Geschrieben nach Abgabe der Abschlussarbeit, wollte es eigentlich umschreiben, lass es jetzt aber einfach so.
Die geplante Pausenwoche hat sich in eine IchMacheWasAberZuWenig-Mehrwöchigkeit verwandelt, der große Zusammenbruch war noch nicht da. Entweder bereitet er einen besonders fulminanten Auftritt vor, oder er hat sich dafür entschieden, sich lieber etwas weniger intensiv, dafür aber längerfristig und nachhaltiger zu entwickeln (was ich gerade ein bisschen vermute).
Oder er bleibt einfach aus, kann ja passieren, ich ziehe auch das mittlerweile durchaus in Erwägung. Schließlich scheinen Unwahrscheinlichkeiten, die eintreten und das große Trotzdem gerade quasi zum Modus Operandi zu werden - noch eine 1,2, diesmal knallhart Sprachwissenschaft, gute zwei Notenstufen besser als das, was ich da sonst so vollbracht habe. Kann natürlich auch sein, dass das ein dramaturgischer Kunstgriff des Zufalls ist, um es für ein wenig Situationskomik mit einem Versagen in der Abschlussarbeit zu kombinieren.
-------
(Wie es mir geht und wonach sich das Lied anfühlt: Nebeldecke, Zwischenwelten, Zwischenzeiten, irgendwo dahinter ein Irgendwas, vielleicht das große Trotzdem, vielleicht das Gegenteil, vielleicht auch beides)
Die Suche nach passenden Worten.
Camus:
Mitten im tiefsten Winter wurde mir bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.
Hmpf.
Dürrenmatt:
Aber nun schloss ich mich ein, besiegte meine Furcht. Allein. Es war schwer, nun ist es getan. Ein Zurück gibt es nicht.
Hm.
Dirk Bernemann:
Es gibt keine Lösungen, nur Angst und manchmal Mut.
Hm?
Ich
...übergebe meine Seele dem Gott, der
Nee.
...übergebe mein Schicksal dem Betreuer meiner Abschlussarbeit, dem Prüfungsamt und dem Kollektiv des Studienkreditsatans.
Auch nicht.
...habe weder die innere Schönwetterfront des Camus- noch die Angstfreiheit des Dürrenmatt-Zitats.
Muss ich vielleicht auch gar nicht haben.
Schamloses Eigenzitat, weil treffende Feststellung:
"Krisen durchschiffe ich nicht aus Optimismus, Resilienz oder aufgrund besonderer Begabungen,
sondern aus reinem Trotz und Sturheit.
Ich habe mich für Abschluss+Selbstüberwindung+Lebensbewältigung entschieden, das Beibehalten dieser Bewegungsrichtung ist eine logische Selbstverständlichkeit. Träge Masse, Newtonsche Gesetze.
Nach ein paar Tagen wird es zum Experiment, ich sehe es als Fallstudie an; teilnehmende Beobachtung, wenn ich mir selbst über die Schulter gucke beim Kampf gegen gefühlt eine ganze Existenz.
Das tue ich in dieser Zeit oft; Existenzkämpfe ausfechten und mir über die Schulter gucken, gleichzeitig am Ende und außerhalb von allem. Ich sag's ja immer wieder, das menschliche Gehirn ist eine Wunderkammer.
Der Zeitpunkt, an dem ich emotional und psychisch zerstört scheine, ist irgendwann erreicht, weinen ist gar kein Ausdruck für das, was manchmal passiert. Zwischendurch sitze ich auf meinem Bett, dem Boden oder irgendwo anders und schreie fünf Minuten am Stück, nicht bloß ein Urschrei, mehr, anders, es fühlt sich nicht mehr wie etwas Menschliches an. Aber irgendwer hat es stummgeschaltet - die Haltung passt, die Mimik passt, die Stimmbänder tun ihren Job, aber es kommt kein einziger Ton raus.
Nach einer Weile macht das lautlose Abgrundtiefe dem Nebel oder einer regulären Verzweiflungswelle Platz, ich panikattacke so vor mich hin, sterbe ein bis tausend Tode, mein Herz scheint auch mitmachen zu wollen, sich aber unklar darüber zu sein, ob es Rhythmusstörungen, einen Infarkt, plötzlichen Tod oder eine Explosion aufs Parkett legen will.
Dann setze ich mich wieder an den Schreibtisch und mache weiter, ich habe schließlich akademische Großartigkeiten oder zumindest eine ausreichende Abschlussarbeit zu vollbringen.
Wenn das gefühlte Existenzende ein besonders beeindruckendes war, mache ich vorher noch ein paar Notizen, Experimente sollten dokumentiert werden, Forschungsreisen sowieso. Ein ähnliches Prinzip wie das, das Papa Mayhem auf übriggebliebene Schrauben und Muttern und die Orginalverpackungen elektrischer Geräte anwendet: für irgendwas kann man das bestimmt mal brauchen.
Zwischendurch sagt das Hirn, eigentlich wär's einfacher, wenn wir uns umbringen, dann wäre wenigstens Ruhe. Ich bedanke mich beim Hirn für die Information, man soll ja alles erst mal wertfrei annehmen, weise es dann aber darauf hin, dass wir gerade nicht wirklich sterben wollen, sondern lediglich keinen Ausweg sehen und es mir egal ist, ob irgendwas "einfacher" wäre - ob Ghostwriting oder Todesflucht, beides wäre Verantwortungsverweigerung, und sowas machen wir hier nicht. Newtonsches Gesetz, träge Masse in Bewegung, ich habe 2014 beschlossen, dieses Studium aufzunehmen und erfolgreich zu beenden, also mache ich das. Ich lass mich doch nicht von Geldproblemen, altem Trauma, neuer Scheiße, tragikomischer Lebensdramaturgie, so ein bisschen Pandemie oder einem psychischen Totalausfall aufhalten. Wäre ja noch schöner.
