Dienstag, 17. Juli 2012
Stundenlang mit dem Fremden geschrieben.

Ich küsse das Schicksal dafür,dass Ms Golightly ihn dazu brachte, mich anzuschreiben, und mein Unterbewusstsein dafür,dass ich manchmal anscheinend doch das richtige zu schreiben weiß.

Und jetzt gehe ich das Katzenklo säubern,mit dem breitesten Grinsen seit langer Zeit und trotz familiärer Weltuntergänge, Unsicherheit und eventuelle Paranoia hin oder her, und freue mich über das,was mit sehr viel Glück ein Anfang sein könnte.
Freundschaft, Liebe, flüchtige Bekanntschaft.
Vielleicht auch ein Ende.
Aber wer weiß das schon.
Ich möchte,dass es ein Anfang ist.




Sonntag, 15. Juli 2012
Morgens 4.30 Uhr, tiefstes Kleinstadtghetto, 13. Stock.
Ms Golightly und ich sitzen auf dem Balkon ihrer Freunde, die dort die lustigsten Sachen züchten.
"Alter...also echt. Alter. Ich weiß gerade nicht,was ich sagen soll.." Sie schüttelt den Kopf, "Nicht böse gemeint oder so, nur...krass."
"Passt schon, es kommt ja nicht jeden Tag einer her und sagt hey, mein Problem mit Betrunkenen kommt wie einige andere Dinge daher, dass meine Mutter Alkoholikerin war und dran gestorben ist, ich habe Angst davor,mit fremden Menschen zu reden,und vor Parties, und außerdem habe ich mich innerhalb von den 3 Sekunden, in denen ich ihm gegenüberstand und er mir zur Begrüßung die Hand gegeben hat, so dermaßen in den Fremden verknallt, dass das eigentlich schon weh tun müsste und irgendwie auch tut, wegen der Angst und der Unsicherheit."
-"Und du bist anscheinend bi, das hab ich mir aber schon gedacht, bevor du den Frontalangriff der Ghettoschwester nur so halb abgewehrt hast."
"Das vermutlich auch, aber sag das nicht zu laut, wenn sie in der Nähe ist... so, wie die sich den halben Abend an mich rangemacht hat. Sogar in der Ausstellung."
-"Ach, die meint das nicht ernst, die will nur spielen."
"Ich aber heute nicht."

