Thema: oh happy day.
"Hast du an deinem Geburtstag was vor?"
-"Nein, Papa. Wieso?"
"Möchtest du,dass wir Essen gehen?"
-"Wer sind wir?"
"Alle."
-"Dann nicht.
Würde sowieso nur in Diskussionen enden. Beziehungsweise in Geschrei auf einer Seite und meinen Versuchen, auch mal zu Wort zu kommen, auf der anderen."
Pause.
-"Ist das ok für dich?"
"Musst du wissen. Ist dein Geburtstag".
Papa Mayhem vermutlich enttäuscht, mal wieder.
Ich am heulen, mal wieder.
Geburtstag ohne Feiern (mal wieder) und ohne Essengehen. Vielleicht mit Friedhofsbesuch bei meiner Mutter, und vermutlich bin ich dann selbst für die Waldkilometer, die ich normalerweise ablaufen würde, zu traurig.
Ich schaffe es ja doch jedes Mal wieder, das Falsche zu sagen und die Distanz, von der ich dachte, sie könnte garnicht noch größer werden, noch zu erweitern, die Kluft zu verbreitern und den Abgrund weiter und tiefer aufzureißen, dabei will ich das doch gar nicht.
Aber zwischenmenschliche Bindungen waren bekanntlich noch nie meine Stärke, und wenigstens war ich ehrlich.
Immerhin. Ha, ha.
Ich hätte wesentlich lieber meine kleine, intakte Familie.
So richtig mit Rücksichtnahme, vielleicht auch Verständnis, und Zuhören, und ausreden lassen, und reden, und Fehler zugeben, und wertschätzen und wenn es sein muss sogar Sonntagsausflügen.
Anstehender 18ter hin oder her, no Sonntagsausflüge for me, und auch keine kleine, intakte Familie.
Muss ich mir eben selbst Halt geben; vielleicht klappt es ja sogar irgendwann mit der Wertschätzung.
Irgendwann, da habe ich mein nettes kleines (mehr oder weniger-)Durchschnittsleben mit Hollywoodschaukel, kleiner Katzenherde und großer Büchersammlung, betrachte es teetrinkend und mit Strohhut auf dem Kopf von meiner Veranda aus und sage so zu mir, Mayhem, du hattest doch Recht mit deinem "Alles wird gut".
Muss ja schließlich.
"Da steht sie nun unsere Ecosphäre,
alles was blieb in der undurchdringbaren und durchsichtigen Leere,
die trockenen Hände
die blutunterlaufenen Augen
die klopfenden Herzen
die Gutmütigkeit, an das fortlaufend zu glauben.
Aber irgendwie soll das alles nicht sein
das alles nicht klappen
in jedem Fall ist es ernüchternd und so entwaffnend.
wir schaffen es nicht, aufeinander zu warten
auf diesem steinigen Weg
Irgendwann ist es eingeschlafen.
Und keiner weiß wies ihm geht,
dem kleinen gemeinsamen Etwas
und es wacht nicht mehr auf
egal wie fest man es jetzt packt.
Es kann uns nichtmehr hören,
unser Fels in der Brandung,
er wurde zum Riff,
das wir umfuhren auf unserem brüchigen Schiff..."
(Aus Innere Altmark Von Frittenbude)
-"Nein, Papa. Wieso?"
"Möchtest du,dass wir Essen gehen?"
-"Wer sind wir?"
"Alle."
-"Dann nicht.
Würde sowieso nur in Diskussionen enden. Beziehungsweise in Geschrei auf einer Seite und meinen Versuchen, auch mal zu Wort zu kommen, auf der anderen."
Pause.
-"Ist das ok für dich?"
"Musst du wissen. Ist dein Geburtstag".
Papa Mayhem vermutlich enttäuscht, mal wieder.
Ich am heulen, mal wieder.
Geburtstag ohne Feiern (mal wieder) und ohne Essengehen. Vielleicht mit Friedhofsbesuch bei meiner Mutter, und vermutlich bin ich dann selbst für die Waldkilometer, die ich normalerweise ablaufen würde, zu traurig.
Ich schaffe es ja doch jedes Mal wieder, das Falsche zu sagen und die Distanz, von der ich dachte, sie könnte garnicht noch größer werden, noch zu erweitern, die Kluft zu verbreitern und den Abgrund weiter und tiefer aufzureißen, dabei will ich das doch gar nicht.
Aber zwischenmenschliche Bindungen waren bekanntlich noch nie meine Stärke, und wenigstens war ich ehrlich.
Immerhin. Ha, ha.
Ich hätte wesentlich lieber meine kleine, intakte Familie.
So richtig mit Rücksichtnahme, vielleicht auch Verständnis, und Zuhören, und ausreden lassen, und reden, und Fehler zugeben, und wertschätzen und wenn es sein muss sogar Sonntagsausflügen.
Anstehender 18ter hin oder her, no Sonntagsausflüge for me, und auch keine kleine, intakte Familie.
Muss ich mir eben selbst Halt geben; vielleicht klappt es ja sogar irgendwann mit der Wertschätzung.
Irgendwann, da habe ich mein nettes kleines (mehr oder weniger-)Durchschnittsleben mit Hollywoodschaukel, kleiner Katzenherde und großer Büchersammlung, betrachte es teetrinkend und mit Strohhut auf dem Kopf von meiner Veranda aus und sage so zu mir, Mayhem, du hattest doch Recht mit deinem "Alles wird gut".
Muss ja schließlich.
"Da steht sie nun unsere Ecosphäre,
alles was blieb in der undurchdringbaren und durchsichtigen Leere,
die trockenen Hände
die blutunterlaufenen Augen
die klopfenden Herzen
die Gutmütigkeit, an das fortlaufend zu glauben.
Aber irgendwie soll das alles nicht sein
das alles nicht klappen
in jedem Fall ist es ernüchternd und so entwaffnend.
wir schaffen es nicht, aufeinander zu warten
auf diesem steinigen Weg
Irgendwann ist es eingeschlafen.
Und keiner weiß wies ihm geht,
dem kleinen gemeinsamen Etwas
und es wacht nicht mehr auf
egal wie fest man es jetzt packt.
