Thema: oh happy day.
19. Mai 13 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
..am Anfang vom Ende zu sein
Die nervlich zusammenbrechende und im Angesicht der Einweisung ihres suizidgefährdeten Freundes absolut mustergültig-lehrbuchgerecht schwersthyperventilierende Ms Golighty irgendwie vom Umkippen abgehalten und stabilisiert, ganz im Gegensatz zur gottverdammten Mutter ihres Freundes, die mir, Schock hin oder her, so dermaßen auf die Nerven ging und zielsicher alles nur schlimmer machte,
nebenher bei der Nixe verkackt, weil sie sich, bei 1,72m 50kg wiegend, "gar nicht zu dünn" findet und weigert, zu essen, "sonst werd ich schwabbelig", und zum Zunehmen betreibe sie schließlich Muskelaufbau, und ich ihre Vorstellungen vorsichtig in Frage gestellt habe,
mich wieder einmal nur knapp davon abgehalten, den Raucher anzurufen,
die Handynummer und ein potenzielles Date von/mit einem Noch-Wirtschaftsinformatik-bald-aber-BWL-Studenten gekriegt, einfach so,
Das Matheabitur, sollten Folgefehler legitim und beide Korrektoren gnädig gestimmt sein, irgendwie bestanden,
und fast einen Kontakt zu Mr.Gaunt hergestellt.
Das nenne ich mal eine Wochenendbilanz.
man kann ja einfach neu beginnen..
Aus einem "ich geh mal schnell Kippen holen, kommt wer mit?" des Mützenträgers, Ms Golightlys Freund, werden zwei Stunden, in denen wir, auf einer Bank vor der Kirche sitzend, einfach reden. Über Ms Golightly, mit der er, zwei Wochen, nachdem seine Ex, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist, Schluss gemacht hat, zusammen gekommen ist, über das Leben, darüber, wegen der Akne, die einen jahrelang im Griff hatte, gemobbt zu werden, und irgendwann darüber, dass sich die Band Esmeraldas, der Opernsängerin, des tanzenden Historikers und Mr.Gaunts aufgelöst hat, bandinterne Probleme, sagt der Mützenträger. Und dass Mr.Gaunt jetzt, wo er wieder Bassist bei der gar nicht mal so unbekannten Black Metal-Überband ist, ein bisschen abheben würde.
Mr.Gaunt.
Eine Minute schweigen, dann sage ich es ihm.
Und der Mützenträger fängt an, übers ganze Gesicht zu strahlen und sagt, ist doch toll, und dass ich zu Mr.Gaunt gehen und es dem auch sagen soll, und ich erkläre ihm, dass das nicht so einfach geht, ohne Grundlage, und Ms Golightlys Freund beschließt kurzerhand, ihn demnächst anzurufen und zu fragen, ob er mal mit will am Wochenende.
"Ich hab mit dem zwar genauso wenig zu tun wie du", meint er achselzuckend, " Aber du hast schon recht, wenn du sagst, ja, Mützenträger, wenn du das mit dem "einfach anrufen und nach einem Date fragen" so toll findest, dann machs doch selbst!"
Meine daraus resultierende gute Laune hält noch genau, bis wir Planet Terror fertig gesehen haben, und dann bröckelt die Positivlage nicht mehr nur langsam ab, sondern implodiert.
....und nen Eimer schwarzer Farbe mitnehmen
für den Fall, dass es mir zu bunt wird
Wieder mal Krach zwischen Ms Golightly und dem Mützenträger, weil er dauerreizbar ist und sie es blöd findet, dass er so viel trinkt und raucht heute (mengentechnisch allerdings kein Vergleich zum Raucher und Co), irgendwann sagt sie, dann schläft sie eben bei der Nixe und mir im Gästezimmer, er rennt ein paar Mal rein, um Kippen, den Rest Rum, Met und seine Jacke zu holen und nach draußen zu verschwinden, sie bittet darum, von Inkonsequenz abgehalten zu werden, marschiert dann aber doch rüber, als er wieder von draußen kommt und sich ins andere Zimmer legt, kehrt wieder zu uns zurück, als er aufsteht, um auf die Arbeit zu gehen, und gerade, als die Nixe schon wieder am Einschlafen war, kommt sein Vater rein, fragt, was gestern Abend los war, und sagt dass sein Sohn sich umbringen will.
Aus dem Raum schießende Ms Golightly, dann Ruhe.
Kirchturmläuten, Vogelstimmen.
Irgendwo haben zwei Katzen lautstark Geschlechtsverkehr.
Unten in der Wohnung rumpelt es gewaltig, dann ist wieder Ruhe.
Die Nixe sagt, sie hat ein schlechtes Gewissen, nicht dabei zu sein, ich beschließe, auf mein Gefühl zu hören und dementsprechend erstmal hier oben zu bleiben.
Bis der Mützenträger in der Tür steht, mayhem, wir brauchen dich, meine Freundin kippt gleich um.
Aufspringende und ihre Decke irgendwo in die Ecke schmeißende Frau Mayhem, die, in Boxershort und Gammelshirt, mit wehendem Haar quer durch das ganze Haus und an lauter gaffenden Fremden vorbei rennt , sich mit nackten Knien auf den (steinernen) Fußboden neben den Stuhl wirft, auf dem Ms Golightly schneller schnappatmet als jeder aufs Land geworfene Goldfisch, und ihr sagt, sie soll jetzt gefälligst in die scheiß Brotzeittüte atmen.
Zwanzig Minuten atmen wir in die Brotzeittüte, dann atmen wir wieder zusammen. Dann fängt die Mützenträgermutter schon wieder damit an, zu betonen, wie sehr sie das alles gerade aus dem Gleichgewicht bringt, und dass Ms Golightly doch "ein Engel" sei, den "der Himmel geschickt" habe, um ihren Sohn zu "retten", woraufhin diese wieder anfängt, gleichzeitig zu heulen und zu hyperventilieren, was atmen generell eher erschwert. Ich weise also die Mutter daraufhin, dass das Thema gerade wohl nicht so gut ist, und schaffe es tatsächlich, Ms Golightly zu beruhigen.
