Montag, 24. September 2012
Es ist eine Woche, es fühlt sich an wie eine Ewigkeit.
Das heißt nicht, dass es besser geworden ist, ich weiß nicht, ob es das ist; es tut immer noch genauso weh wie am Anfang, aber zunächst geht es ja gar nicht darum, den Schmerz los-, sondern eher darum, mit ihm fertig zu werden.
In der vergangenen Woche also Versuche meinerseits, es zu realisieren (unnötig zu erwähnen, dass sie fehlgeschlagen sind, alle), und als der Fremde dann am Sonntag doch beim Raucher vorbeikam und zuvorkommender und freundlicher war als sonst, sich, nachdem ich erwähnt hatte, dass ich bald gehen würde, extra mit dem Essen daheim beeilte und pünktlich wiederkam und mir am Schluss die warmherzigste Abschiedsumarmug seit Beginn unserer seltsamen Freundschaft verpasste, fragte ich mich so ein kleines bisschen, was das sollte, während ich versuchte, die Hoffnung niederzuringen und das Miststück zu erwürgen.

Vermutlich ist es das schlechte Gewissen.
Der Fremde hat es mir noch nicht gesagt, er geht wohl davon aus, dass ich es dank Ms Golightly schon weiß, und vielleicht kommt diese (immer noch leicht distanzierte) Freundlichkeit einfach von seinem schlechten Gewissen, so ein bisschen scheint er auch davon auszugehen, dass jetzt alles geklärt ist und wir somit weitermachen können wie bisher, nur ohne Annäherungsversuche meinerseits.

So geht das aber nicht.
Ich will ein Gespräch, ein persönliches, und ihm sagen, dass es nicht nett ist, jemanden so in der Schwebe zu lassen und immer wieder die Hoffnung zu reanimieren, so lange, bis sie nicht mehr totzukriegen ist, und dass ich auch Gefühle habe, und man mir auch wehtun kann, auch, wenn er das nie so richtig mitbekommen hat, weil ich jedes Mal die Zähne zusammengebissen und einfach weitergemacht habe, wenn er es mal wieder geschafft hat, mich in den Abgrund zu schubsen, und weil er in dieser Hinsicht das Einfühlungsvermögen einer Leitplanke hat.
Ich war kurz davor, es ihm zu sagen, aber dann dachte ich mir, eigentlich ist das sein Job.
Eigentlich müsste er mir sagen, dass es von ihm aus nichts wird, und nicht Ms Golightly; eigentlich sollte er sich nicht einfach aus der Affäre ziehen, nur, weil ich es ja jetzt weiß und Ende, und ganz davon abgesehen sollte er sich eigentlich wie der Erwachsene verhalten, der er laut Personalausweis schon ein paar Jahre länger ist als ich.

Vielleicht habe ich doch einen Fortschritt gemacht in der Woche.
Es tut immer noch furchtbar schrecklich weh, entweder habe ich ganz vergessen, wie weh es tut, oder es ist diesmal schlimmer als sonst, und ich hoffe immer noch, aber immerhin gebe ich der Hoffnung bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Faktenkanone eins auf den Deckel, und ich kann mir sogar ansatzweise Aggression einreden.
Auch, wenn ich weiß, dass sie nicht echt ist. Und ich ihn nicht hasse. Und nichtmal richtig wütend bin.
Und eigentlich nur will, dass alles gut wird.
Aber das habe ich wohl, aus irgendeinem Grund, nicht verdient.


Und dann ist da Papa Mayhem, der mich in der Kleinstadt anruft, den Weltuntergang über mir herabregnen lässt und dann verkündet, die Katze muss gehen. Jetzt sofort, auf der Stelle. Nein, er kann nicht bis Ende November/Anfang Dezember warten, wenn ich sowieso gezwungenermaßen ausziehe und in der selben Woche noch Chemie, Mathe und Wirtschaft schreibe.
Der Schlagzeuger merkt es nicht, der macht weiter Witze. Der Fremde schaut kurz her, konzentriert sich aber dann wieder aufs Gitarrespielen.
Nur der Raucher hat wohl mitbekommen, was los ist, obwohl er nichtmal neben mir sitzt, und er deutet in Richtung Terasse, schließt die Tür hinter uns und nimmt mich kurz in die Arme.
"Wenn dein Vater die Katze und dich jetzt rauswirft, könnt ihr zu mir, bis du mit der Nachbarin in die Mietswohnung gehst. Ich klär das mit meinen Eltern, denen gehört das hier ja, aber es müsste schon klargehen. Platz genug is, Benzin sparste dann auch ohne Ende, und dann haste wenigstens die Ruhe, die du brauchst um das Seminararbeitdings und das andere da zu schreiben. Und brauchst keine Angst ham, dass die Katze fliegt. Und auch nicht vor deinem Vater, oder seiner Freundin."

