Donnerstag, 13. September 2012
Alles so harmonisch.
Es wirkt alles so harmonisch, wie wir hier sind, der Raucher und ich am Pizzabacken, der Fremde versucht, zu helfen und macht dabei im Endeffekt mehr Arbeit als vorher, Ms Golightly gießt die Blumen.
Es fühlt sich so richtig an, hier zu sein, vielleicht habe ich eine Bedeutung von "zuhause" gefunden, und der graue Schmerzvorhang, der normalerweise unter der Woche über allem liegt, wurde zur Seite gefegt und lässt Licht durch und es scheint auf das ganze Gemetzel, das da in mir drin ist.

Sie sehen es.
Der Raucher scheint es zu spüren, kaputte Menschen finden sich immer, im Fremden ist eine Ahnung davon, nicht genau greifbar vermutlich, aber sie ist da, und Ms Golightly weiß lange nicht alles, aber einiges.
Eigentlich ist ihr schon das zu viel. Unbegreiflich, krasse Sache, und ich wirke doch noch so normal...


Normal ist eine Täuschung.
Merke es, während ich später am Abend an der Schweigsamkeit des Fremden leide, während der Raucher grummelt, es könne doch gar nicht sein, dass der Kerl es nicht rafft, aber der Fremde scheint es wirklich nicht zu raffen und irgendwann gegen drei, als der Seelenschmerz unerträglich geworden ist, sodass ich mich auf die Terasse gesetzt, die Augen geschlossen und mich aufs weiteratmen konzentriert habe, verabschiedet er sich. Mit Umarmung, aber er geht.
Schlafe nicht bei ihm, weil er erst gegen neun aufstehen muss und ich schon um sieben (und es für ihn untragbar gewesen wäre, um diese Uhrzeit von meinem Handysignal kurz aufgeweckt zu werden); wäre ich daheim, würde ich dann bereits auf dem Weg zum Bus sein.
"Ist es sehr schlimm?" Der Raucher steht im Durchgang zur Terasse und scheint zu überlegen, ob ich jetzt lieber alleine wäre und ob man diesen potenziellen Wunsch genehmigen sollte oder eher nicht.
Ich weiß es ja selbst nicht.
-"Ja, gerade schon". Aber ich weine nicht. Einfach weiteratmen. Geweint wird nicht, nicht schon wieder.
Nicht schon wieder wegen dem Fremden und nicht schon wieder vorm Raucher.
Schweigen, dann: "Pass auf: Ms Golightly und ich, wir gehn schonmal pennen, aber wenn was is, bitte sag was. Mich kriegt man zwar nicht auf Anhieb wach, aber dann kitzel mich oder tritt mich meinetwegen,dann wach ich auf, denk ich. Und egal, wie gern du dir Sterne und Glühwürmchen und son Zeugs anschaust, geh bloß nicht auf den Balkon, der is total marode. Ok, mayhem?"
Der Balkon kann gar nicht so marode sein, wie ich mich fühle. Herz marode, Stützbalken morsch, meine ganze Person brüchig und einsturzgefährdet.
Der Raucher legt mir die Decke mit dem Katzenmuster, die sonst auf seinem Sofa liegt, um die Schultern.
"Sonst erfrierst du bestimmt. Soll ich dir noch nen Tee machen oder so?"
-"Nein, schon ok. Danke." Einfach weiteratmen.
Augen zu, weiteratmen, alles wird gut, du musst nur atmen.
"Na gut. Dann sag ich mal gute Nacht, auch, wenn du wahrscheinlich eh nicht schläfst.."
-"Gute Nacht, Raucher. Und danke, so allgemein".
Auch, wenn du mich verwirrst, so rein emotional.
Aber ich bin am zusammenbrechen und wegbröseln, da kann das schonmal passieren.

Als es draußen schon wieder hell und in mir nicht besser, aber auch nicht schlimmer wird, beschließe ich wagemutig, einen Versuch zu starten, zu schlafen.
Zähneputzen, Abschminken und innerlich bereite ich mich schon darauf vor, den Hund vom Sofa jagen zu müssen,als ich feststelle, dass das Deckenknäuel dort Ms Golightly ist. Sämtliche Versuche, sie ansatzweise zu verschieben und mir wenigstens eine kleine Schlafecke zu schaffen, schlagen fehl, und ich will sie nicht aufwecken.