Bis die Mutter wieder anfängt, zu jammern und pseudo-ruhig-durchdachte "Wir müssen jetzt alle stark sein"-Sprüche raushaut und die Brotzeittüte zum dritten Mal zum Einsatz kommt.
So spielen wir das noch ein paar Mal durch, bis die Mützenträgermutter nach draußen geht, um nach dem Notarzt zu schauen, der, vom angerufenen Seelsorger gerufen, samt Rettungsdienst und Polizei anrückt.
Draußen reden sie über die Psychatrie, den Vorschlag, der den Mützenträger vorhin ausrasten und laut polternd das Haus demolieren lassen hat, drinnen bitte ich die Nixe, die Türe und das Fenster zu schließen, man muss Ms Golightly ja nicht alles mit anhören lassen, und baue diese, so gut es eben geht, wieder auf. Wenn es etwas gibt, dass ich von meinem Vielleicht-auch-nicht-Vater für Notfälle gelernt habe, dann das Gefühle ausblenden-Beruhigen-Ablenken-Aufbauen.
Und so mache ich schlechte Witze und rede über Positiverinnerungen von damals, als der Raucher noch nicht feindlich gegen alles und jeden außer mir war und wir zusammen was gemacht haben, und irgendwann können wir die Brotzeittüte weglegen und auch die Küchenrolle, die als Taschentuchersatz diente, wieder wegstellen.
Draußen bleibt es eine Weile ruhig, dann verabschiedet sich der Mützenträger von Ms Golightly. Hat sich doch für Klinik entschieden, ihr zuliebe, weil er sie nicht mehr mit seiner Laune runterziehen will, sagt er.
Dann rücken die Sanitäter mit ihm ab, seine Eltern packen ihm eine Reisetasche mit den wichtigsten Sachen, Ms Golightly weint noch ein bisschen, die Nixe lebt ihren Ordnungszwang aus und bringt sein Zimmer so hartnäckig auf Vordermann, dass es danach aussieht wie im Möbelhaus.
Zwischendurch kommt die Mutter immer mal reingelaufen, sagt irgendwas unpassendes und geht wieder raus, dann werden wir zum Frühstück geschleift, wo die Nixe angewidert und nach langem Drängeln der Mützenträgereltern ein Croissant erst seziert und anschließend in winzigen Bissen isst und mit dem ihr aufgezwungenen Kaba runterspült, während die Eltern die ganze Zeit versuchen, sich selbst zu beruhigen, indem sie uns erzählen, dass er es ihnen schon nicht die auf ewig vorhalten wird, dass es besser so war, dass sie ihm schließlich nicht mehr helfen konnten, und so weiter.
"Ich weiß, dass Sie sich jetzt gerade damit beruhigen wollen, und dass es sowas von gar nicht klappt. In der Situation ist beruhigen grad einfach nicht drin, aber Sie haben keinen Grund für Vorwürfe. Wirklich. Sie haben ihn nicht abgeschoben. Und er denkt auch nicht, dass Sie ihn nur loshaben wollen."
-"Jaja, jaja, da hast du ganz Recht", sagt die Mutter und versucht immer noch, Kontrolle vorzuspielen, wo keine ist, während die Nixe auf ihrem Teller Croissanthüllenbrösel in die eine Ecke und die Fetzchen des Inneren in die andere Ecke schiebt, "und wir haben ja versucht, ihm zu helfen. Aber er will ja keine Medikamente nehmen, außer jetzt halt das Johanniskraut, aber das ist ja pflanzlich, was soll das schon bringen.."
Ich verzichte darauf, den Hinweis, dass auch Pflanzen wirken, und das, oh wunder, auf chemischem Weg ("aber es ist doch natürlich!"), anzubringen und gehe gleich zum wichtigsten Punkt über:
"Sie können ihm nicht helfen."
Fassungslose Mutter, ansatzweise verstehender Vater.
"Sie können ihm nicht helfen, da rauszukommen. Sie können als Familie vielleicht stabilisieren, und anbieten, da zu sein. Aber der Rest ist seins. Und damit muss er alleine fertig werden."
Ach, ich sei ja so gefasst und klar denkend, man würde richtig merken, dass ich stabil mit beiden Beinen im Leben stehe und deshalb die Situation so gut unter Kontrolle habe.
Die Nixe prustet in ihren Kaba.
"...aber wir sind ja stark, eine Kämpferfamilie, wir haben ja schon alles mitgemacht", plappert die Mützenträgermutter, während sie und ihr Mann uns nach Hause fahren, "Damals, als der Mützenträger gerade geboren war, Ms Golightly, ich habs dir ja erzählt, da hatte er einen wunden Darm, und da mussten wir wieder ins Krankenhaus, obwohl wir gerade erst draußen waren, und seine Schwester, die war auch drin, und das war ja so schrecklich. Und dann haben sie noch festgestellt, dass ich Diabetes bekommen habe, und mein Hüftgelenk total kaputt ist und gesagt, das liegt an meinem Gewicht. Und dann ist noch der Cousin meines Mannes gestorben.Alles auf einmal, das war schon sehr schwierig für uns. Aber wir sind ja eine Kämpferfamilie, eine Familie aus Kämpfern, jawohl."
Ich suche irgendwo in mir Verständnis, echtes Verständnis und viel Mitgefühl für diese Familie und diese Frau, die gerade in ihrem "die Welt geht unter, aber wir müssen stark sein", feststeckt, aber da ist nichts.
Nur Leere, und ein bisschen Wut.
Weil die Frau da die ganze Zeit sagt, man muss eben einfach stark sein. Weil sie (noch?) keine Ahnung hat, dass es eben manchmal nicht mehr geht mit dem stark sein, und es wichtig ist, diesen Punkt verdammt nochmal wahrzunehmen. Und trotzdem weiter zu machen.
Einfach weiteratmen. Auch, wenn nichts mehr geht, nichtmal mehr kriechen.
Einfach weiteratmen.
Ein bisschen traurig ist vielleich auch da.
