Mittwoch, 28. Dezember 2011
wenn man bei einer größeren Desktopentrümpelungsaktion (die auch dringend nötig war, die Kiste läuft...naja,eigentlich gar nicht mehr) einen Ordner mit der Aufschrift "Texte" findet und nach einem Blick hinein nur knapp den Löschreflex unterdrücken kann, weil es sich beim Inhalt um Pseudosongtexte handelt, die man vor drei, vier Jahren geschrieben hat....

Nach erfolgreicher Unterdrückung des Löschreflex' sah ich mir das ganze mal genauer an und erwischte zielsicher einen Text, der, wer hätte es gedacht, vom ehemaligen Problem handelte.
Und da fluchte mein damals noch relativ kurzhaariges Ich so ganz aggressiv auf ihn, auf sein Geld, auf alle langhaarigen Mädchen dieser Welt, darauf, dass ich nicht sein Typ war (und wohl nicht bin), und am Ende vom Lied, da sagt ihm mein Vordreijahren-ich, Sorry Junge, das mit deinem übergroßen Ego, dir und mir, das wird nix, ich such mir lieber was besseres.
Krasse Sache, wie mein Vordreijahrenich damit umgegangen ist.

Dass es zumindest zeitweise eben doch von der ganzen Sache mitgenommen wurde, erkennt man dann an einem anderen, "Mädchen von Nebenan" heißt der Text, bezeichnenderweise.
Da erzählt mein Vordreijahren-ich davon, dass das "Kumpelsein", was doch so wichtig wäre, genau das Problem an der ganzen Sache sei (Da hat sich ja bis heute nichts geändert), im Kontrast dazu eben die damalige Freundin der alten Sache. Und so geht das Lied dann und regt sich auf über dieses Wesen, und ihn, und darüber, dass sie zwar gar nicht zusammenpassen, aber immernoch besser als er und ich.Hmn.
Fiel wohl auch alles in seine oberflächlichere Phase, soweit ich das lese.
Ich musste bei beiden Liedern den Löschreflex stark unterdrücken, ich schäme mich ja gerne mal für das, was ich so schreibe, ja, jetzt hab ichs ausgesprochen, und in diesen beiden Fällen.. naja.
Habs dann doch nicht gelöscht, no regrets undso, und weiter durchgeguckt.
Waren dann nicht so viele, das meiste habe ich auf Papier geschrieben und irgendwann weggeworfen, ich kann keine guten Lieder schreiben, glaube ich.
Ob ich überhaupt gut schreiben kann ist ja auch so eine Frage, hängt wohl von der Tagesform ab, wie ich antworten würde.

Ich vermisse nur einen Text, den ich jetzt sehr gerne wiedergefunden hätte, und zwar den, den ich geschrieben habe, gleich nachdem ich es damals erfahren habe.
Das war der bis jetzt emotionalste Text, den ich fabriziert habe, selbst aktuelle Krisendokumente aus dem Blog hier kommen da, glaube ich, nicht ganz ran, und ich hätte ihn gerne nochmal gelesen, doch dummerweise war es genau der, den ich eben nicht noch in Word abgetippt, sondern nur auf Papier geschrieben habe, und der spätestens in einer größeren "Ich muss da jetzt aufräumen"-Aktion der Freundin meines Vaters am Anfang, als sie zum zweiten Mal hier war und ich noch keine Tür hatte, verschollen ist.

Ich hätte ihn gerne nochmal gelesen, den Text, der keinen Titel hatte; wie das damals war, weiß ich noch, aber nicht mehr, wie ich es in Worte gefasst habe, und allgemein schien ich damals Gefühle besser in Worte fassen zu können als heute.
Dass ich natürlich heute immernoch an der ganzen Problematik zu kauen habe, konnte ich damals nicht wissen. Überhaupt, "in einem halben Jahr werde ich 18" kam mir damals so seltsam vor, so "bis dahin hab ich mein Leben im Griff"-mäßig. Dann wird alles besser und ich werde erwachsen, und irgendwie hatte das ganze sowas von Endzeitstimmung, damals, vor drei Jahren.

Ein wenig später lief mir auch zum ersten Mal die alte Sache über den Weg, die es erfolgreich schaffte, das Problem zumindest zeitweise zu verdrängen.
Außerdem diverse Versuche, die Sache auf die Reihe zu kriegen; liest man nur den einen Text, könnte man meinen, ich hätte es geschafft, und auch der andere endet eher positiv.. aber da ist ja noch der verschollene Text, der, der die Realität besser beschreibt.

Wenn es ein selbst geschriebenes Lied von mir gibt, für das ich mich mit meiner Gitarre auf die Absteigenbühne stellen würde, wenn open stage ist, und das ich dann singen würde, dann wäre es dieses. Einfach so, vermutlich mit improvisierter Begleitung und improvisierter Melodie, ohne Überarbeitung des Wortlauts, genau so, wie ich es geschrieben habe, damals, 2008, vor drei Jahren.

Und ein paar Ordner weiter, da lauert der abgespeicherte Zeitungsartikel über die Schultheateraufführung von damals, vor drei Jahren, als mir, der Neuen, einfach mal so eine Hauptrolle aufgedrückt wurde und die alte Sache sich um das Licht und alles, was sonst so an Technik anfiel, kümmerte, und gerade vermisse ich das wieder, trotz hirnloser Einspielübungen und doofer Regieanweisungen einer eifersüchtigen Mitschauspielerin, die dachte, ich würde ihr Faust wegnehmen wollen.
Trotz.. allem. (?)

Die alte Sache damals, Abitur und das alles, ich damals, Ende siebte Klasse. Das ehemalige Problem mit Freundin, irgendwie habe ich das während dem Theater komplett ignoriert und es trotzdem geschafft, zu spielen.
Du lässt deine eigentliche Person in der Garderobe hängen, dann gehst du rauf auf die Bühne, wirst von den Scheinwerfern angestrahlt und es geht los.
Ohne zu wissen, dass es 2010 schon länger kein Theater mehr geben wird, und die letzte Aufführung wieder so sein wird wie die erste, von der alten Sache ausgeleuchtet, er fluchend mit der Technik und den Rolläden, die sich immer wieder hochziehen, kämpfend; ich mit der eifersüchtigen Mitschauspielerin, die immernoch grundlos das Gefühl hatte, ich würde ihr Faust wegnehmen wollen; dafür ohne die Lehrerin, die das ganze eigentlich leiten sollte.
Wusste ich damals nicht, ein Ende war absehbar, aber nur bedingt durch Massenabitur fast aller Schauspieler.
Dass es so endet? Undenkbar, vor drei Jahren, als die Welt noch ein besserer anderer Ort war.




Mittwoch, 21. Dezember 2011
"...sondern ich will lediglich ein Leben haben, das mir passt wie eine nicht zwickende Unterhose."

So sitze ich hier, auf dem Veteranensofa, das ich so nenne, weil es das älteste im Oberstufenzimmer ist und zudem aussieht, als hätte es mindestens zwei Weltkriege und drei Revolutionen mitgemacht, wobei, eigentlich sitze ich nicht wirklich, sondern kauere, halb zusammengeklappt, weil das Sofa so eines aus mehreren Kissenteilen ist, die aber nicht mehr miteinander verbunden sind und weil ihm der Unterbau fehlt, weshalb es quasi den Anschein hat, als würde das Sitzmöbel mich auffressen wollen.
Ich sitze nicht alleine hier, da sind auch noch die in den Wänden überwinternden Spinnen, und außerdem habe ich meine aktuelle Lektüre bei mir, natürlich nicht die Schullektüre, wieso sollte ich die auch lesen, sondern eine andere, schönere, und weil sie so schön ist, sitze ich halbaufgefressen zusammengekauert im Sofa und streiche mit meinem winzigkleingewordenen Ikeableistift Textstellen an.
Ich mache das manchmal, Textstellen anstreichen; nicht, wenn ich eigentlich sollte, aber wenn ich freiwillig etwas lese,dann schon. In meinem Faust habe ich auch angestrichen, aber auch hier eher bei schönen als bei wichtigen Textpassagen. So eine Drameninterpretation kann man auch ohne Notizen hinrotzen, wird mit nicht besser, also gehts auch ohne.
Außer den Spinnen, dem Bleistift, dem Buch und mir ist keine weitere Lebensform im Raum, sieht man von der halbverschlossenen Aluminiumitalienerlieferdienstnudelschachtel ab, die auf dem Tisch in der anderen Hälfte des Raumes steht und von der ich jede Sekunde erwarte, dass sie in Richtung Fenster losrennt und sich mit einem piepsigen "Freiheeeeit!" rausstürzt.