"Das ist rein freundschaftlich."
Ziehe das Kopfkissen so weit unterm Raucher vor, dass ich auch was davon habe, wickle mich in die Katzendecke, kauere mich in meine Standardschlafposition alias die halbe Embryonalhaltung, Rücken zum Raucher und horche in mich rein, ob da Müdigkeit ist.
Eigentlich schon, aber da ist auch leichtes Flattern.
Herzflattern, Schmetterlingsflattern.
Moment, Schmetterlinge?
Könnte sein, ist aber nicht sicher.
Auf jeden Fall nicht flugsauriergroß. Vermutlich nur Verwirrung, Verzweiflung, das Wissen, dass da jemand ist, der versteht und da sein will und zusätzlich Hormonchaos.
"Das auch. Ehrlich."
Er rutscht näher ran, ich spüre ganz leicht seinen Atem im Nacken.
horche wieder in mich rein, ob da eine Abwehrreaktion ist.
Da ist keine, also bleibe ich liegen.
Da kommt auch keine, als er seinen Arm um mich legt, also bleiben wir so liegen.
Von irgendwoher kommt diffuses Licht, das sich grauschleierhaft über alles gelegt hat, Lichtstaubschicht auf uns. Der Raucher ist relativ schnell eingeschlafen, aber sein Arm hält mich immer noch fest und sein Kopf lehnt ganz leicht an mir und sein Bart kratzt an meinem Hals.
Irgendein diffuses Gefühl ist da wieder, vielleicht Herzflattern, wer weiß.
Es fühlt sich seltsam an.
Ich kann nicht einmal sagen, ob gut-seltsam, schlecht-seltsam oder neutral-seltsam und denke über diesen Umstand nach, bis das Handy des Rauchers irgendein Black Metal-Geschrei in den Raum kotzt, um seine Weckerfunktion zu erfüllen.
Der Mensch hinter mir grummelt, dreht sich Richtung Handy, haut einmal sehr fest drauf, dreht sich wieder zu mir, legt seinen Arm wieder um mich, drückt mich kurz an sich und scheint dann weiter zu schlafen.
Jetzt ist da eine Angstvorstufe.
Immerhin noch sehr weit entfernt von richtiger Angst, vermutlich heißt das Verunsicherung.
Oder sichsorgenmachen.
Weil ich ihm nicht wehtun will eigentlich, und ihm keine Hoffnungen machen will, eigentlich, weil für mich doch so völlig klar ist, dass das nur Freundschaft ist.
Eigentlich.
Tatsächlich bin ich umarmungsüberlastet und will das eigentlich gar nicht sein, denn eigentlich finde ich es nicht unangenehm, ich weiß nicht, wie ich es finde, denn mein kleines Herz ist übelastet und am zerfallen, und mein Verstand schreit mir die Fakten so laut ins Gesicht, dass mir schlecht wird.
Dass das gemein von mir ist, schreit mein Verstand. Was das soll, ihm Hoffnungen zu machen. Was das überhaupt soll, da ist doch der Fremde, zumindest in Arbeit.
In Arbeit heißt nicht, dass es etwas wird, schreien die Zweifel mindestens genauso laut zurück.
Davon abgesehen hat er gesagt, das ist freundschaftlich, und eigentlich haben wir das gesagt, nur Freundschaft, beteiligt sich die Naivität an der Diskussion.
Gedankenrasen, und er liegt einfach so hier und hält mich fest und atmet schon wieder ganz ruhig und sein Bart kratzt wieder an meinem Hals.
Konzentrieren aufs ruhige weiteratmen ist zwecklos, mein Hirn ist gerade nicht ruhig und mein Herz auch nicht, da ist so viel Verwirrung und Überlastung und überhaupt, klar denken ist gerade so schwierig.
Es wird etwas einfacher, als ich von ihm weg und an die andere Seite des Bettes gerutscht bin, also doch umarmungsbedingte Überlastung.
Dass mich das noch so sehr erwischt...
Selbstkontrolle ist eben doch nur Illusion.
Beruhigung kommt schubweise, die Panikvorstufe verabschiedet sich schrittweise, draußen wird es heller und nach ein paar Runden erzwungen ruhigem "einfach weiteratmen" klappt es tatsächlich, das ruhige Weiteratmen, und noch ein paar Runden später bin ich wieder im neutralen Bereich, so stabil, wie das bei mir eben geht.
Dafür kommt jetzt der graue Schmerzvorhang wieder, zusammen mit Verlorenheitsgefühl und der Frage, wie das alles eigentlich weitergehen soll. Welchen Weg, und vor allem, woher die Kraft kommen soll, ihn einzuschlagen und weiter zu machen.
Allgemein, woher die Kraft für das alles. Woher soll ich sie denn nehmen...

Als ich mich wieder zum Raucher drehe und ein Stück in seine Richtung rutsche, ist er ansatzweise wach, und vielleicht kann er ja Gedanken lesen oder man sieht mir inzwischen alles an, jedenfalls nimmt er meine Hand, sieht mich wieder ganz ernsthaft an, drückt sie sanft und erinnert mich wieder, "rein freunschaftlich".
Sagt er und schaut so, dass ich es ihm glaube. Oder glauben könnte, ich weiß es nicht.
Was auch immer da ist, es verwirrt mich.
Vielleicht nur Überlastung und Hormonchaos.
Wenn nicht, habe ich ein Problem.

Ja, es tut weh. Alles.






