beginn seiner vorletzten Arbeitswoche krank wurde und sich auf Mallorca kurieren musste), meistens aber nur mit Mannfüralles-Chef und der Grünlilie, die ich in das Büro, von dem wir nicht wissen, wie lange es noch unseres ist, mitgebracht habe, sitzend; dabei in die Psyche von Zielgruppen eintauchend, von deren Existenz ich nicht mal wusste; dampfend, grübelnd, optimierend und um unser Überleben schreibend.
Meine Loyalität ist nicht kaufbar. Aber wer sie sich verdient hat, dem bleibe ich treu.
Tante Emmas Geburtstag.
Bierbankrunde im Nirgendwo mit ihrem manipulativen, narzisstischen Verlobten, der so alt ist wie mein Vater, so breit wie meine Oma (die, die damals zu adipös war, um eine Krebs-OP zu kriegen), so dumm, dass mir vom Zuhören IQ-Punkte verloren gehen und so deutsch, dass ihn selbst seine Kollegen im örtlichen AFD-Verband zu krass finden.
In den Nebenrollen:
-Tante Emmas Schwester als Stellvertreterin der Eltern, die aufgrund des Verlobten nicht angereist sind;
-der Nachbar, Mähdrescher-Manni (nicht verstehend, warum Tante Emma eine Langzeittherapie für Suchterkrankte macht und darüber sinnierend, dass sie sich das Problem nur einbildet, während er sein Bier, dass er trotz ihres alkoholfreie-Party-Wunsches mitgenommen hat, in sich reinkippt, was ist denn schließlich ein Grillnachmittag ohne Bier?)
-seine Frau, Pissblond-Paula (daran glaubend, dass so eine E-Zigarette viel schädlicher ist als rauchen, weil da ist ja auch Nikotin drin und außerdem ist das was künstliches!);
- der dazugehörige Sohn, zu still und unauffällig, um einen Spitznamen zu bekommen
-Tuning-Tommi, Kumpel des Verlobten, neben seinem Beruf als Automechaniker begabter Psychologe ("Ich versteh ja nich', warum der Sohn vom Tante-Emma-Verlobten jetzt meint, er muss in so ne Klinik. "Depression", dass ich nich' lache. Der hat nur ein Problem, ein Problem hat der nur: der kriegt seinen Arsch nicht hoch und ist einfach faul wie Scheiße, ganz ehrlich. Dem hat seine Mutter immer den Arsch nachgetragen und jetzt, wo er hier wohnt, merkt er mal, dass man auch was arbeiten muss, und das kriegt der nicht hin. Und einsam und depressiv wär ich auch, wenn ich mich immer bloß in meinem Zimmer vergrab' und nich' rausgeh und mit niemandem sprech. Der ist einfach faul, will nix machen und gammelt nur in seinem Zimmer, der ist zu faul und zu dumm, auf Leute zuzugehen und behauptet dann, er kann das nicht. Und seine Mutter ist noch so blöd und glaubt dem das, und holt dem von irgend nem Arzt irgendwelchen Medikamentenscheiß und sagt, ja wenn der Bub in ne Klinik will, soll er das machen. Ich hätte dem ne Schelle gegeben und gesagt, dass er mal was schaffen soll!")
-Rockabilly-Rebecca, im sechsten Monat schwanger, seit fünf Monaten Tuning-Tommis Partnerin (seit drei Monaten Verlobte), nachdem dessen Ehefrau zwangseingeliefert wurde. Raucht trotz Schwangerschaft Zigaretten und deckt ihren Flüssigkeits- sowie Kalorienbedarf ausschließlich über Energy-Drinks, lässt sich von ihrem Verlobten erklären, dass ja heutzutage jeder "bekloppt" ist, wenn man nen Arzt fragt, während sie an frischen Schrunden knibbelt, bis er beruhigend einlenkt und ihr sagt, sie beträfe das ja nicht, sie sei ja geheilt und wenn was ist, dann helfe er ihr da schon raus.
Stellt fest, dass ihr Sohn aus vorheriger Beziehung, sie und ich am gleichen Datum Geburtstag haben (sie ist allerdings vier Jahre jünger als ich) und das ein Zeichen sein muss; erzählt mir von ihrer Klinikkarriere und spricht immer von "wir Borderliner sind so", wenn ich eine meiner Eigenheiten offen lege, seit sie weiß, dass wir vermutlich eine unserer jeweiligen Diagnosen teilen.