Weil mein Vater gesagt hat, dass das sowieso alles nur sinnlose Geldverschwendung an Idioten ist, als ich zu einem Psychologen wollte, und dass Depression nur eine Erfindung eben dieser Geldeinheimser ist, die ich jetzt als bequeme Ausrede heranziehen würde, ich sei einfach nur faul und Ende, und dass ich mich auf die Reihe kriegen und "wieder wie ein Mensch essen" soll,als nichts ging außer fressen oder gar nichts, von der Vatersfreundin kommentiert mit "du frisst uns noch die Haare vom Kopf und dich noch fetter".
Begegnungen mit allzu liebevollen Familien verstören mich immer ein bisschen.
Und ein bisschen trotziges Unverständnis, zusammen mit dem Gedanken, ich bin das Kind einer Frau, die seit ihrem 17. Lebensjahr alkoholabhängig war, einen Monat nach meinem dreizehnten Geburtstag gestorben ist, mich nach 13 Jahren Hassliebe, in denen sie mich durch schon surreale Geschichten und diverse Scheiße durchgejagt hat, die mir ein heißes Bügeleisen an den Hals geknallt, mir ihrem blutigen Speichel ins Gesicht gespuckt, mich standardmäßig geschlagen und mir sämtliche Dinge, die ich gar nicht wissen wollte, weil ich dazu eindeutig zu jung war, erzählt hat,
die eigentlich nicht da war, für mich, aber immer noch mehr als alle anderen,
die mich so wahnsinnig wütend, und so namenlos verzweifelt machen konnte,
die gelegentlich mal meinen Vater mit dem Messer bedroht hat,
der einmal vor mir geweint und ein anderes Mal meinen Hals so fest zwischen Türrahmen und seinem Arm eingeklemmt hat, dass ich seitdem weiß, dass das Gefühl, dass ich habe, wenn ich mit fremden Menschen alleine auf meiner Meinung nach für diese Situation zu wenig Platz sein muss, "ersticken" heißt,
der mir mit 9 oder 10 mal verboten hat, im Haus zu schlafen, weshalb ich mit einer Flasche Wasser im Auto meiner Mutter in der dazugehörigen Garage eingesperrt wurde, weil ich mein Zimmer nicht aufgeräumt hatte.
Mein Großvater siecht schon die ganze Zeit vor sich hin, scheint jetzt aber endgültig seinen Wunsch, zu sterben, erfüllen zu können, die Anderen haben sich schon vorher verabschiedet, ich bin wegen der ersten 13 Jahre ein Trauma- und gelegentlich Nervenbündel, die Zeit danach war auch nicht gerade die Beste, außerdem die Vaterschaftssache, der Raucher, der ganze Rest.
Und dann sagt sie mir, dass ich ja so toll stabil bin und sie am Ende sind, weil sie schon alles mitgemacht haben.?
------------------
Zitate aus Komm zum Punkt von Thoughts Paint The Sky
Die nervlich zusammenbrechende und im Angesicht der Einweisung ihres suizidgefährdeten Freundes absolut mustergültig-lehrbuchgerecht schwersthyperventilierende Ms Golighty irgendwie vom Umkippen abgehalten und stabilisiert, ganz im Gegensatz zur gottverdammten Mutter ihres Freundes, die mir, Schock hin oder her, so dermaßen auf die Nerven ging und zielsicher alles nur schlimmer machte,
nebenher bei der Nixe verkackt, weil sie sich, bei 1,72m 50kg wiegend, "gar nicht zu dünn" findet und weigert, zu essen, "sonst werd ich schwabbelig", und zum Zunehmen betreibe sie schließlich Muskelaufbau, und ich ihre Vorstellungen vorsichtig in Frage gestellt habe,
mich wieder einmal nur knapp davon abgehalten, den Raucher anzurufen,
die Handynummer und ein potenzielles Date von/mit einem Noch-Wirtschaftsinformatik-bald-aber-BWL-Studenten gekriegt, einfach so,
Das Matheabitur, sollten Folgefehler legitim und beide Korrektoren gnädig gestimmt sein, irgendwie bestanden,
und fast einen Kontakt zu Mr.Gaunt hergestellt.
Das nenne ich mal eine Wochenendbilanz.
man kann ja einfach neu beginnen..
Aus einem "ich geh mal schnell Kippen holen, kommt wer mit?" des Mützenträgers, Ms Golightlys Freund, werden zwei Stunden, in denen wir, auf einer Bank vor der Kirche sitzend, einfach reden. Über Ms Golightly, mit der er, zwei Wochen, nachdem seine Ex, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist, Schluss gemacht hat, zusammen gekommen ist, über das Leben, darüber, wegen der Akne, die einen jahrelang im Griff hatte, gemobbt zu werden, und irgendwann darüber, dass sich die Band Esmeraldas, der Opernsängerin, des tanzenden Historikers und Mr.Gaunts aufgelöst hat, bandinterne Probleme, sagt der Mützenträger. Und dass Mr.Gaunt jetzt, wo er wieder Bassist bei der gar nicht mal so unbekannten Black Metal-Überband ist, ein bisschen abheben würde.
Mr.Gaunt.
Eine Minute schweigen, dann sage ich es ihm.
Und der Mützenträger fängt an, übers ganze Gesicht zu strahlen und sagt, ist doch toll, und dass ich zu Mr.Gaunt gehen und es dem auch sagen soll, und ich erkläre ihm, dass das nicht so einfach geht, ohne Grundlage, und Ms Golightlys Freund beschließt kurzerhand, ihn demnächst anzurufen und zu fragen, ob er mal mit will am Wochenende.
"Ich hab mit dem zwar genauso wenig zu tun wie du", meint er achselzuckend, " Aber du hast schon recht, wenn du sagst, ja, Mützenträger, wenn du das mit dem "einfach anrufen und nach einem Date fragen" so toll findest, dann machs doch selbst!"
Meine daraus resultierende gute Laune hält noch genau, bis wir Planet Terror fertig gesehen haben, und dann bröckelt die Positivlage nicht mehr nur langsam ab, sondern implodiert.
