Thema: oh happy day.
23. November 14 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
SMS vom Wikinger. Ob ich mit auf ein Konzert möchte?
-Hmnja, kann man schon machen.
Gut, in 15 Minuten holt er mich ab.
Unnötig zu erwähnen, dass ich zu diesem Zeitpunkt gerade in Jogginghose und einem Pullover, den ich vom Kater habe mitgehen lassen, auf meinem Bett gesessen, Buffy geschaut und Nudeln mit Pesto gegessen habe, während in meinem Gesicht eine Ladung Heilerde einen weiteren kläglichen Versuch, die Stress-und-ungesunder-Lebensstil-Unreinheiten aus meiner Haut zu ziehen, unternehmen sollte.
"Gut schauste aus", befindet der Wikinger, als ich tatsächlich pünktlich nach 15 Minuten draußen stehe und von ihm abgeholt werde.
"Hibbelig siehste aus", stelle ich wahrheitsgemäß fest, "und ein bisschen nach Verstoß gegens Betäubungsmittelegsetz".
-"Du merkst aber auch alles."
"Was haben wir uns denn wieder geschmissen?"
-"Zwei Nasen Pep. Kommt so einmal im Monat vor."
Pause, in der ich mir denke, was bin ich froh, dass ich nicht mit ihm zusammen bin.
Das "Konzert" entpuppt sich als eine Vernissage, bei der zusätzlich eine Band spielt, die sich irgendwo zwischen Stoner und Indierock bewegt. Mein Hauptproblem ist allerdings weder der akute Mangel an Konzert, noch meine optische Deplatziertheit, sondern die ganzen Menschen um mich herum.
So sehr, dass ich die ersten zehn Minuten zum Großteil damit verbringe, mich vom heulen abzuhalten.
Die restlichen Besucher sind durchschnittlich zwischen 40-60 Jahre alt, und haben sich alle Mühe gegeben, während dieses kleinen, für sie wohl ziemlich aufregenden Ausbruchs aus ihrem netten, komfortablen obere-Mittelklasse-Leben möglichst auffällig ihr eigentliches, "wahres" Dasein als ach-so-kreative Bohèmes zu demonstrieren.
Eine Besucherin war sogar so rebellisch, ihren breiten, mutmaßlich 200 Euro teuren Schal als Stirnband zu zweckentfremden.
Auf Konzerten waren sie vermutlich alle noch nie, und so werde ich diverse Male unsanft zur Seite und fast auf die herumstehende Kunst geschubst, was von weiteren obere-Mittelklasse-Hippies mit aggressivem "Pass auf, da steht Kunst!"-Gezischel quittiert wird, was mich mich fast schon wieder zum weinen bringt. Fühle mich ungerecht behandelt (was kann ich denn dafür, wenn sich alle an mir vorbeidrängeln wollen, statt es ein paar Meter weiter drüben zu versuchen, und die einzige Ausweichmöglichkeit nunmal in Richtung der seltsamen Holzfigur mit dem überdimensionalen Penis geht?) und überhaupt ganz furchtbar, kann aber leider auch nicht mal schnell eine rauchen gehen, weil ich auf die Sachen des Wikingers aufpassen muss, der zusammen mit ein paar ganz mutigen Mittelklassehippiefrauen ganz vorne steht und irgendwas macht, was er wohl für tanzen hält.
Spätestens, als ich mich gegen eine 50jährige, auf meinen Arsch gepflanzte Hand verteidigen muss und sogar dafür nur böse vom Restpublikum angeschaut werde (Sie ahnen es: Ich bin in Richtung der Kunst zurückgewichen), reiße ich das emotionale Ruder vom Heul- in den Hassmodus rum und gehe dazu über, mit verschränkten Armen und ohne jegliche Regung (oder Blinzeln) die Menschen um mich herum verachtungsvoll anzustarren. Halt das, was man normalerweise auf Black Metal-Konzerten macht.
Funktioniert auch erstaunlich gut; bis auf eine selbsterklärte Edel-Walpurga, die unfähig ist, ihren einen Dreimeterradius benötigenden Rumpelstilzchentanz einfach einen Meter neben mir auszuführen, und mir stattdessen beständig mit hocherhobenen Armen vor den Schultern herumfuchtelt, hält der restliche Faschingsverein endlich Sicherheitsabstand.
Ein paar mitleidig-irritierte Blicke fliegen dann und wann noch in meine Richtung, aber ansonsten kann ich mich tatsächlich abwechselnd auf die Musik, und auf möglichst abwertendes Mustern meiner Mitmenschen konzentrieren.
Dann und wann grinsen der Wikinger und ich uns an, wenn die Althippie-Waldelfe im Echtpelzmantel und mit dem 200Euro-Schal um den Kopf gerade wieder besonders motiviert ihren Fruchtbarkeitstanz aufführt, während die Mutti in der grün-blau-weiß gestreiften Schlaghose wie ein kleiner Wutkobold auf der Stelle hüpft. Zugegebenermaßen sieht das Tanzverhalten meines Begleiters auch nicht besser aus, im Gegensatz zu den Anderen ist es aber nicht auf gesehen werden und zeigen, wie freigeistig und unangepasst man doch ist, ausgelegt, und vermutlich zu großen Teilen angetrieben von "Ich KANN mich jetzt nicht hinsetzen, nicht nach den zwei Nasen", deshalb geht das schon.
