Thema: oh happy day.
Meet you downstairs in the bar and hurt ...
Als wir die böse Kneipe betreten, ist es drei Uhr morgens, die sollten eigentlich schon geschlossen haben, und die einzige Person, die noch am Tresen sitzt und trinkt, ist Mr. Gaunt. Er sieht immer wieder auf sein Handy, während der Raucher und der Mischpultmann ihre Jacken aufhängen, und wirkt gar nicht mehr so utracool.
Vielleicht auch, weil außer dem Kneipenchef niemand mehr da ist. Ich beschließe, einen Unterhaltungsversuch zu starten, und nachdem Mr. Gaunt uns alle begrüßt und sich bedankt hat, dass wir vorbeigekommen sind und ihm keine runtergehauen haben, weil er so spät noch anruft, traue ich mich und frage, wer den Lebensbaum auf seinen Oberarm tätowiert hat, danach, welche Bedeutung er für ihn hat, und tatsächlich erringe ich im Kampf mayhem vs. Smalltalk einen Punkt, schaffe es, ein Gespräch zu starten und anscheinend ist es nichtmal unangenehm für ihn.
Und er wirkt fast herzlich, und wenn er lächelt, sieht das ein wenig aus, als hätte er Zahnschmerzen, aber ich mag sein Lächeln trotzdem, weil es sein ganzes Gesicht ausfüllt. Und wenn er lacht, zeigt er spitze Eckzähne und zurückgehendes Zahnfleisch dort, wo er Unterlippenpiercings hat; meinen Hinweis, Teflonstecker statt immer nur Metallringe würden dieses Problem ziemlich ausbremsen, wischt er weg wie ein Katzenhaar vom Oberteil und sagt, als alter Mann sei er sowieso noch hässlicher als jetzt und müsse Gebiss tragen, da käme es auf den Zentimeter Zahnfleisch auch nicht mehr an.
Eigentlich will ich mit ihm diskutieren und ihm erklären, dass er mehr wert ist, als er denkt, aber das wäre jetzt unangebracht, also lasse ich es und wir hören dem Mischpultmann zu, der gerade von damals erzählt, als er noch mit dem Fremden in einer Band gespielt hat.
Überhaupt, ich könnte diese Art von Diskussion mit Mr. Gaunt gar nicht führen. Selbstwertgefühl und solche Sachen.. tendenziell eher schwierig für mich.
Um vier wirft uns der Kneipenchef raus, also laufen wir noch ein bisschen durchs gelbliche Straßenlaternenlicht der Kleinstadt, über uns die Sterne und um uns Musik, weil Mr. Gaunt nicht nur Metal, sondern auch Frittenbude auf dem Handy hat, und es ist eigentlich furchtbar kalt, aber gerade macht mir das nichts, und Mr. Gaunt läuft neben mir, leicht schwankend, aber noch ansprechbar, im Mundwinkel eine Zigarette und in der Hand eine halb volle Flasche Ouzo, die er in einer Hecke vor der bösen Kneipe deponiert und beim Verlassen wieder mitgenommen hatte.
"Wegzehrung", erklärt er mir, bevor er die Flasche ansetzt und um ein gutes Stück leerer macht.
Diverse Alarmknöpfe in meinem Kopf fangen an, zu leuchten, allen voran der mit der Aufschrift "Nicht schon wieder so einer!", aber ich kann mich ganz gut beruhigen mit dem Hinweis, dass unklar ist, ob ich den Fremden überwunden habe, der Feststellung, dass mir Mr. Gaunt eigentlich zu kaputt ist und der Besinnung auf den Fakt, dass meine Intuition ihn als hochgradig lebensgeschädigt einstuft und das nicht gut für mich wäre.
"Auch nen Schluck?", fragt er in die Runde und sieht dabei mich an.
"Nee, bin doch Abstinenzler", lehnt der Mischpultmann ab.
"Danke, aber ich trink nix hartes mehr", erklärt der Raucher.
"Nein danke, da könnt ich auch gleich Desinfektionsmittel trinken. Schmeckt ähnlich scheiße", bringe ich die Realität mal wieder perfekt auf den Punkt.
"Eigentlich hast du Recht", lacht Mr. Gaunt und trinkt weiter.
-"Wieso kippst du dir das Zeug dann rein?"
"Günstig gekriegt und tut seinen Dienst."
Weiteratmen, ich bin nicht seine Mutter, und diskutieren bringt nichts. Nicht jetzt.
Nimm ihn hin, wie er ist, oder lass es sein. Ändern kannst dus nicht.
Kennt man doch schon. Und wieso eigentlich genau jetzt der Helferkomplex?
Nachdem wir den Mischpultmann heimgebracht und zwischendurch den Musiker an einer Straßenkreuzung, an der er anscheinend ausgesetzt wurde, eingesammelt haben, landen wir schließlich auf dem Spielplatz, und weil der Musiker darauf besteht, dass der Raucher mit ihm schaukeln geht und ihn anschubst, sitzen Mr. Gaunt und ich alleine auf den Fahrradständern und lauschen dem manischen Kichern des Musikers.
Die innere Bestandsaufnahme ergibt leicht beschleunigten Herzschlag und mehr Sympathie, als nach ein paar Stunden da sein sollte. Zerre mir wieder vor Augen, dass er kaputt ist und bleibt, egal, ob er auf einmal so ganz anders, viel weniger abweisend, und bei überraschend Vielem auf meiner Wellenlänge ist.
Denke mir trotzdem, dass es irgendwann, wenn ich herzmäßig wieder repariert bin, etwas werden könnte, als wir über Lieblingsautoren reden und er sich als kafkabegeistert und Bernemann nicht abgeneigt herausstellt.
Vor allem, weil mir selbst das zu dem Zeitpunkt eigentlich schon total egal ist und ich einfach unzurechnungsfähig-geflasht vor ihm sitze und ihn innerlich ein kleines bisschen anhimmle, soweit das eben im Moment emotional geht.
Freue mich trotzdem, als er nochmal mit zum Raucher geht, und erst recht, als er sich dort immer wieder neben mich setzt, eigentlich nur mit mir redet und schließlich, als mich der Musiker hochzieht und mit mir tanzen will, ebenfalls aufsteht, mich dessen Armen entreißt und selbst übernimmt. Mit Zahnschmerzlächeln.
Und er sagt, dass er mich besonders findet, begleitet vom obligatorischen "und das nicht nur, weil ich betrunken bin", das ich in letzter Zeit so oft hören musste, und wir tanzen völlig aus dem Takt, obwohl wir beide Musiker sind, aber in dem Moment ist das egal und schon ok so.