Und diese drei Sekunden.
Ein Blick, ein Hallo, ein Händedruck. Adios Herz; scheint wieder auf Wanderung gehen zu wollen, zu jemandem, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob es uns so gut bei ihm gehen wird.
Er ist nüchtern, seine Haare sind gekämmt, und er schaut freundlich.
Und spricht. Er kann sprechen.
Fragt Ms Golightly, ob wir heute zur Hausparty gehen, sie sieht mich fragend an.
"Ich kenne da aber keinen..." In meinem Kopf klingt das gerade so furchtbar dumm und kindisch.
"Wieso, du kennst Ms Golightly und mich. Achja, ich bin übrigens der Fremde". Er reicht mir seine Hand.
" Ich bin mayhem". Buchstäblich.
"Achso, dann bist du die, die Ms Golightly von der Vernissage erzählt hat?"
"Jawohl", antwortet Ms Golightly für mich, "Und die, die mit aufs Festival geht, zu dem du übrigens verdammt nochmal deinen hübschen Arsch bewegst!"
Tiefes Seufzen des Fremden." Ich habe dir doch gesagt, ich weiß nicht, ob ich frei bekomme, und bei euch soll ich mit, beim Raucher soll ich mit, überall soll ich mit.."
-"Machs dir einfach und fahr bei uns mit. Mayhem backt die besten Kekse der Welt, sie hat mir heute eine Dose voll zum Geburtstag geschenkt, alleine dafür würde ich schon mitfahren."
Eindeutig ein Argument.
"Hm." Mehr hört man nicht mehr von ihm, und in der Halle fängt die Zweitbürgermeisterin an, zu reden, also drängeln wir uns rein, zumindest versuchen wir es. Irgendwann stehen wir tatsächlich im Eingangsbereich, eingeklemmt zwischen Amtspersonen, und ich bin vielleicht 5cm vom Fremden entfernt.
Verdammt Herz, was soll das denn jetzt...
In mir Diskussionsrunde, der Verstand versucht, sachlich zu bleiben, aber die Gefühlsfraktion ist wieder mal unpassend emotional, und irgendwann haut das Herz so auf den Tisch, dass das Wasser aus den Gläsern seiner Sitznachbarn schwappt, feuert ein "Aber ich bin verliebt, verdammt nochmal!" in die Runde und stampft schnaufend vom Tisch weg, um anschließend in sich zusammen zu sacken und sich in einer dunklen Ecke zu verkriechen.
An seinem Hemd klebt ein einzelnes Katzenhaar.
Seine sind wieder kürzer geworden, also könnte es auch daher stammen, aber es ist weiß und sieht nicht nach dem eines Menschen aus.
Lautes Lachen. Die Rednerin verstummt, alles sieht in unsere Richtung. Die Ghettoschwester ist eingetroffen, man warnte mich vor, dass sie laut und outgoing ist und ihrem Namen alle Ehe macht, und nun hat sie wohl das Bedürfnis verspürt, diese Tatsache unter Beweis zu stellen.
Weiter im Programm, der Pantomime verknackst sich den Knöchel und somit spielt der Fremde früher als gedacht.
Bahnt sich seinen Weg durch die Masse, die Gitarre über sich gehoben, damit ihr nichts passiert, wir alle hinter ihm her, er setzt sich auf seinen Stuhl und spielt einfach, egal, ob die Leute ruhig sind und ihm zuhören oder nicht.
Und da sitzt er und spielt, und eigentlich hört ihm beinahe niemand wirklich zu, außer mir.
Und schaue ihn an und weiß nicht, ob ich mich freuen oder weinen soll.
Mich freuen, weil ich also eindeutig doch noch positive Gefühle empfinden kann, oder
weinen, weil es immer so kompliziert sein muss.
Dann eine Runde durch die Ausstellung, irgendwann gehen die Ghettoschwester und er, nur 4km entfernt ist ein Dorffest, das sie zusammen besuchen wollen.
Und sie wirken so vertraut und in meinem Hirn steht mit roten Buchstaben das, was ich gerne als Paranoia abtun würde.
"Sach mal Grinch, sind die zwei zusammen?"
-"Nee, er wollte mal was von ihr, aber angeblich hat sich das gelegt." Grinch zieht weiter an ihrer Zigarette, die sie von der Ghettoschwester geschnorrt hat, und beschränkt sich den restlichen Abend darauf, grinchig zu schauen.
"Angeblich" also.
Vielleicht habe ich Verlustangst.
Auch dann, wenn es um Menschen geht. Eigentlich beinahe nur,wenn es um Menschen geht.
Und anscheinend auch dann, wenn ich sie erst einen halben Abend kenne.
Ich könnte mir eine scheuern.
Mindestens eine.

Als wir die Wohnung, in der die angekündigte "Hausparty", der die Hälfte der Teilnehmer glücklicherweise abgesagt hat, stattfinden sollte, betreten, riecht es nach Alkohol, angebranntem Essen und Wasserrohrbruch. Auf einem Sofa liegt in Jogginghose und oberkörperfrei der Bierbauch, neben ihm seine Feundin, die Nervöse, die nicht einmal einen Monat älter ist als ich, aber aussieht wie 28.
Man begrüßt sich, uns werden Getränke und Kippen angeboten und ich begehe den fatalen Fehler, nach Wasser zu fragen.
"Wie, du trinkst keinen Alkohol?" Im Gesicht des Bierbauchs das blanke Entsetzen.
-"Doch, aber nicht immer und nicht viel, und ich hab auf der Vernissage schon meinen Wein und den der Nixe trinken müssen. Ich nehme auch Leitungswasser."
"Gott sei Dank. Wasser haben wir nicht da..." Kopfschüttelnd holt mir die Nervöse ein Glas Leitungswasser.
Da sitze ich also im tiefsten Ghetto, in eine Ecke der Couch gedrängt, weil der Bierbauch das halbe Sofa für sich beansprucht, alleine, weil Ms Golightly in der anderen Ecke sitzt, und entgegen aller Unsicherheit beschließe ich, das Richtige zu tun, hier zu bleiben, bis der Fremde und die Ghettoschwester auftauchen und in der Zwischenzeit zu versuchen,mich mit der Nervösen zu unterhalten und in meiner Seltsamkeit nicht weiter aufzufallen.
Tatsächlich klappt es auch, und ich schaffe es sogar, mir Hostel anzuschauen, obwohl ich an den schlimmen Stellen meinen Kopf auf meinen angezogenen Knien ablege oder mich hinter meinem Haar verstecke, und irgendwann um 2 steht auf einmal der Fremde mit der Ghettoschwester in der Tür, er kann noch geradeaus laufen, deutlich reden und trinkt die fünf Bier, die er mitgebracht hat, nicht selbst, sondern begnügt sich mit der nicht mehr halbvollen Weinflasche, die der Grinch für ihn hiergelassen hat.
Und wir reden, bruchstückhaft, weil die Ghettoschwester so laut und selbstbewusst ist und Ms Golightly auch, aber ich habe nicht mehr das Gefühl, völlig allein in meiner Seltsamkeit zu sein.
Seine Unsicherheitstarnungsmechanismen stehen meinen in Nichts nach; es gibt also noch mindestens einen weiteren Menschen, der sich in die zynische Pseudoarroganz flüchtet und genauso dumme Kommentare abgeben kann, wie ich es manchmal gerne tue.
Irgendwann wieder sinnentleerter Streit zwischen der Nervösen und dem Bierbauch, kollektives Augenverdrehen der Anderen.
"Ich bin single!" Bewusst übertriebene Siegerpose meinerseits. Der Fremde grinst, hebt ebenfalls die Arme. "Yes!"
Gut, hätten wir das auch geklärt.
Später nennt er mich Pippi Langstrumpf, weil ich mal wieder zwei verschiedenfarbige Socken trage, und noch später versuchen wir es nochmal wegen dem Festival.
Man sieht die Zahnräder arbeiten, er scheint wirklich hin- und hergerissen zu sein, und Ms Golightly versichert mir, er würde schon mitfahren.
Ihren Optimismus möchte ich haben.