- die harte Helga, Mittfünfzigerin, die gerne Kettenbriefe und Bilder mit tiefsinnigen Sprüchen weiter leitet; beinharte und extrem taffe Powerfrau, Vollzeit-Mama aus Leidenschaft (auch, wenn die Kinder nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen), kennt das Leben, die Männer, und sowieso alles.
Weitere Auftritte:
-Friseurunfall-Florian, Sohn des Tante-Emma-Verlobten und Opfer eines modernen Haarschnitts. Saß mit der Familienkatze auf dem Balkon und hat geraucht, bis sein eigentliches Problem und die so einfache Heilung dafür von Tuning-Tommi postuliert wurde.
Öffnet seine Zimmertür schließlich, als ich ihm zusichere, dass ich alleine gekommen bin, um nach ihm zu sehen,und schlicht weil ich wissen will, wie es ihm geht; dass ich nicht so denke wie Tuning-Tommi, ihn weder anschreien, noch auslachen werde; meine vergangenen Zimmer unter Garantie ranziger aussahen, als es seines tut ("Ehrlich Florian, und das ist nicht übertrieben: als meine Mum noch gelebt hat, sah's aus wie bei so RTL-Messis, und einmal, als ich meine erste eigene Wohnung ausgeräumt hab, hatte ich danach sieben Müllsäcke voll und genug Pfandgeld für'n Wocheneinkauf"); und dass ich, wenn er es möchte, wieder gehe oder alternativ bei ihm warte, bis seine Mutter da ist und ihn abholt.
-Dauerwellen-Dora, Exfrau des Tante-Emma-Verlobten und Mutter von Friseurunfall-Florian.
Zofft sich nach ihrer Ankunft lautstark mit ihrem früheren Gatten, dem sich einmischenden Tuning-Tommi und dem Fachexperten für alles,Mähdrescher-Manni, weil sie als Mutter ja wohl am Besten wisse, was ihr "kleiner Junge" braucht, und der Rest der Welt sich einen Dreck um ihn scheren täte. Informiert nebenher Tante Emma darüber, dass sie vollkommen krank im Kopf sein müsse, sich freiwillig mit den Arschlöchern hier abzugeben und das größte davon auch noch heiraten zu wollen; empfiehlt ihr, möglichst weit und möglichst schnell zu fliehen.
Ist etwas irritiert, als sie das Zimmer ihres Achtzehnjährigen betritt und ihn auf seinem Bett liegend, luftabdrückend eng an eine neben ihm liegende junge Frau geklammert, die zwar Mitte zwanzig ist, aber eher wie Anfang dreißig aussieht, findet. Entspannt sich etwas, als sie,feststellt, dass alle Beteiligten auch unter den Decken (Decke1: Bettdecke; Decke2: mein glorioses Haupthaar) vollständig bekleidet sind, und als ich ihr, hoffentlich glaubhaft, versichere, dass ich weder eine Entjungferung durchgeführt, noch geplant habe.
Fragt, ob ich die "asoziale, verrückte Tätowierte" bin, von der ihr Exmann berichtete; kommt nach Bestätigung dieser Aussage zu dem Ergebnis, dass ich dann ja kein schlechter Mensch sein könne.
Requisiten (Auswahl):
- Überdimensionierte Sporttasche und Rucksack: Beinhalten die für den Klinikaufenthalt benötigte Ausstattung Florians und werden von Dauerwellen-Dora zum Auto getragen, gleich, nachdem sie den darin versteckten Zigarettenvorrat gefunden, in einen Mülbeutel gepackt und sich unter den Arm geklemmt hat ("jetzt fang nicht auch noch mit der Scheiße an, Florian!")
- Bandshirt, nach wie vor am Oberkörper der Protagonistin angebracht und nassgeweint von Florian
- Bukowski-Postkarte, auf deren Rückseite ich meine Lieblingszitate geschrieben und sie als Lesezeichen genutzt hatte; in Florians Jackentasche gesteckt, weil er gesagt hat, dass er die Zitate mag und weil niemand gezwungen sein sollte, einen Weltuntergang ohne Literatur zu bestreiten.