Die Abschlussarbeit wird fertig. Nicht, weil ich die Angst überwunden oder einen großen Erleuchtungsmoment gehabt hätte.
Ich habe beschlossen, dass sie fertig wird, also wird sie fertig.
Ich habe beschlossen, dass ich sie abgebe, also mache ich das.
Nachdem die letzten Sätze geschrieben sind, renne ich zum Copy Shop. Einerseits, weil die Zeit drängt, andererseits, weil die Ur-Angst und der damit einhergehende Fluchtreflex da sind. Angst vor Menschen, Angst vor Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit, Angst vor allem, wie ein wildes Tier, das man gefangen und in der Stadt ausgesetzt hat.
Zweimal drucken, zweimal binden, einmal auf CD, einmal Briefumschlag bitte.
Danach laufe ich durch meine große Stadt und während ich mir so dabei zuschaue, erinnere ich mich an das, was Legolas von Menschen und Kriegen erzählt hat. Und an einen Theatermenschen, der nach einem Stück gesagt hat, andere spielen ihre Rolle, Frau Mayhem wird vom Menschen zur Naturgewalt.
Ein paar mal werde ich fast von Rad- oder Autofahrern überrollt, die der Meinung sind, so eine rote Ampel wäre eher ein Vorschlag als eine Anweisung; ich widerstehe dem Impuls, irgendwie zu reagieren oder auch nur einen Schritt langsamer zu laufen. Ich lass mich doch nicht von Arschlochmenschen oder meinem Bedürfnis, ihren Schädel auf den Asphalt zu schlagen, bis nur noch blutiger Glibber übrig ist, aufhalten.
Nach ein paar Abkürzungen über Firmenparkplätze, durch den ein oder anderen Hinterhof und einen Bürobetonklotz (ich lauf doch keinen Umweg, wenn ich da einfach geradlinig vorne rein- und hinten wieder raus marschieren und so mehrere Minuten sparen kann) bin ich noch zur richtigen Uhrzeit am richtigen Gebäude.
Zwei Minuten später ist die Abschlussarbeit abgeben und ihr pünktlicher Eingang bestätigt.
Wieder zuhause ergreife ich prophylaktische Sicherheitsmaßnahmen für den großen Zusammenbruch, der hinter dem Nebel lauert und irgendwann rauskommen wird.
Sicherstellen, dass genug Lebensmittelvorräte für die nächsten Tage da sind, eine schwere Decke bereit legen und schon mal ein paar Filme raussuchen. Was stumpfsinnig-lustiges, falls das doch mal hilft, was verstörend-grausiges, falls ich mich in die Realität zurücktriggern muss. Lars von Trier zur Beruhigung, für die Rückkehr zu emotionaler Ausgeglichenheit und Seelenfrieden.
Wie abgemacht kurzes Telefonat mit der Therapeutin, um meine Verfassung zu evaluieren.
Ganz viele Emotionen, aber alle unter einer dichten Nebeldecke. Zwischenwelten, Überforderung, Traumahirn.
Ich widerstehe der Versuchung, den Nebel für mehr Produktivität ausnutzen oder zwanghaft verjagen zu wollen.
Stattdessen verordne ich mir eine mehrtägige Pause, bis zu eine Woche verschreibe ich mir, beruhige mich aber, dass ich das nicht einhalten muss, wenn ich nicht möchte.
Verschiebe die Jobsuche auf das Ende jener Pausenwoche, das Weiterschreiben an den anderen Master-Angelegenheiten auch. Meine Aufgaben sind jetzt, mich zu entspannen (eine Maßnahme, deren konsequente Umsetzung, bzw. das notwendige Festhalten daran trotz der Zwischenrufe aus dem Kopf, durchaus auch stressig sein kann), Yoga zu machen, schrittweise Zimmer und Wohnung wieder hübsch zu kriegen und aufzuarbeiten, was alles an Erwachsenen-Dingen liegen geblieben ist.
Später.
Erst mal Pause.
Muss mich ja nicht auch noch fahrlässig in (weitere) Abgründe stürzen, nur, weil die erste Abschlussarbeit abgegeben ist.
Die geplante Pausenwoche hat sich in eine IchMacheWasAberZuWenig-Mehrwöchigkeit verwandelt, der große Zusammenbruch war noch nicht da. Entweder bereitet er einen besonders fulminanten Auftritt vor, oder er hat sich dafür entschieden, sich lieber etwas weniger intensiv, dafür aber längerfristig und nachhaltiger zu entwickeln (was ich gerade ein bisschen vermute).
Oder er bleibt einfach aus, kann ja passieren, ich ziehe auch das mittlerweile durchaus in Erwägung. Schließlich scheinen Unwahrscheinlichkeiten, die eintreten und das große Trotzdem gerade quasi zum Modus Operandi zu werden - noch eine 1,2, diesmal knallhart Sprachwissenschaft, gute zwei Notenstufen besser als das, was ich da sonst so vollbracht habe. Kann natürlich auch sein, dass das ein dramaturgischer Kunstgriff des Zufalls ist, um es für ein wenig Situationskomik mit einem Versagen in der Abschlussarbeit zu kombinieren.