Als die Ghettoschwester gehen will und sie sich verabschieden, winkt er mir tatsächlich nochmal zu und bittet darum, an das Festival erinnert zu werden.
Bevor er den Ausgang erreicht, übernimmt doch tatsächlich mein Gehirn kurzzeitig die Führung. "Ich meld mich dann auf irgendeinem Weg.." Und mit möglichst viel Sarkasmus, weil das sonst so doof klingt, aber nunmal die einzige Möglichkeit ist, weil mein Handy unauffindbar ist und ich mich sowieso nicht getraut hätte, nach seiner Nummer zu fragen, "Kann dich ja im sozialen Netzwerk meines Misstrauens suchen."
"Jo klar. Also Ciao, man sieht sich".
Scheiße, ich bin sowas von verliebt. Zu verliebt, um irgendwie damit umgehen zu können, ohne ernsthaft zu überlegen, nicht mit dem Zug zu fahren, sondern mich drunter zu legen.
"Ms Golightly, komm mal mit auf den Balkon, wir müssen reden."
Kichern der Nervösen, Grummeln von Ms Golightly.
"Bitte."
Alle Verzweiflung und Verwirrung des gesamten Abends liegt in diesem "Bitte", und sie erhebt sich tatsächlich und folgt mir auf den Balkon.





Dienstag, 10. Juli 2012
"Hast du an deinem Geburtstag was vor?"
-"Nein, Papa. Wieso?"
"Möchtest du,dass wir Essen gehen?"
-"Wer sind wir?"
"Alle."
-"Dann nicht.
Würde sowieso nur in Diskussionen enden. Beziehungsweise in Geschrei auf einer Seite und meinen Versuchen, auch mal zu Wort zu kommen, auf der anderen."
Pause.
-"Ist das ok für dich?"
"Musst du wissen. Ist dein Geburtstag".

Papa Mayhem vermutlich enttäuscht, mal wieder.
Ich am heulen, mal wieder.
Geburtstag ohne Feiern (mal wieder) und ohne Essengehen. Vielleicht mit Friedhofsbesuch bei meiner Mutter, und vermutlich bin ich dann selbst für die Waldkilometer, die ich normalerweise ablaufen würde, zu traurig.


Ich schaffe es ja doch jedes Mal wieder, das Falsche zu sagen und die Distanz, von der ich dachte, sie könnte garnicht noch größer werden, noch zu erweitern, die Kluft zu verbreitern und den Abgrund weiter und tiefer aufzureißen, dabei will ich das doch gar nicht.
Aber zwischenmenschliche Bindungen waren bekanntlich noch nie meine Stärke, und wenigstens war ich ehrlich.
Immerhin. Ha, ha.

Ich hätte wesentlich lieber meine kleine, intakte Familie.
So richtig mit Rücksichtnahme, vielleicht auch Verständnis, und Zuhören, und ausreden lassen, und reden, und Fehler zugeben, und wertschätzen und wenn es sein muss sogar Sonntagsausflügen.

Anstehender 18ter hin oder her, no Sonntagsausflüge for me, und auch keine kleine, intakte Familie.
Muss ich mir eben selbst Halt geben; vielleicht klappt es ja sogar irgendwann mit der Wertschätzung.