Öffentlichkeitsarbeit, Unternehmenskommunikation, Fachjournalismus.
Traumschwiegersöhne, zierliche Handgelenke mit nicht ganz so zierlichen 600€-Handtaschen, der Quotenrebell in hochgekrempelten Haremshosen und Flipflops, mit zufrieden-verstrahltem Faultiergesicht unter der allwetterfest betonierten chilligen Surfermatte; obligatorisches Buddha-Tattoo (natürlich selbstgestochen, oder zumindest so aussehend) auf der Wade.
Eine mexikanische Bauingenieurin-to-be in zu kleiner Bluse und winzigem Minirock, die jede mögliche und unmögliche Gelegenheit nutzt, um zu betonen, dass sie Bauingenieurin wird.
"11.Semester Bachelor, seit einiger Zeit Praktikantin mit Schwerpunkt Content Management, will mal schauen, was mir der Arbeitsmarkt noch anbieten kann,falls ich doch keinen Bock, bei dem Unternehmen zu bleiben, oder auf 'nen Lehrauftrag am Institut für *obskures Nebenfach* hab."
Ich, Schauspielerin aus Leidenschaft, ganz ok mit Worten und offiziell ernannte Schreib-Maschine in einem Start Up, dessen Chef1 (der mit dem Geld) sich verpisst und Chef2 (der mit dem Hirn) mit offenen Rechnungen, gerade neu eingestellten Mitarbeitern und eben mir allein gelassen hat.
Die begeisterten, marketingliebenden, jung-dynamisch-PR-affinen Young Professionals, die das Unternehmen "soooo spannend, ich bin echt froh, dass ich die Chance habe, hier dabei zu sein!!" finden, waren nach Chef1s Abgang plötzlich nicht mehr so begeistert und durch die Bank so lange krank, wie ihre jeweilige Kündigungsfrist dauert.
Der verbliebene Chef kann mir nicht in die Augen schauen als er mir sagt, ich kann dich nicht bezahlen, deshalb musst du gehen.
"Dann mach ich den Shit bis Ende Juni eben unbezahlt."
Ich, Ausbeuterpraktika hassend und dank Studienkredit immer höher verschuldend, psychisch erkrankt und uniarbeitsblockiert.
Ich, meine Arbeit irgendwie doch ganz geil findend, dank Studienkredit knapp, aber ausreichend über die Runden kommend, und an meinem Grundsatz, keine Projekte mit nach Hause zu nehmen und nicht mehr als 10h/Woche zu arbeiten, festhaltend;
Praktikumsbericht vor mir her schiebend, der mir ganze fünf ECTS-Punkte im Nebenfach einbringt, was in der aktuellen Situation mehr wert ist als jedes Praktikantengehalt.
Ich, einzige verbliebene Texterin; gleichzeitig die Abteilung für Content Management und ihr Kopf; dafür sorgend, dass der verbliebene Chef immerhin nur noch 14-18h pro Tag arbeitet und zahlungsunwillige bis freche Kunden am Telefon zusammenfaltend, wenn seine Frau und kleiner Sohn vorbei kommen, damit der seinen Vater auch mal sieht.
Ich, mit der seit der Grundschule bestehenden, gerne "naiv" genannten Sturheit/fixen Idee, lieber das zu tun, was ich will als das, das mich reich macht.
Ich, ein Drittel eines um's Überleben ringenden Unternehmens, das mir den Glauben an (m)eine gewisse geistige Grundkompetenz und das Vorhandensein (m)eines Schreibtalents zurück gibt; in dem es egal ist, ob ich statt einer Mittagspause lieber alle zwei Stunden unseren Basketball durch's Büro jage, bis ich meine Anspannung in ihren Transportkorb geworfen und das Gedankenrasen müde gespielt habe. Das mich nicht zwingt, feste Zeiten anzugeben, wenn ich eine Phase habe, in der ich gefühlt nur zwei Minuten oder zwei Tage am Stück arbeiten kann, sondern zufrieden ist, wenn ich sage, ab wann ich da bin und ob ich in etwa erraten kann, ob ich 2h schaffe oder mehr.
