Samstag, 30. Juni 2012
Golfballgroße Hagelkörner, Sturmwind, Ufowolken, Weltuntergangsstimmung, durchweichte Schuhe.
Warten im Einlasszelt, eingekesselt von anderen Menschen, die mit ihrem Zigarettenrauch auch das letzte bisschen Luft verpesten.
Raus in den Hagel, zum Rotkreuzmädchen, das kurzerhand unter einem Tisch Zuflucht gesucht hat.
Mayhem, du bist verrückt.
- Ich kann dich doch nicht alleine deinem Schicksal überlassen.
Sitzen unter unserem Tisch und schauen zu der Band,die die hartgesottenen 3 Fans, die vor der Bühne standen,kurzerhand raufgeholt hat, damit sie nicht von Hagelkörnern erschlagen werden.

Hagel wird zu Regen, Regen wird zu Sturmflut.
Sturmflut hört auf.
Doch noch keine Apokalypse.Vielleicht wärmt sich das Wetter schon auf.
Ich möchte bitte, dass das nächste Riesenhagelkorn die Vatersfreundin erwischt.
Danach kann ich von einer Erdspalte gefressen werden, wenn es denn sein muss, wobei mir überleben mit anderen natürlich lieber wäre, aber erst soll sie vom Riesenhagelkorn getroffen werden,und zwar so, dass sie ruhig ist. Oder endlich anfängt, ihren Verstand zu benutzen.

Die übliche Truppe einsammeln, alle übers Gelände verstreut wie die Eisbrocken, irgendwann findet uns die Feindin, von der ich am Anfang zu Gunsten des Rotkreuzmädchens weggelaufen bin, wieder, und auch Kriemhild taucht noch auf.
Keine Killerblicke von Hasischatzi mehr, nachdem ich erwähne, dass ich zur Zeit an jemandem interessiert bin,und auf einmal können wir fast reden.
Es fehlen nur noch die alte Sache und Faust.
Und meine Selbstzweifel.

Irgendwo zwischen Untermtischsitzen und rumlaufen und dabei über die Bekloppten lachen, die bei dem Wetter in Minikleidchen und Absatzschühchen anrücken sind sie verloren gegangen, spurlos und ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen, wann sie zurückkommen werden.
Das Handy des Rotkreuzmädchens klingelt,sie telefoniert, legt auf, enschuldigt sich, muss gehen.
"Mein Freund hat angerufen, der will auch herkommen, ich geh mal zum Eingang,damit er mich findet."
-"Neuer Freund, seit wann das denn?"
"Vorgestern, netterweise ists der Bruder meiner Ex. Aber was solls. " Sie lacht."Bis dann". Schade.
Bis dann trifft die nächsten zwei Stunden nicht mehr ein, dafür Ms Golightly alias das Trampeltierchen.

Irgendwo zwischen acht Verletzten innerhalb von zehn Minuten, Sonnenstich betreuen, Umknickknöchel stabilisieren, Rettungswagen einweisen und den ersten offenen Bruch meines Lebens beruhigen war da während dem Dienst auf dem Sportfest auf einmal Bekanntes, ihr Erzähltes, ihre Gedanken.
Sounds like me. Damals, vor 2, 3 Jahren, und vielleicht fühlt sie sich deswegen so verstanden und erzählt so viel. Mich stört das nicht,also habe ich sie eingeladen, heute auch mitzukommen, egal, wie seltsam die anderen gucken.

Stehen im Zelt und warten auf weniger Regen und bessere Zeiten. Ms Golightly trägt einen schreiend pinken Mantel zu einer knallgrünen Hose und ebenfalls leuchtend grünen Leomustergummistiefeln, ihr Lidstrich macht meinem Konkurrenz und vermutlich ist sie die Einzige, die das alles zusammen mit rotem Nagellack tragen kann und dabei gut aussieht.
Man tuschelt, da steht schließlich die große Rothaarige, die vorhin die ganze Zeit mit der Blondine unter einen Tisch gedrängt geredet und gelacht hat, ganz in schwarz und mit langem, offenen Haar, neben der kleinen, dicken Braunhaarigen mit so viel Beehive, wie eben mit knapp Schulterlänge möglich ist und dem Knallbonbonoutfit, und irgendwie sieht das nach Freundschaft aus.