Als die Band endlich fertig ist, drücke ich dem Wikinger seine Sachen in die Hand und flüchte zum Rauchen nach draußen, wo die Bohèmes um eine Feuertonne versammelt stehen, sich gerade über ihre kreativen, unangepassten Leben austauschen und mich gedanklich Benzinfass und Feuerzeug auspacken lassen.
Unnötig zu erwähnen, dass sie Feuer-Ettikette genauso wenig drauf haben, wie Drängel-Ettikette und so unter anderem ein Rollstuhlfahrer überhaupt nichts von der Wärme abbekommt, weil zwischen ihm und dem Feuer eine undurchdringliche Wand aus Chapati- und Pelzmänteln steht, die so sehr in tiefgründigste Unterhaltungen vertieft ist, dass sie nichts mehr von der Welt um sich herum mitbekommt, bis eine ungünstig aufgestapelte Holzstange aus dem Feuer fällt und die Chapati- und Pelzfraktion wie aufgeschreckte Hühner fliehen lässt.
"Na also, geht doch." Der Rollstuhlfahrer schiebt sich zufrieden in Richtung Tonne und zündet sich eine Zigarette an.
Das Angebot des Wikingers, noch mit zu einer WG-Party zu gehen, lehne ich aufgrund von innerer Instabilität und der Tatsache, dass Teile seiner WG mich an meine ehemalige erinnern, dankend ab. Man muss sich ja nicht mehr fertig machen, als unbedingt nötig.
Bevor er geht, fragt er, ob es in Ordnung ist, dass er sich jetzt mit einer Anderen trifft.
Aus Sicherheitsgründen höre ich wirklich sehr tief hinein in die Abgründe meines seltsamen Innenlebens, und erstaunlicherweise ist es wirklich in Ordnung.
Erstaunlicherweise habe ich gar nicht das Bedürfnis, in irgendeiner Art und Weise an diesen Menschen gebunden zu sein. Attraktivität und halbwegs interessante Persönlichkeit hin oder her.
Es reicht einfach nicht für "mehr".
Und er tanzt komisch.
Und ich käme mit seinem Lebensstil und seiner WG auf Dauer nicht klar.
Also lasse ich es, und mich nicht weiter darauf ein.
So einfach ist das.
Ich bin ein bisschen stolz auf mich.
-Hmnja, kann man schon machen.
Gut, in 15 Minuten holt er mich ab.
Unnötig zu erwähnen, dass ich zu diesem Zeitpunkt gerade in Jogginghose und einem Pullover, den ich vom Kater habe mitgehen lassen, auf meinem Bett gesessen, Buffy geschaut und Nudeln mit Pesto gegessen habe, während in meinem Gesicht eine Ladung Heilerde einen weiteren kläglichen Versuch, die Stress-und-ungesunder-Lebensstil-Unreinheiten aus meiner Haut zu ziehen, unternehmen sollte.
"Gut schauste aus", befindet der Wikinger, als ich tatsächlich pünktlich nach 15 Minuten draußen stehe und von ihm abgeholt werde.
"Hibbelig siehste aus", stelle ich wahrheitsgemäß fest, "und ein bisschen nach Verstoß gegens Betäubungsmittelegsetz".
-"Du merkst aber auch alles."
"Was haben wir uns denn wieder geschmissen?"
-"Zwei Nasen Pep. Kommt so einmal im Monat vor."
Pause, in der ich mir denke, was bin ich froh, dass ich nicht mit ihm zusammen bin.
Das "Konzert" entpuppt sich als eine Vernissage, bei der zusätzlich eine Band spielt, die sich irgendwo zwischen Stoner und Indierock bewegt. Mein Hauptproblem ist allerdings weder der akute Mangel an Konzert, noch meine optische Deplatziertheit, sondern die ganzen Menschen um mich herum.
So sehr, dass ich die ersten zehn Minuten zum Großteil damit verbringe, mich vom heulen abzuhalten.
Die restlichen Besucher sind durchschnittlich zwischen 40-60 Jahre alt, und haben sich alle Mühe gegeben, während dieses kleinen, für sie wohl ziemlich aufregenden Ausbruchs aus ihrem netten, komfortablen obere-Mittelklasse-Leben möglichst auffällig ihr eigentliches, "wahres" Dasein als ach-so-kreative Bohèmes zu demonstrieren.
Eine Besucherin war sogar so rebellisch, ihren breiten, mutmaßlich 200 Euro teuren Schal als Stirnband zu zweckentfremden.