Als der Raucher mich heimfährt, beschließen wir, noch zum Aussichtspunkt zu laufen, Sterne gucken, und ich lasse mir das Wochenende nochmal durch den Kopf gehen, der Fremde, vor allem der Fremde, wieder mal, den Fakt, dass es mit ihm doch nichts werden soll, irgendein schlauer Mensch hat mal gesagt, die größte, intensivste, wahrste Liebe ist die, die unerwidert bleibt; die böse Kneipe, übernachten beim Raucher, wirken beziehungshaft, sind es aber nicht , dafür wohl Freundschaft mit Kuschelfaktor, Tendenz Richtung weitere Extras, keinerlei enttäuschte Hoffnungen seinerseits und wohl auch keine meinerseits, dafür zwischendurch aus dem Nichts heraus innere Abwehrreaktion bei mir, unterdrücke sie und verfluche mich selbst ein wenig dafür, dann wird es wieder besser, vielleicht lag es nur daran, dass Samstag und Sonntag zu viel Nähe auf einmal waren, und irgendwie ist es wohl so, dass ich ihm Halt gebe, mehr,als das seine Familie oder seine Freunde können, und er war die letzten Wochenenden nüchtern, das war er sonst nie, sagt er, und dieses Wochenende hat er keine einzige Zigarette geraucht.
Unter der Woche sind Schlaflosigkeit und depressionsgetränkte Liedtexte seine Begleiter, am Wochenende bin ich es.
Wenigstens mit einem von uns beiden geht es bergauf.


Und immer noch: Ja, es tut weh.


Die wüsten Straßen fließen lichterloh
durch den erloschnen Kopf. Und tun mir weh.
Ich fühle deutlich, dass ich bald vergeh-
Dornrosen meines Fleisches, stecht nicht so.

De Nacht verschimmelt. Giftlaternenschein
hat, kriechend, sie mit grünem Dreck beschmiert.
Das Herz ist wie ein Sack. Das Blut erfriert.
Die Welt fällt um. Die Augen stürzen ein.

("Punkt" von Alfred Lichtenstein)




Montag, 17. September 2012




Phönixpotenzial.
Der Kumpel hat gesagt, ich habe Phönixpotenzial; zerfallen zu Staub, verbrennen an den eigenen Gefühlen und dann aus der Asche wieder aufstehen.
Aber der Kumpel hat auch gesagt, ich solle mich vor dem Raucher in Acht nehmen.

Dem Raucher, bei dem ich von Samstag auf Sonntag geschlafen habe, weil der Fremde spontan den Musiker beherbergen musste.
Dem Raucher, der mich anlächelte und meinte, das würde doch was werden, als der Fremde vor und nach dem Auftritt das Gratisbier Gratisbier sein ließ und lieber bei mir blieb; als er mich umarmte, immer wieder, und pünktlich war, als wir abends wieder zum Raucher gingen, nachdem ich zwischendurch eine Seminaraktion und der Fremde eine Taufmusikprobe überstanden hatte.
Dem Raucher, der, als ich von dem Gespräch mit Ms Golightly wiederkam, sofort gemerkt hat, was los ist, mich auf die Terasse bugsiert und im Arm gehalten hat, als ich angefangen habe, zu weinen.

Es ist auch der Raucher, neben dem ich auf einem Stein auf dem Aussichtspunkt sitze und die Sterne anschaue, weil man die in der Kleinstadt nicht gut sieht, und es ist der Raucher, dem ich sage, dass ich das so nicht mehr kann. So weitermachen.
Überhaupt, weitermachen, mit welcher Kraft denn…
Er sagt, dass er es nicht versteht. Den Fremden. Der mit Ms Golightly über mich geredet hat und laut ihr meinte, er habe versucht, sich auf die Sache mit mir zu konzentrieren, aber es sähe im Moment eben nicht danach aus.
Keine Begründung, nichts. Dafür ein „im Moment“.
Wenn es etwas gibt, was ich durch das Problem gelernt habe, dann, mich von „im Moment“ und Konsorten nicht zu Hoffnung anstiften zu lassen.
Es gibt keine Hoffnung, nicht in dem Fall.
Also Hoffnung, stirb endlich, aber richtig.

Zu erwachsen.
Der Raucher vermutet, dass es daran liegt. Bin zu erwachsen, sagt er; hab zu viel mitgemacht, und deshalb klappt es mit Leuten wie dem Problem oder dem Fremden nicht.
Vielleicht hat er Recht.
Aber es ist mir egal, gerade ist alles egal, ich will nicht, dass es so ist, wie es ist, und ich will mein schnelles Existenzende oder dass es aufhört, wehzutun.
Ich sage ihm das so, wortwörtlich, und er ist unter Garantie völlig überlastet, aber in dem Moment ist mir das egal.
Im nächsten komme ich mir egoistisch vor und es tut mir Leid, also entschuldige ich mich, aber er sagt, das ist schon ok. Und dass er den Fremden nicht versteht.
Ich sage, mit Mädchen wie der Ghettoschwester kann ich wohl nicht mithalten und denke dabei an ihr Selbstbewusstsein und dass sie dünner ist und weiß genau, dass zumindest letzteres kein ausschlaggebender Punkt ist.
Vielleicht das Selbstbewusstsein, und ihre Art an sich. Offener, und prinzipiell nicht am sichsorgenmachen, sondern immer am mitsaufen.
Der Raucher sagt, dass ich besser bin als solche Mädchen. Und der Fremde dumm ist, wenn er das nicht versteht, oder einfach noch nicht so weit. Er tippt auf letzteres, und sagt, wenn der Fremde sich verhält wie ein Fünfzehnjähriger, wie soll er dann mit einer Freundin klarkommen, die mit 18 ist wie 23 und in den achtzehn Jahren vom Schicksal mehr auf die Fresse bekommen hat als normale Menschen in 50 Jahren.
Mein Gefühl sagt, dass er Recht hat, aber das ist gerade egal.