Es kann uns nichtmehr hören,
unser Fels in der Brandung,
er wurde zum Riff,
das wir umfuhren auf unserem brüchigen Schiff..."
(Aus Innere Altmark Von Frittenbude)
Thema: persoenlichkeitsfetzen
Erschöpfung, hevorgerufen durch zu wenig Schlaf und zu viel Leben, und trotzdem, die Gedanken rasen und der Sog wird stärker.
Ich muss raus hier, aufstehen, weg, gehen.
Die Gedanken werden schwächer, der Sog bleibt, Tendenz: herzzerreißend.
Wie wäre es mit einer Runde Rechtsnormen definieren oder, auch ganz nett, für den Führerschein lernen?
Ach fick dich, Verstand.
Ms Golightly setzt sich, wenn es ihr zu viel wird, ins Gras oder in den Wald oder auf eine Wiese.
Stundenlang kann sie da dann sitzen und ihren Gedanken zuhören, sagt sie. Stillstand ist Fortschritt.
Wenn es mir zu viel wird, gehe ich spazieren.
Stundenlang durch den Wald und manchmal über die Felder, streckenweise Panzerstraße. Über Weggabelungen, an denen mitten im Nichts ein Gartenzwerg auftaucht , vorbei an der verlassenen Ranch, dem leerstehenden Bungalow, den schwarzgesichtigen Schafen im zugewucherten Wildgehege, Futterkrippen, manchmal Rehen; nie zweimal exakt die gleiche Strecke, aber immer mit System.
System bedeutet Sicherheit.
Sicherheit kann ich gebrauchen.
Die Zwanghafte ist sich selbst zu viel, und deshalb läuft sie.
Läuft und rennt und spielt Fußball und Volleyball und macht Leichtathletik und fährt immer mit dem Fahrrad zur Schule, zum Einkaufen, ins Kino, in die Stadt. Ein Besuch der Bibliothek wird zur anspruchsvollen Radtour.
Der Fehler liegt darin,dass es nicht ihre Zwänge sind, die weniger werden, sondern ihr Körper.
Man kann Unsicherheiten, die in übertriebenem Perfektionismus resultieren, und Gedankenstrudel genauso wenig weghungern wie Steine auf dem oder das Loch im Herzen.
Dafür gehen ihre Nägel. Abgebrochen und abgerissen, bis ins Fleisch.
Und ihre Haare. Heute am Kopf gekratzt und danach eine kleine kahle Stelle gehabt. Nein, Vitamintabletten gleichen es nicht aus.
Und ihre Zähne. Werden, versteckt hinter Hamsterbacken, gelb und empfindlich und locker im entzündeten Zahnfleisch, von dann, wenn sie doch essen musste.
Nein, jedes Mal Zähneputzen verhindert es nicht.
Und ihre Haut an den Händen. Aufgescheuert, löst sich fetzchenweise ab. Auch einen Bodenscheuerzwang kann man sehen.
Der Mitsanitäterin ist auch einiges zu viel, aber sie hält nicht viel davon, draußen zu sein, wenn es sich nicht um eine Party handelt, sie muss anders kompensieren.
Das Leben und sich selbst.
Und weil sie Feinde sind, ihr Leben und sie, ist da dieser Kompensationskontrast und sie ist unter der Woche zwanghaft und am Wochenende betrunken bis bewusstlos.
Man merkt es nicht, wenn man nicht dabei ist, weil sie trotzdem ihre Leistung bringt, denn Lernen bedeutet für sie, Bücher auswendig lernen, seitenlange Mitschriften (sie schreibt alles mit,was im Unterricht gesagt wird, nur zur Sicherheit) auswendig lernen, Arbeitsblätter so lange kopieren und nochmal ausfüllen, bis sie sich merken kann, was in die Lücken gehört, und den Kommentar zur Lektüre auswendig lernen, weil sie für die Zwischentöne kein Gefühl hat.
Für die Schule bedeutet das einen Notendurchschnitt von 1,1.
Für sie die selbst geschaffene Hölle aus irrationaler Versagensangst und noch mehr Selbstzwang.
Für die Zwanghafte auch.
Vielleicht sind sie deswegen Feindinnen, zu viel Konkurrenzdenken und zu viele Ähnlichkeiten.
Ms Golightly braucht physische Nähe.
Sie braucht Umarmungen, ankuscheln bei jeder Gelegenheit, Händchenhalten mit der besten Freundin und einen Abschiedskuss für jede Person, die geht.
Der nicht glücken wollende Versuch, die Wärme wieder reinzukriegen, die zuhause fehlt.
Ich brauche menschliche Wärme. Und komme nicht damit zurecht, wenn sie mir entgegen gebracht wird.
Manchmal vertrage ich keine Umarmungen, ich fühle mich sehr oft unwohl, wenn jemand das Bedürfnis hat, sich anzukuscheln und allgemein, wenn ohne Vorwarnung und Eingewöhnungszeit Kontakt gesucht wird.
Ich hasse Abschiedsküsschen und gebe deswegen keine, wenn ich küsse, dann richtig und dann die Person, die ich liebe.
Ich mag es nicht, Schülerstapel bilden zu müssen, weil nicht genug Platz für jeden ist. Weder habe ich gerne jemand der anderen auf meinem Schoß sitzen, noch platziere ich mich gerne auf dem einer Mitschülerin.
Ich habe aber gelernt, dass man das anscheinend so machen muss, wenn man Schülerin und da sonst kein Platz mehr ist und man als wenigstens ansatzweise normal durchgehen will, also lasse ich es gelegentlich über mich ergehen. Für die Zwanghafte ist sowas kein Problem.
Eigentlich mag ich auch keine ritualisierten Begrüßungs- und Abschiedsumarmungen, aber sie scheinen sehr vielen Leuten sehr wichtig zu sein, deshalb habe ich angefangen, sie zu üben, und gelernt, auch Blondine2 zum Abschied zu umarmen, obwohl ich das eigentlich gar nicht möchte.
Dafür lasse ich es bei denen, die ich nicht nur umarmen, sondern auch festhalten möchte.