Montag, 10. September 2012
Der Raucher und ich, wir sitzen so bei ihm auf dem Sofa, ich habe wieder beinahe das ganze Wochenende in der Kleinstadt verbracht und wenn ich daheim war, waren es mein Vater und Anhang nicht, aber dafür war er es mit mir, und wir leiden gerade so absurd schmerzhaft an allem, was war und allem, was ist, dass es fast kinofilmtauglich ist.
Wir haben geredet, während wir um halb sechs Uhr morgens auf dem Spielplatz gesessen und geschaukelt haben, und er hat erzählt, von damals, als er zu viel getrunken hat, viel zu viel, und noch mehr geraucht, und als die Absturzparties immer alle bei ihm waren.
Den Gratisalk fanden alle super, aufräumen eher weniger, aber er hat nichts gesagt, und unter der Woche, wenn niemand außer ihm in seiner Wohnung war, kamen genauso viele leere Flaschen dazu wie am Wochenende, wenn da dreißig Mann feierten.
Er hat Leberschmerzen, und seine Lungenkapazität ist eingeschränkt, aber er hat auch panische Angst vor Ärzten und Krankenhäusern, deshalb war er, seit das mit der Lunge festgestellt wurde, nicht mehr dort, auch nicht wegen den Leberschmerzen, und zwischenzeitlich hat er angefangen, zu versuchen, sein Leben auf die Reihe zu kriegen, was gar nicht so einfach ist, wenn man alleine ist, meint er.
Die Vergangenheit lässt einen nicht so schnell los, und da sind nicht nur seine Freunde, die sich wundern, wieso er "zum Weichei" wird, sondern da sind auch Erinnerungsschatten, tot aufgefundene Großeltern, prügelnde Väter, Ärzte, die sich nicht so verhalten, wie sie das eigentlich sollten und Emotionalität.
Er kann emotional sein, der Raucher, so sehr wie ich,
er kann endlos lange zusammengekauert im Bett liegen, ohne die Kraft, aufzustehen, wie ich,
seine Texte sind in Worte gepresste Gefühle, halb zerstörtes Papier und Schriftgemetzel, so, wie meine.
Er wird entweder von Gefühlen überrannt oder sucht sie vergeblich. Generell wird er aber öfter überrannt, sagt er. Und dass das schon ok so ist, denn dauerhaft das andere Extrem würde ihn auch kaputt machen. Sofern das überhaupt noch ginge.
Überlegen, ob wir noch kaputter sein könnten,
kommen zu dem Schluss, dass das sehr wohl ginge und klopfen uns auf die Schulter dafür, dass wir noch nicht total vor die Hunde gegangen sind.
"Auch, wenn ich bei dir Angst hab, dasses bald soweit is", sagt der Raucher und sieht mir ernsthaft in die Augen.
-"Unkraut vergeht nicht, und vielleicht ist das Schicksal unterfordert, wenns nicht regelmäßig Weltuntergänge inszenieren kann".
"Zumindest der, den ich jetzt mitbekomm, haut dich um, und ich will nicht, dass du liegen bleibst."
-"Krampfhaft immer wieder sofort aufstehen wollen ist auch nicht gesund."
"Solange du irgendwann wieder aufstehst, ist alles ok."
Wir schweigen.
Zwischendurch bringt sein Bruder Kekse vorbei, die seine Mutter gebacken hat, verabschiedet sich aber schnell wieder, als er mich sieht.
"Raucher, sieht mans mir so sehr an? Also, das leiden?"
-"Du siehst so aus, dass ich Angst um dich hab."
Der Kopf ist frei, doch das Herz ist so schwer#, es könnte leicht sein, doch es wird immer mehr...
Vielleicht war das Wochenende einfach zu viel.
Zu viel Hoffen, weil ich nach dem letzten eigentlich nur mit dem Fremden reden und es klären wollte,
zu viel Distanz, von ihm aus,
zu viel Verunsicherung, weil der Grinch sich uns anschloss, ganz selbstverständlich das tat, was für mich jedes Mal eine Überwindung aller persönlichen Ängste bedeutet und sich an ihn ankuschelte, mehrmals, und er sich nicht wehrte, und wir so wenig geredet haben, und weil er so einen Aufstand um die Ghettoschwester machte, am Samstag.
Vielleicht war es zu wenig. Zu wenig Klarheit, zu wenig Positivgefühl.
Vielleicht, und das ist wahrscheinlicher, bin ich aber auch mal wieder am Rand des Durchdrehens und habe keine Ahnung, wie ich das Restleben schaffen soll, routinemäßig und gut genug, um das Ding, das Abitur heißt, irgendwie zu überleben.
"Du hast dich in den Fremden verliebt, oder, mayhem?"
-"Was?"
"Du hast dich in den Fremden verliebt." Der Raucher schaut mich wieder ernsthaft an, vermutlich sieht er mehr als andere Menschen. "Ich hab mit ihm nicht drüber geredet oder so, aber ich merks dadran, wie du ihn anschaust. Dass du ihn retten willst, kann auch Freundschaft sein, aber nicht, wie du guckst. "
-"Raucher.."
"Jedenfalls find ich das schön. Also, nicht, dass dir das so wehtut und du da so drunter leidest, aber an sich find ichs schön, weils passen würd. Und weil ichs mir wünschen würde."
-"Für ihn oder für mich?"
"Beide glaub ich.
Hinter dem ganzen Mist, den er baut, weil er jetzt seine Pubertät nachholt, is der Fremde echt n guter Mensch, auch wenn er mit so Gefühlszeug nicht klarkommt.
Und bei dir bin ich einfach nur froh, dass wir beide befreundet sind. Und dass du mich nicht auslachst, wenn ich dir erzähl, dass ich Angst vorm Arzt hab oder sich manchmal die ganze Welt nur kalt und grau anfühlt, und das so ist wie innerlich sterben, nur dass mans jeden Tag hat."
Ich fange an, zu weinen.
Zu oft in letzter Zeit, und nie richtig, immer nur ansatzweise und dann Abbruch, aber diesmal macht es Anstalten, zum richtigen Weinen zu werden, bis ich merke, dass der Raucher, der mich in den Arm genommen hat, selbst kurz davor ist, mitzumachen.
"Junge, wir sind solche Wracks", stelle ich fest und er lächelt sogar.
-"Sind wir echt. Aber ich hab die ganze Zeit gedacht, ich wär allein damit. "
"Bist du nicht. Es gibt immer irgendwo jemanden, der einen versteht, weil er oder sie es selbst kennt."
-"Das klingt jetzt total schwul, aber ich bin froh, dass wir befreundet sind."
"Dito".

