Thema: monolog
Ms Golightly dann doch noch dabei, der Fremde hat sie zum Einsatzort gefahren und mich zur Begrüßung sehr vorsichtig auf die Wange geküsst.
Ein zurückhaltendes Lächeln in seinem besonnenbrillten Gesicht, ein paar Worte, Bereitschaftsleiter betritt die Bühne, der Fremde velässt sie, mayhem ab Richtung Garderobe.
Mit Wohlgefühl.

Dienstkleidung gibt Sicherheit. Ich bin kategorisierbarer damit. DRK, SEG Mayhemsdorf, Sanitäterin. Klare Beschriftung, klare Aussage, klare Aufgabe. Klare Funktion, klares Ich. Alles ganz einfach.
Ein bisschen mit Betrunkenen reden, freundlich zu kleinen Kinden und alten Omas sein.
Stabil, sachlich, neutral. Über der Situation stehen, aber menschlich genug, um trotzdem dabei zu sein.
Mit weisem und vertrauenserweckenden Blick das Schlachtfeld überwachen, gegebenenfalls eingreifen und hier und da Pfläumchen in die Hand gedrückt bekommen, um sie ein wenig später unauffällig weiter zu verschenken.

Dienstkleidung gibt Sicherheit, an Dienstkleidung prallt alles ab. Alles mit Sicherheitsabstand.
Ein bisschen der Vatersfeundin zuhören, ein bisschen mit dem Schreikind spielen, ja, ich weigere mich immer noch, meine Quasi-Nichte auch als solche anzusehen.
Hab schon genug Familienzugewinn durch den einen Mann da, der vielleicht mein Vater ist, und alles, was er sonst so in die Welt gesetzt hat plus die Familie des Rauchers, die mich standhaft aufnehmen will. Die Eltern meckern ein bisschen, weil ich mich nie traue, Hallo zu sagen, die Schwester hat mich sowieso schon ins Herz geschlossen und die Oma bittet mich immer, meinen Dutt aufzumachen, fragt ganz schüchtern, ob sie mein Haar anfassen dürfe und streicht dann andächtig durch. Sogar der Hund mag mich.
Es ist zum Ausderhautfahren.

Dienstkleidung schützt leider nicht vor allem.
Als die Nachbesprechung mit der Feuerwehr vorbei ist und ich von Ms Golightly erfahren habe, dass der Fremde schon länger wieder solo ist, stiefle ich gerade wieder Richtung Auto, um mich meiner viel zu weiten Einsatzuniform zu entledigen (nein, der Kreisverband hat es immer noch nicht für nötig gehalten, der einzigen Frau in der Bereitschaft passende Sachen zu stellen) und mir was ansatzweise Vorteilhaftes anzuziehen, bemerke noch eine verschwommene Bewegung im Augenwinkel und habe kurz darauf die Ghettoschwester am Hals hängen, die mir völlig betrunken ins Ohr schreit, wie lieb sie mich hat und bei der Gelegenheit ihre Flasche Asbach über/in meine Tasche mit der Zivilkleidung schüttet.
Und weil Parasiten immer in Horden auftreten, bin ich kurz darauf umringt von Ghettokindern, dem Grinch, dem braunhaarigen Fangirlie und dem Fremden, der im Bademantel unterwegs ist und aussieht wie ein Zuhälter.
Genug Ware hat er ja im Schlepptau, denke ich mir so, bin ein bisschen eifersüchtig, erleide einen akuten Anfall von Negativgefühl, weil ich mich ja in eine nicht-offene Käfigbeziehung habe drängen lassen und beschließe, mich auf die Suche nach dem Gefängniswärter alias dem Raucher zu machen.
Finde ihn dann auch, im Gegensatz zum Pinguin steht ihm die böse-Biker-Kluft sogar, will das zum Anlass nehmen, mich davon zu überzeugen, mich doch ein bisschen (mehr?) in ihn zu verknallen, werde in meinen Bemühungen aber dadurch, dass Mr.Gaunt im Jack-Sparrow-Kostüm nicht nur gut, sondern schlicht und ergreifend geil aussieht und der Fremde nebenher beständig versucht, mit mir zu reden, doch etwas gestört.
Begrüßungskuss vom Raucher, überraschenderweise ist die einzige Ursache für meine innerliche Abwehrreaktion die Tatsache, dass er nach Bier und Zigarettenrauch stinkt wie eine ganze Kneipe.
Vielleicht wird es ja doch noch.
Stehe so zwischen den Gesprächsgruppen und fühle mich deplatziert, bis die Ghettoschwester mich bittet, sie zur Toilette zu begleiten, weil sie nicht mehr alleine geradeaus laufen kann.
Mache ich, bin ja schließlich ein netter Mensch.

Hätte ich nicht machen sollen, bin schließlich hypersensibel (das sogar offiziell) und potenziell depressiv.
Weibergekicher drinnen, während ich vor der Tür warte, dann die Stimme des braunhaarigen Fangirlies.
Will eigentlich weghören, aber sie klingt so stolz, und dann fällt der Name des Fremden.
Von einer offenen Beziehung ist die Rede, oder, nach kurzem Überlegen, eher Fickbeziehung, man habe sich da so drauf geeinigt, weil sie untervögelt und er Dauersingle war.

Dienstkleidung schützt leider nicht vor Herzschmerz.
Spontanflucht, als sie mit den Einzelheiten auspackt und erzählt, wie doof er sich doch angestellt hätte; ich überlasse die Ghettoschwester ihrem Schicksal und hoffe, dass sie jemand anders wieder zu ihren Freunden zurückträgt.
Eine sehr schnelle Verabschiedung vom Raucher und den ganzen Leuten, die ich nicht mag, Mr. Gaunt ignoriert mich weiterhin eiskalt, ja, es tut weh, die Abschiedsumarmung des Fremden lasse ich ins Leere laufen, werfe meine Tasche und mich auf die Trage hinten im Auto, während der Bereitschaftsleiter zu doof ist, um es anzukriegen und deswegen lautstark mit dem gesprächigen Kollegen ehekracht.

Ein bisschen Heulbedürfnis, ein bisschen Herzschmerz.
Eine SMS von Kriemhild und, dank einem geistigen Kurzschluss, eine Zusage meinerseits.

Somit abends Fasching, Part 2 in der Heimatstadt meiner Mutter.