-------
(Wie es mir geht und wonach sich das Lied anfühlt: Nebeldecke, Zwischenwelten, Zwischenzeiten, irgendwo dahinter ein Irgendwas, vielleicht das große Trotzdem, vielleicht das Gegenteil, vielleicht auch beides)
Die Suche nach passenden Worten.
Camus:
Mitten im tiefsten Winter wurde mir bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.
Hmpf.
Dürrenmatt:
Aber nun schloss ich mich ein, besiegte meine Furcht. Allein. Es war schwer, nun ist es getan. Ein Zurück gibt es nicht.
Hm.
Dirk Bernemann:
Es gibt keine Lösungen, nur Angst und manchmal Mut.
Hm?
Ich
Nee.
Auch nicht.
...habe weder die innere Schönwetterfront des Camus- noch die Angstfreiheit des Dürrenmatt-Zitats.
Muss ich vielleicht auch gar nicht haben.
Schamloses Eigenzitat, weil treffende Feststellung:
"Krisen durchschiffe ich nicht aus Optimismus, Resilienz oder aufgrund besonderer Begabungen,
sondern aus reinem Trotz und Sturheit.
Ich habe mich für Abschluss+Selbstüberwindung+Lebensbewältigung entschieden, das Beibehalten dieser Bewegungsrichtung ist eine logische Selbstverständlichkeit. Träge Masse, Newtonsche Gesetze.
Nach ein paar Tagen wird es zum Experiment, ich sehe es als Fallstudie an; teilnehmende Beobachtung, wenn ich mir selbst über die Schulter gucke beim Kampf gegen gefühlt eine ganze Existenz.
Das tue ich in dieser Zeit oft; Existenzkämpfe ausfechten und mir über die Schulter gucken, gleichzeitig am Ende und außerhalb von allem. Ich sag's ja immer wieder, das menschliche Gehirn ist eine Wunderkammer.
Der Zeitpunkt, an dem ich emotional und psychisch zerstört scheine, ist irgendwann erreicht, weinen ist gar kein Ausdruck für das, was manchmal passiert. Zwischendurch sitze ich auf meinem Bett, dem Boden oder irgendwo anders und schreie fünf Minuten am Stück, nicht bloß ein Urschrei, mehr, anders, es fühlt sich nicht mehr wie etwas Menschliches an. Aber irgendwer hat es stummgeschaltet - die Haltung passt, die Mimik passt, die Stimmbänder tun ihren Job, aber es kommt kein einziger Ton raus.
Nach einer Weile macht das lautlose Abgrundtiefe dem Nebel oder einer regulären Verzweiflungswelle Platz, ich panikattacke so vor mich hin, sterbe ein bis tausend Tode, mein Herz scheint auch mitmachen zu wollen, sich aber unklar darüber zu sein, ob es Rhythmusstörungen, einen Infarkt, plötzlichen Tod oder eine Explosion aufs Parkett legen will.
Dann setze ich mich wieder an den Schreibtisch und mache weiter, ich habe schließlich akademische Großartigkeiten oder zumindest eine ausreichende Abschlussarbeit zu vollbringen.
Wenn das gefühlte Existenzende ein besonders beeindruckendes war, mache ich vorher noch ein paar Notizen, Experimente sollten dokumentiert werden, Forschungsreisen sowieso. Ein ähnliches Prinzip wie das, das Papa Mayhem auf übriggebliebene Schrauben und Muttern und die Orginalverpackungen elektrischer Geräte anwendet: für irgendwas kann man das bestimmt mal brauchen.
Zwischendurch sagt das Hirn, eigentlich wär's einfacher, wenn wir uns umbringen, dann wäre wenigstens Ruhe. Ich bedanke mich beim Hirn für die Information, man soll ja alles erst mal wertfrei annehmen, weise es dann aber darauf hin, dass wir gerade nicht wirklich sterben wollen, sondern lediglich keinen Ausweg sehen und es mir egal ist, ob irgendwas "einfacher" wäre - ob Ghostwriting oder Todesflucht, beides wäre Verantwortungsverweigerung, und sowas machen wir hier nicht. Newtonsches Gesetz, träge Masse in Bewegung, ich habe 2014 beschlossen, dieses Studium aufzunehmen und erfolgreich zu beenden, also mache ich das. Ich lass mich doch nicht von Geldproblemen, altem Trauma, neuer Scheiße, tragikomischer Lebensdramaturgie, so ein bisschen Pandemie oder einem psychischen Totalausfall aufhalten. Wäre ja noch schöner.
Die Abschlussarbeit wird fertig. Nicht, weil ich die Angst überwunden oder einen großen Erleuchtungsmoment gehabt hätte.
Ich habe beschlossen, dass sie fertig wird, also wird sie fertig.
Ich habe beschlossen, dass ich sie abgebe, also mache ich das.
Nachdem die letzten Sätze geschrieben sind, renne ich zum Copy Shop. Einerseits, weil die Zeit drängt, andererseits, weil die Ur-Angst und der damit einhergehende Fluchtreflex da sind. Angst vor Menschen, Angst vor Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit, Angst vor allem, wie ein wildes Tier, das man gefangen und in der Stadt ausgesetzt hat.
Zweimal drucken, zweimal binden, einmal auf CD, einmal Briefumschlag bitte.
Danach laufe ich durch meine große Stadt und während ich mir so dabei zuschaue, erinnere ich mich an das, was Legolas von Menschen und Kriegen erzählt hat. Und an einen Theatermenschen, der nach einem Stück gesagt hat, andere spielen ihre Rolle, Frau Mayhem wird vom Menschen zur Naturgewalt.