Dann sitzen wir wieder, er hat seinen Arm auf der Sofarücklehne über mir abgelegt und ich korrigiere: ich bin sowas von geflasht, und ich finde ihn so toll, wie das gerade nur irgendwie emotional geht.
Also eigentlich weit unter dem Normalwert.
Fühlt sich trotzdem unbeschreiblich an, wie auch die letzte Runde tanzen, langsamen Walzer auf Rammstein, dann muss er gehen, und bevor er unseren Tanz beendet und mich loslässt, drückt er mich nochmal ganz leicht und lächelt zum Abschied. Hach.
"Egal, wie cool du den Typen findest, das würde eh nie was werden, niemals nie!", zerschmettert der Musiker jedes harmlose Positivgefühl, das sich ansatzweise in mir aufgebaut hat.
-"Ich würde zur Zeit doch sowieso nichts auf die Reihe kriegen. Aber wieso sollte das nichts werden?"
"Weil der der Löwin nachtrauert, immer noch. Die waren zusammen, sie ist mehrmals fremd gegangen, er hat Schluss gemacht, bereuts noch heute, muss sie dauernd sehen, weils die beste Freundin seiner Bandkolleginnen is, und geht seitdem total kaputt deswegen. Der Kerl is schrottreif, nur wegen der Löwin.
Echt mal, nur wegen der. Weiber ey. Immer Weiber, die machen alles kaputt, also, nix gegen dich mayhem, du bist die Ausnahme, die absolute Ausnahme, hast unsern Raucher hier wieder aufgebaut und zum Nichtraucher gemacht, aber alles machen die kaputt, alles.
Mr. Gaunt ist schrottreif, den kannste gleich einsargen. Nur wegen sowas, nur wegen sowas.."
Er schüttelt energisch den Kopf.
Der Raucher deutet fragend in Richtung Terasse, Krisensitzung?
Ich winke ab.
"Nur wegen sowas, nur wegen der Löwin. Weil die fremdgegangen is, und jetzt isser allein und hätte so viele haben können, wenn er gewollt hätte, aber er wollte nicht und sagt, er will keine mehr, und säuft und raucht und kifft sich kaputt und nimmt wahrscheinlich noch sonstwas, weil er nicht auf die Olle klarkommt..."
Lasse den restlichen Abend Revue passieren, führe nochmal eine innere Bestandsaufnahme durch und mir anschließend die Worte des Musikers vor Augen und denke mir abschließend so, ach scheiße.
Als wir die böse Kneipe betreten, ist es drei Uhr morgens, die sollten eigentlich schon geschlossen haben, und die einzige Person, die noch am Tresen sitzt und trinkt, ist Mr. Gaunt. Er sieht immer wieder auf sein Handy, während der Raucher und der Mischpultmann ihre Jacken aufhängen, und wirkt gar nicht mehr so utracool.
Vielleicht auch, weil außer dem Kneipenchef niemand mehr da ist. Ich beschließe, einen Unterhaltungsversuch zu starten, und nachdem Mr. Gaunt uns alle begrüßt und sich bedankt hat, dass wir vorbeigekommen sind und ihm keine runtergehauen haben, weil er so spät noch anruft, traue ich mich und frage, wer den Lebensbaum auf seinen Oberarm tätowiert hat, danach, welche Bedeutung er für ihn hat, und tatsächlich erringe ich im Kampf mayhem vs. Smalltalk einen Punkt, schaffe es, ein Gespräch zu starten und anscheinend ist es nichtmal unangenehm für ihn.
Und er wirkt fast herzlich, und wenn er lächelt, sieht das ein wenig aus, als hätte er Zahnschmerzen, aber ich mag sein Lächeln trotzdem, weil es sein ganzes Gesicht ausfüllt. Und wenn er lacht, zeigt er spitze Eckzähne und zurückgehendes Zahnfleisch dort, wo er Unterlippenpiercings hat; meinen Hinweis, Teflonstecker statt immer nur Metallringe würden dieses Problem ziemlich ausbremsen, wischt er weg wie ein Katzenhaar vom Oberteil und sagt, als alter Mann sei er sowieso noch hässlicher als jetzt und müsse Gebiss tragen, da käme es auf den Zentimeter Zahnfleisch auch nicht mehr an.
Eigentlich will ich mit ihm diskutieren und ihm erklären, dass er mehr wert ist, als er denkt, aber das wäre jetzt unangebracht, also lasse ich es und wir hören dem Mischpultmann zu, der gerade von damals erzählt, als er noch mit dem Fremden in einer Band gespielt hat.
Überhaupt, ich könnte diese Art von Diskussion mit Mr. Gaunt gar nicht führen. Selbstwertgefühl und solche Sachen.. tendenziell eher schwierig für mich.
Um vier wirft uns der Kneipenchef raus, also laufen wir noch ein bisschen durchs gelbliche Straßenlaternenlicht der Kleinstadt, über uns die Sterne und um uns Musik, weil Mr. Gaunt nicht nur Metal, sondern auch Frittenbude auf dem Handy hat, und es ist eigentlich furchtbar kalt, aber gerade macht mir das nichts, und Mr. Gaunt läuft neben mir, leicht schwankend, aber noch ansprechbar, im Mundwinkel eine Zigarette und in der Hand eine halb volle Flasche Ouzo, die er in einer Hecke vor der bösen Kneipe deponiert und beim Verlassen wieder mitgenommen hatte.
"Wegzehrung", erklärt er mir, bevor er die Flasche ansetzt und um ein gutes Stück leerer macht.
Diverse Alarmknöpfe in meinem Kopf fangen an, zu leuchten, allen voran der mit der Aufschrift "Nicht schon wieder so einer!", aber ich kann mich ganz gut beruhigen mit dem Hinweis, dass unklar ist, ob ich den Fremden überwunden habe, der Feststellung, dass mir Mr. Gaunt eigentlich zu kaputt ist und der Besinnung auf den Fakt, dass meine Intuition ihn als hochgradig lebensgeschädigt einstuft und das nicht gut für mich wäre.
"Auch nen Schluck?", fragt er in die Runde und sieht dabei mich an.
"Nee, bin doch Abstinenzler", lehnt der Mischpultmann ab.
"Danke, aber ich trink nix hartes mehr", erklärt der Raucher.
"Nein danke, da könnt ich auch gleich Desinfektionsmittel trinken. Schmeckt ähnlich scheiße", bringe ich die Realität mal wieder perfekt auf den Punkt.
"Eigentlich hast du Recht", lacht Mr. Gaunt und trinkt weiter.
-"Wieso kippst du dir das Zeug dann rein?"
"Günstig gekriegt und tut seinen Dienst."