Vielleicht wird es ja Freundschaft, denke ich und beobachte aus dem Augenwinkel Ms. Golightly, die wiederum begeistert die gerade spielende Band beobachtet, die dermaßen mit Herz und Seele dabei ist,dass es scheint, als würde sie gleich die Bühne auseinanderlegen. Schon öfter gesehen, schon immer gefeiert. Ich wünsche ihnen einen Plattenvertrag und Erfolg und mir ein neues Album.
Vor der Bühne taucht die Konkurrenz mit Nerdbrille auf,im Schlepptau andere Indiehipstervintagetrendkinder und den Schlagzeuger, und versucht tatsächlich, ihre Armwindmühle-anfersen-Kombination auf Punkrock zu tanzen.
Ms Golightly zeigt sich ebenso erschüttert wie ich, drückt dies aber sehr kurz und prägnant aus: "Wer hat der Tussi denn ins Hirn geschissen?"
Ich erkläre ihr, dass die coolen Leute jetzt alle so tanzen, und wir kommen zu dem Schluss, dass wir gerne uncool sind.
Erzähle ihr von dem Festival, das ich im August besuche, den Bands, die spielen, und ihre Augen leuchten und sie sagt, sie würde so gerne mit.
Sie würde da so wahnsinnig gerne hin, sie bräuchte nur eine Aufsicht, aber da wisse sie schon jemanden. So gerne würde sie dorthin, ob das denn ein Problem wäre?
Dann wieder Gewitterwolken in ihrem runden Gesicht. Ihre Mutter würde das nie erlauben.Überhaupt, ihre Mutter..
Ich kann mich mal erkundigen, sage ich. Und dass wir die Sache mit ihrer Mutter dann schon irgendwie hinkriegen würden,zumindest in diesem Punkt. Den Rest kann man wohl nur aussitzen..
Und sie freut sich so sehr, dass ich sie verstehe.
Ach Trampeltierchen, ich kenne das doch alles selbst, das Anschreien und aussperren und schlagen und schreien.
-Trotzdem.
Dabei weiß sie garnicht, was alles war..

Draußen inzwischen nur noch Nieselregen und Matsch, ich hätte auf Ms.Golightly hören und meine Stiefel anziehen sollen. Aber wer ahnt schon, dass aus 35 Grad so schnell Golfballhagelkornbeschuss und dann Sinflutregen werden?