Ms Golightly, die Zwanghafte, die Mitsanitäterin und ich, wir kennen die Unsicherheit.
Ms Golightly lebt deswegen nach außen, sie ist laut und auffällig und direkt und selbstbewusst und im ersten Moment nervig, damit niemand merkt, wie verunsichert sie ist. Klingt nach mir vor 2, 3 Jahren.
Ich habe aufgehört.
Die Zwanghafte lebt deswegen zum vermeintlichen Perfektionismus hin, destruktiv, aber ohne die Romantisierung, die mit diesem Begriff manchmal getrieben wird.
Die Mitsanitäterin lebt deshalb im Spagat zwischen Kontrollbedürfnis und Kontrollverlust, und hätte sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt gefunden, sie hätte sich spätestens jetzt wieder verloren.
Ich lebe deswegen einfach. Konzentriere mich auf nichts und alles, einfach weiteratmen.
Trotzdem sieht keiner, wie unsicher ich bin, und die meisten deuten es als Arroganz.
Die Formen der romantisierten Destruktivität habe ich abgelegt, das Ideal der verzweifelten, traurigen Seele, das manche erreichen wollen, ist keins.
Manchmal versuche ich immernoch, Kontrolle zu haben, am meisten über mich selbst.
Meistens versuche ich immernoch, Menschen zu verstehen. So, wie ich gelernt habe, dass man sich umarmen muss, wenn man geht, und nochmal, wenn man sich am nächsten Tag wieder sieht, dass Freundlichkeit manchmal auch gespielt und verarschen ist und dass man gegen manche und manches nicht ankämpfen kann, sondern sie oder es einfach aushalten muss, irgendwie.
Vermutlich muss man zwischenmenschliche Interaktion genauso lernen wie Fahrrad fahren oder Schwimmen, und bei allem Fortschritt, den ich langsam zu machen scheine, sollte es letzterem gleichen, sehe ich schwarz.
Ist es wie Fahrradfahren, gibt es noch die geringe Chance auf späten Erfolg,was die technischen Basiskenntnisse anbelangt.
Ich glaube, es ist wie schwimmen.
Ich muss raus hier, aufstehen, weg, gehen.
Die Gedanken werden schwächer, der Sog bleibt, Tendenz: herzzerreißend.
Wie wäre es mit einer Runde Rechtsnormen definieren oder, auch ganz nett, für den Führerschein lernen?
Ach fick dich, Verstand.
Ms Golightly setzt sich, wenn es ihr zu viel wird, ins Gras oder in den Wald oder auf eine Wiese.
Stundenlang kann sie da dann sitzen und ihren Gedanken zuhören, sagt sie. Stillstand ist Fortschritt.
Wenn es mir zu viel wird, gehe ich spazieren.
Stundenlang durch den Wald und manchmal über die Felder, streckenweise Panzerstraße. Über Weggabelungen, an denen mitten im Nichts ein Gartenzwerg auftaucht , vorbei an der verlassenen Ranch, dem leerstehenden Bungalow, den schwarzgesichtigen Schafen im zugewucherten Wildgehege, Futterkrippen, manchmal Rehen; nie zweimal exakt die gleiche Strecke, aber immer mit System.
System bedeutet Sicherheit.
Sicherheit kann ich gebrauchen.
Die Zwanghafte ist sich selbst zu viel, und deshalb läuft sie.
Läuft und rennt und spielt Fußball und Volleyball und macht Leichtathletik und fährt immer mit dem Fahrrad zur Schule, zum Einkaufen, ins Kino, in die Stadt. Ein Besuch der Bibliothek wird zur anspruchsvollen Radtour.
Der Fehler liegt darin,dass es nicht ihre Zwänge sind, die weniger werden, sondern ihr Körper.
Man kann Unsicherheiten, die in übertriebenem Perfektionismus resultieren, und Gedankenstrudel genauso wenig weghungern wie Steine auf dem oder das Loch im Herzen.
Dafür gehen ihre Nägel. Abgebrochen und abgerissen, bis ins Fleisch.
Und ihre Haare. Heute am Kopf gekratzt und danach eine kleine kahle Stelle gehabt. Nein, Vitamintabletten gleichen es nicht aus.
Und ihre Zähne. Werden, versteckt hinter Hamsterbacken, gelb und empfindlich und locker im entzündeten Zahnfleisch, von dann, wenn sie doch essen musste.
Nein, jedes Mal Zähneputzen verhindert es nicht.
Und ihre Haut an den Händen. Aufgescheuert, löst sich fetzchenweise ab. Auch einen Bodenscheuerzwang kann man sehen.
Der Mitsanitäterin ist auch einiges zu viel, aber sie hält nicht viel davon, draußen zu sein, wenn es sich nicht um eine Party handelt, sie muss anders kompensieren.
Das Leben und sich selbst.
Und weil sie Feinde sind, ihr Leben und sie, ist da dieser Kompensationskontrast und sie ist unter der Woche zwanghaft und am Wochenende betrunken bis bewusstlos.
Man merkt es nicht, wenn man nicht dabei ist, weil sie trotzdem ihre Leistung bringt, denn Lernen bedeutet für sie, Bücher auswendig lernen, seitenlange Mitschriften (sie schreibt alles mit,was im Unterricht gesagt wird, nur zur Sicherheit) auswendig lernen, Arbeitsblätter so lange kopieren und nochmal ausfüllen, bis sie sich merken kann, was in die Lücken gehört, und den Kommentar zur Lektüre auswendig lernen, weil sie für die Zwischentöne kein Gefühl hat.
Für die Schule bedeutet das einen Notendurchschnitt von 1,1.
Für sie die selbst geschaffene Hölle aus irrationaler Versagensangst und noch mehr Selbstzwang.
Für die Zwanghafte auch.
Vielleicht sind sie deswegen Feindinnen, zu viel Konkurrenzdenken und zu viele Ähnlichkeiten.
Ms Golightly braucht physische Nähe.
Sie braucht Umarmungen, ankuscheln bei jeder Gelegenheit, Händchenhalten mit der besten Freundin und einen Abschiedskuss für jede Person, die geht.
Der nicht glücken wollende Versuch, die Wärme wieder reinzukriegen, die zuhause fehlt.