....und nen Eimer schwarzer Farbe mitnehmen
für den Fall, dass es mir zu bunt wird
Wieder mal Krach zwischen Ms Golightly und dem Mützenträger, weil er dauerreizbar ist und sie es blöd findet, dass er so viel trinkt und raucht heute (mengentechnisch allerdings kein Vergleich zum Raucher und Co), irgendwann sagt sie, dann schläft sie eben bei der Nixe und mir im Gästezimmer, er rennt ein paar Mal rein, um Kippen, den Rest Rum, Met und seine Jacke zu holen und nach draußen zu verschwinden, sie bittet darum, von Inkonsequenz abgehalten zu werden, marschiert dann aber doch rüber, als er wieder von draußen kommt und sich ins andere Zimmer legt, kehrt wieder zu uns zurück, als er aufsteht, um auf die Arbeit zu gehen, und gerade, als die Nixe schon wieder am Einschlafen war, kommt sein Vater rein, fragt, was gestern Abend los war, und sagt dass sein Sohn sich umbringen will.
Aus dem Raum schießende Ms Golightly, dann Ruhe.
Kirchturmläuten, Vogelstimmen.
Irgendwo haben zwei Katzen lautstark Geschlechtsverkehr.
Unten in der Wohnung rumpelt es gewaltig, dann ist wieder Ruhe.
Die Nixe sagt, sie hat ein schlechtes Gewissen, nicht dabei zu sein, ich beschließe, auf mein Gefühl zu hören und dementsprechend erstmal hier oben zu bleiben.
Bis der Mützenträger in der Tür steht, mayhem, wir brauchen dich, meine Freundin kippt gleich um.
Aufspringende und ihre Decke irgendwo in die Ecke schmeißende Frau Mayhem, die, in Boxershort und Gammelshirt, mit wehendem Haar quer durch das ganze Haus und an lauter gaffenden Fremden vorbei rennt , sich mit nackten Knien auf den (steinernen) Fußboden neben den Stuhl wirft, auf dem Ms Golightly schneller schnappatmet als jeder aufs Land geworfene Goldfisch, und ihr sagt, sie soll jetzt gefälligst in die scheiß Brotzeittüte atmen.
Zwanzig Minuten atmen wir in die Brotzeittüte, dann atmen wir wieder zusammen. Dann fängt die Mützenträgermutter schon wieder damit an, zu betonen, wie sehr sie das alles gerade aus dem Gleichgewicht bringt, und dass Ms Golightly doch "ein Engel" sei, den "der Himmel geschickt" habe, um ihren Sohn zu "retten", woraufhin diese wieder anfängt, gleichzeitig zu heulen und zu hyperventilieren, was atmen generell eher erschwert. Ich weise also die Mutter daraufhin, dass das Thema gerade wohl nicht so gut ist, und schaffe es tatsächlich, Ms Golightly zu beruhigen.
Bis die Mutter wieder anfängt, zu jammern und pseudo-ruhig-durchdachte "Wir müssen jetzt alle stark sein"-Sprüche raushaut und die Brotzeittüte zum dritten Mal zum Einsatz kommt.
So spielen wir das noch ein paar Mal durch, bis die Mützenträgermutter nach draußen geht, um nach dem Notarzt zu schauen, der, vom angerufenen Seelsorger gerufen, samt Rettungsdienst und Polizei anrückt.
Draußen reden sie über die Psychatrie, den Vorschlag, der den Mützenträger vorhin ausrasten und laut polternd das Haus demolieren lassen hat, drinnen bitte ich die Nixe, die Türe und das Fenster zu schließen, man muss Ms Golightly ja nicht alles mit anhören lassen, und baue diese, so gut es eben geht, wieder auf. Wenn es etwas gibt, dass ich von meinem Vielleicht-auch-nicht-Vater für Notfälle gelernt habe, dann das Gefühle ausblenden-Beruhigen-Ablenken-Aufbauen.
Und so mache ich schlechte Witze und rede über Positiverinnerungen von damals, als der Raucher noch nicht feindlich gegen alles und jeden außer mir war und wir zusammen was gemacht haben, und irgendwann können wir die Brotzeittüte weglegen und auch die Küchenrolle, die als Taschentuchersatz diente, wieder wegstellen.
Draußen bleibt es eine Weile ruhig, dann verabschiedet sich der Mützenträger von Ms Golightly. Hat sich doch für Klinik entschieden, ihr zuliebe, weil er sie nicht mehr mit seiner Laune runterziehen will, sagt er.
Dann rücken die Sanitäter mit ihm ab, seine Eltern packen ihm eine Reisetasche mit den wichtigsten Sachen, Ms Golightly weint noch ein bisschen, die Nixe lebt ihren Ordnungszwang aus und bringt sein Zimmer so hartnäckig auf Vordermann, dass es danach aussieht wie im Möbelhaus.
Zwischendurch kommt die Mutter immer mal reingelaufen, sagt irgendwas unpassendes und geht wieder raus, dann werden wir zum Frühstück geschleift, wo die Nixe angewidert und nach langem Drängeln der Mützenträgereltern ein Croissant erst seziert und anschließend in winzigen Bissen isst und mit dem ihr aufgezwungenen Kaba runterspült, während die Eltern die ganze Zeit versuchen, sich selbst zu beruhigen, indem sie uns erzählen, dass er es ihnen schon nicht die auf ewig vorhalten wird, dass es besser so war, dass sie ihm schließlich nicht mehr helfen konnten, und so weiter.
"Ich weiß, dass Sie sich jetzt gerade damit beruhigen wollen, und dass es sowas von gar nicht klappt. In der Situation ist beruhigen grad einfach nicht drin, aber Sie haben keinen Grund für Vorwürfe. Wirklich. Sie haben ihn nicht abgeschoben. Und er denkt auch nicht, dass Sie ihn nur loshaben wollen."
-"Jaja, jaja, da hast du ganz Recht", sagt die Mutter und versucht immer noch, Kontrolle vorzuspielen, wo keine ist, während die Nixe auf ihrem Teller Croissanthüllenbrösel in die eine Ecke und die Fetzchen des Inneren in die andere Ecke schiebt, "und wir haben ja versucht, ihm zu helfen. Aber er will ja keine Medikamente nehmen, außer jetzt halt das Johanniskraut, aber das ist ja pflanzlich, was soll das schon bringen.."
Ich verzichte darauf, den Hinweis, dass auch Pflanzen wirken, und das, oh wunder, auf chemischem Weg ("aber es ist doch natürlich!"), anzubringen und gehe gleich zum wichtigsten Punkt über:
"Sie können ihm nicht helfen."