Überhaupt ist gerade alles egal, nur dieses Gefühl, mein kleines Herz wieder hergeschenkt, und wieder muss ich es mir kaputt zurückholen.
Kaputtes Herz, kaputtes ich.
Und das Einzige, was ich aus der Sache mitnehme, ist das Wissen, dass ich manchmal über meinen Schatten springen muss und das auch kann.
Ich wollte nicht nur das mitnehmen, ich wollte ihn mitnehmen. Eigentlich von Anfang an.
Aber das geht nicht. Also hole ich mir mein Herz zurück, mal wieder, weil das Ding niemand haben will, und jedes Mal wird es hässlicher, und der Raucher hält mich im Arm und hält mich weiter fest, während meine Musik über usb läuft, erst Thoughts Paint the Sky, ich weine, und dann Wings von Frittenbude, das immer lief in den letzten Minuten, bevor ich am Bahnhof ankam und dass immer das Lied war, verknüpft mit dem Fremden, das Lied, das gesagt hat, es wird schmerzhaft, aber es wird, und ich weine.
Da ist das Festival in meinem Kopf, der eine Abend, händchenhaltend durchs Moshpit und kuschelnd im Zelt, da ist der Auftritt, nach dem es mal von ihm aus ging.
Das erste Mal übernachten bei ihm, als ich auf seinen Rücken gestarrt und mir gesagt habe, ich würde gerne öfter neben ihm einschlafen.
Er hat versucht, sich auf ne potenzielle Beziehung mit dir zu konzentrieren..
In seinem Arm im Auto schlafen, beim Warten auf die Festivalbändchenausgabe, beim Warten auf Ms Golightly, beim Warten am See.
..aber er sagt, dass das im Moment nichts wird. Sagt er dir aber nochmal persönlich.
„Wenn er dann mal ne Freundin hat, wars das.
Egal, ob Ghettoschwester, Fangirlie oder sonst was, dann wars das. Ich halte es ja schon jetzt nicht mehr aus, und wir sind befreundet, so irgendwie. Ich kann das nicht, ich hab jetzt schon Horrorszenarien im Kopf.“
-„Ach man..“ Der Raucher zieht mich ein Stück an sich und packt mich in seine Jacke. „ Ich versteh den Kerl nicht. Ich verstehs echt nicht…aber so blöd, wies jetzt klingt, er ist halt echt nicht so weit. Der ist einfach noch nicht so weit, auch wenns dieses Wochenende wieder echt gut aussah… und ich habs dir gewünscht. Ehrlich, ich habs dir echt gewünscht, dass das was wird, einfach, weil dus verdient hast, dass du mal glücklich bist...“
„Vermutlich sieht mein Schicksal mich nicht gerne glücklich.“
-„Mir egal, was das sagt, ich will dich glücklich sehen.“
„Ach Raucher…“

Als der Raucher mich vorm Hoftor verabschieden will, stellen wir fest, dass mein Vater nicht da ist, Garage leer, dann: Hausschuhe weg, Schlafzimmer abgeschlossen. Also kommt er noch mal mit rein, und wir schweigen uns so an, während ich Kater Mayhem, der in letzter Zeit so schrecklich von mir vernachlässigt wird, beiläufig den Kopf kraule und er schnurrt, als gäbe es kein morgen mehr.
Wenigstens für den Kater bin ich die Größte, zumindest in diesem Moment.
Teile dem Raucher diese Feststellung mit und er sagt, dass ich die Größte bin. Zumindest die Größte und Stärkste und Tollste, die er kennt.
“Du bist viel größer, als du denkst“, hat der Fremde auf dem Festival gesagt.
Auf dem Festival, als da so was wie Hoffnung war. Manchmal.
Vermutlich geht es jetzt darum, zu zeigen, wie groß ich bin.
Ich habe mal geschrieben, vielleicht bin ich groß genug, um das alles zu überstehen. Ich bin mir da nicht mehr so sicher, wissen Sie.
Nein, stimmt nicht.
Eigentlich ist mir völlig klar, dass es das diesmal war. Sehe mir wieder beim Scheitern zu und warte auf meinen Zusammenbruch, und diesmal kommt er sicher, die Frage ist nur wann. Vielleicht bin ich auch schon mittendrin.
Mein Gefühl sagt, dass es diesmal nicht mehr weitergeht, nicht so und nicht an diesem Punkt und…eben überhaupt nicht.
Und ich hätte jetzt sehr gerne jemanden, der mich auffängt, irgendwann, möglichst vorm Aufprall, oder mir hilft, ihn abzudämpfen, aber im Endeffekt kann man sich nur selbst retten.