Abends noch ein Besuch beim Fremden, bis wir mit ihm, dem Grinch und Ms Golightly wieder zum Raucher fahren, bis jetzt endete jedes Wochenende dort, und auch beim obligatorischen Filmgucken lehne ich mich nicht am Fremden an.
Nicht, weil mein Herz wieder zurückgekehrt wäre, das hat er immer noch, sondern einfach, weil das so nicht mehr geht.
Ich kann nicht nonstop mutig sein und immer über meinen Schatten springen, während in den meisten Fällen keine wirkliche Reaktion kommt und ich von der Hoffnung zehre, die bei den paar Malen wiederbelebt wurde, in denen eine kam. Ich kann mir das alles nicht unbegrenzt lange antun, zusammen mit bevorstehendem Katzenrauswurf, mal wieder, herannahendem Abitur und allgemeiner Überlastung.
Ich bin kein Übermensch, ich habe nicht unendlich viel Kraft.
Der Raucher sagt, er hat eigentlich auch keine mehr, aber er kämpft trotzdem, weil es das Leben wert ist.
Ich weiß es aktuell nicht mehr, ob es das ist. Und das bedeutet, dass es mir nicht nur über den Kopf gewachsen ist, sondern dass ich an der Grenze bin, vor einer Mauer stehe, und dass das alles verdammt nochmal mehr wehtut, als ich vertragen kann.

Und ich habe Angst davor, es dem Fremden zu sagen, einfach so mein Herz zu öffnen, und die ständigen Spekulationen wegen seinem mehr als rätselhaften Verhalten bringen mich auch nicht weiter. Vieles spricht dafür, vieles dagegen, und das verunsichert mich fast so sehr, wie mir der Gedanke an ein Gespräch darüber Angst macht.
Ich habe mir Worte zurechtgelegt heute, aber es gab keinen passenden Moment, zu viel Schweigen, zu viel Verunsicherung und Eifersucht wegen dem Grinch und zwischendurch war er einfach weg, und überhaupt kann er so ein Arschloch sein und es dabei noch nicht einmal merken, weil er, was Zwischenmenschliches betrifft, noch unfähiger ist als ich und ihm zusätzlich noch oft das Feingefühl fehlt.
Habe mir trotzdem die Worte zurechtgelegt, sie behutsam weggepackt, als ich gemerkt habe, dass es heute keinen Sinn mehr hat, aber sie im Hinterkopf behalten.
Sie sind nicht perfekt, und vielleicht schaffe ich es nicht, all das, was da ist, in Worte zu fassen, aber ich werde es versuchen.
Vier Anläufe, es schriftlich festzuhalten. Dass ich es tun werde, wenn der Moment passt, definitiv und ohne "eventuell".
Ich glaube nicht daran, dass alles gut wird, aber vielleicht wird es das ja doch. Ich sollte mich nicht so von meiner Angst beeinflussen lassen, aber wer handelt schon komplett frei von inneren Zwängen?