Draußen Schneemassen, unendlich viele; mein Zug wird, wieder mal, Verspätung haben und ich, wieder mal, in tiefster Dunkelheit nach Hause stapfen und später die Einfahrt freiräumen müssen. Letzteres zumindest,wenn ich nett bin, mein Vater ist aktuell armverletzt und mein Großvater ist.. mein Großvater.

Beim Lesen musste ich ein bisschen an ihn denken, und ich habe mich gefragt, wieso mache ich so einem Aufstand wegen ihm, als ich gelesen habe, was mein potentieller Lieblingsautor neben Kafka da so schreibt, was sein Protagonist da erzählt übers Vergessen und seltsam werden, nur mit dem Unterschied, dass es da die Mutter ist und auf einem viel dramatischeren Niveau.
Als ich es gelesen habe, musste ich genauso schlucken wie der Protagonist. Ich kannte das ja stellenweise, die Verwirrung, das emotionale, die eingeschissenen Jogginghosen, aber das Nichterkennen, soweit waren wir nie. Soweit kam es nicht, weil sie vorher gestorben ist, und weil es bei ihr keine Geisteskrankheit war , die ihr das Gehirn aufgelöst hat, sondern der Alkohol, und da nichtmal der krasse Mist.
Sicher, es ging schon lange so, meine Mutter hat meinen Vater kennengelernt, da war sie so alt wie ich jetzt, und sogar damals gab es das Problem schon..
Aber die letzten 13 Jahre, als ich dann da war, man muss sich das mal vorstellen, diese Jahre, in denen sie sich endgültig ruiniert hat, da hat sie nur Bier getrunken. Zwischendurch Sekt, mehr nicht.
Dass bald was passiert, habe ich daran erkannt, dass sie zu Wein umgeschwenkt hat.
Sonst nix. Bier und Sekt und zwischendurch Tabletten für eine gesunde Leber, diese verschreibungsfreien, die man kaufen kann so wie Algenkapseln.
Ihre waren mit Mariendistel, die hat sie sich ab einer bestimmten Zeit immer gekauft und die genommen, hat nichts gebracht, ihre Leber war trotzdem doppelt so groß wie eine normale.
Von Bier und ein bisschen Sekt.

Eine dieser gescheiterten Existenzen, was ich so lange nicht wahrgenommen habe..
Sie hat doch immer gesagt, dass das normal ist.
Dass er nicht recht hat, wenn er sagt, sie trinkt, dass das einfach nicht stimmt, fertig.
Und ich dachte dann auch, er hat nicht recht, wenn er sagt, sie trinkt, das stimmt einfach nicht, fertig.
Sie war ja diejenige, die da war, nicht er; und sie fuhr Auto und manchmal holte sie mich ab, und auf seltsame Art und Weise war sie da, für mich.
Gegen Ende immer weniger.
Da war sie da, aber nur physisch und nichtmal das immer, und für mich erst recht nicht.
Und als das Problem mit dem ehemaligen Problem zum ersten Mal extrem wurde, da lag sie schon nur noch im Bett und bewegte sich nur raus, wenn es dringend nötig war und nichtmal dann immer, und meine Arme waren zu der Zeit aufgekratzt und meine Haare schwarz und ich hatte schon aufgehört, mich für sie zu schämen, ich war nur noch am Ende.
Da gibt es kein anderes Gefühl, an das ich mich erinnere, nur dieses Endzeitstimmungsschmerzleerenichtgefühl, und das, was das ehemalige Problem auslöste.
Ich hatte schon längst aufgehört, mich für sie zu schämen, sie ging ja auch nicht mehr unter Leute. Vorher, da hab ich mich geschämt, für ihre "Strähnchen", die sie sich verpasst hatte und die im Endeffekt einen großen, blondierten Fleck auf ihrem Oberkopf darstellten; dafür, dass sie irgendwann in der immergleichen Jogginghose-Sweatshirtkombi unterwegs war, in der sie dann auch gestorben ist; für ihr Verhalten, für all das. Den Eindruck, den sie hinterließ. Dauerhaft war er auf jeden Fall.
Dafür, dass sie mir frühs erzählte, als sie aufs Klo musste, da hat sie die Schlafzimmertüre nicht rechtzeitig gefunden, und unverständig schnaubte, sie wisse garnicht, wo genau mein Vater da jetzt ein Problem sehe, dafür habe ich mich dann nicht mehr geschämt.
Das war der Punkt, an dem ich sogar ein bisschen Angst hatte.
Das, und dass sie nicht mehr gegessen hat, und ich dachte mir, vielleicht ist sie hungeraufgebläht wie die Kinder in Afrika, weil sie trotz rigorosem Fasten nicht dünner wurde, im Gegensatz zu mir hatte sie das nämlich drauf, das Nichtessen, während ich immer wieder in halben Fressattacken endete und das auch heute noch oft genug passiert, auch an und nach Tagen mit wirklich ausgewogener und genug Nahrungsaufnahme.
Dachte, sie sei einfach hungeraufgebläht, das mit der Riesenleber, das konnte ich ja nicht wissen.
Weiß noch, wie seltsam sich das anfühlte, als ich es das erste Mal ausgesprochen habe, dass es der Alkohol war.
"Meine Mutter war Alkoholikerin"; dieser seltsame Satz.
Fühlt sich jetzt noch komisch an, sie sagte doch immer, sie ist keine..
Es hat sich so komisch angehört, als mein Vater es ihrem Bruder gesagt hat, der Alkohol wars.
Und er guckte so geschockt-wissend, der Bruder, weil es ja schon so lange so war. Drei Jahre später habe ich es erfahren,dass es schon länger so war, dass sie auch Fall "schwieriges Elternhaus" ist, wusste ich vorher, auch wenn ihres anders-schwierig war, mit sehr autoritärer Mutter, die ich später zunächst als dicke, konservative, manchmal sturköpfige Frau kannte, die ich nicht mehr ganz so positiv sah, als meine Gefühlsregungen nicht mehr ausschließlich durch gezielte Gabe von Süßigkeiten gesteuert werden konnten, dann nur noch in einem Krankenhausbett liegend und krebskrank, so wie die andere Oma auch, nur lag die ganz spontan in einem Raum mit vielen Schläuchen und war dann so einfach tot.
Und als ich das mit den vielen Schläuchen sah, da musste ich weinen, so richtig filmreif, dieses kurze Schockweinen mit Hand vor den Mund, 12 war ich da und meine Mama noch da, und in einer ruhigen Minute kam sie raus zu mir (der Krankenpflegemensch hatte mir auf einen Stuhl vor der Tür verpflanzt) und sagte, ich solle nicht so ein Theater machen, ich würde die Frau doch genauso wenig mögen wie sie das tue.
Als ihre Mutter das zweite Mal Krebs hatte, war sie schon tot, und ich weiß noch, als mein Vater und ich die Oma besuchen fuhren, sie hatten sie zum Sterben in eine kleine Klinik geschafft, noch kleiner als unsere Schule, und das Gebäude sollte ein paar Monate später abgerissen werden, war genauso dem Tod geweiht wie seine Bewohner. Man geht dort nicht hin, um behandelt zu werden, sondern zum sterben.
Mein Vater stellte es mir frei, mitzugehen, und eigentlich wollte ich, durch unzählige Krankenhausbesuche bei ihr gebeutelt, nicht mit, aber war dann doch da,wir standen um sie herum und sie sah so tot aus und ganz platt, ich weiß noch,dass mir das damals auffiel, wie ein überfahrener Kugelfisch. Wir standen so um sie herum und wussten nicht,was wir sagen sollten; eine seltsame Gesellschaft, sie, ihr sie abgöttisch liebender Sohn mein Pate, mein Vater, den sie immer abgelehnt und für schlecht befunden hatte (wie übrigens die komplette mütterlicherseits-Fraktion meiner Verwandschaft) und ich, die Brut, das,was rauskam, weil meine Mutter es sich herausgenommen hatte, meinen Vater, der doch nichtmal große Liebe war, trotzdem zu heiraten und dann auch noch ein Kind zu bekommen, das sie nicht so wirklich haben wollte, weil Kind zwar einerseits ganz nett ist, aber Karriere ja eigentlich auch, und weil ich dann auch noch die Frechheit besaß, zu früh in diese Chaoswelt zu wollen, musste sie auch noch auf ihre Verbeamtung verzichten.
Als wir meine krebskranke Kugelfischoma wieder verließen, meinte mein Vater, dass es vielleicht das letzte Mal gewesen war,dass ich sie gesehen hatte, damals kam mir das pathetisch vor, aber er hatte recht;
Für meinen Paten war das schlimm, innerhalb eines halben Jahres Schwester weg und Mutter weg, eigene Familie hat er ja nicht, und dann fing ich auch noch an, mich abzukapseln.