Ein paar mal werde ich fast von Rad- oder Autofahrern überrollt, die der Meinung sind, so eine rote Ampel wäre eher ein Vorschlag als eine Anweisung; ich widerstehe dem Impuls, irgendwie zu reagieren oder auch nur einen Schritt langsamer zu laufen. Ich lass mich doch nicht von Arschlochmenschen oder meinem Bedürfnis, ihren Schädel auf den Asphalt zu schlagen, bis nur noch blutiger Glibber übrig ist, aufhalten.
Nach ein paar Abkürzungen über Firmenparkplätze, durch den ein oder anderen Hinterhof und einen Bürobetonklotz (ich lauf doch keinen Umweg, wenn ich da einfach geradlinig vorne rein- und hinten wieder raus marschieren und so mehrere Minuten sparen kann) bin ich noch zur richtigen Uhrzeit am richtigen Gebäude.
Zwei Minuten später ist die Abschlussarbeit abgeben und ihr pünktlicher Eingang bestätigt.
Wieder zuhause ergreife ich prophylaktische Sicherheitsmaßnahmen für den großen Zusammenbruch, der hinter dem Nebel lauert und irgendwann rauskommen wird.
Sicherstellen, dass genug Lebensmittelvorräte für die nächsten Tage da sind, eine schwere Decke bereit legen und schon mal ein paar Filme raussuchen. Was stumpfsinnig-lustiges, falls das doch mal hilft, was verstörend-grausiges, falls ich mich in die Realität zurücktriggern muss. Lars von Trier zur Beruhigung, für die Rückkehr zu emotionaler Ausgeglichenheit und Seelenfrieden.
Wie abgemacht kurzes Telefonat mit der Therapeutin, um meine Verfassung zu evaluieren.
Ganz viele Emotionen, aber alle unter einer dichten Nebeldecke. Zwischenwelten, Überforderung, Traumahirn.
Ich widerstehe der Versuchung, den Nebel für mehr Produktivität ausnutzen oder zwanghaft verjagen zu wollen.
Stattdessen verordne ich mir eine mehrtägige Pause, bis zu eine Woche verschreibe ich mir, beruhige mich aber, dass ich das nicht einhalten muss, wenn ich nicht möchte.
Verschiebe die Jobsuche auf das Ende jener Pausenwoche, das Weiterschreiben an den anderen Master-Angelegenheiten auch. Meine Aufgaben sind jetzt, mich zu entspannen (eine Maßnahme, deren konsequente Umsetzung, bzw. das notwendige Festhalten daran trotz der Zwischenrufe aus dem Kopf, durchaus auch stressig sein kann), Yoga zu machen, schrittweise Zimmer und Wohnung wieder hübsch zu kriegen und aufzuarbeiten, was alles an Erwachsenen-Dingen liegen geblieben ist.
Später.
Erst mal Pause.
Muss mich ja nicht auch noch fahrlässig in (weitere) Abgründe stürzen, nur, weil die erste Abschlussarbeit abgegeben ist.
27. September 20 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Die große Stadt, die meine ist, zieht tagsüber unter meinem Fenster vorbei und schaut mir nachts, wenn ihre Menschen schlafen und sie Atempause hat, bei meinem Ringkampf mit Wahrscheinlichkeiten und menschlichen Belastungsgrenzen zu.
Definitionsteil: Gekürzt, bald abgabereif
Yoga: Ich hab Bizeps!
Hauptteil: monströse Baustelle auf einer zwölfspurigen Autobahn durchs Weltall während der galaktischen Rush Hour
Mediävistik-Hausarbeit: 1,0 samt persönlicher Mail der Dozentin, sie fand mich schon immer cool und wenn ich im Studium bisschen weiter wäre, würd' sie mich glatt als ihre neue Doktorandin adoptieren, wenn sich da mal was tut und sie dann noch nicht in Rente ist, soll ich einfach Bescheid sagen
Einleitung und Schluss: kommt noch
Dissoziationsnebel: wabert
Fertig: Bis heute Abend/Nacht
Wie soll das gehen: Weiß ich nicht, muss ich auch nicht, hab das so beschlossen und das reicht. Perspektive und Hoffnung sind für Anfänger, Profis navigieren auch ohne Kompass durchs Chaos.
Forever uphill atop the remains
Of missed chances, of hope and innocence
The withered bones of those who failed
But more so of those who didn't even try
Definitionsteil: Gekürzt, bald abgabereif
Yoga: Ich hab Bizeps!
Hauptteil: monströse Baustelle auf einer zwölfspurigen Autobahn durchs Weltall während der galaktischen Rush Hour
Mediävistik-Hausarbeit: 1,0 samt persönlicher Mail der Dozentin, sie fand mich schon immer cool und wenn ich im Studium bisschen weiter wäre, würd' sie mich glatt als ihre neue Doktorandin adoptieren, wenn sich da mal was tut und sie dann noch nicht in Rente ist, soll ich einfach Bescheid sagen
Einleitung und Schluss: kommt noch
Dissoziationsnebel: wabert
Fertig: Bis heute Abend/Nacht
Wie soll das gehen: Weiß ich nicht, muss ich auch nicht, hab das so beschlossen und das reicht. Perspektive und Hoffnung sind für Anfänger, Profis navigieren auch ohne Kompass durchs Chaos.
Forever uphill atop the remains
Of missed chances, of hope and innocence
The withered bones of those who failed
But more so of those who didn't even try
Legolas ist in der Gegend und möchte mich sehen.