Fassungslose Mutter, ansatzweise verstehender Vater.
"Sie können ihm nicht helfen, da rauszukommen. Sie können als Familie vielleicht stabilisieren, und anbieten, da zu sein. Aber der Rest ist seins. Und damit muss er alleine fertig werden."
Ach, ich sei ja so gefasst und klar denkend, man würde richtig merken, dass ich stabil mit beiden Beinen im Leben stehe und deshalb die Situation so gut unter Kontrolle habe.
Die Nixe prustet in ihren Kaba.
"...aber wir sind ja stark, eine Kämpferfamilie, wir haben ja schon alles mitgemacht", plappert die Mützenträgermutter, während sie und ihr Mann uns nach Hause fahren, "Damals, als der Mützenträger gerade geboren war, Ms Golightly, ich habs dir ja erzählt, da hatte er einen wunden Darm, und da mussten wir wieder ins Krankenhaus, obwohl wir gerade erst draußen waren, und seine Schwester, die war auch drin, und das war ja so schrecklich. Und dann haben sie noch festgestellt, dass ich Diabetes bekommen habe, und mein Hüftgelenk total kaputt ist und gesagt, das liegt an meinem Gewicht. Und dann ist noch der Cousin meines Mannes gestorben.Alles auf einmal, das war schon sehr schwierig für uns. Aber wir sind ja eine Kämpferfamilie, eine Familie aus Kämpfern, jawohl."
Ich suche irgendwo in mir Verständnis, echtes Verständnis und viel Mitgefühl für diese Familie und diese Frau, die gerade in ihrem "die Welt geht unter, aber wir müssen stark sein", feststeckt, aber da ist nichts.
Nur Leere, und ein bisschen Wut.
Weil die Frau da die ganze Zeit sagt, man muss eben einfach stark sein. Weil sie (noch?) keine Ahnung hat, dass es eben manchmal nicht mehr geht mit dem stark sein, und es wichtig ist, diesen Punkt verdammt nochmal wahrzunehmen. Und trotzdem weiter zu machen.
Einfach weiteratmen. Auch, wenn nichts mehr geht, nichtmal mehr kriechen.
Einfach weiteratmen.
Ein bisschen traurig ist vielleich auch da.
Weil mein Vater gesagt hat, dass das sowieso alles nur sinnlose Geldverschwendung an Idioten ist, als ich zu einem Psychologen wollte, und dass Depression nur eine Erfindung eben dieser Geldeinheimser ist, die ich jetzt als bequeme Ausrede heranziehen würde, ich sei einfach nur faul und Ende, und dass ich mich auf die Reihe kriegen und "wieder wie ein Mensch essen" soll,als nichts ging außer fressen oder gar nichts, von der Vatersfreundin kommentiert mit "du frisst uns noch die Haare vom Kopf und dich noch fetter".
Begegnungen mit allzu liebevollen Familien verstören mich immer ein bisschen.
Und ein bisschen trotziges Unverständnis, zusammen mit dem Gedanken, ich bin das Kind einer Frau, die seit ihrem 17. Lebensjahr alkoholabhängig war, einen Monat nach meinem dreizehnten Geburtstag gestorben ist, mich nach 13 Jahren Hassliebe, in denen sie mich durch schon surreale Geschichten und diverse Scheiße durchgejagt hat, die mir ein heißes Bügeleisen an den Hals geknallt, mir ihrem blutigen Speichel ins Gesicht gespuckt, mich standardmäßig geschlagen und mir sämtliche Dinge, die ich gar nicht wissen wollte, weil ich dazu eindeutig zu jung war, erzählt hat,
die eigentlich nicht da war, für mich, aber immer noch mehr als alle anderen,
die mich so wahnsinnig wütend, und so namenlos verzweifelt machen konnte,
die gelegentlich mal meinen Vater mit dem Messer bedroht hat,
der einmal vor mir geweint und ein anderes Mal meinen Hals so fest zwischen Türrahmen und seinem Arm eingeklemmt hat, dass ich seitdem weiß, dass das Gefühl, dass ich habe, wenn ich mit fremden Menschen alleine auf meiner Meinung nach für diese Situation zu wenig Platz sein muss, "ersticken" heißt,
der mir mit 9 oder 10 mal verboten hat, im Haus zu schlafen, weshalb ich mit einer Flasche Wasser im Auto meiner Mutter in der dazugehörigen Garage eingesperrt wurde, weil ich mein Zimmer nicht aufgeräumt hatte.
Mein Großvater siecht schon die ganze Zeit vor sich hin, scheint jetzt aber endgültig seinen Wunsch, zu sterben, erfüllen zu können, die Anderen haben sich schon vorher verabschiedet, ich bin wegen der ersten 13 Jahre ein Trauma- und gelegentlich Nervenbündel, die Zeit danach war auch nicht gerade die Beste, außerdem die Vaterschaftssache, der Raucher, der ganze Rest.
Und dann sagt sie mir, dass ich ja so toll stabil bin und sie am Ende sind, weil sie schon alles mitgemacht haben.?
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Zitate aus Komm zum Punkt von Thoughts Paint The Sky
17. Mai 13 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Und der Raucher haut weiter sein Seelenleid in die Welt raus, in der Hoffnung, genau das zu bewirken, was es tut:
Herzschmerz und das Bedürfnis, zu ihm zurückzugehen, weil dann alles leichter wäre. Vermeintlich.
Heutiger Post: "Ich hoff dass das nur ein albtraum seit zwei wochen is und ich bald aufwache.."
Schreibt er so in die Welt hinaus, während ich das Matheabitur hinter mich bringe, wir für heute Abend eine Absage vom tanzenden Historiker (der Mr.Gaunt mitgenommen hätte) und unserer Fahrgemeinschaft (die uns mitgenommen hätte) kriegen,
und Opa Mayhem sich weiter verabschiedet.
Inzwischen nicht mehr ansprechbar, dehydriert, ein Infekt, eine Lungenentzündung, zu lange Pausen zwischen den einzelnen Herzschlägen.