Ich, gelegentlich mit unserem Übersetzer und früher auch dem Computerkrammensch (bevor er plötzlich zu Beginn seiner vorletzten Arbeitswoche krank wurde und sich auf Mallorca kurieren musste), meistens aber nur mit Mannfüralles-Chef und der Grünlilie, die ich in das Büro, von dem wir nicht wissen, wie lange es noch unseres ist, mitgebracht habe, sitzend; dabei in die Psyche von Zielgruppen eintauchend, von deren Existenz ich nicht mal wusste; dampfend, grübelnd, optimierend und um unser Überleben schreibend.
Meine Loyalität ist nicht kaufbar. Aber wer sie sich verdient hat, dem bleibe ich treu.
Tante Emmas Geburtstag.
Bierbankrunde im Nirgendwo mit ihrem manipulativen, narzisstischen Verlobten, der so alt ist wie mein Vater, so breit wie meine Oma (die, die damals zu adipös war, um eine Krebs-OP zu kriegen), so dumm, dass mir vom Zuhören IQ-Punkte verloren gehen und so deutsch, dass ihn selbst seine Kollegen im örtlichen AFD-Verband zu krass finden.
In den Nebenrollen:
-Tante Emmas Schwester als Stellvertreterin der Eltern, die aufgrund des Verlobten nicht angereist sind;
-der Nachbar, Mähdrescher-Manni (nicht verstehend, warum Tante Emma eine Langzeittherapie für Suchterkrankte macht und darüber sinnierend, dass sie sich das Problem nur einbildet, während er sein Bier, dass er trotz ihres alkoholfreie-Party-Wunsches mitgenommen hat, in sich reinkippt, was ist denn schließlich ein Grillnachmittag ohne Bier?)
-seine Frau, Pissblond-Paula (daran glaubend, dass so eine E-Zigarette viel schädlicher ist als rauchen, weil da ist ja auch Nikotin drin und außerdem ist das was künstliches!);
- der dazugehörige Sohn, zu still und unauffällig, um einen Spitznamen zu bekommen
-Tuning-Tommi, Kumpel des Verlobten, neben seinem Beruf als Automechaniker begabter Psychologe ("Ich versteh ja nich', warum der Sohn vom Tante-Emma-Verlobten jetzt meint, er muss in so ne Klinik. "Depression", dass ich nich' lache. Der hat nur ein Problem, ein Problem hat der nur: der kriegt seinen Arsch nicht hoch und ist einfach faul wie Scheiße, ganz ehrlich. Dem hat seine Mutter immer den Arsch nachgetragen und jetzt, wo er hier wohnt, merkt er mal, dass man auch was arbeiten muss, und das kriegt der nicht hin. Und einsam und depressiv wär ich auch, wenn ich mich immer bloß in meinem Zimmer vergrab' und nich' rausgeh und mit niemandem sprech. Der ist einfach faul, will nix machen und gammelt nur in seinem Zimmer, der ist zu faul und zu dumm, auf Leute zuzugehen und behauptet dann, er kann das nicht. Und seine Mutter ist noch so blöd und glaubt dem das, und holt dem von irgend nem Arzt irgendwelchen Medikamentenscheiß und sagt, ja wenn der Bub in ne Klinik will, soll er das machen. Ich hätte dem ne Schelle gegeben und gesagt, dass er mal was schaffen soll!")
-Rockabilly-Rebecca, im sechsten Monat schwanger, seit fünf Monaten Tuning-Tommis Partnerin (seit drei Monaten Verlobte), nachdem dessen Ehefrau zwangseingeliefert wurde. Raucht trotz Schwangerschaft Zigaretten und deckt ihren Flüssigkeits- sowie Kalorienbedarf ausschließlich über Energy-Drinks, lässt sich von ihrem Verlobten erklären, dass ja heutzutage jeder "bekloppt" ist, wenn man nen Arzt fragt, während sie an frischen Schrunden knibbelt, bis er beruhigend einlenkt und ihr sagt, sie beträfe das ja nicht, sie sei ja geheilt und wenn was ist, dann helfe er ihr da schon raus.
Stellt fest, dass ihr Sohn aus vorheriger Beziehung, sie und ich am gleichen Datum Geburtstag haben (sie ist allerdings vier Jahre jünger als ich) und das ein Zeichen sein muss; erzählt mir von ihrer Klinikkarriere und spricht immer von "wir Borderliner sind so", wenn ich eine meiner Eigenheiten offen lege, seit sie weiß, dass wir vermutlich eine unserer jeweiligen Diagnosen teilen.