Das passiert alle Jubeljahre mal; nachdem das Abi geschafft war und er zum Studium aufgebrochen ist, hat er so gut wie alle Brücken gesprengt, von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen. Mich zählt er dazu, weil ich die eine Person war, die Anteil genommen und seine zerbombte Psyche verstanden, ihm dabei aber nicht gesagt hat, dass er viel zu alt ist und doch Handwerker bleiben soll und einfach ein paar Bier mehr trinken, sondern, dass er das verdammte Abi machen, sich selbst ins Gesicht schauen und seinen Arsch zur Therapie schleifen und seinen Scheiß auf die Kette kriegen soll, weil Kopfkrieg ein Grund ist, aber keine Ausrede; ich zwar nicht nur sehe, wer er ist, sondern auch, wer er sein könnte, aber Potenzial alleine aber nichts bringt. Entweder man nutzt es, oder man lässt es (und ist konsequent genug, das zuzugeben und zu akzeptieren). Beides legitim, erstgenanntes wohl anstrengender.
Er ist überzeugt davon, dass ich ihm Leben und Verstand gerettet habe und attestiert mir das Talent, gleichzeitig zutiefst empathisch und gnadenlos zu sein, oder, in seiner pathetischen Art: "Manche Frauen sind gleichzeitig ein Heimathafen, ein Schlachtfeld und der Krieg, der darauf tobt. Du bist zusätzlich noch Kapitän und Feldherr." Manchmal möchte ich seine Sätze einrahmen und an die Wand hängen.
In effizienter Legolas-Manier werden sämtliche notwendige Treffen auf einen Tag gelegt und sich dabei schrittweise in Richtung meiner Stadt vorgearbeitet, weil dort ein großer Bahnhof ist und ein Kumpel, bei dem er übernachten kann. Der letzte Termin ist also ein Treffen mit mir in meiner Stammkneipe, was auch dem Umstand entgegen kommt, dass ich aktuell Betonknochen und Bleiblut habe und es somit ein immenser Kraftakt ist, überhaupt aus dem Bett zu kommen und sich dann noch in einen Menschen zu verwandeln.
Etwa eine Stunde vorher bekomme ich eine SMS (er hat kein Smartphone und keine Flatrate, außerdem sind auf der Strecke diverse Funklöcher,anrufen ist deshalb aus seiner Sicht oft unsinnig) : 'Unterwegs. Aber teilw.alte Band spontan dabei. Ok? Sonst Sorry.'
In Anbetracht der aktiven Szenejugend Legolas' ist das keine sehr aufschlussreiche Information, wenngleich natürlich gewisse Wahrscheinlichkeiten vorhanden sind, also versuche ich, ihn anzurufen, um sicherheitshalber nachzufragen.
Und dann sitze ich mit Legolas, Aquaman und Mr.Gaunt in meiner Stammkneipe.
Also, nicht tatsächlich "in", Innenräume sind ja gerade so ne Sache, aber der Stammkneipenwirt hat kurzerhand das halbe Inventar in seinen Privatgarten getragen (inklusive Instrumente), also sitzen wir eigentlich schon in der Stammkneipe, aber eben ohne in der Stammkneipe zu sitzen.
Die Kneipenkatze lässt sich vom Umzug nicht irritieren und sitzt auf ihrem Barhocker; dem einzigen, der, ohne Bar etwas deplatziert wirkend, rumsteht. "Die hat gemeckert und geschimpft, bis ich ihr den rausgetragen habe", erklärt der Stammkneipenwirt, "Katzen halt".
Legolas und ich, die Katzenmenschen, nicken verständnisvoll, Aquaman und Mr.Gaunt, die Hundemenschen, sind verwirrt,warum könne die Katze denn nicht wo anders sitzen, und warum trägt man ihr extra einen eigenen Barhocker raus?
"Weils ne Katze ist, darum." Hilfreiche Erklärungen kann ich.
Die Runde ist seltsam, aber nicht unangenehm; ich bin faszinierend souverän und stelle fest, dass es sowas wie Persönlichkeitswachstum gibt und ich das wohl gemacht habe.
Anfangs alles etwas seltsam, ist zwar schon einige Jahre her, aber ich bin eben trotzdem die Ex, mein Herz wurde fies gebrochen und dass er fremd gegangen ist und behauptet hat, wir hätten darüber geredet, habe ich ja erst später erfahren und ihn dann auch nie darauf angesprochen. War mir den Aufwand nicht wert, ist es auch heute nicht; habe mit dem Mann abgeschlossen, er ist in der Bedeutungslosigkeit versunken.
Mit der grundlagenlosen Selbstsicherheit, die sie schon früher mir gegenüber hatten, als ich 19 war und aufs Studium zusteuerte, wollen Aquaman und Mr.Gaunt wissen, was ich eigentlich so gemacht habe die letzten Jahre?
" Paar Umzüge und seltsame bis traumatische WGS, paar gute, paar seltsame und paar traumatische Beziehungen, erfolgreiche Psychotherapie, Theater, Rollen-Workshops und Regie, Yoga, paar Praktika und Nebenjobs, aktuell schreibe ich meine Abschlussarbeit, habe die ersten Master-Prüfungen hinter mir und wenn eine von denen, die noch muss, gut genug ist, wird sie zusammen mit einem Projekt des Dozenten publiziert und ich stehe somit namentlich in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Und ihr so?" Außerdem habe ich mich selbst und alles andere überwunden, was sich mir in den Weg wirft, mehrfach, immer wieder, gnadenlos. Ich muss mich nicht beweisen, es reicht, wenn ich was aus der Realität erzähle.