ich kapsle mich bis heute ab und weiß nicht wieso; meinem Vater macht das nichts, der mag die andere Verwandschaft da genauso gerne wie sie ihn, aber das schlechte Gewissen belauert mich manchmal, besonders, wenn zum Geburtstag immer irgendwas kommt oder zu anderen Festen,können ja mal Eisessen gehen,wenn du magst. Und ich könnte heulen manchmal, weil ich weiß,dass er traurig ist deswegen, aber melden kann ich mich trotzdem nicht.
Habe schon so lange vor, einen Brief zu schreiben, scheinbar ist schreiben für mich ja die einzige mir noch halbwegs mögliche Kommunikationsform, aber was sollte ich schreiben? Eine rationale Entschuldigung gibt es nicht, und alles andere versteht er nicht.
Verwandschaftsruinen.

Ich fühle mich abgekapselt von sämtlichen Familienbanden, was ist denn übrig? Verlaufen haben sich die spärlichen Reste einer sowieso nie sehr großen Verwandschaft, so viele an Krebs gestorben, die anderen auch, und die Reste melden sich nicht mehr oder ich habe mich weggekapselt, einzig mein Großvater ist noch da, der immer mehr zum Kind wird, seit mein Vater eine Freundin hat, der immer paranoider wird, der vereinsamt, aber meine Nerven so furchtbar strapaziert, dass ich inzwischen schon einen Wegschubsreflex habe, sobald ich ihn bloß sehe, und ich weiß nicht, wohin mit den Aggressionen und ich weiß nicht, ob er merkt, dass man mir anhört, wenn/dass er stört.
Wenn er es merkt, habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn er es nicht merkt.... ich weiß doch auch nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll, er vereinsamt und verkindlicht so vor sich hin obwohl wir da sind, "wir", das sind effektiv mein Vater, seine Freundin und ich, sein anderer Sohn, der kommt nur zwischendurch vorbei, schüttelt ein wenig den Kopf, schubst ihn ein wenig rum und Ende, und wir können ihm nicht wirklich helfen.
Und inzwischen erzählt er schon dem fremden Postboten die Wettervorhersage, seinen Essensplan und wann er was machen möchte.
Und will eigentlich keine Antwort, redet über mich hinweg und mich in Grund und Boden, auch,wenn gerade ich es bin, die mit meinem Vater redet, und nicht er; und erwartet doch,dass man ihm bedingungslose ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt.
Ich hätte nie gedacht, dass es so kommt.


Dass das alles so passiert..
Dass sie stirbt, die Hauptperson meines Lebens im Guten und im Schlechten, dass so viele so einfach sterben, dass die andere Frau da anrückt und keine Anstalten macht, wieder abzuhauen, dass ich so einfach ganz normal mit der Zweckgemeinschaft durch die Stadt laufen und junge Frau darstellen kann, während mein Herz gerade mal wieder von Stacheldraht zerquetscht wird,

Und dass ich mir über das alles nach der Lektüre von ein paar Seiten Vogelstimmen Gedanken machen kann, während mein Fotographielehrer mir sagt, ich solle doch mal in eine Spiegelreflexkamera investieren, falls ich das mit der Fotographie auch außerhalb des Unterrichts mache, weil die Ausstattung aus einem Bild, aus meinen "grundsätzlich nicht schlechten, künstlerischen Fotographien" nochmal extra was rausholen kann, und ich mich antworten höre, "nee, da besteht kein Interesse, das ist mir zu viel Rumgefummel an Einstellungen und es lohnt sich wohl nicht,ich mach auch nicht so viele Bilder", und mich später schlecht fühle wegen dieser Aussage.
Was hätte ich denn sagen sollen, "Ich habe kein Geld dafür und niemanden, der sich mit mir auf die Suche nach einer guten Kamera begibt, weil die einzige Person in meiner Familie, die auch gerne Fotos gemacht hat, die damals, als wir noch in den Urlaub gefahren sind, das letzte mal vor zehn Jahren, immer einen Fotoapparat dabei hatte und geknipst hat, weil diese eine Person seit 2007 weg ist und nicht wiederkommt, mich einfach so alleingelassen hat mit ihm, der nicht verstehen kann und das, was er verstehen könnte, nicht verstehen will, die mich einfach allein gelassen hat, erst alleine mit sich, jetzt alleine mit mir selbst, und ich muss verdammt noch mal alleine klarkommen, weil da einfach niemand mehr ist und oft genug nichtmal meine Katze für mich da ist"?

Habs nicht gesagt,logischerweise.
Ist wohl für alle Beteiligten einfacher, wenn ich eben nur seltsam bin, mehr nicht.
Mutterlos, zwar mit Zu Hause, aber nicht mit "daheim", ohne Spiegelreflexkamera.
Mit Trümmerverwandschaft.
Und vielleicht mit ein paar Seelennarben.






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Zitat aus Vogelstimmen von Dirk Bernemann.




Samstag, 19. November 2011
Wer ich bin?
"Das Teilpolenmädchen", das sehr gerne italienisch kocht (sofern man da von kochen sprechen kann), asiatisch und chinesisch isst, russisch hört, lernt und liest;

in dessen Regal Kafka neben Dostojewski, Valeria Parella, Dirk Bernemann, Marina Lewycka, Poe und dem "Handbuch für den Sanitätsdienst" steht,

das sich am Wochenende die Haare (früher?) mit Henna (ge)färbt (hat), während die Katze mit dem japanischen Namen auf einem Werbeprospekt für ein Jahr in Irland liegt und sich putzt,

das belgischen Touristen auf Französisch und mit viel Gestik erklärt, wo es zum nächsten Mc Donalds geht und dass es bei dem kleinen Laden an der Ecke viel besseres Essen gibt.

Mein Henna ist türkisch, meine Räucherstäbchen sind indisch, mein Haarschmuck amerikanisch, meine Lieblingssprachen slawisch, meine Klamotten schwedisch oder freiwillig secondhand, meine Lieblingsorte Mittelaltermärkte, Friedhöfe, Museen, alte Häuser und alle Lokalitäten, in denen Konzerte stattfinden.

Ich komme aus Deutschland und meine Katze aus einem Karton,
Sie finden mich meistens demonstrierend, diskutierend,musizierend, spazierengehend ;
entweder tanzend oder mitstampfend, öfters mal leidend, manchmal hin- und hergerissen und gelegentlich am Rande der Depression oder des Wahnsinns.