Ein röchelndes Skelett mit zu großem Gebiss, über dem sich die Haut so sehr spannt, dass sein Mund die ganze Zeit offen steht.
Und mein Vater, von dem ich nach wie vor nicht weiß, ob er mein Vater ist, steht daneben, streichelt ihm das Gesicht, das schon halb in der Leichenstarre zu stecken scheint, und zerfällt so vor sich hin.
Entweder gehen sie, einfach so, oder ich schicke sie weg. Alle.
Alle, die irgendwie wichtig sind.
Die, die noch übrig waren.
Ich weiß ja, dass ich nicht jammern soll, und ich weiß, dass es wenn, dann immer alles auf einmal kommt,
aber wieso muss es diesmal so viel sein.
Wieso muss es denn gerade jetzt so viel sein.
Herzschmerz und das Bedürfnis, zu ihm zurückzugehen, weil dann alles leichter wäre. Vermeintlich.
Heutiger Post: "Ich hoff dass das nur ein albtraum seit zwei wochen is und ich bald aufwache.."
Schreibt er so in die Welt hinaus, während ich das Matheabitur hinter mich bringe, wir für heute Abend eine Absage vom tanzenden Historiker (der Mr.Gaunt mitgenommen hätte) und unserer Fahrgemeinschaft (die uns mitgenommen hätte) kriegen,
und Opa Mayhem sich weiter verabschiedet.
Inzwischen nicht mehr ansprechbar, dehydriert, ein Infekt, eine Lungenentzündung, zu lange Pausen zwischen den einzelnen Herzschlägen.
Ein röchelndes Skelett mit zu großem Gebiss, über dem sich die Haut so sehr spannt, dass sein Mund die ganze Zeit offen steht.
Und mein Vater, von dem ich nach wie vor nicht weiß, ob er mein Vater ist, steht daneben, streichelt ihm das Gesicht, das schon halb in der Leichenstarre zu stecken scheint, und zerfällt so vor sich hin.
Entweder gehen sie, einfach so, oder ich schicke sie weg. Alle.
Alle, die irgendwie wichtig sind.
Die, die noch übrig waren.
Ich weiß ja, dass ich nicht jammern soll, und ich weiß, dass es wenn, dann immer alles auf einmal kommt,
aber wieso muss es diesmal so viel sein.
Wieso muss es denn gerade jetzt so viel sein.
Sms vom Raucher.
Er: Bittet darum,dass wir morgen nochmal reden.
Ich: breche haltlos in mich zusammen.
Ich will ihn sehen. Und zurück. Bilde es mir zumindest ein.
Somit also wieder Mal eine Runde Gefühlszusammenbruch am Abend.
edit vom 12.05.:
Trotzdem irgendwie souverän geblieben.
Ich: Schreibe, dass ich Kontakt im Moment für ziemlich ungesund (für uns beide) halte, man aber reden könne, wenn er der Meinung ist, dass es ihm hilft. Voraussetzung: Kein Versuch, es wieder zu richten, zu reanimieren oder wieauchimmer, denn das geht im Moment nicht(Ein "noch nicht" konnte ich mir gerade so verkneifen) und in die Wohnung darf er auch nicht.
Er: Will angeblich wissen, was denn genau los ist (das hatte ich die letzten zwei Monate und noch einmal unter größtem Geflenne letzten Freitag ausgeführt...), fühlt sich einfach nur furchtbar, seitdem ich weg bin, kommt überhaupt nicht mehr klar, und "weiß nich, wie lange das so noch gut geht".
Ja, zieh mich doch noch weiter runter, in dem du schon wieder deine Selbstmordgedanken auf mich abwälzt. Mach doch, mir gehts ja gut. Is ja nicht so, dass ich mich da selbst genug mit rumschlagen würde.
Klingt alles wütender, als es ist. Pseudoaggression mal wieder.
Stattdessen, wer hätte es gedacht, wieder mal Geheule.
Aber, man höre und staune, ich reiße mich, zumindest, was meine Antwort betrifft, zusammen.
Erinnere ihn daran,dass er mir versprochen hat, sich nichts anzutun, und mit Freunden/Familie zu reden.
Und äußere nochmal den Verdacht, dass es im Moment keine gute Idee ist, mich zu treffen.
Würde er ja machen, sagt er, aber dass er ohne mich eben überhaupt nichts mehr auf die Reihe kriegt und alles furchtbar ist. Aber dass man das mit dem Reden dann lieber lassen sollte, wenn ich der Meinung bin, dass es eine schlechte Idee ist.
Beende die sms-Konversation mit dem Hinweis, dass anrufen, telefonieren o.Ä. im Moment wirklich nur alles schlimmer machen, zumindest für mich.
Seitdem Panik, sobald mich ein Anruf oder eine SMS erreichen, bis jetzt aber nichts mehr von ihm.
Außerdem eine winzige Sekunde lang das Gefühl, das Richtige getan zu haben, bevor es wieder in Dauerschmerz und Verlustverzweiflung umgekippt ist.
Irgendwann wird alles gut.
Er: Bittet darum,dass wir morgen nochmal reden.
Ich: breche haltlos in mich zusammen.
Ich will ihn sehen. Und zurück. Bilde es mir zumindest ein.
Somit also wieder Mal eine Runde Gefühlszusammenbruch am Abend.
edit vom 12.05.:
Trotzdem irgendwie souverän geblieben.
Ich: Schreibe, dass ich Kontakt im Moment für ziemlich ungesund (für uns beide) halte, man aber reden könne, wenn er der Meinung ist, dass es ihm hilft. Voraussetzung: Kein Versuch, es wieder zu richten, zu reanimieren oder wieauchimmer, denn das geht im Moment nicht(Ein "noch nicht" konnte ich mir gerade so verkneifen) und in die Wohnung darf er auch nicht.
Er: Will angeblich wissen, was denn genau los ist (das hatte ich die letzten zwei Monate und noch einmal unter größtem Geflenne letzten Freitag ausgeführt...), fühlt sich einfach nur furchtbar, seitdem ich weg bin, kommt überhaupt nicht mehr klar, und "weiß nich, wie lange das so noch gut geht".