Aquaman ist beeindruckt, er habe mich früher wohl unterschätzt. Er gratuliert mir zu sämtlichen Erfolgen und vor allem zur Therapie, sowas könne sehr viel helfen, er sehe das ja auch bei Legolas. Anfangs habe er das schräg gefunden, aber seine Meinung da geändert.Er selbst habe sich Saufen und Misanthropie abgewöhnt, mit seiner Freundin eine Paartherapie gemacht und sie dann geheiratet (Nachwuchs in Arbeit, erstmal müsse sein inneres Kind heilen) ein Blues-Projekt gestartet und baue gerade ein Haus. Außerdem lernt er Häkeln, das sei gut für die Beweglichkeit beim Gitarrenspiel und seine Freundin-jetzt-Frau habe dauernd so einen handgearbeiteten Totenkopf-Dreiecksschal angehimmelt, also hat er beschlossen, ihr sowas zu machen.
In jeder Farbe, die sie will. Und eine dazu passende Decke. Also wird gehäkelt. Auch vor Auftritten und manchmal danach. "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Und wenn es die Herstellung pastellfarbener Häkelwaren ist."
Mr.Gaunt ist gerade auf Wohnungssuche, weil er die letzte Traumfrau (Umzug nach drei Tagen, kurz darauf Verlobung) auf einmal irgendwie doch nicht mehr so toll fand und Schluss gemacht hat. Halbwertszeit diesmal immerhin eineinhalb Jahre, ansonsten gleicher Verlauf wie bei mir und nach mir: von "du bist alles, was ich gesucht habe" zu Indifferenz und "hm, vielleicht doch lieber nur Bekannte oder Freunde sein".
Außerdem, und das reiht er explizit bei den wichtigen Informationen und Leistungen ein, spielt er nicht nur in drei Bands, sondern er trinkt auch gerne Alkohol und raucht gerne Zigaretten.
-"Sieht man", meine ich schlicht (und vergleiche im Geiste mit dem Halbgott, als der er mal gegolten hat und mir erschienen ist). Er fasst es als Kompliment auf, glaube ich; jedenfalls spricht er wieder vom Rock'n'Roll-Lifestyle, live fast, die young und dem ganzen Kram.
Aquaman lacht, Musik könne er ja immer noch, aber die 28 hat Mr.Gaunt jetzt doch schon eine ganze Weile überschritten. Der ist natürlich vorbereitet und sagt, er ist der nächste Lemmy.
Ich schaue mir den bierbäuchigen, verlebten Kerl neben mir an, mit seinem nach hinten wandernden Haaransatz und dem ungepflegten Bart. Seine Nase und Wangen sind permanent rot, mein schlanker, stolzer ZweiMeterWikinger mit der fast schon greifbaren Aura ist ein etwas weniger grauer und etwas weniger bunt angezogener Santa, den irgendjemand aus der Kanalisation gefischt hat, geworden.
Auch Götter haben eine Halbwertszeit und werden von der Realität zersetzt, egal, ob sie vor ihr wegrennen oder sie gar nicht erst sehen wollen. Erst recht dann.
Ich schaue konzentrierter hin, versuche in seinem Gesicht etwas zu finden, was da früher vielleicht mal war.
"Was schaust du denn, suchst du was?", fragt er mich, es klingt nach Nervosität und Unsicherheit und riecht nach Rum und Aschenbecher, "die Piercings hab ich rausgenommen, ging aufs Zahnfleisch."
Sogar die Augenfarbe wirkt anders, macht vielleicht der umliegende Gelbstich.
-"Ich hab geschaut, ob du anders bist."
Mr.Gaunt spielt entrüstet. "Neee, was soll sich denn an mir verändert haben? Vielleicht hast du dich ja verändert, ich bin jedenfalls immer noch genau der Gleiche."
Das passiert alle Jubeljahre mal; nachdem das Abi geschafft war und er zum Studium aufgebrochen ist, hat er so gut wie alle Brücken gesprengt, von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen. Mich zählt er dazu, weil ich die eine Person war, die Anteil genommen und seine zerbombte Psyche verstanden, ihm dabei aber nicht gesagt hat, dass er viel zu alt ist und doch Handwerker bleiben soll und einfach ein paar Bier mehr trinken, sondern, dass er das verdammte Abi machen, sich selbst ins Gesicht schauen und seinen Arsch zur Therapie schleifen und seinen Scheiß auf die Kette kriegen soll, weil Kopfkrieg ein Grund ist, aber keine Ausrede; ich zwar nicht nur sehe, wer er ist, sondern auch, wer er sein könnte, aber Potenzial alleine aber nichts bringt. Entweder man nutzt es, oder man lässt es (und ist konsequent genug, das zuzugeben und zu akzeptieren). Beides legitim, erstgenanntes wohl anstrengender.
Er ist überzeugt davon, dass ich ihm Leben und Verstand gerettet habe und attestiert mir das Talent, gleichzeitig zutiefst empathisch und gnadenlos zu sein, oder, in seiner pathetischen Art: "Manche Frauen sind gleichzeitig ein Heimathafen, ein Schlachtfeld und der Krieg, der darauf tobt. Du bist zusätzlich noch Kapitän und Feldherr." Manchmal möchte ich seine Sätze einrahmen und an die Wand hängen.