Und das ist auch gut so.




Samstag, 1. Oktober 2011
Vielleicht sind die Momente, in denen er gar nichts sagt, schlimmer als die der Endlosstreite. Vielleicht ist es schlimmer, wenn jeder Versuch, etwas zu erklären, vielleicht sogar, warum ich etwas getan habe oder nicht, sofort durch Wechsel auf Alltagsmodus erstickt wird.
Es ist schlimmer als die ewigen Explosionen der Vatersfreundin.

Wut oder Enttäuschung, etwas anderes scheint er mir nicht entgegenbringen zu können. Nicht mehr?
Sie sagt, sie versteht ihn immer mehr, nur im sich im nächsten Moment bei mir zu beschweren,dass sie ihn nicht versteht.

Wut oder Traurigkeit, manchmal auch die Angst, mehr scheine ich ihm nicht entgegenbringen zu können.
Wut, wenn ich wieder einmal vor die vollendeten Tatsachen des "du arbeitest dann mit" gestellt werde, Wut, wenn wieder irgendwas nicht funktioniert, wenn ich versuche, etwas zu sagen, irgendwas mit Gefühlen oder, schlimmer, was so los ist mit mir und bei mir, und ich wieder unterbrochen werde mit dem Hinweis, dass ich mal wieder Putzhinweis Nr.2 noch nicht ausgeführt habe, wenn er mir wieder erklärt, wie ich angeblich bin und was in meinem Kopf los ist, der Meinung ist, er würde mich besser kennen als ich, weil ich doch keine Ahnung habe, von garnichts, wenn er ihr wieder erklärt, wie ich doch angeblich bin, wenn er garnichts sagt, während sie wieder loslegt, angefeuert von seinen Erklärungen, die er vorher dargelegt hat, und sie mir wieder erklären will, was in seinem und meinem Kopf vorgeht, und genau wie er jedes Mal der Meinung ist, genau zu wissen, was ich denke und fühle.
Oft in diesen Momenten auch Traurigkeit.
Manchmal sogar Traurigkeit, wenn er nicht zu Hause ist.
Dass ich sowas wie Einsamkeit jemals kennen würde..
Oft folgt die Traurigkeit gleich auf die Wut, und sobald er das Haus verlassen hat oder zur Tagesordnung übergegangen und das Thema somit vorzeitig beendet ist, verkrieche ich mich in mein Zimmer und die Gefühle schlagen um.
Ich bin allgemein viel ängstlicher, als man das immer denkt, und in meinem aktuellen Versuch, dazu und zu meinen anderen tausend Schwächen zu stehen, stoße ich ihn noch mehr vor den Kopf als sowieso schon.

Das ist mehr als der übliche Eltern-Kind Konflikt.
Es ist Krieg und Leid und Hass und Leben.
Es macht mehr Probleme als die üblichen Konflikte, mir zumindest, und ich habe mich damit abgefunden, den Kontakt früher oder später völlig abzubrechen, aus Selbstschutz.

Und das tut weh. Oft genug. Nicht ganz so sehr, wenn die Wut vorne liegt, viel mehr, wenn die Traurigkeit die Führung übernommen hat. Aber es ist da.

Der Hass ist da, die Wut ist da, die Traurigkeit ist da, die Angst ist da.
Manchmal sind die die Momente wie damals, als er mich zum Bahnhof gebracht hat, bevor ich 400km in den Urlaub gefahren bin, und ich ihn sekundenlang abschiedsumarmt habe und ich fast geweint hätte und er glaube ich auch.
Viel öfter sind da die Momente, in denen ich das Gefühl habe, dass es nicht mehr geht, weil er mich mehr als nur verletzt. Und er weiß genau, dass er das tut. Und in diesen Momenten scheint er es zu genießen, vermutlich tut er das auch.
Vielleicht ist da danach ein schlechtes Gewissen, weil er weiß, dass er es wieder einmal geschafft hat, etwas zu sagen, was mich wieder ein Stück mehr in Richtung nichtsgehtmehr geschubst hat. Zum tausendsten Mal in den Abgrund.
Die Momente, in denen er nichts sagt. Die, in denen er zu viel vom falschen sagt. All das. Sie.


Und dann ist da noch ein kindliches "Ich hab meinen Papa lieb".
Unausgesprochen sitzt es in der Ecke, aus der es sich schon seit Jahren nicht rausbewegt hat.Vielleicht wartet es auf einen Moment, in dem es erwidert wird, ohne im nächsten Moment schon wieder dem Enttäuschungsschweigen, der erstickten Diskussion, der Strafpredigt oder einer erneuten verletzenden Aussage ins Gesicht blicken zu müssen.




Mittwoch, 31. August 2011
Ich weiß noch, wie schrecklich am Ende ich in den letzten Wochen, bevor sie gestorben ist, war, und ich erinnere mich noch so genau an den Tag, an dem meine Mutter gestorben ist. Seit einigen Tagen ist es vier Jahre her.