Ich kanns nicht mehr. Nicht jetzt, nicht später, nicht in dieser Situation, alles zu viel und jetzt noch mehr.
Das Problem mit dem „stark sein“ ist, dass es nicht aufhört, weh zu tun; das Schicksal denkt sich nicht, gut, jetzt reichts aber mal, das Schicksal entscheidet sich nicht dafür, einem spontan was Gutes zu tun, nicht, wenn es um so was geht; vielleicht den Fund eines Geldstücks als Höchstleistung; aber wenn es kein Euro ist, den man findet, sondern eine Person, vergisst das Schicksal jede Nettigkeit und jeden Skrupel, und wenn dann noch das Herz auf Wanderschaft geht, weiß man, es wird schmerzhaft.

Vielleicht Hamburg.
Vielleicht doch für den Freiwilligendienst nach Hamburg, ein halbes Jahr, und das andere halbe Jahr nach Prag.
Ich habe gesagt, ich gehe nach Prag, irgendwann.
Leere Pläne, Überreaktion, aber vielleicht hilft das.
Einfach zulassen, alles geht vorbei.
Einfach weiteratmen, alles wird.
Nächstes Wochenende ohne den Fremden, er geht aufs Dorffest, mit der Ghettoschwester, den Groupies und den Fangirlies, ich gehe in die böse Kneipe mit dem Raucher, dem Masochisten und eventuell der alten Sache und Co. .
Ich sage meinen Dienst ab, no Dorffest for me, denn es ist schlimm, wenn ich mir den ganzen Abend den Kopf zerbreche, was das Fangirlie mit ihm anstellen könnte, aber es wäre wohl schlimmer, wenn ich dabei wäre und ihm dauernd nachrennen würde.
Also nimmt mich der Raucher mit in die böse Kneipe, hat er gesagt, und es ist ok, wenn ich da wieder weg will, weil es mir schlecht geht wegen dem Fremden, oder weil ich mich unwohl fühle, weil so viele unbekannte Leute da sind, oder weil die alte Sache wieder so komisch ist. Er sagt, dass es ok ist, einfach aus Räumen und von Orten wegzulaufen, weil die Situation zu viel ist, und er sagt, dass er dann mit mir wegläuft, weil es zur Zeit keine gute Idee ist, mich alleine zu lassen.
Und er sagt, dass alles gut wird. Irgendwann wird alles gut, sagt er; hat das so von mir übernommen und glaubt daran, und er sagt mir immer wieder, dass alles gut wird.
Für mich bedeutet das gerade, dass es mit dem Fremden was wird, aber das bleibt Wunschtraum.
Also wird nicht alles gut.
Vielleicht habe ich nicht genug daran geglaubt.

Vielleicht wird doch nicht alles gut, Raucher, sage ich ihm. Vielleicht hatte ich Unrecht, als ich das gesagt habe, jedes Mal. Aber alles geht vorbei.

Alles geht vorbei, Nein wir bleiben nicht stehen.
Alles geht vorbei, auch ein wieder mal gebrochenes Herz.




Donnerstag, 13. September 2012
Alles so harmonisch.
Es wirkt alles so harmonisch, wie wir hier sind, der Raucher und ich am Pizzabacken, der Fremde versucht, zu helfen und macht dabei im Endeffekt mehr Arbeit als vorher, Ms Golightly gießt die Blumen.
Es fühlt sich so richtig an, hier zu sein, vielleicht habe ich eine Bedeutung von "zuhause" gefunden, und der graue Schmerzvorhang, der normalerweise unter der Woche über allem liegt, wurde zur Seite gefegt und lässt Licht durch und es scheint auf das ganze Gemetzel, das da in mir drin ist.

Sie sehen es.
Der Raucher scheint es zu spüren, kaputte Menschen finden sich immer, im Fremden ist eine Ahnung davon, nicht genau greifbar vermutlich, aber sie ist da, und Ms Golightly weiß lange nicht alles, aber einiges.
Eigentlich ist ihr schon das zu viel. Unbegreiflich, krasse Sache, und ich wirke doch noch so normal...