Ich brauche menschliche Wärme. Und komme nicht damit zurecht, wenn sie mir entgegen gebracht wird.
Manchmal vertrage ich keine Umarmungen, ich fühle mich sehr oft unwohl, wenn jemand das Bedürfnis hat, sich anzukuscheln und allgemein, wenn ohne Vorwarnung und Eingewöhnungszeit Kontakt gesucht wird.
Ich hasse Abschiedsküsschen und gebe deswegen keine, wenn ich küsse, dann richtig und dann die Person, die ich liebe.
Ich mag es nicht, Schülerstapel bilden zu müssen, weil nicht genug Platz für jeden ist. Weder habe ich gerne jemand der anderen auf meinem Schoß sitzen, noch platziere ich mich gerne auf dem einer Mitschülerin.
Ich habe aber gelernt, dass man das anscheinend so machen muss, wenn man Schülerin und da sonst kein Platz mehr ist und man als wenigstens ansatzweise normal durchgehen will, also lasse ich es gelegentlich über mich ergehen. Für die Zwanghafte ist sowas kein Problem.
Eigentlich mag ich auch keine ritualisierten Begrüßungs- und Abschiedsumarmungen, aber sie scheinen sehr vielen Leuten sehr wichtig zu sein, deshalb habe ich angefangen, sie zu üben, und gelernt, auch Blondine2 zum Abschied zu umarmen, obwohl ich das eigentlich gar nicht möchte.
Dafür lasse ich es bei denen, die ich nicht nur umarmen, sondern auch festhalten möchte.
Ms Golightly, die Zwanghafte, die Mitsanitäterin und ich, wir kennen die Unsicherheit.
Ms Golightly lebt deswegen nach außen, sie ist laut und auffällig und direkt und selbstbewusst und im ersten Moment nervig, damit niemand merkt, wie verunsichert sie ist. Klingt nach mir vor 2, 3 Jahren.
Ich habe aufgehört.
Die Zwanghafte lebt deswegen zum vermeintlichen Perfektionismus hin, destruktiv, aber ohne die Romantisierung, die mit diesem Begriff manchmal getrieben wird.
Die Mitsanitäterin lebt deshalb im Spagat zwischen Kontrollbedürfnis und Kontrollverlust, und hätte sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt gefunden, sie hätte sich spätestens jetzt wieder verloren.
Ich lebe deswegen einfach. Konzentriere mich auf nichts und alles, einfach weiteratmen.
Trotzdem sieht keiner, wie unsicher ich bin, und die meisten deuten es als Arroganz.
Die Formen der romantisierten Destruktivität habe ich abgelegt, das Ideal der verzweifelten, traurigen Seele, das manche erreichen wollen, ist keins.
Manchmal versuche ich immernoch, Kontrolle zu haben, am meisten über mich selbst.
Meistens versuche ich immernoch, Menschen zu verstehen. So, wie ich gelernt habe, dass man sich umarmen muss, wenn man geht, und nochmal, wenn man sich am nächsten Tag wieder sieht, dass Freundlichkeit manchmal auch gespielt und verarschen ist und dass man gegen manche und manches nicht ankämpfen kann, sondern sie oder es einfach aushalten muss, irgendwie.
Vermutlich muss man zwischenmenschliche Interaktion genauso lernen wie Fahrrad fahren oder Schwimmen, und bei allem Fortschritt, den ich langsam zu machen scheine, sollte es letzterem gleichen, sehe ich schwarz.
Ist es wie Fahrradfahren, gibt es noch die geringe Chance auf späten Erfolg,was die technischen Basiskenntnisse anbelangt.
Ich glaube, es ist wie schwimmen.
Thema: oh happy day.
30. Juni 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Golfballgroße Hagelkörner, Sturmwind, Ufowolken, Weltuntergangsstimmung, durchweichte Schuhe.
Warten im Einlasszelt, eingekesselt von anderen Menschen, die mit ihrem Zigarettenrauch auch das letzte bisschen Luft verpesten.
Raus in den Hagel, zum Rotkreuzmädchen, das kurzerhand unter einem Tisch Zuflucht gesucht hat.
Mayhem, du bist verrückt.
- Ich kann dich doch nicht alleine deinem Schicksal überlassen.
Sitzen unter unserem Tisch und schauen zu der Band,die die hartgesottenen 3 Fans, die vor der Bühne standen,kurzerhand raufgeholt hat, damit sie nicht von Hagelkörnern erschlagen werden.
Hagel wird zu Regen, Regen wird zu Sturmflut.
Sturmflut hört auf.
Doch noch keine Apokalypse.Vielleicht wärmt sich das Wetter schon auf.
Ich möchte bitte, dass das nächste Riesenhagelkorn die Vatersfreundin erwischt.
Danach kann ich von einer Erdspalte gefressen werden, wenn es denn sein muss, wobei mir überleben mit anderen natürlich lieber wäre, aber erst soll sie vom Riesenhagelkorn getroffen werden,und zwar so, dass sie ruhig ist. Oder endlich anfängt, ihren Verstand zu benutzen.
Die übliche Truppe einsammeln, alle übers Gelände verstreut wie die Eisbrocken, irgendwann findet uns die Feindin, von der ich am Anfang zu Gunsten des Rotkreuzmädchens weggelaufen bin, wieder, und auch Kriemhild taucht noch auf.
Keine Killerblicke von Hasischatzi mehr, nachdem ich erwähne, dass ich zur Zeit an jemandem interessiert bin,und auf einmal können wir fast reden.
Es fehlen nur noch die alte Sache und Faust.
Und meine Selbstzweifel.
Irgendwo zwischen Untermtischsitzen und rumlaufen und dabei über die Bekloppten lachen, die bei dem Wetter in Minikleidchen und Absatzschühchen anrücken sind sie verloren gegangen, spurlos und ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen, wann sie zurückkommen werden.
Das Handy des Rotkreuzmädchens klingelt,sie telefoniert, legt auf, enschuldigt sich, muss gehen.
"Mein Freund hat angerufen, der will auch herkommen, ich geh mal zum Eingang,damit er mich findet."
