Freitag, 14. Februar 2020
Der schicksalhafte Zufall schmeißt mit Skurrilitäten um sich und vielleicht sind die auf meiner Seite.

Der Betreuer ist wohl tatsächlich nicht mehr da (endgültige Bestätigung erhaltener Informationen zum aktuellen Zeitpunkt noch ausstehend), was es notwendig macht, einen neuen zu finden.


Drei stehen insgesamt zur Verfügung; Nummer 1 kann mich nicht leiden (und ich sie auch nicht), Nummer 2 kann den Autor nicht leiden, dessen Werk ich behandeln werde.
Nummer 3 lehrt das Institut das Fürchten mit einer sehr direkten "Hart aber Herzlich"-Art und weil er auf seinem Gebiet alles weiß, was man so wissen kann*.

Praktischerweise liegt mein Thema mittendrin in diesem Gebiet.
Und praktischerweise gehöre ich zu der Handvoll Studenten, die nicht tot umfällt, sobald er eine Frage stellt - ich pendle quasi permanent zwischen "AAAAAAH" und vollkommener Gleichgültigkeit, ich hab Routine.
Und ich kann meinen Scheiß. Wenn ich nicht gerade im "AAAAAAH" oder meinem Kopf verloren gehe, produziert mein Hirn Ergebnisse. Tendenziell gute.


Aktuell kleine Sinnkrise (Mail schreiben und fragen? WIE FORMULIERE ICH DIESE MAIL? Nicht schreiben und stattdessen kommende Woche direkt in die Sprechstunde, schließlich ist die ohne Anmeldung offen und persönlich lässt er sich vielleicht leichter überzeugen? ABER ICH WERDE WEINEN,WENN ER NEIN SAGT und vielleicht ist es besser, wenn ich nicht in einer Sprechstunde weine? Ach scheiß drauf, wenn ich heule, heule ich eben. ABER WIE SOLL ICH DIESE UNGEWISSHEIT BIS ZUR KOMMENDEN WOCHE AUSHALTEN? AAAAAAAH!), aber ich hab ja Routine.

Die Schönheit meiner Psyche liegt darin, dass sie an permanente Ausnahmezustände gewöhnt ist und sie im ihr eigenen Nebeneinander von Weltuntergang und routinierter Gleichgültigkeit in einem riesigen Geisterschiff erfolgreich durchsegelt, jedes verdammte Mal wieder.
Ehrlich, diesen Valentinstag gilt meine Liebeserklärung, neben den Katzen, meinem Hirn. Das hat es einfach mal verdient. Vielleicht sollte ich es mal auf ein Date einladen.

Mein Studium hängt am dünnsten aller bisherigen seidenen Fäden, so richtig, ohne Übertreibungen; eine große Portion Glück sowie meine Fähigkeit, in extrem kurzer Zeit extreme Leistung zu bringen entscheiden darüber, was das wird.

Aufs Glück vertraue ich, Extreme kann ich.


Tobe, Welt und springe
Ich steh' hier und singe.







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*Und noch mehr, von der Antike bis zur PostPostPostPostmoderne (es ist durchaus wahrscheinlich, dass er in die Zukunft sehen kann oder eine Zeitmaschine erfunden hat)




Dienstag, 11. Februar 2020
Der schicksalhafte Zufall schmeißt erneut mit Skurrilitäten um sich:

Ich wurde zum Master zugelassen.
Die Abgabefrist fürs Zeugnis liegt mitten im Vorlesungszeitraum, lange vor der Prüfungsverbuchung.
Ich kümmere mich darum, dass sie angepasst wird.
Sie bekommt ein Upgrade: wahnsinnig knapp, aber technisch möglich.

Dafür ist mein Dozent nicht (mehr?) als möglicher Betreuer gelistet.
Auf der Institutshompage ist er generell (noch?) gelistet, der Link führt allerdings ins Webnirwana, er bietet dieses Semester auch keine Kurse an.