Ich war vorher so sehr am Ende, weil es mit ihr immer schlimmer wurde, und einem gerade dreizehn Jahre alt gewordenen Mädchen mit dem bis dahin schlimmsten Liebeskummer ihres Lebens, massiven Problemen mit den lieben Klassenkameraden und eigentlich dem ganzen Leben geht es nicht gerade besser, wenn die Mutter gewalttätig und alkoholabhängig ist, beides Dinge, die sich in ihren letzten zwei Wochen sprungartig gesteigert hatten, mit unschönen Begleiterscheinungen.
Ich war wirklich am Ende. Kam nicht damit klar, dass irgendwie ich auf sie aufpassen sollte und nicht umgedreht, ich weiß noch, wie ich zu ihr sagte "Bist du jetzt stolz darauf, dass du den ganzen Tag nen Apfel und eine Salzstange gegessen hast?" und sie antwortete "Ja", weil sie dauerdiätete dreizehn Jahre lang, aber trotzdem nicht schlanker wurde, weil es ja zum Großteil kein Fett war, sondern eine am Ende auf doppelte Größe angeschwollene Leber, die kurz vor der Zirrhose stand. Kam nicht damit klar, dass da ein Verfallsprozess ablief, rasend schnell, den man in den Jahren vorher nur erahnen konnte, kam nicht damit klar, dass sie so..war, alles andere als normal, seltsam, kam nicht damit klar, dass sie nicht klarkam.
Dabei bin ich 12 Jahre lang damit klar gekommen.
Mit der ganzen Sache, mit ihr, die auf meinen Vater schimpfte und die ich wecken sollte, bevor er heimkam, weil sie praktisch immer im Bett lag, auch, wenn sie ihre Tochter eigentlich mit Magenkrämpfen oder Ohrenpfeifen von der Schule abholen sollte, mit ihm, der nie da war und wenn er es doch war, den Terror in Person verkörperte, mit dem Krieg zwischen ihnen, mit jeder neuen Ankündigung von ihr, wir hauen hier ab, räum dein Zeug zusammen, wir gehen weg von dem und wohnen wo anders, aus der doch nie etwas wurde, obwohl ich jedes mal wieder das Hoffen anfing, auf ein besseres Leben, bis mir klar wurde, dass sie das jedes Mal so sagte, so wie sie alles nur so sagte, Ankündigungen, Strafmaßnahmen, nur im Kinderschlagen, darin war sie gut.
Bin zwölf Jahre klargekommen; mit Gleichaltrigen, die, wenn man ansatzweise etwas erwähnt hat, einem nicht glaubten, sagten, man würde doch lügen.
Mit meinem Vater, der doch genauso überlastet war wie ich, wenn nicht sogar noch mehr, weil er sie noch als die Frau gekannt hat, die er mal geheiratet hat.
Den ich praktisch garnicht kannte, und der dann auf einmal der einzige war, den ich noch hatte, als sie weg war.
Einfach weg, hatte sich mal wieder schlafen gelegt, als ich zu einer Freundin bin; hatte schon die letzten Tage schwächer geklungen und ich ein dumpfes Gefühl, als ich weg bin, und als ich wieder heimkam, lag sie einfach da, einfach so, im Bad, mit gelber Haut, gelben Händen, sogar das aufgedunsene Gesicht war gelb, und mit schmutzigen Füßen vom Barfußlaufen und in der roten Jogginghose und dem roten Pullover, die sie schon drei Wochen ununterbrochen anhatte, auch zum schlafen.
Lag einfach da, mit dem Kopf in der Ecke und der Rest ausgestreckt, auf dem Rücken, und die Katze saß vor, stocksteif, steinern, und sie hatte die Augen nicht ganz zu, daran hab ich erkannt, dass sie es nicht spielt, sie hatte nämlich öfters "tot" gespielt, um mich zu erschrecken, aber diesmal bewegte sie sich nicht, als ich ihr sagte, ich rufe jetzt Papa an, und auch nicht, als ich ihm sagte, die Mama liegt im Bad auf dem Boden und bewegt sich nichtmehr, und er sagte, er kann jetzt nicht heimkommen, ich soll warten.
Sie hat sich die ganze Zeit nicht bewegt, als ich in der Küche auf der Bank saß, die die Freundin meines Vaters jetzt weggeworfen hat und auf der er immer geschlafen hat mittags, und als mein Vater kam wollte er als erstes im Bad saubermachen, und irgendwann hörte ich ihn meinen Großvater rufen und er hat gesagt, Vater, die (...) ist tot. Das war das erste und einzige Mal, dass es jemand ausgesprochen hatte.
Der Reihe nach kamen Notfallpsychologen, einer ihrer Brüder,ein Arzt, der eigentlich frei hatte, und der Mann vom Bestattungsinstitut, dem ich sagte, dass sie verbrannt werden wollte, nicht begraben, weil mein Vater sie hätte begraben lassen und sie immer gesagt hat, wenn sie tot ist, will sie nicht, dass die Würmer an ihr rumkauen,sondern sie will verbrannt werden.
Sie hat auch gesagt,sie will das eine Kirchenlied nicht auf ihrer Beerdigung hören, aber dann haben sie es trotzdem gespielt und ich hatte so Schuldgefühle ihr gegenüber..
Die ganze Beerdigung war genauso seltsam wie die Zeit vorher und nachher, und da waren überall die Leute, die mich vorher maximal verächtlich ansahen und jetzt auf einmal umarmen wollten,obwohl mein Vater gesagt hat, keine Beleidsbekundungen, es liegt eine Kondolenzliste aus.
Ich weiß garnicht mehr, wo mein Vater auf ihrer Beerdigung war, obwohl er wahrscheinlich die ganze Zeit da war.
Und ich konnte mir die ganze Zeit nicht vorstellen, wie es weitergehen sollte. Ging einfach nicht, mein Vater, der Unbekannte, und ich. Da fehlte was. Da fehlte nicht nur meine einzige Bezugsperson die ganzen Jahre, da fehlte ein großes Stück von meiner Welt, auch wenn die größte Hassliebe, die ich je erlebt habe, die zu meiner Mutter war. Liebe, weil sie meine Mutter war und für die Momente, die normal waren oder eben besonders, weil sie nicht normal waren, und Hass, weil ich mich so oft fragte, wie sie eigentlich meine Mutter sein konnte, gerade gegen Ende. Konnte es mir nicht vorstellen und sah zu, machte teilweise selbst mit, wie mein Vater versuchte,sofort zur Normalität überzugehen.
Zwischen kopieren von Sterbeurkunden und dem Beantragen von Originalen, Sterbebildchendrucken (Darin ihr Passfoto, das einzige Bild, das wir von ihr hatten, auf dem sie nicht so..aussah) und den ganzen anderen Sachen mussten wir auch irgendwann in meine Schule, und weil sowieso alles egal war, sagte ich auch gleich, dass ich in eine andere Klasse will, weg von den Arschlöchern.
Am liebsten wäre ich an eine andere Schule, aber das wollte ich meinem Vater nicht auch noch antun, nachdem er mich, für die Schulakten, nach meinem Geburtstag fragen musste, was übrigens auch später noch oft genug passierte (einmal hatte er es auch falsch in den Kalender eingetragen und war ganz überrascht, als ich ihn darauf hinwies), hatte er sich schon genug Schreibarbeit angetan. Und ich wollte das ehemalige Problem nicht..verlassen.
Meinem Vater zuliebe habe ich mir damals auch die schwarze Farbe aus den Haaren bleichen lassen und so einen Versuch gestartet, normaler zu sein; der Versuch scheiterte nach ich glaube einem dreiviertel Jahr kläglich, aber es war ein Entgegenkommen meinerseits.
Wir wussten doch nicht, was wir machen sollten.
Ketten Sie mal zwei völlig Fremde, die noch dazu total unterschiedliche Menschen sind, aneinander und sagen Sie denen, sie sollen jetzt Familie sein.
Dass es definitiv zum Scheitern verurteilt ist, ahnte ich damals und weiß ich jetzt.
Jetzt empfinde ich auch etwas beim Gedanken an sie; die Anfangszeit über hatte ich das nicht, erinnerte mich zwischenzeitlich an das, was sie mir erzählt hatte, als ihr Vater gestorben war:"Bei manchen dauert es 5 oder sogar 10 Jahre, bis das hochkommt". Ich dachte damals einfach..ach, ich weiß nicht, was ich dachte. Im Nachhinein war das eine Zeit, in der ich garnichts fühlte und dachte, das einzige, was in mein Hirn drang, war der Seelenschmerz,als das ehemalige Problem eine Freundin hatte, und ein kleines bisschen Begeisterung, als sie ihn,leicht traumatisiert, weil er von ihr mehrfach betrogen worden und eigentlich sehr sensibel war, wieder zurückließ.
In der Anfangszeit fragte mich mein Musiklehrer sogar, ob es für mich ok wäre, wenn wir "out of the dark" von Falco im Unterricht anhören und besprechen, ich sagte ja, merkte kurz darauf, dass es vermutlich keine so gute Idee war, riss mich aber zusammen, auch, als er extra nochmal betonte, dass ja, oh Überraschung, in der Klasse jemand sitzt, der erst vor kurzem jemand wichtigen verloren hat.
Erst drei Jahre später machte mich ein Mädchen, mit dem ich schrieb, darauf aufmerksam, dass ihr über mich erzählt worden sei, ich wäre ja "völlig psycho", weil mich niemand hat weinen sehen wegen meiner Mutter.
Da war ich dann sauer. Und ich dachte mir, verdammte Arschlöcher. Verdammte, beschissene, dreckige kleine Arschlöcher. Ja, ich habe auch Gefühle, nein, ich zeige sie nicht so regelmäßig nach außen,und ich werde einen Dreck tun und in der Schule wegen ihr weinen,am Besten vorher angekündigt, damit es auch ja alle sehen, nur, damit es wieder ein Gesprächsthema gibt und die sensationslustigen Geier etwas zu Sehen bekommen.

Habe es in etwa so weitergegeben, das Mädchen war überrascht.

Mit der Zeit kamen dann auch meine Gefühle wieder,natürlich als erstes die Seelenschmerzen, häuften sich wieder die Probleme, lösten sich auf, aber die schlimmsten blieben noch eine Weile,doch selbst die verabschiedeten sich dann.

Das Sechsjahresproblem/ehemalige Problem macht dieses Jahr sein Abitur. Und danach bin ich dran.
Ich bin nicht (mehr) beim Theater, wie sie, sondern bei den Sanitätern, wie er.
Meine, angeblich von ihr geerbte, Sprachbegabung hat sich verabschiedet.
Ich sehe auch nicht mehr so aus wie sie, und schulisch bin ich weiter gekommen, als sie, beziehungsweise als alle aus meiner Familie, es je waren.