Der Bonze hat es auch nicht geahnt. Lacosteschuhe an den Füßen, Echtlederjacke, senfgelber Trendschal. Der Versuch, seine Pseudokreativität durch unkonventionelle längere Haare im Pferdeschwanz und den Ansatz eines Schnurrbarts auszudrücken, auf seinem Kopf eine schiefe Baskenmütze.
Damals, als er noch kreativ war und ich ihn ansprechend fand, trug er normale Sachen, lange Haare und fand mich abstoßend.
"Ach Mayhem, das ist ja schön, dich hier zu treffen!"
Anscheinend hat er seine Meinung zwischenzeitlich geändert.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und lasse mich zu einem neutralen "Hallo, Bonze" hinreißen. Meine Selbstzweifel habe ich heute daheim gelassen, du kannst mir garnichts.
-"Ja, ähm, also, und wie findest du es hier?"
Ist da etwa jemand verunsichert, weil ich mir bei seinem Auftauchen nicht sofort die Kleider vom Leib reiße und "Nimm mich!" schreie?
"Ganz nett".
Man sieht die Zahnräder hinter seiner Stirn arbeiten und seine Verunsicherung wachsen.
-"Hm ja, so ein Festival ist manchmal ganz nett.. aber ich weiß nicht, die Vogelscheuche auf der Bühne schreit auch immer das gleiche. Singen kannste das nicht nennen, eher Ohrenvergewaltigung".
"Stimmt doch garnicht!" Eine entrüstete Ms. Golightly mischt sich ins Gespräch ein, "Du und dein kotzgelber Schal und die Rotzbremse, ihr seid vielleicht Sinnesvergewaltigung. Mayhem, wollen wir dann mal vor zur Bühne?"
Ich bemühe mich nur halb, ein Lachen zurück zu halten.
"Jaja,mit dir diskutiere ich jetzt nicht. Mayhem, wollen wir mal rüber ins Barzelt?"
-"Nee du, lass mal. Wer erst über mich lästert, weil er nicht damit klarkommt, dass ich seinem Ego Paroli bieten kann und dann,sobald ich eine normale Haarfarbe habe, auf einmal ankommt,hat generell eher schlechte Chancen." Hui, das klang sogar selbstbewusst. Nein, es war selbstbewusst. Ich glaube, mein Selbstwertgefühl hat zu mir zurückgefunden.
"Ach komm, die alte Geschichte.." Er versucht, seinen Arm um meine Taille zu legen.
"Nein danke, ehrlich gesagt ist mir die Gesellschaft Ms.Golightlys lieber."
-"Jetzt behaupte nicht, dass du mit dem Fettkloß befreundet bist."
Bonze, das war dein Todesurteil.
Boshaftigkeiten sammeln sich in meinem Hirn und wollen gehört werden, aber neben mir hört man ein leises Schniefen.
Ich lege der fast zwei Köpfe kleineren Ms Golightly kameradschaftlich einen Arm um die Schultern und schiebe sie leicht Richtung Ausgang. Sie mag es nicht, wenn andere Leute sie weinen sehen.
"Jetzt bin ich total verheult",jammert sie zwischen zwei Schluchzern, "Und überhaupt tut mir das voll Leid, dass ich dich jetzt vollflenne, aber es ist immer so, jedes Mal kommt irgendein Idiot und kann nicht die Klappe halten.Ich weiß selbst, dass ich zu dick bin.."
-"Gib da nix drauf, Ms. Golightly. Ich weiß, dass das manchmal schwierig ist, aber du hast mir selbst gesagt, dass man die Leute einfach ignorieren muss, wenn sie doof gucken oder doof sind, weil sie schlicht nichts besseres zu tun haben. Und den Bonzen kannste eh knicken, vor lauter Geld hat der schon vergessen, was Menschlichkeit ist."
"Ja, so wirds wohl sein." Sie schnäuzt sich geräuschvoll in ein pinkes Hello Kitty-Taschentuch. "Du hast schon Recht, mayhem. Aber wegen dem Arsch ist jetzt meine ganze Schminke verschmiert, dann reden die nicht nur, weil ich fett bin, sondern auch, weil ich total verheult bin."
-"Du wolltest vor zur Bühne,oder?"
"Ja, aber es regnet und da ist die Riesenpfütze.. also,mir macht das nichts, hab Gummistiefel an, aber dir..und am Rand steht immernoch die Nerdbrille und spielt Windmühle.."
-"Scheiß auf nasse Füße, wir feiern uns jetzt".

Als die Band ihr letztes Lied gespielt hat, sind wir bis auf die Knochen durchnässt, waden- bzw. in ihrem Fall mehr als kniehoch eingeschlammt, Ms. Golightly hat die aufgewirbelten Wasser- und Dreckmassen gezielt in Richtung Nerdbrille gelenkt und diese sich quietschend und meckernd und mit ruinierten Schühchen und ebenfalls angeschlammter Strumpfhose auf die Arme des Schlagzeugers gerettet.
Einer der Mutigen, die sich nach uns ebenfalls vor getraut haben, spricht Ms. Golightly an und fragt sie schließlich nach ihrer Nummer, ernstgemeint und ohne lustigmachen, dafür mit viel Nervosität, während der Bonze am Rand steht und mich fassungslos anstarrt, mit seinen Lacosteschuhen kann er ja schlecht näher ran kommen,die würden mit dem Schlamm wohl nicht klarkommen (für meine Turnschuhe mit löchriger Sohle ist das selbstverständlich alles kein Problem).