Weiteratmen, ich bin nicht seine Mutter, und diskutieren bringt nichts. Nicht jetzt.
Nimm ihn hin, wie er ist, oder lass es sein. Ändern kannst dus nicht.
Kennt man doch schon. Und wieso eigentlich genau jetzt der Helferkomplex?
Nachdem wir den Mischpultmann heimgebracht und zwischendurch den Musiker an einer Straßenkreuzung, an der er anscheinend ausgesetzt wurde, eingesammelt haben, landen wir schließlich auf dem Spielplatz, und weil der Musiker darauf besteht, dass der Raucher mit ihm schaukeln geht und ihn anschubst, sitzen Mr. Gaunt und ich alleine auf den Fahrradständern und lauschen dem manischen Kichern des Musikers.
Die innere Bestandsaufnahme ergibt leicht beschleunigten Herzschlag und mehr Sympathie, als nach ein paar Stunden da sein sollte. Zerre mir wieder vor Augen, dass er kaputt ist und bleibt, egal, ob er auf einmal so ganz anders, viel weniger abweisend, und bei überraschend Vielem auf meiner Wellenlänge ist.
Denke mir trotzdem, dass es irgendwann, wenn ich herzmäßig wieder repariert bin, etwas werden könnte, als wir über Lieblingsautoren reden und er sich als kafkabegeistert und Bernemann nicht abgeneigt herausstellt.
Vor allem, weil mir selbst das zu dem Zeitpunkt eigentlich schon total egal ist und ich einfach unzurechnungsfähig-geflasht vor ihm sitze und ihn innerlich ein kleines bisschen anhimmle, soweit das eben im Moment emotional geht.
Freue mich trotzdem, als er nochmal mit zum Raucher geht, und erst recht, als er sich dort immer wieder neben mich setzt, eigentlich nur mit mir redet und schließlich, als mich der Musiker hochzieht und mit mir tanzen will, ebenfalls aufsteht, mich dessen Armen entreißt und selbst übernimmt. Mit Zahnschmerzlächeln.
Und er sagt, dass er mich besonders findet, begleitet vom obligatorischen "und das nicht nur, weil ich betrunken bin", das ich in letzter Zeit so oft hören musste, und wir tanzen völlig aus dem Takt, obwohl wir beide Musiker sind, aber in dem Moment ist das egal und schon ok so.
Dann sitzen wir wieder, er hat seinen Arm auf der Sofarücklehne über mir abgelegt und ich korrigiere: ich bin sowas von geflasht, und ich finde ihn so toll, wie das gerade nur irgendwie emotional geht.
Also eigentlich weit unter dem Normalwert.
Fühlt sich trotzdem unbeschreiblich an, wie auch die letzte Runde tanzen, langsamen Walzer auf Rammstein, dann muss er gehen, und bevor er unseren Tanz beendet und mich loslässt, drückt er mich nochmal ganz leicht und lächelt zum Abschied. Hach.
"Egal, wie cool du den Typen findest, das würde eh nie was werden, niemals nie!", zerschmettert der Musiker jedes harmlose Positivgefühl, das sich ansatzweise in mir aufgebaut hat.
-"Ich würde zur Zeit doch sowieso nichts auf die Reihe kriegen. Aber wieso sollte das nichts werden?"
"Weil der der Löwin nachtrauert, immer noch. Die waren zusammen, sie ist mehrmals fremd gegangen, er hat Schluss gemacht, bereuts noch heute, muss sie dauernd sehen, weils die beste Freundin seiner Bandkolleginnen is, und geht seitdem total kaputt deswegen. Der Kerl is schrottreif, nur wegen der Löwin.
Echt mal, nur wegen der. Weiber ey. Immer Weiber, die machen alles kaputt, also, nix gegen dich mayhem, du bist die Ausnahme, die absolute Ausnahme, hast unsern Raucher hier wieder aufgebaut und zum Nichtraucher gemacht, aber alles machen die kaputt, alles.
Mr. Gaunt ist schrottreif, den kannste gleich einsargen. Nur wegen sowas, nur wegen sowas.."
Er schüttelt energisch den Kopf.
Der Raucher deutet fragend in Richtung Terasse, Krisensitzung?
Ich winke ab.
"Nur wegen sowas, nur wegen der Löwin. Weil die fremdgegangen is, und jetzt isser allein und hätte so viele haben können, wenn er gewollt hätte, aber er wollte nicht und sagt, er will keine mehr, und säuft und raucht und kifft sich kaputt und nimmt wahrscheinlich noch sonstwas, weil er nicht auf die Olle klarkommt..."
Lasse den restlichen Abend Revue passieren, führe nochmal eine innere Bestandsaufnahme durch und mir anschließend die Worte des Musikers vor Augen und denke mir abschließend so, ach scheiße.
Thema: kurz gemeldet
06. Oktober 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Völlig kaputt nach über 24h auf den Beinen mit dem Mayhemmobil ganz alleine heimgefahren [x]
heil angekommen [x]
meinen Vater um Hilfe beim Einparken gebeten [ ]
so schief geparkt, dass ich da nie wieder unfallfrei rauskomme und der Nachbar nur den Kopf geschüttelt und ein "Frauen und Autos" gemurmelt hat [x]
das Mayhemmobil eine Fahrt lang nicht abgewürgt [ ]
mich blamiert und an meinen Fahrfähigkeiten gezweifelt [x]
von der Unsicherheit auffressen lassen [x]
jemandem gesagt, er soll nicht so unsicher sein, alles wird gut [x]
mich volllaufen lassen [ ]
solidarisch mit dem Raucher geblieben und nicht an der mir angebotenen Zigarette gezogen [x]
gestern Nacht gelernt, dass der Musiker Recht hat, wenn er sagt, dass auf alles, was den Nachnamen des Fremden trägt, kein Verlass ist [x]
geweint [ ]
jemanden getröstet [x]
die Welt gerettet [x]
innerlich kaputtgegangen [x]
es, rein aus Trotz, ignoriert und so überstanden [x]
dem Fremden nachgedackelt [ ]
in Selbstmitleid versunken [ ]
Muff Potter, diverse Lieder von Frittenbude oder Nine Inch Nails gehört [ ]
"Nimm mich!"-artige Aufforderungen von drei Menschen bekommen [x ]
angenommen [ ]
endgültig festgestellt, wo meine Grenze bei beziehungsfreiem Körperkontakt liegt [x]
und beschlossen, ihr treu zu bleiben [x]
wegen dem Fremden verzweifelt [ ]
auf ihn geflucht [x]
"der soll doch machen, was er will" gedacht und einen halbwegs guten Abend gehabt [x]
..und ihn mir von nichts und niemandem ruinieren lassen [x].