Normal ist eine Täuschung.
Merke es, während ich später am Abend an der Schweigsamkeit des Fremden leide, während der Raucher grummelt, es könne doch gar nicht sein, dass der Kerl es nicht rafft, aber der Fremde scheint es wirklich nicht zu raffen und irgendwann gegen drei, als der Seelenschmerz unerträglich geworden ist, sodass ich mich auf die Terasse gesetzt, die Augen geschlossen und mich aufs weiteratmen konzentriert habe, verabschiedet er sich. Mit Umarmung, aber er geht.
Schlafe nicht bei ihm, weil er erst gegen neun aufstehen muss und ich schon um sieben (und es für ihn untragbar gewesen wäre, um diese Uhrzeit von meinem Handysignal kurz aufgeweckt zu werden); wäre ich daheim, würde ich dann bereits auf dem Weg zum Bus sein.
"Ist es sehr schlimm?" Der Raucher steht im Durchgang zur Terasse und scheint zu überlegen, ob ich jetzt lieber alleine wäre und ob man diesen potenziellen Wunsch genehmigen sollte oder eher nicht.
Ich weiß es ja selbst nicht.
-"Ja, gerade schon". Aber ich weine nicht. Einfach weiteratmen. Geweint wird nicht, nicht schon wieder.
Nicht schon wieder wegen dem Fremden und nicht schon wieder vorm Raucher.
Schweigen, dann: "Pass auf: Ms Golightly und ich, wir gehn schonmal pennen, aber wenn was is, bitte sag was. Mich kriegt man zwar nicht auf Anhieb wach, aber dann kitzel mich oder tritt mich meinetwegen,dann wach ich auf, denk ich. Und egal, wie gern du dir Sterne und Glühwürmchen und son Zeugs anschaust, geh bloß nicht auf den Balkon, der is total marode. Ok, mayhem?"
Der Balkon kann gar nicht so marode sein, wie ich mich fühle. Herz marode, Stützbalken morsch, meine ganze Person brüchig und einsturzgefährdet.
Der Raucher legt mir die Decke mit dem Katzenmuster, die sonst auf seinem Sofa liegt, um die Schultern.
"Sonst erfrierst du bestimmt. Soll ich dir noch nen Tee machen oder so?"
-"Nein, schon ok. Danke." Einfach weiteratmen.
Augen zu, weiteratmen, alles wird gut, du musst nur atmen.
"Na gut. Dann sag ich mal gute Nacht, auch, wenn du wahrscheinlich eh nicht schläfst.."
-"Gute Nacht, Raucher. Und danke, so allgemein".
Auch, wenn du mich verwirrst, so rein emotional.
Aber ich bin am zusammenbrechen und wegbröseln, da kann das schonmal passieren.

Als es draußen schon wieder hell und in mir nicht besser, aber auch nicht schlimmer wird, beschließe ich wagemutig, einen Versuch zu starten, zu schlafen.
Zähneputzen, Abschminken und innerlich bereite ich mich schon darauf vor, den Hund vom Sofa jagen zu müssen,als ich feststelle, dass das Deckenknäuel dort Ms Golightly ist. Sämtliche Versuche, sie ansatzweise zu verschieben und mir wenigstens eine kleine Schlafecke zu schaffen, schlagen fehl, und ich will sie nicht aufwecken.