Siehst du, Bonze, ich bin immernoch so scheiße wie früher. Kein Grund, es jetzt zu versuchen, nur, weil ich inzwischen ansatzweise schwiegermuttertauglich aussehe.

Ich habe mich gefunden, endlich, und ich beabsichtige nicht, mich so schnell wieder zu verlieren.



Hey World, you'll break me
Step it up, give me your best shot
Hey World, you'll never break me
Try your hardest, try your hardest






Freitag, 29. Juni 2012
Thema: gefunden.
"
Es hat erstaunlich lange gedauert, aus deutscher Perspektive gut zwanzig Jahre über den Daumen, bis es sogar für diese scheinbar durch nichts zu erschütternde Szene wirklich einmal zu viel geworden ist. „Geboren um zu leben“ – es ist die unkaputtbare Peinlichkeits-Hymne der letzten Jahre, als Wunschsong der Angehörigen hat er es sogar bis zur Trauerfeier für die Opfer der Techno-Veranstaltung Love Parade geschafft. Derzeit geistert „Der Graf“ durch die Eigenwerbung von Sat.1 und darf zu Champions-League-Zeiten auch mal einen schelmischen Kopfball hinlegen. (...)

Unheilig sind die Scooter der Gothic-Szene, sie waren schon vor dem ganz großen Erfolg eine gern gehasste Lachnummer für alle, die sich mit einem Hauch kritischem Selbstverständnis in oder an den Rändern der Szene bewegten.
"

Quelle: www.freitag.de/autoren/joerg-augsburg/die-schwarzen-messen-sind-gelesen




Montag, 25. Juni 2012
Es ist vorbei.
Das Problem ist vorbei, zumindest in seiner jetzigen Form.



Heute waren sie fertig, ganz offiziell, mit Nachprüfungen und wohl auch mit den Nerven, und sie haben das als Anlass genommen, ganze Klassenzimmer mit Zeitungspapier zu fluten, Tische im Schulhaus zu verteilen, die Treppen zu verbarrikadieren und schließlich, zum Großteil völlig betrunken, auf dem Anhänger eines Traktors auf dem Pausenhof vorzufahren und sich zu feiern.
Das Szenario glich dem vom Abiturientenfasching, rennende Fünftklässler, ganz cool genervt guckende Neuntklässler, ich eher semi-motiviert.

Und da haben sie geschrien und gesungen und getanzt und mit Sachen geworfen, obwohl es ausdrücklich hieß, kein Abistreich mehr an unserer Schule, und vermutlich war das die erste und einzige glorreiche Tat, die einige aus diesem Jahrgang vollbracht haben; nicht, weil so ein Abistreich lustig wäre, bei uns ist es sowieso immer das Gleiche, lediglich das Niveau sinkt immer weiter, während der Alkoholpegel steigt, sondern weil Rebellion ja bekanntlich im Kleinen anfängt, auch, wenn es nur um,beziehungsweise gegen die Schulleitung geht.

Fürs Süßigkeitenwerfen und Colaverteilen hatte dieses Jahr wohl das Geld nicht gereicht, so fiel auch die obligatorische Schlägerei um das Zeug und die Gebäckstangen, die verteilt wurden, eher gering aus, allgemein war nicht so viel Action, bis ich zum Sekretariat gerufen wurde. Einsatz.
Im Nebenzimmer ein zitterndes Häufchen Elend, dabei Murphy, der ihn bereits in Schocklage gebracht hat und treu und tapfer seine Beine hochhält. Da sieht man, welcher Jahrgangsstufe noch ein richtiger Erste-Hilfe-Kurs aufgebrummt worden ist.
"Was los?" Nach einem Hochgeschwindigkeitssprint vom anderen Ende des Geländes hierher gibt es auch Sanis, die garnicht mehr sprechen können vor lauter Atemlosigkeit, da bin ich noch ganz gut dabei.
-"Mirs schlecht". Außerdem zitterst du ohne Ende und siehst aus, als würdest du mir gleich umkippen. Bitte tu das nicht, ja?
"Kennst du die Nixe?", frage ich einen zweiten Mitdabeisteher. Das Funkgerät würde sie jetzt sowieso nicht hören.
-"Ich kenn die. Soll ich sie holen?" Murphy überreicht dem Mitdabeisteher die Beine des Elends und rennt los, Nixesuchen.
Sie kommt dann auch und hinter ihr her der Schulleiter, der mich fragt,ob ich etwa ernsthaft erwäge, den Rettungsdienst zu rufen.
Als er zehn Minuten später nochmal vorbeischaut und man draußen vertrautes Sirenenheulen hört, sehe ich die Frage als beantwortet an.