Ich bin total übermüdet, mein Autochen verliert Öl, obwohl im TÜV-Bericht steht "ohne erkennbare Mängel", es klappert außerdem immer mehr und der Kofferraum geht nicht mehr auf,
der Mischpultmann ist dabei, sich richtig schrecklich schlimm in mich zu verlieben und es scheint egal zu sein, wie sehr ich gegensteuere,
wäre ich aktuell auf Beziehung gepolt, würde ich es bei einer Freundin Ms Golightlys versuchen, aber leider ist die Gute vermutlich der Inbegriff der Heterosexualität, also würde es sowieso nichts werden,
das Rotkreuzmädchen ist immer noch/wieder mit ihrem Freund zusammen,
überhaupt sind alle möglichen Leute Pärchen,
der Pinguin ist genauso unzuverlässig-egoistisch wie der Fremde, nur, dass er nicht nur betrunken ist, sondern auch noch bekifft,
Die Opernstimme trägt jetzt den formschönsten Stützverband, den ich je gewickelt habe, ums Handgelenk,
ich habe mitbekommen, wie sich eine Band noch auf der Bühne so sehr gestritten hat, dass dabei das halbe Inventar zerlegt wurde,
Mr.Gaunt spielt auf die erotischste Art und Weise Bass, die ich bis jetzt beobachten durfte, sodass sogar seine absolute Abgekämpftheit (auf der "Der Typ ist so fertig"-Skala von eins bis zwanzig wäre er eine 18,5) , rotblondes Haar, zehn Havanna Club zum Aufwärmen und ein zweifacher Flechtzopfbart das nicht mehr ruinieren konnten,
er kann Bass spielen wie ein Gott,
auf seinen Armen gibt es tatsächlich Stellen, die noch nicht komplett mit Tattoos bedeckt sind,
dafür ist es sein Oberkörper, wir haben ein paar Piercings gemeinsam und teilen die Begeisterung für große, unförmige Schlabbermützen, er war mal mit dem Raucher auf einem Festival und in einer der Bands von hier, die inzwischen sogar in Kiel bekannt sind und ein Album aufgenommen haben, dann haben die aber festgestellt, dass seine Texte zu sinnvoll und inhaltsgeladen sind und er, dass die Band ihm musikalisch nicht mehr anspruchsvoll genug ist und jetzt spielt er Electro-Metal.
Die Ghettofraktion war hin und weg, weil er doch so "gefährlich" wirkt, die Hipstermädchen sahen in ihm die perfekte Möglichkeit, ihre Eltern zu erschrecken, und erwähnte ich schon, wie anziehend und unfassbar gut der Mensch Bass spielt? Wirklich. Ganz ehrlich, völlig unvoreingenommen und total sachlich beurteilt.
Unnötig zu erwähnen, dass wir kein Wort miteinander geredet haben.
heil angekommen [x]
meinen Vater um Hilfe beim Einparken gebeten [ ]
so schief geparkt, dass ich da nie wieder unfallfrei rauskomme und der Nachbar nur den Kopf geschüttelt und ein "Frauen und Autos" gemurmelt hat [x]
das Mayhemmobil eine Fahrt lang nicht abgewürgt [ ]
mich blamiert und an meinen Fahrfähigkeiten gezweifelt [x]
von der Unsicherheit auffressen lassen [x]
jemandem gesagt, er soll nicht so unsicher sein, alles wird gut [x]
mich volllaufen lassen [ ]
solidarisch mit dem Raucher geblieben und nicht an der mir angebotenen Zigarette gezogen [x]
gestern Nacht gelernt, dass der Musiker Recht hat, wenn er sagt, dass auf alles, was den Nachnamen des Fremden trägt, kein Verlass ist [x]
geweint [ ]
jemanden getröstet [x]
die Welt gerettet [x]
innerlich kaputtgegangen [x]
es, rein aus Trotz, ignoriert und so überstanden [x]
dem Fremden nachgedackelt [ ]
in Selbstmitleid versunken [ ]
Muff Potter, diverse Lieder von Frittenbude oder Nine Inch Nails gehört [ ]
"Nimm mich!"-artige Aufforderungen von drei Menschen bekommen [x ]
angenommen [ ]
endgültig festgestellt, wo meine Grenze bei beziehungsfreiem Körperkontakt liegt [x]
und beschlossen, ihr treu zu bleiben [x]
wegen dem Fremden verzweifelt [ ]
auf ihn geflucht [x]
"der soll doch machen, was er will" gedacht und einen halbwegs guten Abend gehabt [x]
..und ihn mir von nichts und niemandem ruinieren lassen [x].
Ich bin total übermüdet, mein Autochen verliert Öl, obwohl im TÜV-Bericht steht "ohne erkennbare Mängel", es klappert außerdem immer mehr und der Kofferraum geht nicht mehr auf,
der Mischpultmann ist dabei, sich richtig schrecklich schlimm in mich zu verlieben und es scheint egal zu sein, wie sehr ich gegensteuere,
wäre ich aktuell auf Beziehung gepolt, würde ich es bei einer Freundin Ms Golightlys versuchen, aber leider ist die Gute vermutlich der Inbegriff der Heterosexualität, also würde es sowieso nichts werden,
das Rotkreuzmädchen ist immer noch/wieder mit ihrem Freund zusammen,
überhaupt sind alle möglichen Leute Pärchen,
der Pinguin ist genauso unzuverlässig-egoistisch wie der Fremde, nur, dass er nicht nur betrunken ist, sondern auch noch bekifft,
Die Opernstimme trägt jetzt den formschönsten Stützverband, den ich je gewickelt habe, ums Handgelenk,
ich habe mitbekommen, wie sich eine Band noch auf der Bühne so sehr gestritten hat, dass dabei das halbe Inventar zerlegt wurde,
Mr.Gaunt spielt auf die erotischste Art und Weise Bass, die ich bis jetzt beobachten durfte, sodass sogar seine absolute Abgekämpftheit (auf der "Der Typ ist so fertig"-Skala von eins bis zwanzig wäre er eine 18,5) , rotblondes Haar, zehn Havanna Club zum Aufwärmen und ein zweifacher Flechtzopfbart das nicht mehr ruinieren konnten,
er kann Bass spielen wie ein Gott,
auf seinen Armen gibt es tatsächlich Stellen, die noch nicht komplett mit Tattoos bedeckt sind,
dafür ist es sein Oberkörper, wir haben ein paar Piercings gemeinsam und teilen die Begeisterung für große, unförmige Schlabbermützen, er war mal mit dem Raucher auf einem Festival und in einer der Bands von hier, die inzwischen sogar in Kiel bekannt sind und ein Album aufgenommen haben, dann haben die aber festgestellt, dass seine Texte zu sinnvoll und inhaltsgeladen sind und er, dass die Band ihm musikalisch nicht mehr anspruchsvoll genug ist und jetzt spielt er Electro-Metal.