"Das ist rein freundschaftlich."
Ziehe das Kopfkissen so weit unterm Raucher vor, dass ich auch was davon habe, wickle mich in die Katzendecke, kauere mich in meine Standardschlafposition alias die halbe Embryonalhaltung, Rücken zum Raucher und horche in mich rein, ob da Müdigkeit ist.
Eigentlich schon, aber da ist auch leichtes Flattern.
Herzflattern, Schmetterlingsflattern.
Moment, Schmetterlinge?
Könnte sein, ist aber nicht sicher.
Auf jeden Fall nicht flugsauriergroß. Vermutlich nur Verwirrung, Verzweiflung, das Wissen, dass da jemand ist, der versteht und da sein will und zusätzlich Hormonchaos.
"Das auch. Ehrlich."
Er rutscht näher ran, ich spüre ganz leicht seinen Atem im Nacken.
horche wieder in mich rein, ob da eine Abwehrreaktion ist.
Da ist keine, also bleibe ich liegen.
Da kommt auch keine, als er seinen Arm um mich legt, also bleiben wir so liegen.
Von irgendwoher kommt diffuses Licht, das sich grauschleierhaft über alles gelegt hat, Lichtstaubschicht auf uns. Der Raucher ist relativ schnell eingeschlafen, aber sein Arm hält mich immer noch fest und sein Kopf lehnt ganz leicht an mir und sein Bart kratzt an meinem Hals.
Irgendein diffuses Gefühl ist da wieder, vielleicht Herzflattern, wer weiß.
Es fühlt sich seltsam an.
Ich kann nicht einmal sagen, ob gut-seltsam, schlecht-seltsam oder neutral-seltsam und denke über diesen Umstand nach, bis das Handy des Rauchers irgendein Black Metal-Geschrei in den Raum kotzt, um seine Weckerfunktion zu erfüllen.
Der Mensch hinter mir grummelt, dreht sich Richtung Handy, haut einmal sehr fest drauf, dreht sich wieder zu mir, legt seinen Arm wieder um mich, drückt mich kurz an sich und scheint dann weiter zu schlafen.
Jetzt ist da eine Angstvorstufe.
Immerhin noch sehr weit entfernt von richtiger Angst, vermutlich heißt das Verunsicherung.
Oder sichsorgenmachen.
Weil ich ihm nicht wehtun will eigentlich, und ihm keine Hoffnungen machen will, eigentlich, weil für mich doch so völlig klar ist, dass das nur Freundschaft ist.
Eigentlich.
Tatsächlich bin ich umarmungsüberlastet und will das eigentlich gar nicht sein, denn eigentlich finde ich es nicht unangenehm, ich weiß nicht, wie ich es finde, denn mein kleines Herz ist übelastet und am zerfallen, und mein Verstand schreit mir die Fakten so laut ins Gesicht, dass mir schlecht wird.
Dass das gemein von mir ist, schreit mein Verstand. Was das soll, ihm Hoffnungen zu machen. Was das überhaupt soll, da ist doch der Fremde, zumindest in Arbeit.
In Arbeit heißt nicht, dass es etwas wird, schreien die Zweifel mindestens genauso laut zurück.
Davon abgesehen hat er gesagt, das ist freundschaftlich, und eigentlich haben wir das gesagt, nur Freundschaft, beteiligt sich die Naivität an der Diskussion.
Gedankenrasen, und er liegt einfach so hier und hält mich fest und atmet schon wieder ganz ruhig und sein Bart kratzt wieder an meinem Hals.
Konzentrieren aufs ruhige weiteratmen ist zwecklos, mein Hirn ist gerade nicht ruhig und mein Herz auch nicht, da ist so viel Verwirrung und Überlastung und überhaupt, klar denken ist gerade so schwierig.
Es wird etwas einfacher, als ich von ihm weg und an die andere Seite des Bettes gerutscht bin, also doch umarmungsbedingte Überlastung.
Dass mich das noch so sehr erwischt...
Selbstkontrolle ist eben doch nur Illusion.
Beruhigung kommt schubweise, die Panikvorstufe verabschiedet sich schrittweise, draußen wird es heller und nach ein paar Runden erzwungen ruhigem "einfach weiteratmen" klappt es tatsächlich, das ruhige Weiteratmen, und noch ein paar Runden später bin ich wieder im neutralen Bereich, so stabil, wie das bei mir eben geht.
Dafür kommt jetzt der graue Schmerzvorhang wieder, zusammen mit Verlorenheitsgefühl und der Frage, wie das alles eigentlich weitergehen soll. Welchen Weg, und vor allem, woher die Kraft kommen soll, ihn einzuschlagen und weiter zu machen.
Allgemein, woher die Kraft für das alles. Woher soll ich sie denn nehmen...

Als ich mich wieder zum Raucher drehe und ein Stück in seine Richtung rutsche, ist er ansatzweise wach, und vielleicht kann er ja Gedanken lesen oder man sieht mir inzwischen alles an, jedenfalls nimmt er meine Hand, sieht mich wieder ganz ernsthaft an, drückt sie sanft und erinnert mich wieder, "rein freunschaftlich".
Sagt er und schaut so, dass ich es ihm glaube. Oder glauben könnte, ich weiß es nicht.
Was auch immer da ist, es verwirrt mich.
Vielleicht nur Überlastung und Hormonchaos.
Wenn nicht, habe ich ein Problem.

Ja, es tut weh. Alles.