Ein paar pseudowichtige Worte des Kommentators, der, obwohl nicht im Dienst, natürlich hatte schauen müssen,was da passiert (allerdings erst aufgetaucht war, als das Elend schon abtransportiert wurde), einen Ausraster der Mitsanitäterin und zwei schlechte Unterhaltungsspiele der Abiturienten später stehe ich mit der Nixe im Eingang der Pausenhalle, immernoch zitternd; vermutlich fast so schlimm wie das Elend selbst.
"Hast du gut gemacht, Nixe."
-"Ich hab doch nur gemacht,was du gesagt hast."
"Trotzdem. Oder deswegen."
Vermutlich habe ich die einzige fähige Schulsanitäterin in unserer neuen Gruppe ausfindig gemacht.

Und da stehen sie und versuchen, Action zu bieten, zu unterhalten, sich nebenher an Lehrern für jahrelange Quälerei zu rächen und auf uns, die Nächsten, zu schimpfen.
Sie versuchen es so gut, wie sie eben können, wo doch beinahe die Hälfte im Oberstufenzimmer sitzt, entweder aufgrund erreichter 2,8 Promille-Grenze oder wegen zu viel Coolness, und immerhin ist es nicht ganz so ein Trauerspiel wie an Fasching, ein paar Fünftklässler sind sogar fast so etwas wie begeistert.

Ein Trupp Alkoholleichen hat sich aufgerafft und schlurft Richtung Pausenhalle; der Erste, der ankommt, marschiert mitten in ein Spiel rein auf den verdutzten Deutschkursleiter zu, legt ihm einen Arm um die Schultern und schießt mit seiner Handykamera ein Erinnerungsfoto, bevor er aus einem Blumenkübel eine Flasche Sekt angelt und mit ihr nach draußen verschwindet.
"Das...war jetzt eher weniger geplant",lacht die Moderationsabiturientin unsicher und versucht, im Programm weiter zu machen.
Im Zweifelsfall einfach weitermachen, kennt man schließlich schon von Fasching..

Und auf einmal steht das Problem vor mir.
Aus dem Nichts aufgetaucht, eindeutig ohne Wahrung des Höflichkeitsabstands, steht vor mir und starrt mich an, nichtmal seelenlos-betrunken, sondern vermutlich nur betrunken, starrt mich in Grund und Boden und die Welt um mich herum bleibt stehen.
Damals hat er auch manchmal gestarrt, am Anfang, kurz, nachdem wir uns über den Weg gelaufen sind.
Damals..
Damals ist früher.
Damals hat es nicht bis in die Gegenwart geschafft.
Damals ist vorbei.

Die Welt um mich herum läuft weiter und er davon,letzter Tanz, in der zweiten Reihe und sogar ohne größere Patzer, sie tanzen Richtung Ausgang.
Nein wir bleiben nicht stehen..
Da tanzt er sich Richtung Ausgang, das Problem.
Mehr als ein halbes Jahrzehnt unglückliche Liebe und alles, was dazugehört, tanzt da Richtung Ausgang, einfach so und sogar mit den richtigen Schritten, jeder zieht ihn ein Stück weiter aus meinem Herz, aber das Ding kann mal wieder nicht loslassen und die Gedanken rasen.
Da hinten geht der richtige Zeitpunkt
Da drüben fährt unsere letzte Chance
Da vorne fällt die größte Lüge
Dort oben sitzt er auf seiner Wolke und lacht


Eine letzte Drehung der Abiturienten,eine letzte Erinnerung in meinem Gehirn, sein Lächeln, damals, vor sechs Jahren, als es so aussah, als würde alles ganz anders werden und niemals so, wie es jetzt ist, dann fällt die Tür zu und ich bleibe stehen,in der wie leergefegt wirkenden Aula, in der Fünftklässler Luftballons nachjagen und nur ein paar zertretene Laugenstangen und eine zerplatzte Sektflasche daran erinnern, dass sie heute gefeiert haben,
dass es vorbei ist.