Aus dem Fachbereich kenne ich sonst nur noch zwei Personen.
Einer ist für die nächsten Jahrtausende verplant, die andere würde sich lieber einer Wurzelbehandlung ohne Betäubung unterziehen, als mit mir in einem Raum zu sein.
Was auf Gegenseitigkeit beruht.
In anderen Fachbereichen bin ich entweder nur durchschnittlich gut oder die betreuungsbefugten Dozenten sind gerade in Mutterschutz, an Partnerunis oder haben mich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen (und ich ihre Forschungsschwerpunkte somit auch nicht).

Anstehende Kleinkriege: zwei Hausarbeiten, ein Blockseminar, ein Protokoll, BA-Vorbereitungen.
Bonus-Challenge: Eventuell neuen Betreuer für das Ding finden. Und zwar schnell.
Und gegebenenfalls ein neues Thema.
Man gönnt sich ja sonst nichts.




Dienstag, 4. Februar 2020
In Sachen unübliche Lebensgeschichten bin ich ja quasi Fachfrau.
Da wäre meine, und was sie so mit mir anstellt, und da sind die all derer, denen ich unterwegs begegne und die ich entweder einsammle oder liegen lasse (Fortschritt!).
Die Kunst ist, sich weder von der augenscheinlichen Ungerechtigkeit auffressen zu lassen, noch, vor ihr zu resignieren.
Die treibende Schicksalskraft ist der Zufall, und dem ist per se erst mal alles egal. Der macht einfach sein Ding, und gut ist. Oder ungut - egal, juckt den Zufall nicht.
Desweiteren bin ich ziemlich wahrscheinlich nicht Jesus - ich bin nicht hier, um das Leid der Welt auf meinen Schultern zu tragen oder/und irgendwem dadurch Erlösung zu verschaffen. Erlöst euch doch selbst. Echt jetzt.

Die Kunst ist, die Selbstdefinition zu meistern, wenn man denn herausfinden will, wer oder was dieses ominöse "Selbst" sein soll.
Dazu gehört die von mir beständig gepredigte heilige Dreifaltigkeit: konstruktiv, differenziert, reflektiert. Im Hirn und außerhalb. Für das Ich und für das Andere und für alles, was daraus entsteht oder nicht-entsteht.

Die Kunst ist Mut.
Mut ist nicht: angstfrei sein. Angst ist evolutionär gesehen sinnig, Angst kann tolle Sachen, zum Beispiel unser Leben retten.
Mut ist das "Trotzdem". Ein Protokoll schreiben, zwanzig Minuten am Tag, bis es fertig ist, und es dann, zwei Stunden zu spät, abgeben. Sich dabei fast ein- und ganz und gar nicht darauf scheißen, dass das eine lächerlich einfache, übersichtliche Aufgabe ist, die man eigentlich mit links bewältigen könnte.
Vor Angst und Anspannung das Gefühl haben, gleichzeitig weinen, Sachen kaputt schlagen und kotzen zu müssen, weil das Scheißleben gerade mal wieder alles andere als einfach ist.
Sich einzugestehen, dass das Leben das nicht aus böser Absicht tut und "einfach" subjektive Definitionssache ist. "Einfach" im Vergleich zu was? Und warum der Vergleich?
Mut ist Ehrlichkeit.
Nicht verloren gehen in dem, was man gern wäre, was die anderen sein könnten, was die Schwarzmalerei sagt oder was die Hoffnung gerne hätte.
Realistisch bleiben, so richtig. Die Realität will dich weder verzaubern, noch will sie dir auf die Fresse hauen. Die Realität ist erst mal einfach da, macht eben ihr Ding, und gut ist. Oder ungut - juckt die Realität nicht.
Mut ist Menschlichkeit.
Der allgemeine kategorische Imperativ, "Sei kein verdammtes Arschloch". Gilt für das Selbst und das Andere.
Dem Scheißefinden einen Raum geben, und dann irgendwie den mentalen Backflip schaffen und verzeihen, dem Selbst und dem Anderen - wenn es angebracht ist.
Mut ist nämlich auch, Grenzen zu ziehen.
Aussortieren, Unverzeihliches als genau das benennen.
Überhaupt. Dingen einen Namen geben. Und erkennen, dass die manchmal auch nur Schall und Rauch sind.