Montag, 10. September 2012
Der Raucher und ich, wir sitzen so bei ihm auf dem Sofa, ich habe wieder beinahe das ganze Wochenende in der Kleinstadt verbracht und wenn ich daheim war, waren es mein Vater und Anhang nicht, aber dafür war er es mit mir, und wir leiden gerade so absurd schmerzhaft an allem, was war und allem, was ist, dass es fast kinofilmtauglich ist.
Wir haben geredet, während wir um halb sechs Uhr morgens auf dem Spielplatz gesessen und geschaukelt haben, und er hat erzählt, von damals, als er zu viel getrunken hat, viel zu viel, und noch mehr geraucht, und als die Absturzparties immer alle bei ihm waren.
Den Gratisalk fanden alle super, aufräumen eher weniger, aber er hat nichts gesagt, und unter der Woche, wenn niemand außer ihm in seiner Wohnung war, kamen genauso viele leere Flaschen dazu wie am Wochenende, wenn da dreißig Mann feierten.
Er hat Leberschmerzen, und seine Lungenkapazität ist eingeschränkt, aber er hat auch panische Angst vor Ärzten und Krankenhäusern, deshalb war er, seit das mit der Lunge festgestellt wurde, nicht mehr dort, auch nicht wegen den Leberschmerzen, und zwischenzeitlich hat er angefangen, zu versuchen, sein Leben auf die Reihe zu kriegen, was gar nicht so einfach ist, wenn man alleine ist, meint er.
Die Vergangenheit lässt einen nicht so schnell los, und da sind nicht nur seine Freunde, die sich wundern, wieso er "zum Weichei" wird, sondern da sind auch Erinnerungsschatten, tot aufgefundene Großeltern, prügelnde Väter, Ärzte, die sich nicht so verhalten, wie sie das eigentlich sollten und Emotionalität.
Er kann emotional sein, der Raucher, so sehr wie ich,
er kann endlos lange zusammengekauert im Bett liegen, ohne die Kraft, aufzustehen, wie ich,
seine Texte sind in Worte gepresste Gefühle, halb zerstörtes Papier und Schriftgemetzel, so, wie meine.
Er wird entweder von Gefühlen überrannt oder sucht sie vergeblich. Generell wird er aber öfter überrannt, sagt er. Und dass das schon ok so ist, denn dauerhaft das andere Extrem würde ihn auch kaputt machen. Sofern das überhaupt noch ginge.
Überlegen, ob wir noch kaputter sein könnten,
kommen zu dem Schluss, dass das sehr wohl ginge und klopfen uns auf die Schulter dafür, dass wir noch nicht total vor die Hunde gegangen sind.
"Auch, wenn ich bei dir Angst hab, dasses bald soweit is", sagt der Raucher und sieht mir ernsthaft in die Augen.
-"Unkraut vergeht nicht, und vielleicht ist das Schicksal unterfordert, wenns nicht regelmäßig Weltuntergänge inszenieren kann".
"Zumindest der, den ich jetzt mitbekomm, haut dich um, und ich will nicht, dass du liegen bleibst."
-"Krampfhaft immer wieder sofort aufstehen wollen ist auch nicht gesund."
"Solange du irgendwann wieder aufstehst, ist alles ok."
Wir schweigen.
Zwischendurch bringt sein Bruder Kekse vorbei, die seine Mutter gebacken hat, verabschiedet sich aber schnell wieder, als er mich sieht.
"Raucher, sieht mans mir so sehr an? Also, das leiden?"
-"Du siehst so aus, dass ich Angst um dich hab."
Der Kopf ist frei, doch das Herz ist so schwer#, es könnte leicht sein, doch es wird immer mehr...
Vielleicht war das Wochenende einfach zu viel.
Zu viel Hoffen, weil ich nach dem letzten eigentlich nur mit dem Fremden reden und es klären wollte,
zu viel Distanz, von ihm aus,
zu viel Verunsicherung, weil der Grinch sich uns anschloss, ganz selbstverständlich das tat, was für mich jedes Mal eine Überwindung aller persönlichen Ängste bedeutet und sich an ihn ankuschelte, mehrmals, und er sich nicht wehrte, und wir so wenig geredet haben, und weil er so einen Aufstand um die Ghettoschwester machte, am Samstag.
Vielleicht war es zu wenig. Zu wenig Klarheit, zu wenig Positivgefühl.
Vielleicht, und das ist wahrscheinlicher, bin ich aber auch mal wieder am Rand des Durchdrehens und habe keine Ahnung, wie ich das Restleben schaffen soll, routinemäßig und gut genug, um das Ding, das Abitur heißt, irgendwie zu überleben.
"Du hast dich in den Fremden verliebt, oder, mayhem?"
-"Was?"
"Du hast dich in den Fremden verliebt." Der Raucher schaut mich wieder ernsthaft an, vermutlich sieht er mehr als andere Menschen. "Ich hab mit ihm nicht drüber geredet oder so, aber ich merks dadran, wie du ihn anschaust. Dass du ihn retten willst, kann auch Freundschaft sein, aber nicht, wie du guckst. "
-"Raucher.."
"Jedenfalls find ich das schön. Also, nicht, dass dir das so wehtut und du da so drunter leidest, aber an sich find ichs schön, weils passen würd. Und weil ichs mir wünschen würde."
-"Für ihn oder für mich?"
"Beide glaub ich.
Hinter dem ganzen Mist, den er baut, weil er jetzt seine Pubertät nachholt, is der Fremde echt n guter Mensch, auch wenn er mit so Gefühlszeug nicht klarkommt.
Und bei dir bin ich einfach nur froh, dass wir beide befreundet sind. Und dass du mich nicht auslachst, wenn ich dir erzähl, dass ich Angst vorm Arzt hab oder sich manchmal die ganze Welt nur kalt und grau anfühlt, und das so ist wie innerlich sterben, nur dass mans jeden Tag hat."
Ich fange an, zu weinen.
Zu oft in letzter Zeit, und nie richtig, immer nur ansatzweise und dann Abbruch, aber diesmal macht es Anstalten, zum richtigen Weinen zu werden, bis ich merke, dass der Raucher, der mich in den Arm genommen hat, selbst kurz davor ist, mitzumachen.
"Junge, wir sind solche Wracks", stelle ich fest und er lächelt sogar.
-"Sind wir echt. Aber ich hab die ganze Zeit gedacht, ich wär allein damit. "
"Bist du nicht. Es gibt immer irgendwo jemanden, der einen versteht, weil er oder sie es selbst kennt."
-"Das klingt jetzt total schwul, aber ich bin froh, dass wir befreundet sind."
"Dito".