Ich werde mit ihm darüber reden.
Irgendwann werde ich es ihm sagen, und dieses "irgendwann" sollte ziemlich bald sein, denn eigentlich halte ich es schon länger nicht mehr aus, das alles, und ich glaube, ich bin auf eine Art und Weise am Ende, die eindeutig nicht gesund ist.
Also kratze ich wieder meinen nicht vorhandenen Mut zusammen und springe mit viel Anlauf über meinen größten Schatten.
Ich habe Angst vor der Landung, wenn ich auf den Boden aufpralle und mit großer Wahrscheinlichkeit ziemlich hässliche Verletzungen davontrage, so rein emotional,
aber der Raucher hat auch Angst vor dem Arzt, panische, und geht trotzdem hin.
Sagt das so, als wir Sonntagnacht auf seinem Balkon sitzen und Sterne gucken. Dass ich Recht habe, wenn ich sage, dass da mal wer draufgucken müsste, auf die Lebergeschichte, wie auch auf die Hand, auf die ihm sein Azubi aus Versehen einen 120kg-Stein fallen lassen hat, aber "Ich hab doch so Angst davor. Ärzte sind alle gemein, und die können ihre Position voll ausnutzen".
Drücke seine gesunde Hand und verspreche ihm, mit zu gehen.
"Wenns sein soll, gehe ich bis ins Behandlungszimmer mit und schaue den Arzt so böse an, dass er sich gar nicht traut, irgendwie gemein zu sein.
Aber du bist physisch sowieso jetzt schon total kaputt, und es wird nicht besser, wenn du nie wegen deinen Verletzungen zum Arzt gehst. Und nein, es ist keine harmlose Kleinigkeit, wenn man von einem Bagger drei Meter durch die Luft geschleudert wird oder sich in den Oberschenkel sägt. Und Leberschmerzen sind auch eher weniger lustig, also mach da mal einen Termin aus."
-"Danke".
"Passt schon."
-"Wir kriegen das hin."
"Das mit dem Arzt?"
-"Das auch. Das mit dem Arzt, das mit dem Fremden. Unsere Leben. Wir schaffen das."
"Meinst du wirklich?"
-"Weiß nicht. Wär aber ganz schön."




Sonntag, 9. September 2012
Dieses Wochenende: Verunsicherung und Distanz.
Verwirrung, alleine mit dem Raucher im Kino gewesen.
Dann Besuch beim schwer angetrunkenen Fremden, der vom Fangirlie belagert wurde. Eifersucht, weil er sich nicht gewehrt hat.
Dann Samstag, Planungsverhedderungen, Ghettoschwesterdrama, schließlich doch alles ok.
Verunsicherung, ob angebracht oder nicht, weiß man nicht.
Distanz, weil nicht immer ich den ersten Schritt machen will.

Warten in seinem Zimmer, sein Stiefvater hasst mich und ich bin konfliktscheu, außerdem sitze ich nicht gerne mit fast heilen Familien, die ich nicht kenne, am Essenstisch.


Der Entschluss, es ihm zu sagen.
Heute morgen, als ich auf seinen Rücken gestarrt habe.
In meinem Kopf die Suche nach Worten.
Das Warten auf den richtigen Moment.
Die Angst.


Ich weiß nicht, ob es das wert ist.
Den kompletten Samstag mit dem Raucher verbracht, pärchenhaft, mit ankuscheln, und es war auch richtig. Aber ich bin nicht wegen dem Raucher hier.
Und wir haben geredet, wieder, und vielleicht ist es Freundschaft Plus, und vielleicht wäre es mit dem Raucher viel einfacher,
aber ich will nicht den Raucher, zumindest nicht auf diese Art und Weise, sondern den Fremden.

Und wenn der Moment heute kommt, dann sage ich ihm das.




Montag, 3. September 2012
"Das schaffe ich nie rechtzeitig!"
-"Oh doch, das schaffst du."
Während die Nachbarin sich schminkt und ihren neuesten Haarschnitt, Modell "klassische Igelfrisur in weißblond-pink", zurechtföhnt, packe ich nach ihren Anweisungen das Wichtigste in ihre Hand-, bzw. Umhängetasche, und wir schaffen es tatsächlich, den einzigen Bus Richtung Kleinstadt zu erwischen, obwohl sie bis vor 10 Minuten noch gesagt hat , dass sie nicht mitfahren wird, zu wenig Zeit zum aufhübschen.
Sitzen ganz cool in der letzten, bzw. in meinem Fall vorletzten Reihe des Busses, die Sonne wärmt uns das Gesicht und ich denke mir, alles wird gut.
Auch, wenn es nichts wird mit dem Fremden, so viele Freundschaften und Menschen verloren gegangen sind, ich so viele Macken und Kratzer mitgenommen habe und sich mal wieder ein epischer Weltuntergang am familiären Horizont abzeichnet.
Alles wird gut, zumindest für heute Abend.

Wir werden nicht vom Raucher allein abgeholt, auch die Ghettoschwester und der Fremde sitzen mit im Auto und scheinen sich beide zu freuen, mich zu sehen. Ja, beide.
Kleines Positivgefühl, das sich wieder verflüchtigt, als es, während wir im Supermarkt an der Kasse stehen, bei ihnen wieder so losgeht, wie es aufgehört hat.
Ich beschließe, mir nicht den Abend versauen zu lassen, den Fremden notfalls komplet zu ignorieren, die Band zu unterstützen, die anderen zu feiern und trotz Frust und dem Wissen,dass ich es könnte, nichts mit dem Raucher zu machen, was ich später bereuen werde.
Alles wird gut, auch, wenn es sich gerade wieder nach "aufgefressen werden vom eigenen Seelenmalstrom" anfühlt.