In effizienter Legolas-Manier werden sämtliche notwendige Treffen auf einen Tag gelegt und sich dabei schrittweise in Richtung meiner Stadt vorgearbeitet, weil dort ein großer Bahnhof ist und ein Kumpel, bei dem er übernachten kann. Der letzte Termin ist also ein Treffen mit mir in meiner Stammkneipe, was auch dem Umstand entgegen kommt, dass ich aktuell Betonknochen und Bleiblut habe und es somit ein immenser Kraftakt ist, überhaupt aus dem Bett zu kommen und sich dann noch in einen Menschen zu verwandeln.
Etwa eine Stunde vorher bekomme ich eine SMS (er hat kein Smartphone und keine Flatrate, außerdem sind auf der Strecke diverse Funklöcher,anrufen ist deshalb aus seiner Sicht oft unsinnig) : 'Unterwegs. Aber teilw.alte Band spontan dabei. Ok? Sonst Sorry.'
In Anbetracht der aktiven Szenejugend Legolas' ist das keine sehr aufschlussreiche Information, wenngleich natürlich gewisse Wahrscheinlichkeiten vorhanden sind, also versuche ich, ihn anzurufen, um sicherheitshalber nachzufragen.
Und dann sitze ich mit Legolas, Aquaman und Mr.Gaunt in meiner Stammkneipe.
Also, nicht tatsächlich "in", Innenräume sind ja gerade so ne Sache, aber der Stammkneipenwirt hat kurzerhand das halbe Inventar in seinen Privatgarten getragen (inklusive Instrumente), also sitzen wir eigentlich schon in der Stammkneipe, aber eben ohne in der Stammkneipe zu sitzen.
Die Kneipenkatze lässt sich vom Umzug nicht irritieren und sitzt auf ihrem Barhocker; dem einzigen, der, ohne Bar etwas deplatziert wirkend, rumsteht. "Die hat gemeckert und geschimpft, bis ich ihr den rausgetragen habe", erklärt der Stammkneipenwirt, "Katzen halt".
Legolas und ich, die Katzenmenschen, nicken verständnisvoll, Aquaman und Mr.Gaunt, die Hundemenschen, sind verwirrt,warum könne die Katze denn nicht wo anders sitzen, und warum trägt man ihr extra einen eigenen Barhocker raus?
"Weils ne Katze ist, darum." Hilfreiche Erklärungen kann ich.
Die Runde ist seltsam, aber nicht unangenehm; ich bin faszinierend souverän und stelle fest, dass es sowas wie Persönlichkeitswachstum gibt und ich das wohl gemacht habe.
Anfangs alles etwas seltsam, ist zwar schon einige Jahre her, aber ich bin eben trotzdem die Ex, mein Herz wurde fies gebrochen und dass er fremd gegangen ist und behauptet hat, wir hätten darüber geredet, habe ich ja erst später erfahren und ihn dann auch nie darauf angesprochen. War mir den Aufwand nicht wert, ist es auch heute nicht; habe mit dem Mann abgeschlossen, er ist in der Bedeutungslosigkeit versunken.
Mit der grundlagenlosen Selbstsicherheit, die sie schon früher mir gegenüber hatten, als ich 19 war und aufs Studium zusteuerte, wollen Aquaman und Mr.Gaunt wissen, was ich eigentlich so gemacht habe die letzten Jahre?
" Paar Umzüge und seltsame bis traumatische WGS, paar gute, paar seltsame und paar traumatische Beziehungen, erfolgreiche Psychotherapie, Theater, Rollen-Workshops und Regie, Yoga, paar Praktika und Nebenjobs, aktuell schreibe ich meine Abschlussarbeit, habe die ersten Master-Prüfungen hinter mir und wenn eine von denen, die noch muss, gut genug ist, wird sie zusammen mit einem Projekt des Dozenten publiziert und ich stehe somit namentlich in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung. Und ihr so?" Außerdem habe ich mich selbst und alles andere überwunden, was sich mir in den Weg wirft, mehrfach, immer wieder, gnadenlos. Ich muss mich nicht beweisen, es reicht, wenn ich was aus der Realität erzähle.
Aquaman ist beeindruckt, er habe mich früher wohl unterschätzt. Er gratuliert mir zu sämtlichen Erfolgen und vor allem zur Therapie, sowas könne sehr viel helfen, er sehe das ja auch bei Legolas. Anfangs habe er das schräg gefunden, aber seine Meinung da geändert.Er selbst habe sich Saufen und Misanthropie abgewöhnt, mit seiner Freundin eine Paartherapie gemacht und sie dann geheiratet (Nachwuchs in Arbeit, erstmal müsse sein inneres Kind heilen) ein Blues-Projekt gestartet und baue gerade ein Haus. Außerdem lernt er Häkeln, das sei gut für die Beweglichkeit beim Gitarrenspiel und seine Freundin-jetzt-Frau habe dauernd so einen handgearbeiteten Totenkopf-Dreiecksschal angehimmelt, also hat er beschlossen, ihr sowas zu machen.
In jeder Farbe, die sie will. Und eine dazu passende Decke. Also wird gehäkelt. Auch vor Auftritten und manchmal danach. "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Und wenn es die Herstellung pastellfarbener Häkelwaren ist."
Mr.Gaunt ist gerade auf Wohnungssuche, weil er die letzte Traumfrau (Umzug nach drei Tagen, kurz darauf Verlobung) auf einmal irgendwie doch nicht mehr so toll fand und Schluss gemacht hat. Halbwertszeit diesmal immerhin eineinhalb Jahre, ansonsten gleicher Verlauf wie bei mir und nach mir: von "du bist alles, was ich gesucht habe" zu Indifferenz und "hm, vielleicht doch lieber nur Bekannte oder Freunde sein".