Seit ein paar Tagen ist es vier Jahre her, an ihrem Todestag war ich nicht zu Hause, sondern im Urlaub und es war definitiv besser so. Hat sich genauso unwirklich angefühlt wie damals, aber besser, als mir am Todestag meiner Mutter die Freundin meines Vaters antun zu müssen, war weg sein und es garnicht erwähnen definitiv.

Sie hat nie mitbekommen, wie ich zum Theater und dann wieder ausgetreten bin; den Klassenwechsel nicht, den durch Zweigwahl notwendig gemachten danach auch nicht mehr. Keines der Piercings hat sie mitbekommen und auch nicht das Tattoo; nicht die langen Haare, nicht die "Beziehung", keine Theateraufführung, nicht den Beitritt zu den Schulsanitätern, keinen Wettbewerb. Keinen der Haarfarbwechsel, nicht, als das Internet in unserem Haus Einzug hielt, nicht den Tod ihrer Mutter ein halbes Jahr, nachdem sie selbst gestorben war. Nicht den Musikschulwechsel, nicht,als ich mit dem Keyboardspielen aufhörte und mit dem Gitarrespielen anfing. Nicht die alte Sache, oder die Besuche der Absteige.
Was davon überhaupt möglich gewesen wäre, bleibt die Frage.Vieles sicher nicht. Was überhaupt passiert wäre, weiß ich nicht.
Meine Tasche hing fertig gepackt an einem Stuhl, um jederzeit abhauen zu können, weg von ihr, wohin auch immer, in den letzten Wochen, als ich nicht mehr konnte. Als mein Herz kaputt war und der Rest von mir auch, meine Arme aufgekratzt und mein Haar so dunkel wie der ganze Rest.

Ob ich jetzt hier wäre,an diesem Punkt, wenn sie noch hier wäre, weiß ich nicht.
Vermutlich verarbeite ich es.
Die seltsamen Situationen, wenn jemand fragt, ob meine Eltern geschieden sind, und dann die Antwort bekommt, werden weiterhin seltsam bleiben. Weiß ja keiner so recht, was er dann sagen soll. Ich doch auch nicht, erst recht nicht, wenn ein "das tut mir Leid" kommt.
Der Heulreflex bei dem einen Kirchenlied wird mich wohl noch begleiten.
Ansonsten war ich vorher, kurz vorher und wohl auch danach zu kaputt, um völliger Durchschnitt zu sein.
Aber es geht weiter.
We carry on.




Donnerstag, 25. August 2011
Und als nächstes dann In Extremo oder Arch Enemy, Hammerfall, Blind Guardian und Konsorten.
Schreibt die Frau, die bei Frittenbude stundenlang durchgetanzt und mitgesungen hat,
in deren Kleiderschrank ein Blümchenkleid hängt und 30Loch-Stahlkappenstiefel stehen,
deren Unterarminnenseite volltätowiert ist und deren 12mm-Ohrlöcher Tunnel mit Glitzersteinchen zieren,
deren Frittenbudeshirt neben der Slipknotjacke hängt,
und die sowohl Westerngitarre und Plüschtier im Zimmer als auch alle Rammsteinalben in der Musiksammlung hat.
Unter der Woche mit Dutt/Flechtzopf, Ballerinas, Stickjacke, fast ungeschminkt und mit dezenten Steckern in den Piercings, am Wochenende mit offener Haarmatte, schwarz umrandeten Augen, Ringen statt Steckern, schwarzer Strumpfhose und mit Hut auf dem Kopf.

Living Contrasts, oder so.




Mittwoch, 10. August 2011
Eventuell ist die alte Sache gar nicht so toll, wie ich das dachte.
Eventuell hab ich auch garnichts falsch gemacht und bin nicht schuld daran, dass wir uns so auseinandergelebt haben.
Vielleicht ist er ja gar nicht so besonders, so einzigartig,so..mir ähnlich.
Obwohl, das letzte ist irgendwie Tatsache, oder....ich empfand es doch immer so...

Tatsache ist, dass die Feindin mich in einem erstaunlich ausführlichen Gespräch ein Stück auf den anscheinenden Boden der Tatsachen gebracht hat, und Tatsache ist, dass ich mit meinen Problemen mit ihm gewissermaßen nicht alleine bin, wenngleich sie für mich aufgrund der Tatsache, dass ich..für ihn Gefühle habe,etwas bedrückender sind.
Aber alles nacheinander.


Der Feindin ging es gestern anscheinend nicht so gut, und weil ich die starke Schulter für alles und jeden bin und wir ja irgendwie ein bisschen angefreundet sind, habe ich ihr zugehört, oder eher gesagt, gelesen.
Zugelesen. Ein Neologismus.
Im Verlauf unseres Gespräches beschrieb sie genau das, was in den letzten Wochen, den letzten Monaten mein Problem ist:
Am Anfang habe sie sehr viel mit der alten Sache geschrieben, jetzt garnicht mehr, eine Art "auseinanderleben". Ich erzählte ihr, wie es bei mir gelaufen war, davon, dass er mir so viel erzählt hatte, so viel geschrieben hatte, dass er mir gesagt hatte, das er selten mit jemandem so tiefgehende Gespräche geführt hat.. und sie antwortete, ja, genau das habe er ihr auch mitgeteilt.
Ihr auch erzählt, von seiner Exfreundin, von damals. Von seinen Depressionen.
In dem Moment war ich ein kleines bisschen verletzt.
Erinnerte mich daran, wie ich mir dachte, dass es für ihn bestimmt schwer sei, das zu erzählen. Mitgefühlt habe, versprochen habe, niemandem davon zu erzählen.
Umgehauen war von soviel Vertrauen, als er zu mir meinte:"Du bist die erste Person, der ich das erzähle".
An: "Ich hab selten mit jemand so tiefgehende Gespräche geführt wie mit dir..und das mein ich ernst".
Dieses Wiedererkennen in ihm. Im irgendwie immer die starke Schulter sein.Im einsam sein unter Menschen. In der Menschenunverträglichkeit. In der Depression. In simplen Dingen wie dem grünen Tee und den Spaziergängen.
Und wieder "du bist die erste Person, der ich das erzähle."
Die Feindin war wohl auch ein bisschen baff, als sie genau das selbe zu hören bekam.
Wurde, so wie ich, am Anfang fast ausschließlich beachtet und fällt jetzt schon fast vom Stuhl vor Freude, wenn er sich überhaupt mal meldet.
Fragt sich, so wie ich, ob sie etwas falsch gemacht hat.
Und kommt sich, so wie ich, bei Unternehmungen immer nur "geduldet" vor.
Hat mir gegenüber vermutet, dass sie nur noch dann gefragt wird, wenn sonst zu viele abgesagt haben.
Dass ich mal gefragt werde,kommt seltener vor als gute Laune bei meinem Vater.
Hat auch vermutet, dass das, was die alte Sache uns erzählt hat, zunächst jeder zu hören bekommt, und sich dann darüber aufgeregt, dass er online so ungesprächig ist, wo er doch am Anfang so viel mit ihr geredet hatte,jetzt käme oftmals nicht einmal ein Hallo und die kurzen Antworten bestünden oft genug aus einem schlichten, verfickten, nichtssagenden,unbeantwortbaren "^^".
Da hab ich mich wiedererkannt und war ein bisschen verletzt.
Nicht, weil ich mich "besonders" gefühlt hatte, vielleicht ein bisschen,weil ich ihn eben geistig doch auf ein Podest gestellt hatte, auch wenn ich es nicht denke(n will?).
War ein bisschen verletzt, weil ich das Gefühl hatte, dass "es" etwas besonderes war. Die Freundschaft.
Haben uns doch so oft ohne Worte verstanden...
Und ich hab es für bare Münze genommen, das "Du bist die erste Person, der ich das erzähle". Es hat Vertrauen hergestellt, zwischen uns, unsere Gespräche haben Vertrauen hergestellt.
Ich habe angefangen, ihm zu vertrauen, richtig, so sehr, dass ich, als er sagte, ich hör dir zu, wenn du jemanden brauchst, und wenns Stunden dauert,und wenn du weinen musst, dann bau ich dich wieder auf, dass ich es ihm da fast erzählt hätte,alles. Alles, was an meinen Füßen hängt und mich runterzieht wie Betonklötze.
Dass ich ihm erklärt hätte,woher die vielen Narben kommen, die einem gezwungenermaßen auffallen, wenn man meine Seele sieht.
Weil ich dachte, er würde es tun, in seltenen Momenten. Dachte, dass er es könnte.