Ja, zieh mich doch noch weiter runter, in dem du schon wieder deine Selbstmordgedanken auf mich abwälzt. Mach doch, mir gehts ja gut. Is ja nicht so, dass ich mich da selbst genug mit rumschlagen würde.
Klingt alles wütender, als es ist. Pseudoaggression mal wieder.
Stattdessen, wer hätte es gedacht, wieder mal Geheule.
Aber, man höre und staune, ich reiße mich, zumindest, was meine Antwort betrifft, zusammen.
Erinnere ihn daran,dass er mir versprochen hat, sich nichts anzutun, und mit Freunden/Familie zu reden.
Und äußere nochmal den Verdacht, dass es im Moment keine gute Idee ist, mich zu treffen.
Würde er ja machen, sagt er, aber dass er ohne mich eben überhaupt nichts mehr auf die Reihe kriegt und alles furchtbar ist. Aber dass man das mit dem Reden dann lieber lassen sollte, wenn ich der Meinung bin, dass es eine schlechte Idee ist.
Beende die sms-Konversation mit dem Hinweis, dass anrufen, telefonieren o.Ä. im Moment wirklich nur alles schlimmer machen, zumindest für mich.
Seitdem Panik, sobald mich ein Anruf oder eine SMS erreichen, bis jetzt aber nichts mehr von ihm.
Außerdem eine winzige Sekunde lang das Gefühl, das Richtige getan zu haben, bevor es wieder in Dauerschmerz und Verlustverzweiflung umgekippt ist.
Irgendwann wird alles gut.
Thema: oh happy day.
Ich habe heute meiner Verlorenheit getrotzt und mich dem Horror gestellt.
Das Retourepäckchen ins Mayhemmobil verladen, gestartet und alleine den Weg in die andere Kleinstadt angetreten.
Über gefürchtete Straßen, vorbei am gefürchteten Supermarkt und hin zum anderen.
Ich habe sogar an einer fremden Tankstelle getankt.
Alleine.
Sonst hatte ich immer den Raucher dabei, Samstagabend, als Unterstützung, um mich nicht zu panisch zu fühlen unter den ganzen fremden Menschen und in der ungeliebten Stadt, aber das geht jetzt eben nicht mehr.
Also bin ich nach dem Tanken zu einem anderen Supermarkt gefahren, weil ich keinen Umweg nehmen wollte, habe so weit wie möglich weg von den ach-so-coolen-beinahe-Altersgenossen (und somit auch vom Eingang) geparkt, einen Einkaufswagen geholt und bin rein gegangen.
Alleine.
Viel zu viele Menschen kamen mir viel zu nahe, weil augenscheinlich niemand mehr fähig ist, einen Höflichkeitsabstand zu halten, wenn es um den letzten Packen Rinderhack geht, der drei Regale über der MHD-abgelaufen-Ecke liegt, vor der ich knie, und ein paar Mal möchte ich mich auf den Boden kauern und in einem verzweifelten Heulkrampf versinken; einmal stehe ich vorm Saftregal und bin völlig verloren und den Tränen nahe, weil ich mir welchen kaufen möchte, aber 1.5l Apfelsaft niemals leer bekomme, bevor eine lustige Pelzschicht an der Oberfläche schwimmt, und es keine kleinen Packungen mehr gibt, aber irgendwie schaffe ich es, die Sachen zu finden, die ich möchte, (notgedrungen mit Multivitamin- anstelle von Apfelsaft; der einzigen Variante, die es auch in kleineren Mengen gab) bis zur Kasse zu kommen, aufzuladen, zu bezahlen, einzuladen, und das Mayhemmobil zu bepacken.
Im Auto eine Runde Herzschlag beruhigen ob der übermenschlichen Leistung, die ich da gerade vollbracht habe. Ganz alleine einkaufen. In der gefürchteten Kleinstadt. Applaus bitte.
Eine SMS von der Egoschleuder: Die Frage erübrige sich zwar eigentlich, aber wie es mir gehe.
Den Umständen entsprechend, man leidet eben schubweise, antworte ich, und frage in einem Anfall spontaner geistiger Umnachtung, ob er schon zuhause ist. Bin schließlich gerade in der Gegend.
Nee, heute weder Berufsschule, noch Arbeit, sondern Treffen mit der Innung, das dauert. Genau genommen noch bis Mittwoch. Was mich dazu gebracht habe, freiwillig den Weg in die verhasste Stadt anzutreten.
Nahrungsmittel und Getränke besorgen, von irgendwas muss man ja leben und eigentlich lautet mein Plan, wieder öfter zu kochen, antworte ich ihm.
Noch in der gleichen Minute ruft er an.
"Ich hab gerade nicht viel Zeit, muss gleich wieder rein. Aber wenn du willst, kannst du am Wochenende zu mir und wir können zusammen kochen. Ach was,du kommst einfach zu mir und wir kochen!" Seine Begeisterung strahlt mir förmlich durchs Telefon entgegen und zerrt ziemlich an meinem strapazierten Herz.
-"Weiß nicht. Muss halt schauen, ob ich Zeit habe... Wie gut kannst du eigentlich kochen?"
"Absolut gar nicht", lacht er. "Aber du bist ja da. Dann helfe ich dir einfach. Ich freu mich jetzt schon!"
Es folgt ein ausführlicher Vortrag darüber, wie toll gemeinsames Kochen, besonders mit mir, sei, der erst abreißt, als ein mutmaßlicher Arbeitskollege die Egoschleuder darauf hinweist, dass die Mittagspause definitiv vorbei ist.
"Meld dich dann halt einfach, wann du Zeit hast. Ich freu mich schon!"
Sache aus seiner Sicht geregelt.
Ich allerdings sehe mich, bevor ich über Möglichkeiten der Wochenendgestaltung nachdenken kann, mit viel näher liegenderen Problemen konfrontiert: gegenüber ist die Drogerie. Ich brauche eigentlich was von da.
Um hinzukommen, müssste ich mich auf den total unübersichtlichen, total vollgestopften Parkplatz zwängen, dessen komische Seitenausfahrten mit viel zu schmalen Mini-Gässchen verbunden sind und immer von mir übersehen werden.
Will ich mir das antun?