-"Neuer Freund, seit wann das denn?"
"Vorgestern, netterweise ists der Bruder meiner Ex. Aber was solls. " Sie lacht."Bis dann". Schade.
Bis dann trifft die nächsten zwei Stunden nicht mehr ein, dafür Ms Golightly alias das Trampeltierchen.
Irgendwo zwischen acht Verletzten innerhalb von zehn Minuten, Sonnenstich betreuen, Umknickknöchel stabilisieren, Rettungswagen einweisen und den ersten offenen Bruch meines Lebens beruhigen war da während dem Dienst auf dem Sportfest auf einmal Bekanntes, ihr Erzähltes, ihre Gedanken.
Sounds like me. Damals, vor 2, 3 Jahren, und vielleicht fühlt sie sich deswegen so verstanden und erzählt so viel. Mich stört das nicht,also habe ich sie eingeladen, heute auch mitzukommen, egal, wie seltsam die anderen gucken.
Stehen im Zelt und warten auf weniger Regen und bessere Zeiten. Ms Golightly trägt einen schreiend pinken Mantel zu einer knallgrünen Hose und ebenfalls leuchtend grünen Leomustergummistiefeln, ihr Lidstrich macht meinem Konkurrenz und vermutlich ist sie die Einzige, die das alles zusammen mit rotem Nagellack tragen kann und dabei gut aussieht.
Man tuschelt, da steht schließlich die große Rothaarige, die vorhin die ganze Zeit mit der Blondine unter einen Tisch gedrängt geredet und gelacht hat, ganz in schwarz und mit langem, offenen Haar, neben der kleinen, dicken Braunhaarigen mit so viel Beehive, wie eben mit knapp Schulterlänge möglich ist und dem Knallbonbonoutfit, und irgendwie sieht das nach Freundschaft aus.
Vielleicht wird es ja Freundschaft, denke ich und beobachte aus dem Augenwinkel Ms. Golightly, die wiederum begeistert die gerade spielende Band beobachtet, die dermaßen mit Herz und Seele dabei ist,dass es scheint, als würde sie gleich die Bühne auseinanderlegen. Schon öfter gesehen, schon immer gefeiert. Ich wünsche ihnen einen Plattenvertrag und Erfolg und mir ein neues Album.
Vor der Bühne taucht die Konkurrenz mit Nerdbrille auf,im Schlepptau andere Indiehipstervintagetrendkinder und den Schlagzeuger, und versucht tatsächlich, ihre Armwindmühle-anfersen-Kombination auf Punkrock zu tanzen.
Ms Golightly zeigt sich ebenso erschüttert wie ich, drückt dies aber sehr kurz und prägnant aus: "Wer hat der Tussi denn ins Hirn geschissen?"
Ich erkläre ihr, dass die coolen Leute jetzt alle so tanzen, und wir kommen zu dem Schluss, dass wir gerne uncool sind.
Erzähle ihr von dem Festival, das ich im August besuche, den Bands, die spielen, und ihre Augen leuchten und sie sagt, sie würde so gerne mit.
Sie würde da so wahnsinnig gerne hin, sie bräuchte nur eine Aufsicht, aber da wisse sie schon jemanden. So gerne würde sie dorthin, ob das denn ein Problem wäre?
Dann wieder Gewitterwolken in ihrem runden Gesicht. Ihre Mutter würde das nie erlauben.Überhaupt, ihre Mutter..
Ich kann mich mal erkundigen, sage ich. Und dass wir die Sache mit ihrer Mutter dann schon irgendwie hinkriegen würden,zumindest in diesem Punkt. Den Rest kann man wohl nur aussitzen..
Und sie freut sich so sehr, dass ich sie verstehe.
Ach Trampeltierchen, ich kenne das doch alles selbst, das Anschreien und aussperren und schlagen und schreien.
-Trotzdem.
Dabei weiß sie garnicht, was alles war..
Draußen inzwischen nur noch Nieselregen und Matsch, ich hätte auf Ms.Golightly hören und meine Stiefel anziehen sollen. Aber wer ahnt schon, dass aus 35 Grad so schnell Golfballhagelkornbeschuss und dann Sinflutregen werden?
Der Bonze hat es auch nicht geahnt. Lacosteschuhe an den Füßen, Echtlederjacke, senfgelber Trendschal. Der Versuch, seine Pseudokreativität durch unkonventionelle längere Haare im Pferdeschwanz und den Ansatz eines Schnurrbarts auszudrücken, auf seinem Kopf eine schiefe Baskenmütze.
Damals, als er noch kreativ war und ich ihn ansprechend fand, trug er normale Sachen, lange Haare und fand mich abstoßend.
"Ach Mayhem, das ist ja schön, dich hier zu treffen!"
Anscheinend hat er seine Meinung zwischenzeitlich geändert.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und lasse mich zu einem neutralen "Hallo, Bonze" hinreißen. Meine Selbstzweifel habe ich heute daheim gelassen, du kannst mir garnichts.
-"Ja, ähm, also, und wie findest du es hier?"
Ist da etwa jemand verunsichert, weil ich mir bei seinem Auftauchen nicht sofort die Kleider vom Leib reiße und "Nimm mich!" schreie?
"Ganz nett".
Man sieht die Zahnräder hinter seiner Stirn arbeiten und seine Verunsicherung wachsen.
-"Hm ja, so ein Festival ist manchmal ganz nett.. aber ich weiß nicht, die Vogelscheuche auf der Bühne schreit auch immer das gleiche. Singen kannste das nicht nennen, eher Ohrenvergewaltigung".
"Stimmt doch garnicht!" Eine entrüstete Ms. Golightly mischt sich ins Gespräch ein, "Du und dein kotzgelber Schal und die Rotzbremse, ihr seid vielleicht Sinnesvergewaltigung. Mayhem, wollen wir dann mal vor zur Bühne?"
Ich bemühe mich nur halb, ein Lachen zurück zu halten.
"Jaja,mit dir diskutiere ich jetzt nicht. Mayhem, wollen wir mal rüber ins Barzelt?"