Wir haben lange geredet, die Feindin und ich, und sie zeichnete ein ganz anderes Bild von der alten Sache, als das, das ich habe, aber es sah so real aus irgendwie, dass ich im Begriff bin, es ein Stück weit zu übernehmen.
Ich habe nicht vor, alles aufzuschreiben, würde nirgends hinführen.
Aber ich frage mich mal wieder, ob ich naiv bin, dumm, das Leid der Welt auf meinen Schultern tragen soll oder ob es das Schicksal einfach nicht gut mit mir meint.
Vielleicht bin ich ja doch blind.
Vielleicht ist die ganze Menschenkenntnis, das, was bei mir doch angeblich so aberwitzig gut ausgeprägt ist, vielleicht waren das ja immer Zufälle.

Als wir uns auf einem Konzert gegenüberstanden, das letzte Mal, bevor er eine Freundin hatte, sah er so verloren aus. Ich habe mich vor ihn gestellt, auf Zehenspitzen, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte, in diese wunderbaren, fast immer lächelnden, unendlich tiefen, freundlichen Augen, und habe gefragt, was los ist. Er hat mich angesehen, direkt in meine Augen gesehen, in die grüngraublauen, die angeblich immer so verloren schauen, hat mich lange angesehen, und eine Sekunde dachte ich, er hätte es gemerkt, ich hätte es nicht tief genug in mir versteckt.
"Hm." Er zog die Mundwinkel nach oben, das, was bei mir ein trauriges "esgehtmirnichtgutundnichtsistok" in Verbindung mit einem ausgeprochenen " Ist schon ok/passt schon" ist, dann sah er mich wieder an, mit leicht schräg gelegtem Kopf, und sagte:"Irgendwie kannst du in mir lesen wie in einem Buch, oder?" In einem freuhdlichen Ton, der ehrlich überrascht-beeindruckt klang. Hat sich angefühlt wie ein Dolchstich,ich hatte in diesem Moment schon mitbekommen, welchen Stellenwert seine jetzige Freundin bei ihm erreicht hat.
Ich beeilte mich, abzuwinken und halblaut zu murmeln: "Naja, ich hab teilweise n recht gutes Gespür für Menschen".
-"Kann auch sein".

Was hätte ich denn sagen sollen.. "Ich habe das Gefühl, dass das, was da zwischen uns ist,etwas sehr, sehr besonderes, schon einzigartiges ist, dass deine Seele die ist, die bei meiner keine Abwehrreaktion und auch nicht den Selbstverätzungsprozess auslöst, ich liebe dich, was ganz und gar nicht gesund für mich ist, weil ich weiß, dass du mich nicht liebst, dass du mich nicht siehst, nicht auf diese Weise, und weil lieben allgemein nicht mehr gesund für mich ist, weil es mein armes Herz jedes mal ein Stückchen mehr strapaziert und das Ding doch nur weiter kaputtgeht, je mehr "Liebe" von meiner Seite aus da ist" ?
Ich glaube, das wäre mehr gewesen, als er hätte verarbeiten können, und dabei wäre damit noch nicht einmal alles gesagt gewesen, weil ich doch so viel nicht in Worte fassen kann.




Samstag, 30. Juli 2011
Manchmal bring ich mich buchstäblich selbst um, zum Beispiel, wenn ich ihn treffe.
Ich wollte ihn heute treffen, er hat mich gefragt. Hatte ein wenig Hoffnung, ja, und ein wenig Endzeitgefühl. Wusste ja tief in meinem Inneren, dass ich keine Chancen habe.



Gestern wurde die alte Sache gesichtet, händchenhaltend mit einem Mädchen. Nein, es war nicht ich.
Unnötig zu beschreiben, wie ich mich fühle.

Und heute muss ich ihn treffen. Weil ich es versprochen habe und weil er sich freut. Weil wir gute Freunde sind.
Ein Ende zeichnet sich ab. War da, die ganze Zeit, hat jetzt die Bühne betreten.
When it all comes to an end..


Sehen Sie also demnächst in diesem Theater: Nichtsmehr. Ich kann keine Vorschau geben, weil ich selbst nicht mehr weiterweiß. Was soll ich denn jetzt noch mit mir machen, was soll ich denn überhaupt noch machen.
Sehen sie also eventuell, wie ich mich weiter zersetze und dann verschwinde, oder sehen Sie vielleicht sogar gar nichts mehr, ich weiß es ehrlich nicht.
Ich weiß, dass da gerade wieder was kaputt gegangen ist, etwas, das definitiv nicht mehr zu reparieren ist, mal wieder.

Wenigstens ist er glücklich.. wenigstens ist einer von uns glücklich, das ist doch was. Und sie, sie ist bestimmt auch glücklich. Klar, sie hat den tollsten Mann der Welt an ihrer Seite, bestimmt ist sie glücklich. Wäre ich ja auch. Ich wäre die glücklichste Frau auf der Welt an ihrer Stelle.
Aber ich bin nicht an ihrer Stelle. Und weil ich nicht intrigieren werde, es auch nicht könnte, und mich nicht dazwischendrängen könnte,selbst, wenn ich es wollte, werde ich es auch nicht so schnell sein.






Ich sollte lernen, mich von Liebe fernzuhalten. Das ehemalige Problem, jetzt die alte Sache..tu mir selbst so furchtbar weh damit. Diesmal hab ich es gewusst, von Anfang an gewusst, was auf mich zukommt, und konnte es trotzdem nicht verhindern. Konnte nicht verhindern, dass ich anfange, ihn zu lieben und konnte nicht verhindern, dass es so weitergeht.
Vielleicht endet es ja auch so; wer weiß.
Vielleicht endet ja sogar unsere Freundschaft so; er zieht ja weg und ich halte es weder in seiner Gegenwart weiter aus noch ohne.

Vielleicht endet ja sogar der Blog hier, weil ich nicht mehr weiterschreiben kann, oder er wird wieder täglich zugemüllt, weil ich mir alles von der Seele schreiben will, wobei ich bezweifle, dass das klappen wird.

Offensichtlich habe ich eine Begabung, Ereignisse und Menschen anzuziehen, die mir bewusst oder unbewusst Schmerzen zufügen.
Ich hätte bitte gerne eine Begabung oder das Talent, mich möglichst effektiv selbst auszulöschen. Mich mit Gedanken zu ertränken, Gefühlen zu verätzen, irgendsowas.
Meine Kunstlehrerin hat gesagt, die genialsten Künstler sind immer verrückt oder verzweifelt. Hm.