Die Kunst ist konstruktive Akzeptanz.
Gegen Windmühlen ankämpfen lohnt sich nicht immer - die Scheißdinger einfach wegzusprengen manchmal schon. In die Luft jagen, mit dem Panzer drüber fahren, und weg mit dem Scheiß.
Manchmal vielleicht doch lieber stehen lassen und einfach woanders hin. Mit oder ohne Panzer.
Erkennen, dass auch Unaushaltbares nicht immer abhaut, egal, wie sehr man es sich wünscht. Und den Plan anpassen. Oder über Bord werfen und nen neuen machen. Oder auch nicht.
Festhalten, dass es manchmal Gründe gibt und manchmal nicht.
Unabhängig davon irgendwas draus machen. Aus der Situation, der Erkenntnis, dem Leben, dem Selbst oder dem Anderen.

Die Kunst ist, weiter zu machen - nicht mit jedem Bullshit, den man sich so zusammen gesponnen hat, sondern, ganz schlicht und ergreifend, mit dem Existieren.
Irgendwann wird schon wieder ein Leben draus.
Ob mit oder ohne Hoffnung, mit oder ohne Glauben an das Selbst, das Andere, Schicksal, Zufall, Universum, höhere Mächte, Gründe, Perspektiven.


Die Kunst ist Selbst-Transformation.
"Stabiles Mittelmaß ist mir nicht vergönnt" streichen und stattdessen damit arrangieren, dass alles permanent fragil, wacklig und im Wandel begriffen ist, wenn auch mit variierender Intensität. Davon verabschieden, dass man das gut oder schlecht finden muss.
Überlegen, ob da was dran ist am "sich selbst ein Zuhause sein", aber auch nicht verzweifeln, wenn sich herausstellt, dass das eine Illusion ist, solange man davon ausgeht, dass Selbst oder Zuhause oder überhaupt irgendwas statisch ist.
Den ganzen Kram nehmen: Trauma, Welt-, Herz-und Existenzschmerz, die Angst, dass Chancen und Potentiale für immer verloren und die besten Zeiten vorbei sind, spontane Momente der Genialität und des Insichselbstverlusts, Erkenntnisse und solche, die nur so getan haben, spontane Gloriositätsanfälle des Lebens, untergehende Welten und Universen, Galaxiesplitter und implodierte Sonnen, verlorene Menschen, Jobs, Chancen, Pläne,...
den ganzen Scheiß nehmen und in einen großen Topf werfen.
Zusehen, wie das brennt und speit und zwischt und schaudert.

Die Kunst ist, daraus was zu machen. Ein Nichts, ein Etwas, irgendwas dazwischen.
Dem Topf beim Überlaufen zusehen, nasse Füße bekommen, unter denen es den Boden wegätzt.
Hoffen, dass man diesmal eine Rettungsweste eingepackt hat, weil man immer noch Nichtschwimmer ist.
Feststellen, dass auch Nussschalen zum schwimmenden Panzer transformiert werden können.
Beschissenes Wetter aussitzen, besseres nicht erwarten, aber (sofern möglich: freudig) annehmen, ohne dabei die Regenjacke zu verkaufen.
Im Idealfall: noch ein, zwei weitere auf Vorrat haben.
Für richtig mieses Wetter oder andere Schiffbrüchige.
Und eine Machete, falls sie sich als Arschlöcher entpuppen, ich bin vielleicht mitfühlend, aber nicht vollkommen bescheuert.


Meine großen Kunststücke sind Resilienz, Aussitzen, Weiteratmen, Verzicht darauf, endgültig den Verstand zu verlieren, stattdessen Fokus auf das, was man mit dem Ding sonst noch so tolles anstellen kann.

Und es lohnt sich.
Jede Implosion, jede Unaushaltbarkeit, jedes Pulverisiertwerden und jedes Loch im Herz.
Nicht, weil man das zum Leben braucht.
Sondern weil ich was draus mache.




Montag, 3. Februar 2020
Thema: gefunden.

Ich trage dich wie eine Wunde
auf meiner Stirn, die sich nicht schließt.
Sie schmerzt nicht immer. Und es fließt
das Herz sich nicht draus tot.
Nur manchmal plötzlich bin ich blind und spüre
Blut im Munde.

(Gottfried Benn, Mutter)