- die harte Helga, Mittfünfzigerin, die gerne Kettenbriefe und Bilder mit tiefsinnigen Sprüchen weiter leitet; beinharte und extrem taffe Powerfrau, Vollzeit-Mama aus Leidenschaft (auch, wenn die Kinder nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen), kennt das Leben, die Männer, und sowieso alles.
Weitere Auftritte:
-Friseurunfall-Florian, Sohn des Tante-Emma-Verlobten und Opfer eines modernen Haarschnitts. Saß mit der Familienkatze auf dem Balkon und hat geraucht, bis sein eigentliches Problem und die so einfache Heilung dafür von Tuning-Tommi postuliert wurde.
Öffnet seine Zimmertür schließlich, als ich ihm zusichere, dass ich alleine gekommen bin, um nach ihm zu sehen,und schlicht weil ich wissen will, wie es ihm geht; dass ich nicht so denke wie Tuning-Tommi, ihn weder anschreien, noch auslachen werde; meine vergangenen Zimmer unter Garantie ranziger aussahen, als es seines tut ("Ehrlich Florian, und das ist nicht übertrieben: als meine Mum noch gelebt hat, sah's aus wie bei so RTL-Messis, und einmal, als ich meine erste eigene Wohnung ausgeräumt hab, hatte ich danach sieben Müllsäcke voll und genug Pfandgeld für'n Wocheneinkauf"); und dass ich, wenn er es möchte, wieder gehe oder alternativ bei ihm warte, bis seine Mutter da ist und ihn abholt.
-Dauerwellen-Dora, Exfrau des Tante-Emma-Verlobten und Mutter von Friseurunfall-Florian.
Zofft sich nach ihrer Ankunft lautstark mit ihrem früheren Gatten, dem sich einmischenden Tuning-Tommi und dem Fachexperten für alles,Mähdrescher-Manni, weil sie als Mutter ja wohl am Besten wisse, was ihr "kleiner Junge" braucht, und der Rest der Welt sich einen Dreck um ihn scheren täte. Informiert nebenher Tante Emma darüber, dass sie vollkommen krank im Kopf sein müsse, sich freiwillig mit den Arschlöchern hier abzugeben und das größte davon auch noch heiraten zu wollen; empfiehlt ihr, möglichst weit und möglichst schnell zu fliehen.
Ist etwas irritiert, als sie das Zimmer ihres Achtzehnjährigen betritt und ihn auf seinem Bett liegend, luftabdrückend eng an eine neben ihm liegende junge Frau geklammert, die zwar Mitte zwanzig ist, aber eher wie Anfang dreißig aussieht, findet. Entspannt sich etwas, als sie,feststellt, dass alle Beteiligten auch unter den Decken (Decke1: Bettdecke; Decke2: mein glorioses Haupthaar) vollständig bekleidet sind, und als ich ihr, hoffentlich glaubhaft, versichere, dass ich weder eine Entjungferung durchgeführt, noch geplant habe.
Fragt, ob ich die "asoziale, verrückte Tätowierte" bin, von der ihr Exmann berichtete; kommt nach Bestätigung dieser Aussage zu dem Ergebnis, dass ich dann ja kein schlechter Mensch sein könne.
Requisiten (Auswahl):
- Überdimensionierte Sporttasche und Rucksack: Beinhalten die für den Klinikaufenthalt benötigte Ausstattung Florians und werden von Dauerwellen-Dora zum Auto getragen, gleich, nachdem sie den darin versteckten Zigarettenvorrat gefunden, in einen Mülbeutel gepackt und sich unter den Arm geklemmt hat ("jetzt fang nicht auch noch mit der Scheiße an, Florian!")
- Bandshirt, nach wie vor am Oberkörper der Protagonistin angebracht und nassgeweint von Florian
- Bukowski-Postkarte, auf deren Rückseite ich meine Lieblingszitate geschrieben und sie als Lesezeichen genutzt hatte; in Florians Jackentasche gesteckt, weil er gesagt hat, dass er die Zitate mag und weil niemand gezwungen sein sollte, einen Weltuntergang ohne Literatur zu bestreiten.