Die Ghettofraktion war hin und weg, weil er doch so "gefährlich" wirkt, die Hipstermädchen sahen in ihm die perfekte Möglichkeit, ihre Eltern zu erschrecken, und erwähnte ich schon, wie anziehend und unfassbar gut der Mensch Bass spielt? Wirklich. Ganz ehrlich, völlig unvoreingenommen und total sachlich beurteilt.
Unnötig zu erwähnen, dass wir kein Wort miteinander geredet haben.
Thema: monolog
01. Oktober 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Freitag.
"Tagein, tagaus. Chaostheorie im Bauch?
Jetzt mal im Ernst:
dieses Mal wird alles gut, schreib dir das irgendwo auf!
Nimm meine Hand und lass mich nicht allein."
Der Raucher und ich, die einzigen Zwei, die das Kennzeichen unseres Landkreises haben.
Die einzigen Zwei, die mit Stiefeln den Konzertsaal betreten,
die einzigen Zwei, die sich nicht verbotenerweise auf einen Behindertenparkplatz gestellt haben ("Aber wir sind doch gefühlsbehindert!" - "Kaputtsein ist keine Ausrede für gemein sein. Und jetzt suchen wir uns einen richtigen Parkplatz"),
die einzigen Zwei, die wissen, wie man am Besten anpackt, wenn beim Stagediven jemand fast runterfällt,
und die einzigen Zwei, die eine Rollstuhlfahrerin vorlassen, sodass sie auch was sieht.
Während der Fahrt haben wir geredet, und manchmal geschwiegen, und zwischendurch haben wir Pause gemacht, uns auf einen Rastplatztisch gesetzt, weil die Bänke so schrecklich eingesifft waren, leicht aneinander angelehnt, und haben die Kekse gegessen, die ich als Reiseproviant gebacken habe. Ich glaube, es ist gut, dass er da ist. Egal, was sonst so ist, wir haben ja immer noch uns, so ein bisschen.
Immerhin.
Und dann ist da die Band. Und sie spielen.
Drei Stunden lang, fast alles, und ich kann die Texte und könnte mitsingen, auch, wenn ich es mich anfangs nicht traue, und nach zwei Liedern ist der Sänger durchgeschwitzt und nach fünf sind wir es, und irgendwann spielen sie Lieder vom neuen Album, und er schreit sich so sehr die Gefühle raus, dass ich Angst habe, sein Herz platzt gleich, und immer wieder schreit er, es wird alles gut.
Es wird alles gut! Und das Publikum: Es wird alles gut!
Er wird leiser mit seinem Es wird alles gut!, irgendwann verabschiedet sich das Ausrufezeichen und wird zu einem "...".
Und auf einmal springt er in die Menge und schreit, Es wird alles gut!, immer wieder, Es wird alles gut!, und er steht vor uns, Es wird alles gut!, und der Raucher und ich: Es wird alles gut!
Und wir stehen hier zu dritt, Es wird alles gut!, und irgendwie fühlen sich die anderen zwei genauso hoffnungslos an, Es wird alles gut!, und dann fegt der Sänger weiter, erwürgt dabei fast den Raucher mit seinem Mikrofonkabel, und dann ist er wieder auf der Bühne und das Lied vorbei.
Samstag.
Als wir vom Konzert zurückkommen, ist es halb neun; sind gerade noch wach genug, um Zähne zu putzen (was muss, das muss) und uns ansatzweise auszuziehen, dann vergrabe ich mich unter der Decke, die inzwischen seit ein paar Wochenenden wegen mir nicht mehr auf dem Sofa, sondern im Bett des Rauchers liegt und noch halb unter seiner, finde, dass das eindeutig immer noch zu kalt ist, rolle mich so klein wie möglich zusammen (weniger Oberfläche bedeutet weniger Wärmeverlust) und das Nächste, was ich mitbekomme, ist das herumschreiende Handy des Rauchers, das uns mit dem üblichen bösen Black Metal darauf hinweist, dass sein Vater irgendwas wissen will.
"HmmHmnpf.." Eine Lautäußerung des Rauchers, der mit dem Gesicht im Kopfkissen geschlafen hat, sich unter seinem Deckenstapel hervorwühlt und ziemlich zerknautscht aufs Handy schlägt.
-"Wie wärs, wenn ihr mal aufsteht, Herr Raucher?"
Aha, er hat auf Lauthören geschalten.
Grummeln. "Wievieluhrisn?"
-"Halb fünf. Wolltest du deine Freundin nicht um halb drei heimfahren? Ich brauche dringend dein Auto!"
"Halb fünf??" Wie wach wir auf einmal sind.
Noch der Hinweis an den Rauchervater, dass ich nicht die feste, aber fast die beste Freundin bin, dann das klassische Szenario, zum Transportmittel eilende Frau Mayhem, die nebenher alle möglichen Dinge in ihre Tasche stopft, sich in diverse Jacken und einen Schal und die Schnürsenkel der noch offenen Stiefel ums Handgelenk wickelt, und, ganz wichtig, ihr Gesicht mit einer verspiegelten Pilotensonnenbrille vor der Außenwelt abschirmt.
Sonntag.
"Mein Herz schlägt nur für dich
....
Mein Herz schlägt dir ins Gesicht."
Irgendwo zwischen den Umwegen, die ich gehe, um der Mutter des Fremden nicht auf dem Markt zu begegnen, seiner Umarmung, als er mich sieht und begrüßt, der Feststellung, dass sich der Grinch wieder so an ihn ranschmiert, einer Runde Aufderstadtmauersitzen und in den Wald starren mit dem Raucher, einer Begegnung mit der alten Sache, der mich wieder nicht grüßt und einer mit dem Quasi-Stiefbruder, der das Schreikind und die dazugehörige Mutter spazieren führt begreife ich emotional, dass es wohl so sein soll.
Vielleicht ist der Lerneffekt größer, wenn es wehtut.
Schwacher Trost, und eigentlich will ich das alles weder wissen, noch lernen.
Aber muss wohl so. Und vielleicht hat es mich jetzt kaputt gemacht, aber ich wachse, das heißt, ich lebe noch und es wird besser, irgendwann.
Irgendwann wird alles besser. Vielleicht nicht gut, aber besser als jetzt. Irgendwann, dann.