Irgendwann, da habe ich mein nettes kleines (mehr oder weniger-)Durchschnittsleben mit Hollywoodschaukel, kleiner Katzenherde und großer Büchersammlung, betrachte es teetrinkend und mit Strohhut auf dem Kopf von meiner Veranda aus und sage so zu mir, Mayhem, du hattest doch Recht mit deinem "Alles wird gut".
Muss ja schließlich.


"Da steht sie nun unsere Ecosphäre,
alles was blieb in der undurchdringbaren und durchsichtigen Leere,
die trockenen Hände
die blutunterlaufenen Augen
die klopfenden Herzen
die Gutmütigkeit, an das fortlaufend zu glauben.
Aber irgendwie soll das alles nicht sein
das alles nicht klappen
in jedem Fall ist es ernüchternd und so entwaffnend.
wir schaffen es nicht, aufeinander zu warten
auf diesem steinigen Weg
Irgendwann ist es eingeschlafen.
Und keiner weiß wies ihm geht,
dem kleinen gemeinsamen Etwas
und es wacht nicht mehr auf
egal wie fest man es jetzt packt.
Es kann uns nichtmehr hören,
unser Fels in der Brandung,
er wurde zum Riff,
das wir umfuhren auf unserem brüchigen Schiff...
"
(Aus Innere Altmark Von Frittenbude)




Dienstag, 3. Juli 2012
Erschöpfung, hevorgerufen durch zu wenig Schlaf und zu viel Leben, und trotzdem, die Gedanken rasen und der Sog wird stärker.
Ich muss raus hier, aufstehen, weg, gehen.
Die Gedanken werden schwächer, der Sog bleibt, Tendenz: herzzerreißend.
Wie wäre es mit einer Runde Rechtsnormen definieren oder, auch ganz nett, für den Führerschein lernen?
Ach fick dich, Verstand.

Ms Golightly setzt sich, wenn es ihr zu viel wird, ins Gras oder in den Wald oder auf eine Wiese.
Stundenlang kann sie da dann sitzen und ihren Gedanken zuhören, sagt sie. Stillstand ist Fortschritt.

Wenn es mir zu viel wird, gehe ich spazieren.
Stundenlang durch den Wald und manchmal über die Felder, streckenweise Panzerstraße. Über Weggabelungen, an denen mitten im Nichts ein Gartenzwerg auftaucht , vorbei an der verlassenen Ranch, dem leerstehenden Bungalow, den schwarzgesichtigen Schafen im zugewucherten Wildgehege, Futterkrippen, manchmal Rehen; nie zweimal exakt die gleiche Strecke, aber immer mit System.
System bedeutet Sicherheit.
Sicherheit kann ich gebrauchen.

Die Zwanghafte ist sich selbst zu viel, und deshalb läuft sie.
Läuft und rennt und spielt Fußball und Volleyball und macht Leichtathletik und fährt immer mit dem Fahrrad zur Schule, zum Einkaufen, ins Kino, in die Stadt. Ein Besuch der Bibliothek wird zur anspruchsvollen Radtour.
Der Fehler liegt darin,dass es nicht ihre Zwänge sind, die weniger werden, sondern ihr Körper.
Man kann Unsicherheiten, die in übertriebenem Perfektionismus resultieren, und Gedankenstrudel genauso wenig weghungern wie Steine auf dem oder das Loch im Herzen.
Dafür gehen ihre Nägel. Abgebrochen und abgerissen, bis ins Fleisch.
Und ihre Haare. Heute am Kopf gekratzt und danach eine kleine kahle Stelle gehabt. Nein, Vitamintabletten gleichen es nicht aus.
Und ihre Zähne. Werden, versteckt hinter Hamsterbacken, gelb und empfindlich und locker im entzündeten Zahnfleisch, von dann, wenn sie doch essen musste.
Nein, jedes Mal Zähneputzen verhindert es nicht.
Und ihre Haut an den Händen. Aufgescheuert, löst sich fetzchenweise ab. Auch einen Bodenscheuerzwang kann man sehen.

Der Mitsanitäterin ist auch einiges zu viel, aber sie hält nicht viel davon, draußen zu sein, wenn es sich nicht um eine Party handelt, sie muss anders kompensieren.
Das Leben und sich selbst.
Und weil sie Feinde sind, ihr Leben und sie, ist da dieser Kompensationskontrast und sie ist unter der Woche zwanghaft und am Wochenende betrunken bis bewusstlos.
Man merkt es nicht, wenn man nicht dabei ist, weil sie trotzdem ihre Leistung bringt, denn Lernen bedeutet für sie, Bücher auswendig lernen, seitenlange Mitschriften (sie schreibt alles mit,was im Unterricht gesagt wird, nur zur Sicherheit) auswendig lernen, Arbeitsblätter so lange kopieren und nochmal ausfüllen, bis sie sich merken kann, was in die Lücken gehört, und den Kommentar zur Lektüre auswendig lernen, weil sie für die Zwischentöne kein Gefühl hat.
Für die Schule bedeutet das einen Notendurchschnitt von 1,1.
Für sie die selbst geschaffene Hölle aus irrationaler Versagensangst und noch mehr Selbstzwang.
Für die Zwanghafte auch.
Vielleicht sind sie deswegen Feindinnen, zu viel Konkurrenzdenken und zu viele Ähnlichkeiten.

