Aus dem Zimmer des Hippiehäuptlings schallen die Beatles, Mitbewohnerin Nr.4 berieselt uns mit Simon&Garfunkel, bei mir läuft zur Abwechslung mal wieder Frittenbude.
Dank des wieder funktionierenden Rollos verirrt sich sogar ein bisschen Licht in meinen Teil des Luftschlosses, und zur Abwechslung ist das eigentlich ganz nett.

Die baldige Besucherin, das Mädchen aus D., fängt an, mir Angst zu machen; der Tabak hält inzwischen so lange, dass ich fast überlege, das Experiment zu wagen, wieder komplett auf Schachteln umzusteigen.
Der Surfer ist ausgezogen, keiner mehr da, der nachts mit mir draußen sitzt und raucht.
Bald ist er 400km weit weg.
Ich komme fast damit zurecht.
Immerhin ist der neue Mitbewohner, der das Zimmer des Surfers übernimmt, ebenfalls Raucher.

Ein einunddreißigjähriger (und ziemlich schlechter) Jack Sparrow-Verschnitt, der beinahe mehr Kajal um die Augen hat als ich, und auf jeden Fall ordentlicher lackierte Fingernägel, hat im Gruftkeller nicht nur ein, sondern alle Augen auf mich geworfen, glücklicherweise ist er aber so zurückhaltend/sprachlos im Angesicht meiner strahlenden Schönheit, dass ich mir bis jetzt noch nicht überlegen musste, wie ich ihm möglichst schonend beibringe, dass er im Moment der Inbegriff der Unattraktivität für mich ist.
Sein Freund, den er zum Ausloten der Lage vorgeschickt hatte (ich wusste nicht, dass das auch Männer jenseits des 13.Lebensjahres machen), war deutlich ansprechender und ich wieder überraschend selbstsicher unterwegs.
Passiert in letzter Zeit öfter.


Papa Mayhem war zwischenzeitlich richtiggehend sozial, zumindest so lange, bis die Vatersfreundin beschlossen hat, die "endgültige Trennung" rückgängig zu machen und wieder bei ihm einzuziehen.
Schade, ich hätte mich daran gewöhnen können.

Die Frau mit dem Pferdegebiss beklagt sich aufmerksamkeitswirksam im sozialen Netzwerk; auch ohne Namen ist klar, um wen es geht und neben so ein bisschen Schadenfreude bin ich hauptsächlich genervt von seinen Spielchen und damit beschäftigt, meine Glasglocke durch eine Mauer zu verstärken, um keine ernsthaften Gefühle für den Exilsachsen zu entwickeln, bevor nicht sicher ist, ob mir das gut tut.
Funktioniert überraschenderweise, bis jetzt.
Zu gut.
Ich sollte wieder damit anfangen, mir zu vertrauen.


Meine Glasglocke, unter der ich sitze, ist eine seltsame Geschichte. Ich glaube, Mr.Gaunt hat sie da gelassen; ich habe sie behalten, wie die Mützen und den Patronengürtel.
Ich habe sie übernommen, wie seine Selbstsicherheit und die Zigarettenmarke.
Und egal, wie unwirklich es sich anfühlt, oder ob es gut oder schlecht ist, es scheint zu funktionieren.
Sehr surreal, das alles.





c17h19no3, Donnerstag, 18. September 2014, 18:16
ü-30-männer mit kajal um die augen kann ich auch schwer ernstnehmen. noch nicht mal, wenn sie den götterkörper des objekts drunter tragen. ;)


mayhem, Donnerstag, 25. September 2014, 03:56
Bis jetzt hab ich tatsächlich keinen getroffen, bei dem ich das anziehend gefunden hätte.
Selbst ein Bekannter meines Tätowierers, den ich bis jetzt unter normalen Umständen meistens reflexmäßig in irgendeine halbwegs menschenleere Ecke ziehen wollte , hat es letztens mit Kajal, Nagellack und Haarspray geschafft, etwas aus sich zu konstruieren, was in etwa so erotisch war wie das, was meine Katze mir morgens zur Begrüßung vor die Zimmertür kotzt.