Abends noch ein Besuch beim Fremden, bis wir mit ihm, dem Grinch und Ms Golightly wieder zum Raucher fahren, bis jetzt endete jedes Wochenende dort, und auch beim obligatorischen Filmgucken lehne ich mich nicht am Fremden an.
Nicht, weil mein Herz wieder zurückgekehrt wäre, das hat er immer noch, sondern einfach, weil das so nicht mehr geht.
Ich kann nicht nonstop mutig sein und immer über meinen Schatten springen, während in den meisten Fällen keine wirkliche Reaktion kommt und ich von der Hoffnung zehre, die bei den paar Malen wiederbelebt wurde, in denen eine kam. Ich kann mir das alles nicht unbegrenzt lange antun, zusammen mit bevorstehendem Katzenrauswurf, mal wieder, herannahendem Abitur und allgemeiner Überlastung.
Ich bin kein Übermensch, ich habe nicht unendlich viel Kraft.
Der Raucher sagt, er hat eigentlich auch keine mehr, aber er kämpft trotzdem, weil es das Leben wert ist.
Ich weiß es aktuell nicht mehr, ob es das ist. Und das bedeutet, dass es mir nicht nur über den Kopf gewachsen ist, sondern dass ich an der Grenze bin, vor einer Mauer stehe, und dass das alles verdammt nochmal mehr wehtut, als ich vertragen kann.

Und ich habe Angst davor, es dem Fremden zu sagen, einfach so mein Herz zu öffnen, und die ständigen Spekulationen wegen seinem mehr als rätselhaften Verhalten bringen mich auch nicht weiter. Vieles spricht dafür, vieles dagegen, und das verunsichert mich fast so sehr, wie mir der Gedanke an ein Gespräch darüber Angst macht.
Ich habe mir Worte zurechtgelegt heute, aber es gab keinen passenden Moment, zu viel Schweigen, zu viel Verunsicherung und Eifersucht wegen dem Grinch und zwischendurch war er einfach weg, und überhaupt kann er so ein Arschloch sein und es dabei noch nicht einmal merken, weil er, was Zwischenmenschliches betrifft, noch unfähiger ist als ich und ihm zusätzlich noch oft das Feingefühl fehlt.
Habe mir trotzdem die Worte zurechtgelegt, sie behutsam weggepackt, als ich gemerkt habe, dass es heute keinen Sinn mehr hat, aber sie im Hinterkopf behalten.
Sie sind nicht perfekt, und vielleicht schaffe ich es nicht, all das, was da ist, in Worte zu fassen, aber ich werde es versuchen.
Vier Anläufe, es schriftlich festzuhalten. Dass ich es tun werde, wenn der Moment passt, definitiv und ohne "eventuell".
Ich glaube nicht daran, dass alles gut wird, aber vielleicht wird es das ja doch. Ich sollte mich nicht so von meiner Angst beeinflussen lassen, aber wer handelt schon komplett frei von inneren Zwängen?

Ich werde mit ihm darüber reden.
Irgendwann werde ich es ihm sagen, und dieses "irgendwann" sollte ziemlich bald sein, denn eigentlich halte ich es schon länger nicht mehr aus, das alles, und ich glaube, ich bin auf eine Art und Weise am Ende, die eindeutig nicht gesund ist.
Also kratze ich wieder meinen nicht vorhandenen Mut zusammen und springe mit viel Anlauf über meinen größten Schatten.
Ich habe Angst vor der Landung, wenn ich auf den Boden aufpralle und mit großer Wahrscheinlichkeit ziemlich hässliche Verletzungen davontrage, so rein emotional,
aber der Raucher hat auch Angst vor dem Arzt, panische, und geht trotzdem hin.
Sagt das so, als wir Sonntagnacht auf seinem Balkon sitzen und Sterne gucken. Dass ich Recht habe, wenn ich sage, dass da mal wer draufgucken müsste, auf die Lebergeschichte, wie auch auf die Hand, auf die ihm sein Azubi aus Versehen einen 120kg-Stein fallen lassen hat, aber "Ich hab doch so Angst davor. Ärzte sind alle gemein, und die können ihre Position voll ausnutzen".
Drücke seine gesunde Hand und verspreche ihm, mit zu gehen.
"Wenns sein soll, gehe ich bis ins Behandlungszimmer mit und schaue den Arzt so böse an, dass er sich gar nicht traut, irgendwie gemein zu sein.
Aber du bist physisch sowieso jetzt schon total kaputt, und es wird nicht besser, wenn du nie wegen deinen Verletzungen zum Arzt gehst. Und nein, es ist keine harmlose Kleinigkeit, wenn man von einem Bagger drei Meter durch die Luft geschleudert wird oder sich in den Oberschenkel sägt. Und Leberschmerzen sind auch eher weniger lustig, also mach da mal einen Termin aus."
-"Danke".
"Passt schon."
-"Wir kriegen das hin."
"Das mit dem Arzt?"
-"Das auch. Das mit dem Arzt, das mit dem Fremden. Unsere Leben. Wir schaffen das."
"Meinst du wirklich?"
-"Weiß nicht. Wär aber ganz schön."