Samstag, 23. Juli 2011
" Vielleicht ist es ja garnicht so schlimm,am Anfang vom Ende zu sein..."
Ich weiß, dass ich mich wiederhole, wiederhole mich, immer wieder das selbe, weil es sonst nichts gibt; es steht so da, in Stein gemeißelt, und mauert mich ein, und somit bleibt für anderes einfach kein Platz in meiner Wahrnehmung.
Ich kämpfe auch nicht mehr dagegen.
Na gut, manchmal schon, ein leichtes Aufbäumen und protestieren, aber nicht,um es loszuwerden, sondern einfach, weil es doch eigentlich gar nicht sein kann, dass sowas..schlimmes passiert und es unfair ist, dass ich Schlimmes irgendwie magnetisch anzuziehen scheine.
Jetzt, wo ich es schreibe, mit Thoughts Paint The Sky als Hintergrundmusik und Sonne, die durchs Zimmerfenster scheint, habe ich nicht einmal das Bedürfnis nach besagtem Protest.
Der übliche Schmerz wegen ihm, die Gewissheit, dass ich entgegen meiner Prinzipien heute abend doch weggehen werde wegen ihm, Geld ausgeben, Eintritt, dann früher werde gehen müssen, die Gewissheit, dass ich, weil sie auch da ist, wieder vor mich hinleiden werde, der Gedanke, dass ich wieder einmal im besten Fall die vorletzte Geige spiele.
Nebenher absoluter Kontrollverlust und circa neunzig, nein, mehr, Prozent meiner Tage, auch derer, die gut anfangen, enden in einer Zahlenkatastrophe und am nächsten morgen auf der Waage kommt das schlechte Gewissen und ein "Heute bin ich besser", nur, um dann wieder zu versagen. Das alte Lied.
" Man kann ja einfach neu beginnen, und nen Eimer schwarze Farbe mitnehmen.."
Manchmal laufe ich ganz gerne weg, auch beginne ich, das System des Totschweigens, das bei uns zu Hause herrscht, ein bisschen anzunehmen; aber was ihn betrifft: Nein.
Kein "Nur der eine Versuch, dann" mehr, kein aufgeben, kein wegrennen.
Egal, was passiert, egal, was ich mir damit noch antue und egal, wie es sich entwickelt, diesmal lasse ich nicht los.
Weil ich es nicht kann und manchmal denke ich, auch, weil ich es nicht will.
Auch kein "was soll schon noch groß in mir kaputtgehen?", gemessen am Schmerz war jedes Mal noch sehr viel mehr da, was kaputt gehen kann und kaputt gegangen ist, als ich dachte.
Ich übe mich in Akzeptanz und versuche, den Verdrängungsreflex zu verdrängen.
Vielleicht weiter passiv kämpfen.
Passiv deswegen, weil ich Angst habe.Gewissheit, so, wie es aktuell aussieht, zurückgewiesen zu werden, denn er sieht mich nicht, zwar nicht garnicht, aber er sieht mich nicht.. so.
Kumpelsein ist besser als nichts, aber ausnahmsweise mal nicht alles, was ich will.
Ja, ich gestehe es mir ein, zufrieden?

" I've got nowhere to hide, so I'll stay right by your side"
Diesmal lasse ich nicht los. Bis zum Ende.
Egal, welche Endlosschleifen sich daraus entwickeln, was ich mir damit antue, welche Sinnlosigkeiten mein Hirn ausbrütet und egal, wie sehr es wehtut.
" as I'm falling into the deep."


Als ich es das letzte mal gepostet habe, ging es auch um ihn. Da hat es angefangen, der Abend, als sie auf den Plan trat.
Und sieh dir an, wo ich jetzt bin.




Samstag, 18. Juni 2011
Ich bin eigentlich nur teilfreiwillig Schulsanitäterin geworden, wollte jemandem einen Gefallen tun. Hab mich inzwischen daran gewöhnt und genau einen Einsatz gehabt bis jetzt, da durfte ich das Blut vom Knie wischen.
Fortbilden lassen hab ich mich auch nicht mit einer richtigen Intention, habe wohl wieder nicht schnell genug "Nein" gesagt und mich dann darauf berufen, dass ich es jetzt noch vom Roten Kreuz finanziert bekomme, es mich später aber nicht gerade wenig Geld kosten würde.
Ich hab bestanden, SAN A+B, falls das jemandem was sagt. Keine große Sache, Praxis zu einfach und in der Theorie war ich nur halb vorbereitet, scheine es aber trotzdem geschafft zu haben.

Ich hab gesagt, ich bin Schulsani, ist ok, zieh ich durch; aber niemals werde ich "richtig" was machen.Und vor allem werde ich niemals einen "richtigen" Bereitschaftsdienst machen und werde niemals, niemals, niemals Rettungsdienst fahren. Weil ich es nicht kann. Nicht auf die Reihe bekomme, erst recht nicht psychisch. Mir das nicht zutraue vom Wissen her, aber vor allem, weil ichs einfach nicht gebacken kriegen würde.
Will keinen Rettungsdienst fahren, alles, nur nicht Rettungsdienst, keine weinenden Leute, keine Dramen, keine Toten, vor allem keine Toten und keine abgetrennten Körperteile, keine Verrückten und keine Sterbenden, ich krieg das nicht hin, wenn jemand einfach vor mir liegt und tot ist, oder wenn mir jemand einfach so wegstirbt. Keine Drogenleichen und keine, die kurz davor sind, keine Familentragödien, keine eingeklemmten Unfallopfer, die du beruhigen sollst, während du genau weißt, dass es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sie...ruhig sind.
Niemals Rettungsdienst oder ähnliches. Schulsanitäterin mit etwas besserer Ausbildung reicht voll und ganz.

Dann habe ich mich auf einmal für eine Absicherung bei einem Sporturnier gemeldet, das heißt, ich würde da rumsitzen und wenn was passiert, wäre ich eine von denen, die helfen.
Ist ok, hab ich gedacht, krieg ich grade noch auf die Reihe; ein paar, die umkippen, paar Sonnenbrände, Schürfwunden, eventuell ein paar Hitzschläge. Vorhersehbares, nichts, was mich zu sehr aus der Routine bringen könnte. Das Risiko, mit etwas ....anderem konfrontiert zu werden eher gering. Alles super.
Absage bekommen für die Absicherung, gedacht,ok, dann wann anders. Vorsichtig fürs Nächste angemeldet, Absicherung bei einem Sponsorlauf. Auch ok, alles super, krieg ich hin. Risiko eher gering. Keine weinenden Mütter, die die Hand ihres Sohnes, der sich ins Koma gesoffen hat, immernoch umklammert halten. Keine toten Kinder und keine Eltern, denen man den Tod ihrer Kinder beibringen muss. Keine Kinder, denen man den Tod ihrer Eltern beibringen muss.
Alles super, alles ok. Hab mir gesagt, ich krieg das hin. Sicher, mich etwas von meinem Grundsatz, nichts "richtiges" zu machen, entfernt, aber geht noch. Kein Alarm, der einen aus dem Halbschlaf reißt. Keine Dramen. Nichts, was ich eventuell nicht verarbeiten könnte. Keine Sonderfahrten zur Psychatrie mit Leuten, die einen mindestens genauso verstören, wie sie es selbst sind.
Hab ja nichtmal die Ausrüstung für was "richtiges", hab gar keine. Bald ein "Schulsanitätsdienst"-Shirt, das wars auch. Beim Bereitschaftsdienst auf einer Rettungswache musst du dich bei jedem Einsatz erneut in deine Dienstkleidung werfen, und die ist auf der Wache und immer nur in Männergröße L aufwärts da, für die Schuhe gilt das selbe. Hab Springer, 20Loch, Stahlkappen, verschraubte Sohle. Zählen aber nicht. Eigentlich muss man auch sämtlichen Schmuck und alle Piercings rausmachen, und Frauen mit langen Haaren, die diese gerne sicher wissen und behalten würden, haben je nach Patient mitunter auch öfters mal Probleme.

Als er mich und meine Fahrgemeinschaft abgeholt hat, hat mein Vater mir nicht nur gesagt, dass ich morgen ab 7 Uhr arbeiten muss, wieder mal 12-kg-Kisten schleppen bis zum Umfallen und noch länger, sondern auch, dass ich nächstes Wochenende sein dritter Mann bin, also mit ihm und seinem regulär eingeteilten Kollegen Dienst habe. Ab dann regelmäßig, immer wenn er auch Dienst hat.

Mein Vater hat nächstes Wochenende Bereitschaft.
Er fährt im Rettungsdienst.

Ich bin gerade mal geistig und gefühlsmäßig außer Betrieb. Nein, nicht vor Freude.