-"Nee du, lass mal. Wer erst über mich lästert, weil er nicht damit klarkommt, dass ich seinem Ego Paroli bieten kann und dann,sobald ich eine normale Haarfarbe habe, auf einmal ankommt,hat generell eher schlechte Chancen." Hui, das klang sogar selbstbewusst. Nein, es war selbstbewusst. Ich glaube, mein Selbstwertgefühl hat zu mir zurückgefunden.
"Ach komm, die alte Geschichte.." Er versucht, seinen Arm um meine Taille zu legen.
"Nein danke, ehrlich gesagt ist mir die Gesellschaft Ms.Golightlys lieber."
-"Jetzt behaupte nicht, dass du mit dem Fettkloß befreundet bist."
Bonze, das war dein Todesurteil.
Boshaftigkeiten sammeln sich in meinem Hirn und wollen gehört werden, aber neben mir hört man ein leises Schniefen.
Ich lege der fast zwei Köpfe kleineren Ms Golightly kameradschaftlich einen Arm um die Schultern und schiebe sie leicht Richtung Ausgang. Sie mag es nicht, wenn andere Leute sie weinen sehen.
"Jetzt bin ich total verheult",jammert sie zwischen zwei Schluchzern, "Und überhaupt tut mir das voll Leid, dass ich dich jetzt vollflenne, aber es ist immer so, jedes Mal kommt irgendein Idiot und kann nicht die Klappe halten.Ich weiß selbst, dass ich zu dick bin.."
-"Gib da nix drauf, Ms. Golightly. Ich weiß, dass das manchmal schwierig ist, aber du hast mir selbst gesagt, dass man die Leute einfach ignorieren muss, wenn sie doof gucken oder doof sind, weil sie schlicht nichts besseres zu tun haben. Und den Bonzen kannste eh knicken, vor lauter Geld hat der schon vergessen, was Menschlichkeit ist."
"Ja, so wirds wohl sein." Sie schnäuzt sich geräuschvoll in ein pinkes Hello Kitty-Taschentuch. "Du hast schon Recht, mayhem. Aber wegen dem Arsch ist jetzt meine ganze Schminke verschmiert, dann reden die nicht nur, weil ich fett bin, sondern auch, weil ich total verheult bin."
-"Du wolltest vor zur Bühne,oder?"
"Ja, aber es regnet und da ist die Riesenpfütze.. also,mir macht das nichts, hab Gummistiefel an, aber dir..und am Rand steht immernoch die Nerdbrille und spielt Windmühle.."
-"Scheiß auf nasse Füße, wir feiern uns jetzt".
Als die Band ihr letztes Lied gespielt hat, sind wir bis auf die Knochen durchnässt, waden- bzw. in ihrem Fall mehr als kniehoch eingeschlammt, Ms. Golightly hat die aufgewirbelten Wasser- und Dreckmassen gezielt in Richtung Nerdbrille gelenkt und diese sich quietschend und meckernd und mit ruinierten Schühchen und ebenfalls angeschlammter Strumpfhose auf die Arme des Schlagzeugers gerettet.
Einer der Mutigen, die sich nach uns ebenfalls vor getraut haben, spricht Ms. Golightly an und fragt sie schließlich nach ihrer Nummer, ernstgemeint und ohne lustigmachen, dafür mit viel Nervosität, während der Bonze am Rand steht und mich fassungslos anstarrt, mit seinen Lacosteschuhen kann er ja schlecht näher ran kommen,die würden mit dem Schlamm wohl nicht klarkommen (für meine Turnschuhe mit löchriger Sohle ist das selbstverständlich alles kein Problem).
Siehst du, Bonze, ich bin immernoch so scheiße wie früher. Kein Grund, es jetzt zu versuchen, nur, weil ich inzwischen ansatzweise schwiegermuttertauglich aussehe.
Ich habe mich gefunden, endlich, und ich beabsichtige nicht, mich so schnell wieder zu verlieren.
Hey World, you'll break me
Step it up, give me your best shot
Hey World, you'll never break me
Try your hardest, try your hardest
Warten im Einlasszelt, eingekesselt von anderen Menschen, die mit ihrem Zigarettenrauch auch das letzte bisschen Luft verpesten.
Raus in den Hagel, zum Rotkreuzmädchen, das kurzerhand unter einem Tisch Zuflucht gesucht hat.
Mayhem, du bist verrückt.
- Ich kann dich doch nicht alleine deinem Schicksal überlassen.
Sitzen unter unserem Tisch und schauen zu der Band,die die hartgesottenen 3 Fans, die vor der Bühne standen,kurzerhand raufgeholt hat, damit sie nicht von Hagelkörnern erschlagen werden.
Hagel wird zu Regen, Regen wird zu Sturmflut.
Sturmflut hört auf.
Doch noch keine Apokalypse.Vielleicht wärmt sich das Wetter schon auf.
Ich möchte bitte, dass das nächste Riesenhagelkorn die Vatersfreundin erwischt.
Danach kann ich von einer Erdspalte gefressen werden, wenn es denn sein muss, wobei mir überleben mit anderen natürlich lieber wäre, aber erst soll sie vom Riesenhagelkorn getroffen werden,und zwar so, dass sie ruhig ist. Oder endlich anfängt, ihren Verstand zu benutzen.
Die übliche Truppe einsammeln, alle übers Gelände verstreut wie die Eisbrocken, irgendwann findet uns die Feindin, von der ich am Anfang zu Gunsten des Rotkreuzmädchens weggelaufen bin, wieder, und auch Kriemhild taucht noch auf.
Keine Killerblicke von Hasischatzi mehr, nachdem ich erwähne, dass ich zur Zeit an jemandem interessiert bin,und auf einmal können wir fast reden.
Es fehlen nur noch die alte Sache und Faust.
Und meine Selbstzweifel.
Irgendwo zwischen Untermtischsitzen und rumlaufen und dabei über die Bekloppten lachen, die bei dem Wetter in Minikleidchen und Absatzschühchen anrücken sind sie verloren gegangen, spurlos und ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen, wann sie zurückkommen werden.
Das Handy des Rotkreuzmädchens klingelt,sie telefoniert, legt auf, enschuldigt sich, muss gehen.