Ein vorsichtiger Blick auf das Gelände erspart mir weitere Überlegungen und lässt mich instinktiv nach links abbiegen, das fünfte Polizeiauto innerhalb von 2 Tagen kann nämlich kein Zufall sein, sondern ist eindeutig als Zeichen zu sehen, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.
Nicht, weil ich aussehe wie ein zugedrogtes, überfahrenes Eichhörnchen, das drei Wochen im Regen gelegen hat (und mich zeitweise auch so fühle), oder weil mein eines Rücklicht kaputt ist, das Wischblatt-Teil des hinteren Scheibenwischers lose runterhängt und das ganze Auto eher..unrund läuft, sondern einfach, weil ich gerade Angst vor fremden Menschen habe. Erst recht, wenn es Autoritätspersonen sind/sein sollen.
Hab heute aber auch schon genug geleistet.
Das Retourepäckchen ins Mayhemmobil verladen, gestartet und alleine den Weg in die andere Kleinstadt angetreten.
Über gefürchtete Straßen, vorbei am gefürchteten Supermarkt und hin zum anderen.
Ich habe sogar an einer fremden Tankstelle getankt.
Alleine.
Sonst hatte ich immer den Raucher dabei, Samstagabend, als Unterstützung, um mich nicht zu panisch zu fühlen unter den ganzen fremden Menschen und in der ungeliebten Stadt, aber das geht jetzt eben nicht mehr.
Also bin ich nach dem Tanken zu einem anderen Supermarkt gefahren, weil ich keinen Umweg nehmen wollte, habe so weit wie möglich weg von den ach-so-coolen-beinahe-Altersgenossen (und somit auch vom Eingang) geparkt, einen Einkaufswagen geholt und bin rein gegangen.
Alleine.
Viel zu viele Menschen kamen mir viel zu nahe, weil augenscheinlich niemand mehr fähig ist, einen Höflichkeitsabstand zu halten, wenn es um den letzten Packen Rinderhack geht, der drei Regale über der MHD-abgelaufen-Ecke liegt, vor der ich knie, und ein paar Mal möchte ich mich auf den Boden kauern und in einem verzweifelten Heulkrampf versinken; einmal stehe ich vorm Saftregal und bin völlig verloren und den Tränen nahe, weil ich mir welchen kaufen möchte, aber 1.5l Apfelsaft niemals leer bekomme, bevor eine lustige Pelzschicht an der Oberfläche schwimmt, und es keine kleinen Packungen mehr gibt, aber irgendwie schaffe ich es, die Sachen zu finden, die ich möchte, (notgedrungen mit Multivitamin- anstelle von Apfelsaft; der einzigen Variante, die es auch in kleineren Mengen gab) bis zur Kasse zu kommen, aufzuladen, zu bezahlen, einzuladen, und das Mayhemmobil zu bepacken.
Im Auto eine Runde Herzschlag beruhigen ob der übermenschlichen Leistung, die ich da gerade vollbracht habe. Ganz alleine einkaufen. In der gefürchteten Kleinstadt. Applaus bitte.
Eine SMS von der Egoschleuder: Die Frage erübrige sich zwar eigentlich, aber wie es mir gehe.
Den Umständen entsprechend, man leidet eben schubweise, antworte ich, und frage in einem Anfall spontaner geistiger Umnachtung, ob er schon zuhause ist. Bin schließlich gerade in der Gegend.
Nee, heute weder Berufsschule, noch Arbeit, sondern Treffen mit der Innung, das dauert. Genau genommen noch bis Mittwoch. Was mich dazu gebracht habe, freiwillig den Weg in die verhasste Stadt anzutreten.
Nahrungsmittel und Getränke besorgen, von irgendwas muss man ja leben und eigentlich lautet mein Plan, wieder öfter zu kochen, antworte ich ihm.
Noch in der gleichen Minute ruft er an.
"Ich hab gerade nicht viel Zeit, muss gleich wieder rein. Aber wenn du willst, kannst du am Wochenende zu mir und wir können zusammen kochen. Ach was,du kommst einfach zu mir und wir kochen!" Seine Begeisterung strahlt mir förmlich durchs Telefon entgegen und zerrt ziemlich an meinem strapazierten Herz.
-"Weiß nicht. Muss halt schauen, ob ich Zeit habe... Wie gut kannst du eigentlich kochen?"
"Absolut gar nicht", lacht er. "Aber du bist ja da. Dann helfe ich dir einfach. Ich freu mich jetzt schon!"
Es folgt ein ausführlicher Vortrag darüber, wie toll gemeinsames Kochen, besonders mit mir, sei, der erst abreißt, als ein mutmaßlicher Arbeitskollege die Egoschleuder darauf hinweist, dass die Mittagspause definitiv vorbei ist.
"Meld dich dann halt einfach, wann du Zeit hast. Ich freu mich schon!"
Sache aus seiner Sicht geregelt.
Ich allerdings sehe mich, bevor ich über Möglichkeiten der Wochenendgestaltung nachdenken kann, mit viel näher liegenderen Problemen konfrontiert: gegenüber ist die Drogerie. Ich brauche eigentlich was von da.
Um hinzukommen, müssste ich mich auf den total unübersichtlichen, total vollgestopften Parkplatz zwängen, dessen komische Seitenausfahrten mit viel zu schmalen Mini-Gässchen verbunden sind und immer von mir übersehen werden.
Will ich mir das antun?
Ein vorsichtiger Blick auf das Gelände erspart mir weitere Überlegungen und lässt mich instinktiv nach links abbiegen, das fünfte Polizeiauto innerhalb von 2 Tagen kann nämlich kein Zufall sein, sondern ist eindeutig als Zeichen zu sehen, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.
Nicht, weil ich aussehe wie ein zugedrogtes, überfahrenes Eichhörnchen, das drei Wochen im Regen gelegen hat (und mich zeitweise auch so fühle), oder weil mein eines Rücklicht kaputt ist, das Wischblatt-Teil des hinteren Scheibenwischers lose runterhängt und das ganze Auto eher..unrund läuft, sondern einfach, weil ich gerade Angst vor fremden Menschen habe. Erst recht, wenn es Autoritätspersonen sind/sein sollen.
Hab heute aber auch schon genug geleistet.