Donnerstag, 21. Juni 2012
Ich hoffe.
Vermutlich ist das ein Fehler.
Vielleicht ist es sogar der Fehler, der dafür sorgt, dass die ganze Lebenssache generell oft in Richtung "unschön" driftet, der es mindestens kompliziert und meistens schmerzhaft werden lässt.

Ich glaube.
Nicht wirklich an Gott, aber bisweilen an das Schicksal und außerdem daran, dass alles gut wird.
Vermutlich ist das einer der Gründe dafür, dass es wehtut.
Vielleicht täte es weniger weh, wenn ich es lassen würde.
Ich lasse es aber nicht, und zweifle vielleicht manchmal daran, dass ich ein kleines Glück, das mir begegnet, verdient habe, aber nie daran, dass alles gut wird.
Muss ja schließlich.

Ich fühle.
Fast alles im Voraus, häufig Verborgenes,gerne mit einer Wucht, die bisweilen Angst macht und prinzipiell wohl zu viel.
Und ich habe nicht vor, das zu bekämpfen.
Auch, wenn ich manchmal gerne würde.
Geht sowieso nur eingeschränkt, und macht auf Dauer unglücklich.
Also versuche ich, damit klarzukommen.

Klarkommen, das ist generell so eine Sache.
Ich komme nicht klar.
Auf Dauer erst Recht nicht, aber allgemein wird Klarheit sowieso überbewertet.
Ich bin Chaos, wie mein Zimmer, wenn die böse Klausurenphase ihren Höhepunkt erreicht hat und langsam ausklingt.
Ich bin Kontrast, Gegensätze prallen gegen- und tanzen miteinander, alles in mir, alles viel zu sehr und gleichzeitig viel zu wenig, und alles gleichzeitig.

Eigentlich zu viel, was sich in meinem Gehirn sammelt wie meine Notizen auf dem Schreibtisch, neben dem Bett, an der Pinnwand;
Eigentlich zu viel, was auf mich einstürzt wie meine gefährlich instabil gebauten Bücher- und Papiertürme.
Aber wissen Sie was?
Phasenweise fange ich an, damit klar zu kommen,auch, wenn ich eigentlich verloren bin in meiner für mich so unüberschaubaren, fremden Existenzwelt.

Gerade wieder alte Einträge gelesen, November 2010.
Fernab von epischen Vatersfreundinattacken, in einem durchaus annehmbaren Gewichtsbereich und hoffnungslos wie nie zuvor. Und dieses damals soll also "die gute alte Zeit" sein..

Es ist jedenfalls nicht viel übrig geblieben von ihr.
Immerhin, die Unsicherheit,natürlich (und) vor allem die Unsicherheit, aber auch manche anderen Eigenarten.
Und weil das gut so ist, rufe ich jetzt mal wieder bei Kriemhild an, genehmige mir danach den Rest der Schokolade, von der ich im Laufe des Tages viel zu viel gegessen habe, drehe die Musik so laut auf, wie das eben geht, wenn man nur über den PC welche hören kann, und feiere "Jahrgangsstufenbeste" mit 14 Punkten in der mündlichen Englischprüfung, eine ähnliche Leistung in der seltsamsten Musikabfrage des Semesters, somit einen leichten Notenschnittausgleich, den Untergang der Welt, ihre Wiedergeburt, das nahende Festival und das, das in den Sommerferien ansteht, den Fakt, dass ich mich getraut habe, den viel zu Normalen zu grüßen, die für 4 Euro erstandenen schönsten Ballerinas der Welt und vor allem mich selbst.