"Mein Freund hat angerufen, der will auch herkommen, ich geh mal zum Eingang,damit er mich findet."
-"Neuer Freund, seit wann das denn?"
"Vorgestern, netterweise ists der Bruder meiner Ex. Aber was solls. " Sie lacht."Bis dann". Schade.
Bis dann trifft die nächsten zwei Stunden nicht mehr ein, dafür Ms Golightly alias das Trampeltierchen.
Irgendwo zwischen acht Verletzten innerhalb von zehn Minuten, Sonnenstich betreuen, Umknickknöchel stabilisieren, Rettungswagen einweisen und den ersten offenen Bruch meines Lebens beruhigen war da während dem Dienst auf dem Sportfest auf einmal Bekanntes, ihr Erzähltes, ihre Gedanken.
Sounds like me. Damals, vor 2, 3 Jahren, und vielleicht fühlt sie sich deswegen so verstanden und erzählt so viel. Mich stört das nicht,also habe ich sie eingeladen, heute auch mitzukommen, egal, wie seltsam die anderen gucken.
Stehen im Zelt und warten auf weniger Regen und bessere Zeiten. Ms Golightly trägt einen schreiend pinken Mantel zu einer knallgrünen Hose und ebenfalls leuchtend grünen Leomustergummistiefeln, ihr Lidstrich macht meinem Konkurrenz und vermutlich ist sie die Einzige, die das alles zusammen mit rotem Nagellack tragen kann und dabei gut aussieht.
Man tuschelt, da steht schließlich die große Rothaarige, die vorhin die ganze Zeit mit der Blondine unter einen Tisch gedrängt geredet und gelacht hat, ganz in schwarz und mit langem, offenen Haar, neben der kleinen, dicken Braunhaarigen mit so viel Beehive, wie eben mit knapp Schulterlänge möglich ist und dem Knallbonbonoutfit, und irgendwie sieht das nach Freundschaft aus.
Vielleicht wird es ja Freundschaft, denke ich und beobachte aus dem Augenwinkel Ms. Golightly, die wiederum begeistert die gerade spielende Band beobachtet, die dermaßen mit Herz und Seele dabei ist,dass es scheint, als würde sie gleich die Bühne auseinanderlegen. Schon öfter gesehen, schon immer gefeiert. Ich wünsche ihnen einen Plattenvertrag und Erfolg und mir ein neues Album.
Vor der Bühne taucht die Konkurrenz mit Nerdbrille auf,im Schlepptau andere Indiehipstervintagetrendkinder und den Schlagzeuger, und versucht tatsächlich, ihre Armwindmühle-anfersen-Kombination auf Punkrock zu tanzen.
Ms Golightly zeigt sich ebenso erschüttert wie ich, drückt dies aber sehr kurz und prägnant aus: "Wer hat der Tussi denn ins Hirn geschissen?"
Ich erkläre ihr, dass die coolen Leute jetzt alle so tanzen, und wir kommen zu dem Schluss, dass wir gerne uncool sind.
Erzähle ihr von dem Festival, das ich im August besuche, den Bands, die spielen, und ihre Augen leuchten und sie sagt, sie würde so gerne mit.
Sie würde da so wahnsinnig gerne hin, sie bräuchte nur eine Aufsicht, aber da wisse sie schon jemanden. So gerne würde sie dorthin, ob das denn ein Problem wäre?
Dann wieder Gewitterwolken in ihrem runden Gesicht. Ihre Mutter würde das nie erlauben.Überhaupt, ihre Mutter..
Ich kann mich mal erkundigen, sage ich. Und dass wir die Sache mit ihrer Mutter dann schon irgendwie hinkriegen würden,zumindest in diesem Punkt. Den Rest kann man wohl nur aussitzen..
Und sie freut sich so sehr, dass ich sie verstehe.
Ach Trampeltierchen, ich kenne das doch alles selbst, das Anschreien und aussperren und schlagen und schreien.
-Trotzdem.
Dabei weiß sie garnicht, was alles war..
Draußen inzwischen nur noch Nieselregen und Matsch, ich hätte auf Ms.Golightly hören und meine Stiefel anziehen sollen. Aber wer ahnt schon, dass aus 35 Grad so schnell Golfballhagelkornbeschuss und dann Sinflutregen werden?
Der Bonze hat es auch nicht geahnt. Lacosteschuhe an den Füßen, Echtlederjacke, senfgelber Trendschal. Der Versuch, seine Pseudokreativität durch unkonventionelle längere Haare im Pferdeschwanz und den Ansatz eines Schnurrbarts auszudrücken, auf seinem Kopf eine schiefe Baskenmütze.
Damals, als er noch kreativ war und ich ihn ansprechend fand, trug er normale Sachen, lange Haare und fand mich abstoßend.
"Ach Mayhem, das ist ja schön, dich hier zu treffen!"
Anscheinend hat er seine Meinung zwischenzeitlich geändert.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und lasse mich zu einem neutralen "Hallo, Bonze" hinreißen. Meine Selbstzweifel habe ich heute daheim gelassen, du kannst mir garnichts.
-"Ja, ähm, also, und wie findest du es hier?"
Ist da etwa jemand verunsichert, weil ich mir bei seinem Auftauchen nicht sofort die Kleider vom Leib reiße und "Nimm mich!" schreie?
"Ganz nett".
Man sieht die Zahnräder hinter seiner Stirn arbeiten und seine Verunsicherung wachsen.
-"Hm ja, so ein Festival ist manchmal ganz nett.. aber ich weiß nicht, die Vogelscheuche auf der Bühne schreit auch immer das gleiche. Singen kannste das nicht nennen, eher Ohrenvergewaltigung".
"Stimmt doch garnicht!" Eine entrüstete Ms. Golightly mischt sich ins Gespräch ein, "Du und dein kotzgelber Schal und die Rotzbremse, ihr seid vielleicht Sinnesvergewaltigung. Mayhem, wollen wir dann mal vor zur Bühne?"
Ich bemühe mich nur halb, ein Lachen zurück zu halten.
"Jaja,mit dir diskutiere ich jetzt nicht. Mayhem, wollen wir mal rüber ins Barzelt?"