Der Mischpultmann baut auch darauf, dass alles besser wird.
Seine Freundin hat ihn verlassen und das gemeinsame Kind mitgenommen, und jetzt ist er alleine in der leergeräumten Wohnung, deshalb ist der Raucher da reingestiefelt, hat die Vorhänge geöffnet, die Rollos aufgemacht und ihn rausgeschleift. Unter Menschen gehen. Auch, wenn es weh tut. Wir sind da.
Oder versuchen zumindest, es zu sein.
Der Mischpultmann ist ein großer, freundlicher Teddybär und jener Absteigenangestellte, der seinerzeit versucht hat, den Fremden beim Nebelmaschine-Konzert etwas aus der Schusslinie zu ziehen.
Vergeblich, der Fremde ist nicht mehr der, der er mal war, sagt der Mischpultmann und sieht noch trauriger aus als vorher, während wir vor einem Bratwurststand darauf warten, dass sich der Raucher eine Portion Pommes geholt und die Bekannten, auf die wir noch warten, telefonisch erreicht hat.
"Dich hat er ja auch enttäuscht, mayhem...wie er jeden hängen lässt."
-"Was hat er sich denn bei dir geleistet?"
"Wir waren 12 Jahre lang beste Freunde."
Autsch. "Und warum seid ihrs nicht mehr?"
"Ich mache echt sehr viel mit, aber das ging einfach nicht mehr. Er hat sich so total verändert, seit er die Vorgängerin der Ghettoschwester und dann auch die Ghettoschwester kennen gelernt hat, total kindisch und pubertär, weil er da irgendwie dazugehören und was nachholen will. Und das ist einfach so krass, wie deswegen auf einmal alle andern egal sind. Und wie er allgemein total verkackt. Der hat gestern mit meinem Bruder auf der Hochzeit von seinem Chef gespielt, Mittagszeit, und war voll. Hackedicht. Ich hab gemerkt, dass er mehr trinkt, als sein Vater dann ganz offiziell ne andere Frau hatte, und noch mehr, als der sich mit ihr verlobt hat, aber jetzt ist das einfach so... viel."
-"Und ich hab keine Ahnung, was man da machen kann",fügt der Raucher besorgt hinzu und hält uns die Pommes hin. Wir lehnen ab, er versucht es wieder. "Eigentlich is mir der Appetit auch grad vergangen."
"Du isst die jetzt", fordert ihn der Mischpultmann auf, "dir schadet es nicht, und davon abgesehen ändert Nichtessen auch nichts an der Situation."
Betretenes Schweigen, dann wendet er sich wieder an mich: " Jedenfalls habe ich dann, nachdem er immer wieder Mist gebaut und unsere Freundschaft einfach total kaputt gemacht hat, gesagt, wie es ist, nämlich, dass ich das nicht mehr kann. Und dann den Kontakt abgebrochen.
12 Jahre Freundschaft am Arsch, weil der Kerl wegen dem Ghettoverein so rumspackt. Aber es ging einfach nicht mehr."
Versprich mir, dass du vergisst,
wie allein du eigentlich bist
Blut und Wasser in den Augen..
Und die einsachzig geballtes Kuschelbärformat vor mir sehen gerade so elend aus, dass ich das Näheproblem wegdränge, dem Mischpultmann meine Hände auf die breiten Schultern lege, zu ihm hochschaue und ihm sage, dass alles gut wird.
Alles wird gut, Mischpultmann. Das Leben geht weiter, ob man will oder nicht. Alles geht vorbei, auch Freundschaften. Kann man nichts gegen machen..
Und als ich die Traurigkeit inden Augen des Mischpultmannes sehe, finde ich in meinem eigenen Herzschmerztümpel ein bisschen Wut, gerade genug, um sie auch im Dunkeln zu sehen.
Und ich bin wütend auf den Fremden, weil er sich so gemein verhält und das nicht einmal absichtlich tut, sondern weil er so unsensibel geworden ist und es nicht besser wissen will, und weil er 12 Jahre Freundschaft mit einem der gutgläubigsten, gutmütigsten und treusten Menschen, die in der Absteige Musik machen, einfach weggeworfen hat.
Nicht so sehr, weil er mich weggeworfen hat, daran bin ich ja gewöhnt. Aber wenn es um andere Menschen geht, hört der Spaß auf.
Versprich mir, dass du weißt,
wer du in Wirklichkeit bist.
Spiegelbilder entzerren,
mein Herz schlägt nur für dich.
Mein Herz schlägt dir ins Gesicht.
Mein Verstand umarmt dich innerlich.
Meine Wut hält nicht lange aus, aber was habe ich denn erwartet?
Als wir den Fremden und den Grinch erneut treffen und er ihr gerade einen Luftballon kauft, lasse ich es einfach auf mich einprasseln, wie sauren Regen, alleine auf weiter Flur. Nicht gesund, aber irgendwo unterstellen geht auch nicht mehr.
Mein Herz schlägt nur für dich...
Das ganze Verletzsein, die Traurigkeit, die Enttäuschung.
Mein Herz schlägt dir ins Gesicht...
Nicht einmal der Raucher merkt, dass ich im Regen stehe, aber vielleicht liegt das auch daran, dass seine Bekannten endlich erschienen sind; da ist die Frau mit der Opernstimme, die regelmäßig in der Absteige Krach macht, und ihre Bandkollegin Esmeralda, mit der sie seit der Mittelstufe, also fast sieben Jahren, zusammen ist, und als düsteren Schatten hinter ihnen erahnt man Mr.Gaunt, der mich und somit auch den Mischpultmann um mindestens eineinhalb Köpfe überragt und sich, wie der Raucher und ich, hinter Pilotensonnenbrille und bösem Bandshirt tarnt.
Man absolviert keine Begrüßungsumarmungssequenz, sondern nickt sich zu, nur Mr. Gaunt verteilt Handschläge an den Mischpultmann und den Raucher; ich werde ignoriert, aber auch daran habe ich mich inzwischen gewöhnt.
Noch eine Notiz für mich: Nicht alle Leute, die dich nicht begrüßen, finden dich doof.Manche sind auch einfach nur schüchtern.
"Ist Mr. Gaunt eigentlich immer so, oder habe ich es geschafft, gleich vom ersten Eindruck her unsympathisch zu sein?", will ich später trotzdem die Meinung des Rauchers wissen, als wir, ganz untrve, unter einem Sonnenschirm vor der Stammkneipe sitzen und der Rest, zu dem sich noch der Klischeeblackmetalfan und der Masochist gesellt haben, diskutiert, ob man gleich zur bösen Kneipe wechseln, oder doch lieber noch ein bisschen hier draußen sitzen bleiben sollte, schließlich sind die Getränke hier günstiger.