"Ach, du bist süß!" Die Ghettoschwester umarmt mich.
"Ich red auf jeden Fall nochmal mit ihm und pass auch mehr auf, und ich wünsch euch echt, dass das was wird. Er ist ja auch mein bester Freund, und es wär echt schön, wenn er mal ne glückliche, gute Beziehung hätte und ich glaub das hätte er mit dir."
Stehen vor dem Klowagen und müssen beide erstmal verdauen, was die jeweils andere gesagt hat.
Sie, dass ich sie über die Sache mit dem Fremden ins Bild gesetzt und meine Meinung zu ihrem Verhalten kundgetan habe,
ich, dass sie schon geahnt hat, dass der Fremde mein Herz hat, das total toll findet, der Meinung ist, dass ich gut zu ihm passe und mir helfen will.
Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich sie nüchtern erlebe.
Vielleicht sollte ich sie öfter abfangen, bevor sie sich betrinkt.
"Aber echt, ich glaub schon,dass das was wird. Er ist halt total schüchtern, aber man kann mit ihm auch über sowas reden, vielleicht musst du das mal machen."
-"Ja, hatte ich irgendwann vor. Aber nicht heute. Eigentlich bin ich auch nicht das Selbstbewusstsein in Person, du glaubst nicht, wie oft ich wegen ihm schon über meinen Schatten springen musste.."
"Ich kanns mir glaub ich denken. Also, ich hab ja gemerkt, dass du eigentlich auch schüchtern bist, sowas bekomm sogar ich mit." Sie lacht und zieht an ihrer Zigarette.
Es ist wirklich das erste Mal, dass ich sie nüchtern erlebe.
Könnte man sich dran gewöhnen.

Es folgt der Auftritt, und da stehen die Nachbarin, anfangs auch die Ghettoschwester, ihre Exfreundin, der Klischeeblackmetalfan und ich vor der Bühne, ganz alleine, der Rest hat sich in die Bar und an den Rand verzogen, und ich versuche irgendwie von hier unten aus, die Unsicherheit des Rauchers, der als ein einziges Nervenbündel auf die Bühne geschwankt ist, zu vertreiben, denn das, was sie machen, machen sie wirklich gut. Dabei ist es der Fremde, der mit dem Publikum spricht und versucht, es zu motivieren, weil der Raucher vor lauter Nervosität so sehr zittert, dass er einmal beinahe das Mikrophon fallen lässt; verkehrte Welt.

Es ist auch der Fremde, der nach dem Auftritt auf einmal verschwunden ist, zusammen mit der Ghettoschwester und ohne uns Bescheid zu sagen. Der KBM, der zwischendurch mit der Ghettoschwester verschwunden war, lacht. "Die liegen bestimmt im Gebüsch, die Ghettoschwester is voll zugekifft und übelst rattig!"
Vielen Dank auch.
Ein Anruf des Schlagzeugers, der noch mit einer anderen Band aufgetreten ist und bei kuschligen neun Grad gerne seine frischen Klamotten, die im Auto des Fremden lagern, angezogen hätte, ergibt,dass sie bei einem Fangirl auf Geburtstagsfeier sind.
Wiederkommen finden sie wohl überbewertet, irgendwann will der Schlagzeuger auflegen und da ist wieder dieses Gefühl, verloren zu sein..
Sometimes all you have to do is forget what you feel and remember what you deserve.
"Gib mir mal das Handy", bitte ich ihn, während der Raucher, inzwischen wieder Nervenbündel, seinen Kopf an meiner Schulter ablegt.
Am anderen Ende der Leitung das tosende Partyleben. Ich hasse sie alle.
"Fremder, bist du noch da? Ich bins, mayhem."
-"Ja, noch da. Was ist los?"
"Ich glaube, das weißt du selbst. " Schnauben am anderen Ende der Leitung. "Mir egal, wie scheiße du das jetzt findest. Weißt du, was ich scheiße finde? Seine Band einfach alleine zu lassen, ohne ein Wort abzuhauen, nach dem Unfall so gut wie besoffen noch Auto zu fahren, während sich dein Schlagzeuger in seinem nassgeschwitzten Zeug eine Lungenentzündung holt und dein Sänger fast zusammenbricht, nur, um auf so einer beknackten Geburtstagsfeier zu sein, bei der du schon vor vier Wochen absagen wolltest.
Ist ja nicht das erste Mal, das sowas kommt, und ja, ich bin enttäuscht, aber diesmal bin ich auch sauer und damit nicht allein. Glückwunsch, du hasts geschafft". Haue ihm das so ins Gesicht und lege dann auf. Der Schlagzeuger küsst mich auf die Wange, der KBM lacht zugedröhnt und der Raucher drückt mich an sich. Vermutlich müssen meine Nerven heute für uns beide reichen.