-"Nee du, lass mal. Wer erst über mich lästert, weil er nicht damit klarkommt, dass ich seinem Ego Paroli bieten kann und dann,sobald ich eine normale Haarfarbe habe, auf einmal ankommt,hat generell eher schlechte Chancen." Hui, das klang sogar selbstbewusst. Nein, es war selbstbewusst. Ich glaube, mein Selbstwertgefühl hat zu mir zurückgefunden.
"Ach komm, die alte Geschichte.." Er versucht, seinen Arm um meine Taille zu legen.
"Nein danke, ehrlich gesagt ist mir die Gesellschaft Ms.Golightlys lieber."
-"Jetzt behaupte nicht, dass du mit dem Fettkloß befreundet bist."
Bonze, das war dein Todesurteil.
Boshaftigkeiten sammeln sich in meinem Hirn und wollen gehört werden, aber neben mir hört man ein leises Schniefen.
Ich lege der fast zwei Köpfe kleineren Ms Golightly kameradschaftlich einen Arm um die Schultern und schiebe sie leicht Richtung Ausgang. Sie mag es nicht, wenn andere Leute sie weinen sehen.
"Jetzt bin ich total verheult",jammert sie zwischen zwei Schluchzern, "Und überhaupt tut mir das voll Leid, dass ich dich jetzt vollflenne, aber es ist immer so, jedes Mal kommt irgendein Idiot und kann nicht die Klappe halten.Ich weiß selbst, dass ich zu dick bin.."
-"Gib da nix drauf, Ms. Golightly. Ich weiß, dass das manchmal schwierig ist, aber du hast mir selbst gesagt, dass man die Leute einfach ignorieren muss, wenn sie doof gucken oder doof sind, weil sie schlicht nichts besseres zu tun haben. Und den Bonzen kannste eh knicken, vor lauter Geld hat der schon vergessen, was Menschlichkeit ist."
"Ja, so wirds wohl sein." Sie schnäuzt sich geräuschvoll in ein pinkes Hello Kitty-Taschentuch. "Du hast schon Recht, mayhem. Aber wegen dem Arsch ist jetzt meine ganze Schminke verschmiert, dann reden die nicht nur, weil ich fett bin, sondern auch, weil ich total verheult bin."
-"Du wolltest vor zur Bühne,oder?"
"Ja, aber es regnet und da ist die Riesenpfütze.. also,mir macht das nichts, hab Gummistiefel an, aber dir..und am Rand steht immernoch die Nerdbrille und spielt Windmühle.."
-"Scheiß auf nasse Füße, wir feiern uns jetzt".
Als die Band ihr letztes Lied gespielt hat, sind wir bis auf die Knochen durchnässt, waden- bzw. in ihrem Fall mehr als kniehoch eingeschlammt, Ms. Golightly hat die aufgewirbelten Wasser- und Dreckmassen gezielt in Richtung Nerdbrille gelenkt und diese sich quietschend und meckernd und mit ruinierten Schühchen und ebenfalls angeschlammter Strumpfhose auf die Arme des Schlagzeugers gerettet.
Einer der Mutigen, die sich nach uns ebenfalls vor getraut haben, spricht Ms. Golightly an und fragt sie schließlich nach ihrer Nummer, ernstgemeint und ohne lustigmachen, dafür mit viel Nervosität, während der Bonze am Rand steht und mich fassungslos anstarrt, mit seinen Lacosteschuhen kann er ja schlecht näher ran kommen,die würden mit dem Schlamm wohl nicht klarkommen (für meine Turnschuhe mit löchriger Sohle ist das selbstverständlich alles kein Problem).
Siehst du, Bonze, ich bin immernoch so scheiße wie früher. Kein Grund, es jetzt zu versuchen, nur, weil ich inzwischen ansatzweise schwiegermuttertauglich aussehe.
Ich habe mich gefunden, endlich, und ich beabsichtige nicht, mich so schnell wieder zu verlieren.
Hey World, you'll break me
Step it up, give me your best shot
Hey World, you'll never break me
Try your hardest, try your hardest
Thema: gefunden.
"
Es hat erstaunlich lange gedauert, aus deutscher Perspektive gut zwanzig Jahre über den Daumen, bis es sogar für diese scheinbar durch nichts zu erschütternde Szene wirklich einmal zu viel geworden ist. „Geboren um zu leben“ – es ist die unkaputtbare Peinlichkeits-Hymne der letzten Jahre, als Wunschsong der Angehörigen hat er es sogar bis zur Trauerfeier für die Opfer der Techno-Veranstaltung Love Parade geschafft. Derzeit geistert „Der Graf“ durch die Eigenwerbung von Sat.1 und darf zu Champions-League-Zeiten auch mal einen schelmischen Kopfball hinlegen. (...)
Unheilig sind die Scooter der Gothic-Szene, sie waren schon vor dem ganz großen Erfolg eine gern gehasste Lachnummer für alle, die sich mit einem Hauch kritischem Selbstverständnis in oder an den Rändern der Szene bewegten."
Quelle: www.freitag.de/autoren/joerg-augsburg/die-schwarzen-messen-sind-gelesen
Es hat erstaunlich lange gedauert, aus deutscher Perspektive gut zwanzig Jahre über den Daumen, bis es sogar für diese scheinbar durch nichts zu erschütternde Szene wirklich einmal zu viel geworden ist. „Geboren um zu leben“ – es ist die unkaputtbare Peinlichkeits-Hymne der letzten Jahre, als Wunschsong der Angehörigen hat er es sogar bis zur Trauerfeier für die Opfer der Techno-Veranstaltung Love Parade geschafft. Derzeit geistert „Der Graf“ durch die Eigenwerbung von Sat.1 und darf zu Champions-League-Zeiten auch mal einen schelmischen Kopfball hinlegen. (...)
Unheilig sind die Scooter der Gothic-Szene, sie waren schon vor dem ganz großen Erfolg eine gern gehasste Lachnummer für alle, die sich mit einem Hauch kritischem Selbstverständnis in oder an den Rändern der Szene bewegten."
Quelle: www.freitag.de/autoren/joerg-augsburg/die-schwarzen-messen-sind-gelesen