Ms Golightly braucht physische Nähe.
Sie braucht Umarmungen, ankuscheln bei jeder Gelegenheit, Händchenhalten mit der besten Freundin und einen Abschiedskuss für jede Person, die geht.
Der nicht glücken wollende Versuch, die Wärme wieder reinzukriegen, die zuhause fehlt.

Ich brauche menschliche Wärme. Und komme nicht damit zurecht, wenn sie mir entgegen gebracht wird.
Manchmal vertrage ich keine Umarmungen, ich fühle mich sehr oft unwohl, wenn jemand das Bedürfnis hat, sich anzukuscheln und allgemein, wenn ohne Vorwarnung und Eingewöhnungszeit Kontakt gesucht wird.
Ich hasse Abschiedsküsschen und gebe deswegen keine, wenn ich küsse, dann richtig und dann die Person, die ich liebe.
Ich mag es nicht, Schülerstapel bilden zu müssen, weil nicht genug Platz für jeden ist. Weder habe ich gerne jemand der anderen auf meinem Schoß sitzen, noch platziere ich mich gerne auf dem einer Mitschülerin.
Ich habe aber gelernt, dass man das anscheinend so machen muss, wenn man Schülerin und da sonst kein Platz mehr ist und man als wenigstens ansatzweise normal durchgehen will, also lasse ich es gelegentlich über mich ergehen. Für die Zwanghafte ist sowas kein Problem.
Eigentlich mag ich auch keine ritualisierten Begrüßungs- und Abschiedsumarmungen, aber sie scheinen sehr vielen Leuten sehr wichtig zu sein, deshalb habe ich angefangen, sie zu üben, und gelernt, auch Blondine2 zum Abschied zu umarmen, obwohl ich das eigentlich gar nicht möchte.
Dafür lasse ich es bei denen, die ich nicht nur umarmen, sondern auch festhalten möchte.

Ms Golightly, die Zwanghafte, die Mitsanitäterin und ich, wir kennen die Unsicherheit.

Ms Golightly lebt deswegen nach außen, sie ist laut und auffällig und direkt und selbstbewusst und im ersten Moment nervig, damit niemand merkt, wie verunsichert sie ist. Klingt nach mir vor 2, 3 Jahren.
Ich habe aufgehört.

Die Zwanghafte lebt deswegen zum vermeintlichen Perfektionismus hin, destruktiv, aber ohne die Romantisierung, die mit diesem Begriff manchmal getrieben wird.

Die Mitsanitäterin lebt deshalb im Spagat zwischen Kontrollbedürfnis und Kontrollverlust, und hätte sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt gefunden, sie hätte sich spätestens jetzt wieder verloren.

Ich lebe deswegen einfach. Konzentriere mich auf nichts und alles, einfach weiteratmen.
Trotzdem sieht keiner, wie unsicher ich bin, und die meisten deuten es als Arroganz.
Die Formen der romantisierten Destruktivität habe ich abgelegt, das Ideal der verzweifelten, traurigen Seele, das manche erreichen wollen, ist keins.
Manchmal versuche ich immernoch, Kontrolle zu haben, am meisten über mich selbst.
Meistens versuche ich immernoch, Menschen zu verstehen. So, wie ich gelernt habe, dass man sich umarmen muss, wenn man geht, und nochmal, wenn man sich am nächsten Tag wieder sieht, dass Freundlichkeit manchmal auch gespielt und verarschen ist und dass man gegen manche und manches nicht ankämpfen kann, sondern sie oder es einfach aushalten muss, irgendwie.
Vermutlich muss man zwischenmenschliche Interaktion genauso lernen wie Fahrrad fahren oder Schwimmen, und bei allem Fortschritt, den ich langsam zu machen scheine, sollte es letzterem gleichen, sehe ich schwarz.
Ist es wie Fahrradfahren, gibt es noch die geringe Chance auf späten Erfolg,was die technischen Basiskenntnisse anbelangt.

Ich glaube, es ist wie schwimmen.