Außerdem, und das reiht er explizit bei den wichtigen Informationen und Leistungen ein, spielt er nicht nur in drei Bands, sondern er trinkt auch gerne Alkohol und raucht gerne Zigaretten.
-"Sieht man", meine ich schlicht (und vergleiche im Geiste mit dem Halbgott, als der er mal gegolten hat und mir erschienen ist). Er fasst es als Kompliment auf, glaube ich; jedenfalls spricht er wieder vom Rock'n'Roll-Lifestyle, live fast, die young und dem ganzen Kram.
Aquaman lacht, Musik könne er ja immer noch, aber die 28 hat Mr.Gaunt jetzt doch schon eine ganze Weile überschritten. Der ist natürlich vorbereitet und sagt, er ist der nächste Lemmy.
Ich schaue mir den bierbäuchigen, verlebten Kerl neben mir an, mit seinem nach hinten wandernden Haaransatz und dem ungepflegten Bart. Seine Nase und Wangen sind permanent rot, mein schlanker, stolzer ZweiMeterWikinger mit der fast schon greifbaren Aura ist ein etwas weniger grauer und etwas weniger bunt angezogener Santa, den irgendjemand aus der Kanalisation gefischt hat, geworden.
Auch Götter haben eine Halbwertszeit und werden von der Realität zersetzt, egal, ob sie vor ihr wegrennen oder sie gar nicht erst sehen wollen. Erst recht dann.
Ich schaue konzentrierter hin, versuche in seinem Gesicht etwas zu finden, was da früher vielleicht mal war.
"Was schaust du denn, suchst du was?", fragt er mich, es klingt nach Nervosität und Unsicherheit und riecht nach Rum und Aschenbecher, "die Piercings hab ich rausgenommen, ging aufs Zahnfleisch."
Sogar die Augenfarbe wirkt anders, macht vielleicht der umliegende Gelbstich.
-"Ich hab geschaut, ob du anders bist."
Mr.Gaunt spielt entrüstet. "Neee, was soll sich denn an mir verändert haben? Vielleicht hast du dich ja verändert, ich bin jedenfalls immer noch genau der Gleiche."
15. September 20 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
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Erblickt denn zum letzten Mal den Tag. Ich habe nichts anderes getan als die Freiheit gewählt,
Ihr aber das Grab.
Wie Ihr gehe ich einen einsamen Pfad.
Er führt steil hinan.
Ihr seht in die Nacht, und ich sehe in die Sonne, ich wende meinen Blick nicht ab.
Wer vermöchte zu schauen, was ich erblicke, und wer vermöchte mir zu folgen?
Ich erfülle, was ich bin.
Ich versenke Himmel und Hölle in mir und verschließe sie in meiner Brust.
Wer leben will, muss das Ungeheure tun, Sterben allein ist kein Verbrechen.
Ich verwerfe den Segen, und ich greife nach dem Fluch.
(...)
So lebe ich.
Ich will nichts erkennen als mich selbst.
Ich will niemanden lieben als mich selbst.
Ich verlasse dieses Land.
Ich trenne mich von meinem Ursprung.
Wie eine steile Flamme schieße ich hinauf in das Grenzenlose. Ich verbrenne, was mich berührt, ich zerstöre, was sich mir entgegensetzt.
Ich frage nicht, wohin mein Fuß mich treibt, ich habe keine Frage mehr.
Ich habe mich der Welle übergeben, die mich trägt.
Gegrüßt sei die Küste, die mich erwartet, der Fels, an den ich geworfen werde, der Strand, der meine Heimat sein wird.
Ihr aber seid ein verwundetes Tier, das allein sterben muss.
So gehe jeder seinen Weg. Ihr in die Nacht und ich in einen unbekannten Tag."
(aus: Dürrenmatt, Friedrich: Der Blinde)
Erblickt denn zum letzten Mal den Tag. Ich habe nichts anderes getan als die Freiheit gewählt,
Ihr aber das Grab.
Wie Ihr gehe ich einen einsamen Pfad.
Er führt steil hinan.
Ihr seht in die Nacht, und ich sehe in die Sonne, ich wende meinen Blick nicht ab.
Wer vermöchte zu schauen, was ich erblicke, und wer vermöchte mir zu folgen?
Ich erfülle, was ich bin.
Ich versenke Himmel und Hölle in mir und verschließe sie in meiner Brust.
Wer leben will, muss das Ungeheure tun, Sterben allein ist kein Verbrechen.
Ich verwerfe den Segen, und ich greife nach dem Fluch.
(...)
So lebe ich.
Ich will nichts erkennen als mich selbst.
Ich will niemanden lieben als mich selbst.
Ich verlasse dieses Land.
Ich trenne mich von meinem Ursprung.
Wie eine steile Flamme schieße ich hinauf in das Grenzenlose. Ich verbrenne, was mich berührt, ich zerstöre, was sich mir entgegensetzt.
Ich frage nicht, wohin mein Fuß mich treibt, ich habe keine Frage mehr.
Ich habe mich der Welle übergeben, die mich trägt.
Gegrüßt sei die Küste, die mich erwartet, der Fels, an den ich geworfen werde, der Strand, der meine Heimat sein wird.
Ihr aber seid ein verwundetes Tier, das allein sterben muss.
So gehe jeder seinen Weg. Ihr in die Nacht und ich in einen unbekannten Tag."
(aus: Dürrenmatt, Friedrich: Der Blinde)