Zwanzig Minuten später hätte ich fast mit dem Raucher rumgemacht, habe mich sehr knapp, aber erfolgreich beherrscht, das schlechte Gewissen vergeblich gesucht und der Fremde ist wieder da, mit der Ghettoschwester, die auf dem Beifahrersitz hängt, alles lustig findet, leicht bläulich angelaufen ist und an der Grenze zur Bewusstlosigkeit tanzt.
"Wenn du jetzt ohnmächtig wirst, bekommst du massive Probleme mit mir, Mädchen, das sag ich dir!", schimpfe ich sie, während ich den Sitz in eine bessere Position bringe, sie in eine Decke und meine Jacke packe, das Kissen des Rauchers unter ihren Kopf stopfe und ihr meines in die Hand drücke, damit sie was zum Kuscheln hat.
Findet sie erst lustig, dann plagt sie das schlechte Gewissen.
"Du musst das nicht machen, ehrlich...das ist auch voll lieb von dir, und wieso machst du das?"
-"Passt schon. Weißt du, was du mit dem KBM geraucht hast?"
"Kräuter, hat er gesagt, nur.." Der Rest des Satzes verschwindet in Gewürge und mein Schlafkissen werde ich aufgrund akuter Angekotztheit vermutlich heute nicht mehr verwenden.
"Sie hat auch einiges getrunken, sowohl hier, als auch auf dem Geburtstag", wirft der Fremde ein, "vielleicht verträgt sich das nicht so."
Fechte so mit meinem inneren Konflikt. Notruf oder nicht Notruf, das ist die Frage..
Ich setze ihr innerlich eine Frist und sammle mich geistig schonmal soweit, dass eine effektive Informationsübermittlung im Fall der Fälle möglich ist, aber Kotzen hilft anscheinend, jedenfalls wirkt sie nur noch zugekifft und hat wieder einen Puls, der den Namen verdient, außerdem wirkt sie nicht mehr so tiefgekühlt wie vorhin(in Hotpants und Top bei 9 Grad Außentemperatur unterwegs zu sein ist aber auch nicht gerade schlau..).
Ich bewache sie noch eine Weile, esse mit ihr Kekse, die wir im Auto des Fremden gefunden haben und erzähle ihr eine Gute-Nacht-Geschichte, bis ich mir sicher bin, dass ich sie alleine und schlafen lassen kann, dann gehen wir wieder zurück aufs eigentliche Gelände, und der Fremde lässt sie tatsächlich alleine.
"Willste nicht bei der Ghettoschwester bleiben?", fragt der Schlagzeuger halb humorvoll, halb ernst gemeint.
-"Ach, die kommt schon klar."

Bands und Menschen rasen vorbei, es hagelt Komplimente für die beste Band der Kleinstadt, die Nachbarin geht schlafen, der Raucher, der Fremde und ich bilden zu dritt eine Wall of Death und die Welt ist schön, bis der KBM dem Fremden anbietet, auch mal zu ziehen und den Raucher und mich anpöbelt, wir bräuchten gar nicht "so zu gucken".
"Wenn der sich jetzt auch noch zukifft ey...wir ham ja an der Ghettoschwester gesehen, dass das Zeug reinhaut. Und kiffen is scheiße, ich sprech aus Erfahrung", grummelt der Raucher und zündet sich noch eine Zigarette an. Die zehnte heute.
Halte mich fest daran,mir nicht den Abend vermiesen lassen zu wollen und begnüge mich damit, den Fremden kurz anzuschweigen, bis das Bedürfnis, ehrlich sein zu wollen, überhand nimmt, als er mich schon wieder so ansieht.
"Brauchst nicht so gucken, was ich davon halte, kannst du dir vermutlich denken.Aber im Endeffekt bleibts deine Entscheidung, ich bin nicht deine Mutter".

Es bleibt bei einmal ziehen, beim zweiten Angebot will er eigentlich nachgeben, wird aber durch den Raucher mehr oder weniger effektiv von der kleinen, total fertigen Gruppe, die sich inzwischen um den KBM gebildet hat, abgeschirmt, bis man ihn für die Technik braucht.
Ich tue so, als würde ich zur Bühne schauen, der Fremde sieht mich an.
Sein Blick wandert zum KBM, dann Richtung Mischpult/Raucher, dann zu mir.Schließlich steht er auf und stellt seine leere Bierflasche ab.
"Wollen wir schonmal vor, mayhem?"
Ich juble innerlich.

Als wir uns um dreiviertel fünf ins Zelt wühlen, hat es fünf Grad Plus, was, zusammen mit dem kaputten Reißverschluss meines Schlafsacks, dafür sorgt, dass ich erwäge, doch wieder zum Tonnenfeuer zu gehen und dort zu bleiben, um nicht zu erfrieren, aber als ich den Fakt, dass ich meine Füße vor Kälte nicht mehr spüre, äußere, nimmt sie der Fremde kurzerhand zwischen seine, und tatsächlich versucht er, die ganze Nacht auf dem Rücken zu schlafen, sodass mein Kopf auf seiner Brust liegen bleiben kann, und den Arm, den ich um ihn gelegt habe, hält er zwischendurch fest, und legt zwischendurch seinen anderen um mich, als wir unsere Liegeposition geringfügig ändern.
Der DJ, der die Bands abgelöst hat, lässt bis zum nächsten Morgen Musik laufen, gefühlt rutscht meine Körpertemperatur unter 35 Grad, und die Flugsaurierschmetterlinge.. ach, scheiß auf die Viecher, ich bin glücklich.
So endorphingeflasht, dass ich vermutlich zugedröhnter bin als der KBM und die Ghettoschwester zusammen, und da ist Hoffnung in meinem Kopf, richtige Hoffnung, zusammen mit dem Vorsatz, am nächsten Wochenende mit ihm zu reden.