-"Kein Plan, ich weiß nichtmal, ob ich den Kerl schonmal nüchtern erlebt hab, von daher.. allgemein isser aber gern mal bisschen cool, wenn Leute dabei sind, die er nicht kennt. Scheint aber nix zu machen, wenn der will, schleppt der alles ab, was nach Frau aussieht."
-"Mr. Gaunt? Alter, der ist so krass!", mischt sich der KBM ins Gespräch ein, während er sich, wie alle anderen am Tisch außer dem Raucher und mir, eine Zigarette dreht, " der Kerl ist komplett zutätowiert, atmet nur noch mit halbem Lungenvolumen, schaffts, jede Frau aufzureißen, und kippt vor jedem Auftritt erstmal zehn Havanna-Club. Der säuft sogar auf Morphium weiter, ey!" Mr. Gaunt, anscheinend der große Held des KBM, der mit leuchtenden Augen von dessen glorreichen Taten erzählt und dabei immer mehr in Fahrt kommt. "Echt mal, der ist so krass ey.. der hat keinen Magen mehr!"
"Was dir der KBM damit sagen wollte: er ist Mr. Gaunts größter Fan", fasst der Mischpultmann das Gehörte kurz zusammen, "auch, wenn der wahrscheinlich noch mit annähernd normalem Lungenvolumen atmet, vermutlich noch im Besitz seines Magens ist und nur sein Oberkörper komplett verziert ist. Wie du eventuell auf seinen Armen bereits bemerkt hast."
"Der Rest stimmt aber", wirft der Raucher ein.
"Jo, da hab ich ja nix gegen gesagt. Wobei, ich glaube, wenn der so weitermacht, ist seine Lunge echt irgendwann zugeteert und sein Magen weggeätzt... aber dafür hat der Kerl schon Profi-Musiker mit dem Bass an die Wand gespielt."
Wieder ein (mutmaßlich) überragend guter Musiker mit besorgniserregendem Alkoholkonsum.
Da hören die Parallelen zum Fremden allerdings auch schon auf (netterweise), und es sieht so aus, als handle es sich bei Mr. Gaunt um die deutlich extremere Version.
Die Genialsten sind immer die kaputtesten.
Überhaupt sind wir so eine Kuriositätensammlung, und ich glaube, dass das gut so ist. Für alle Beteiligten.
Für den Masochisten, weil er sich jetzt traut, offen über seine Beziehung zu reden und von uns Rückenhalt bekommt, nachdem er zuhause beinahe verstoßen wurde, weil er seine Freundin, die Sadistin, vorgestellt hatte und die Dame genau so aussieht, wie man sie sich im Klischee vorstellt,
für den Raucher, weil das alles wieder anfängt, lebenswert zu sein, und er sich ganz ohne Vorurteilsbombardement von Außen wieder raus in die Welt trauen kann,
für den Mischpultmann, weil wir ihn so kompromisslos einfühlsam wieder aufbauen, dass er gar nicht anders kann, als sich besser zu fühlen,
und vielleicht ja auch für den KBM, in irgendeiner Art und Weise.
Eventuell auch nur, weil er über uns den Fremden kennt, der immer begeistert ist, wenn er an einem Joint ziehen darf (ist ja schließlich cool,macht die Ghettoschwester doch auch... seltsamerweise wurde im Gespräch mit mir immer übers Rauchen egal welcher Substanzen gelästert) und vielleicht potenzielle Kundschaft darstellt.
Und dann sind da noch Ms Golightly und eigentlich auch der Fremde, der sich immer mehr abkapselt. Und manchmal kommt der Musiker vorbei, oder der Schlagzeuger, oder der Pinguin.
Oder die Schwester des Fremden bittet um Unterstützung beim Haaretönen. Auch, wenn sie die so bald nicht mehr von mir bekommen wird, ich war nicht mehr bei ihm und werde es wohl auch so bald nicht mehr sein.
Er hat es mir immer noch nicht gesagt.
Nur freundlich ist er, und zuvorkommend, soweit er das eben kann.
Ich weiß nicht, was es ist, das ich mir da gerade in der Kleinstadt aufbaue, aber ich glaube, es ist gut, auch, wenn niemand weiß, ob es von Dauer ist, man hat ja bereits bei der üblichen Truppe gesehen, wie sowas laufen kann.
Aber vielleicht ist das ja echte, dauerhafte Freundschaft, die ich gefunden habe, hier am Tisch, etwas vernebelt durch die Rauchschwaden der Beteiligten (erwähnte ich schon,dass ich es eigentlich nicht mag, wenn man mich verräuchert, weil ich dann, warum auch immer, öfter mal Nasenbluten bekomme?) und, wenn man die Opernstimme, Mr. Gaunt und Esmeralda einrechnet, zum Großteil hinter verspiegelten Sonnenbrillen und Tätowierungen verborgen, aber definitiv existent, auch, wenn ich mir nicht sicher bin, was die letzten drei, die, bis auf ein wenig Höflichkeitssmalltalk in Form von Fachwissensaustausch von selbsterklärter professioneller Piercerin (die Opernstimme) zu selbstdiagnostizierter Amateuerin (ich) mit "mehr Ahnung als einige Profis und vor allem die Opernstimme"(O-Ton Mischpultmann, Raucher, Masochist) kein Wort mit mit mir reden, eigentlich von mir denken, und ob sie wirklich so ultracool sind, oder nur so tun. Tatsächlich vemute ich Ersteres, aber das muss nicht so schlimm sein, das Rotkreuzmädchen war auch lange Zeit so, und ich habe mich mit der Zeit daran gewöhnt und entsprechende Anpassungen vorgenommen.
Vielleicht ändern sie sich ja auch noch und nähern sich wieder dem Boden, falls wir uns öfter begegnen; glaubt man dem Raucher, sind sie sowieso schon viel menschlicher geworden als noch vor einem halben Jahr.
Davon abgesehen, Menschen ändern sich, der Grinch, eigentlich glücklich vergeben, aber eine Angehörige der Kleinstadtghettofraktion, schmiert sich an den Fremden, der die Ghettoschwester vernachlässigt, ich schaffe es manchmal, mit fremden Menschen zu reden, der Raucher raucht beinahe gar nicht mehr und Mr.Gaunt hat angefangen, Gedichte zu schreiben, ein Schock für Freunde und Familie, und er hört nicht mehr auf damit, schreibt innerhalb kürzester Zeit ganze Schulhefte voll, laut dem KBM mit Blut, aber der Mischpultmann meint, eventuell war das früher so, jetzt, mit 25 bis 27 (so sicher ist man sich da am Tisch nicht), sei er bestimmt ruhiger geworden und auf Kugelschreiber oder Füller umgestiegen.