Auf Konzerten waren sie vermutlich alle noch nie, und so werde ich diverse Male unsanft zur Seite und fast auf die herumstehende Kunst geschubst, was von weiteren obere-Mittelklasse-Hippies mit aggressivem "Pass auf, da steht Kunst!"-Gezischel quittiert wird, was mich mich fast schon wieder zum weinen bringt. Fühle mich ungerecht behandelt (was kann ich denn dafür, wenn sich alle an mir vorbeidrängeln wollen, statt es ein paar Meter weiter drüben zu versuchen, und die einzige Ausweichmöglichkeit nunmal in Richtung der seltsamen Holzfigur mit dem überdimensionalen Penis geht?) und überhaupt ganz furchtbar, kann aber leider auch nicht mal schnell eine rauchen gehen, weil ich auf die Sachen des Wikingers aufpassen muss, der zusammen mit ein paar ganz mutigen Mittelklassehippiefrauen ganz vorne steht und irgendwas macht, was er wohl für tanzen hält.
Spätestens, als ich mich gegen eine 50jährige, auf meinen Arsch gepflanzte Hand verteidigen muss und sogar dafür nur böse vom Restpublikum angeschaut werde (Sie ahnen es: Ich bin in Richtung der Kunst zurückgewichen), reiße ich das emotionale Ruder vom Heul- in den Hassmodus rum und gehe dazu über, mit verschränkten Armen und ohne jegliche Regung (oder Blinzeln) die Menschen um mich herum verachtungsvoll anzustarren. Halt das, was man normalerweise auf Black Metal-Konzerten macht.
Funktioniert auch erstaunlich gut; bis auf eine selbsterklärte Edel-Walpurga, die unfähig ist, ihren einen Dreimeterradius benötigenden Rumpelstilzchentanz einfach einen Meter neben mir auszuführen, und mir stattdessen beständig mit hocherhobenen Armen vor den Schultern herumfuchtelt, hält der restliche Faschingsverein endlich Sicherheitsabstand.
Ein paar mitleidig-irritierte Blicke fliegen dann und wann noch in meine Richtung, aber ansonsten kann ich mich tatsächlich abwechselnd auf die Musik, und auf möglichst abwertendes Mustern meiner Mitmenschen konzentrieren.
Dann und wann grinsen der Wikinger und ich uns an, wenn die Althippie-Waldelfe im Echtpelzmantel und mit dem 200Euro-Schal um den Kopf gerade wieder besonders motiviert ihren Fruchtbarkeitstanz aufführt, während die Mutti in der grün-blau-weiß gestreiften Schlaghose wie ein kleiner Wutkobold auf der Stelle hüpft. Zugegebenermaßen sieht das Tanzverhalten meines Begleiters auch nicht besser aus, im Gegensatz zu den Anderen ist es aber nicht auf gesehen werden und zeigen, wie freigeistig und unangepasst man doch ist, ausgelegt, und vermutlich zu großen Teilen angetrieben von "Ich KANN mich jetzt nicht hinsetzen, nicht nach den zwei Nasen", deshalb geht das schon.
Als die Band endlich fertig ist, drücke ich dem Wikinger seine Sachen in die Hand und flüchte zum Rauchen nach draußen, wo die Bohèmes um eine Feuertonne versammelt stehen, sich gerade über ihre kreativen, unangepassten Leben austauschen und mich gedanklich Benzinfass und Feuerzeug auspacken lassen.
Unnötig zu erwähnen, dass sie Feuer-Ettikette genauso wenig drauf haben, wie Drängel-Ettikette und so unter anderem ein Rollstuhlfahrer überhaupt nichts von der Wärme abbekommt, weil zwischen ihm und dem Feuer eine undurchdringliche Wand aus Chapati- und Pelzmänteln steht, die so sehr in tiefgründigste Unterhaltungen vertieft ist, dass sie nichts mehr von der Welt um sich herum mitbekommt, bis eine ungünstig aufgestapelte Holzstange aus dem Feuer fällt und die Chapati- und Pelzfraktion wie aufgeschreckte Hühner fliehen lässt.
"Na also, geht doch." Der Rollstuhlfahrer schiebt sich zufrieden in Richtung Tonne und zündet sich eine Zigarette an.
Das Angebot des Wikingers, noch mit zu einer WG-Party zu gehen, lehne ich aufgrund von innerer Instabilität und der Tatsache, dass Teile seiner WG mich an meine ehemalige erinnern, dankend ab. Man muss sich ja nicht mehr fertig machen, als unbedingt nötig.
Bevor er geht, fragt er, ob es in Ordnung ist, dass er sich jetzt mit einer Anderen trifft.
Aus Sicherheitsgründen höre ich wirklich sehr tief hinein in die Abgründe meines seltsamen Innenlebens, und erstaunlicherweise ist es wirklich in Ordnung.
Erstaunlicherweise habe ich gar nicht das Bedürfnis, in irgendeiner Art und Weise an diesen Menschen gebunden zu sein. Attraktivität und halbwegs interessante Persönlichkeit hin oder her.
Es reicht einfach nicht für "mehr".
Und er tanzt komisch.
Und ich käme mit seinem Lebensstil und seiner WG auf Dauer nicht klar.
Also lasse ich es, und mich nicht weiter darauf ein.
So einfach ist das.
Ich bin ein bisschen stolz auf mich.