Und die Ghettoschwester wünscht mir am nächsten Tag nochmal alles Gute für die ganze Aktion, meint, dass das bestimmt Potenzial hätte und sie sich sehr für ihn freuen würde, wenn es was wird, bedankt sich dafür, dass ich die einzige Band neben der besten Band der Kleinstadt, die ich mir anhören wollte, zugunsten der Betreuung ihrer zugekifften und davon umgehauenen Person habe sausen lassen, findet, dass ich ein toller Mensch bin und sagt, dass das schon alles werden wird.

Eine Irrfahrt an Stelle des Heimwegs (Ich hätte wissen sollen, dass man sich auf den Fremden nicht verlassen kann...auf den Raucher aber genauso wenig) später stehe ich in der Küche des Rauchers und backe mit ihm zusammen Kekse,während die Nachbarin schläft und die Ghettoschwester noch beim Fremden ist, der versprochen hat, nochmal vorbeizukommen; und tatsächlich kommt er wieder, beinahe pünktlich und mit Laptop, und wir liegen alle im Garten und schauen Wolken an, bis der KBM, wahlweise immernoch oder schon wieder zugekifft, sich neben den Fremden stellt und Anstalten macht, seine Blase auf ihn zu entleeren; die rechtzeitige Flucht gelingt gerade so, und wir ziehen es vor, noch eine Weile beim Rauchernebenmieter rumzusitzen und Musik zu hören, bis wir uns wieder in die Wohnung des Rauchers trauen und Filme schauen, generell ab da wieder entspannte Positivstimmung, ich lehne am Fremden, bis ich mich aufraffe und daheim anrufe, um ein Lebenszeichen von mir zu geben und Bescheid zu sagen, dass ich später komme.
Papa Mayhems Stimme am anderen Ende der Leitung klingt nach Weinen.
"Papa,alles ok?"
-"Wir sind bei Großvater Mayhem. Tschüss."
Aufgelegt.

Als ich mich auf der Terasse zusammenkauere und versuche, ruhig weiter zu atmen, komme ich mir furchtbar verletzlich und doof vor, und der Konflikt zwischen "eigentlich gehöre ich nicht mehr dazu" und "aber es ist meine Familie, auch,wenn nicht mehr viel davon übrig ist" wird mir gerade ein bisschen viel, aber mit was geht es mir zur Zeit denn nicht so...
Und dann das schlechte Gewissen, weil ich den anderen die entspannte Positivstimmung versaut habe.
Aber wieder, das passiert zur Zeit doch regelmäßig.. und man gewöhnt sich doch an alles, bestimmt auch irgendwann an Seelenschmerz und Weltuntergang.
Also sammle ich meinen Mut und mein Selbstbewusstsein vom Boden auf, entschuldige mich dafür, den anderen die Stimmung versaut zu haben und schaue mir weiter den koreanischen Actionfilm an, dessen Titel ich bis jetzt noch nicht kenne und den der Fremde unbedingt sehen wollte.
Zwischendurch wieder etwas anlehnen an seiner Schulter , dann nicht mehr, dafür neutral-positives Schweigen und Blicke, wenn er denkt, ich würde es nicht mitbekommen.
Alles wird gut. Ganz sicher.
Vielleicht fange ich ja an, daran zu glaubem.
Irgendwann, es ist schon seit ein paar Stunden dunkel, will die Nachbarin gehen, man verabschiedet sich mit Worten oder Umarmung, und die des Fremden fühlt sich weniger distanziert an als sonst, ich verbuche das ganz bekloppt optimistisch als "er gibt sich Mühe".
Bevor er in sein Auto steigt und wir in das des Rauchers noch dessen Frage, nächstes Wochenende alle in die Stammkneipe? Stimme, abhängig von Datum und Uhrzeit, zu; die Nachbarin verneint, der KBM, der nicht gerfragt wurde, rülpst, gröhlt ein "saufen, saufen, saufen!" und wird demzufolge wohl auch mit von der Partie sein. Der Fremde ist laut eigener Aussage dabei, wenn er keinen anderen Termin hat, er habe da eine Geburtstagsfeier im Hinterkopf. Aber er wäre gerne dabei, sagt er. Und lächelt ansatzweise.
Hachja, das Lächeln..

Muss immernoch daran denken, als ich nach Hause komme, schwer verwirrt, hungrig, total übermüdet und optisch vermutlich pretty fucked up, koche mir noch einen Tee, setze mich mit der Katze ins Fenster, schaue zum Vollmond und sage zu Kater Mayhem, weißt du was, vielleicht wird alles gut.
Der Kater guckt, wie er eben immer guckt, irgendwas zwischen verwirrt, verächtlich und neutral, und ich sage, doch wirklich, ich glaube daran.
Alles wird gut, man muss nur atmen. Einfach weiteratmen. Auch,wenn das manchmal schwieriger ist als kämpfen.