Und all die Songs, die ich nie schrieb,
all die Zeilen, die ich schrie, die mich am Leben hielten
Eingebrannt
in Mark und Bein. All die Fetzen, die sich Gedanken nannten,
vertont mit Augen zu und durch.
--------
Zitate aus Chaostheorie, Ode to Self und Lebewohl von Thoughts Paint The Sky
"Tagein, tagaus. Chaostheorie im Bauch?
Jetzt mal im Ernst:
dieses Mal wird alles gut, schreib dir das irgendwo auf!
Nimm meine Hand und lass mich nicht allein."
Der Raucher und ich, die einzigen Zwei, die das Kennzeichen unseres Landkreises haben.
Die einzigen Zwei, die mit Stiefeln den Konzertsaal betreten,
die einzigen Zwei, die sich nicht verbotenerweise auf einen Behindertenparkplatz gestellt haben ("Aber wir sind doch gefühlsbehindert!" - "Kaputtsein ist keine Ausrede für gemein sein. Und jetzt suchen wir uns einen richtigen Parkplatz"),
die einzigen Zwei, die wissen, wie man am Besten anpackt, wenn beim Stagediven jemand fast runterfällt,
und die einzigen Zwei, die eine Rollstuhlfahrerin vorlassen, sodass sie auch was sieht.
Während der Fahrt haben wir geredet, und manchmal geschwiegen, und zwischendurch haben wir Pause gemacht, uns auf einen Rastplatztisch gesetzt, weil die Bänke so schrecklich eingesifft waren, leicht aneinander angelehnt, und haben die Kekse gegessen, die ich als Reiseproviant gebacken habe. Ich glaube, es ist gut, dass er da ist. Egal, was sonst so ist, wir haben ja immer noch uns, so ein bisschen.
Immerhin.
Und dann ist da die Band. Und sie spielen.
Drei Stunden lang, fast alles, und ich kann die Texte und könnte mitsingen, auch, wenn ich es mich anfangs nicht traue, und nach zwei Liedern ist der Sänger durchgeschwitzt und nach fünf sind wir es, und irgendwann spielen sie Lieder vom neuen Album, und er schreit sich so sehr die Gefühle raus, dass ich Angst habe, sein Herz platzt gleich, und immer wieder schreit er, es wird alles gut.
Es wird alles gut! Und das Publikum: Es wird alles gut!
Er wird leiser mit seinem Es wird alles gut!, irgendwann verabschiedet sich das Ausrufezeichen und wird zu einem "...".
Und auf einmal springt er in die Menge und schreit, Es wird alles gut!, immer wieder, Es wird alles gut!, und er steht vor uns, Es wird alles gut!, und der Raucher und ich: Es wird alles gut!
Und wir stehen hier zu dritt, Es wird alles gut!, und irgendwie fühlen sich die anderen zwei genauso hoffnungslos an, Es wird alles gut!, und dann fegt der Sänger weiter, erwürgt dabei fast den Raucher mit seinem Mikrofonkabel, und dann ist er wieder auf der Bühne und das Lied vorbei.
Samstag.
Als wir vom Konzert zurückkommen, ist es halb neun; sind gerade noch wach genug, um Zähne zu putzen (was muss, das muss) und uns ansatzweise auszuziehen, dann vergrabe ich mich unter der Decke, die inzwischen seit ein paar Wochenenden wegen mir nicht mehr auf dem Sofa, sondern im Bett des Rauchers liegt und noch halb unter seiner, finde, dass das eindeutig immer noch zu kalt ist, rolle mich so klein wie möglich zusammen (weniger Oberfläche bedeutet weniger Wärmeverlust) und das Nächste, was ich mitbekomme, ist das herumschreiende Handy des Rauchers, das uns mit dem üblichen bösen Black Metal darauf hinweist, dass sein Vater irgendwas wissen will.
"HmmHmnpf.." Eine Lautäußerung des Rauchers, der mit dem Gesicht im Kopfkissen geschlafen hat, sich unter seinem Deckenstapel hervorwühlt und ziemlich zerknautscht aufs Handy schlägt.
-"Wie wärs, wenn ihr mal aufsteht, Herr Raucher?"
Aha, er hat auf Lauthören geschalten.
Grummeln. "Wievieluhrisn?"
-"Halb fünf. Wolltest du deine Freundin nicht um halb drei heimfahren? Ich brauche dringend dein Auto!"
"Halb fünf??" Wie wach wir auf einmal sind.
Noch der Hinweis an den Rauchervater, dass ich nicht die feste, aber fast die beste Freundin bin, dann das klassische Szenario, zum Transportmittel eilende Frau Mayhem, die nebenher alle möglichen Dinge in ihre Tasche stopft, sich in diverse Jacken und einen Schal und die Schnürsenkel der noch offenen Stiefel ums Handgelenk wickelt, und, ganz wichtig, ihr Gesicht mit einer verspiegelten Pilotensonnenbrille vor der Außenwelt abschirmt.
Sonntag.
"Mein Herz schlägt nur für dich
....
Mein Herz schlägt dir ins Gesicht."
Irgendwo zwischen den Umwegen, die ich gehe, um der Mutter des Fremden nicht auf dem Markt zu begegnen, seiner Umarmung, als er mich sieht und begrüßt, der Feststellung, dass sich der Grinch wieder so an ihn ranschmiert, einer Runde Aufderstadtmauersitzen und in den Wald starren mit dem Raucher, einer Begegnung mit der alten Sache, der mich wieder nicht grüßt und einer mit dem Quasi-Stiefbruder, der das Schreikind und die dazugehörige Mutter spazieren führt begreife ich emotional, dass es wohl so sein soll.
Vielleicht ist der Lerneffekt größer, wenn es wehtut.
Schwacher Trost, und eigentlich will ich das alles weder wissen, noch lernen.
Aber muss wohl so. Und vielleicht hat es mich jetzt kaputt gemacht, aber ich wachse, das heißt, ich lebe noch und es wird besser, irgendwann.
Irgendwann wird alles besser. Vielleicht nicht gut, aber besser als jetzt. Irgendwann, dann.
Der Mischpultmann baut auch darauf, dass alles besser wird.
Seine Freundin hat ihn verlassen und das gemeinsame Kind mitgenommen, und jetzt ist er alleine in der leergeräumten Wohnung, deshalb ist der Raucher da reingestiefelt, hat die Vorhänge geöffnet, die Rollos aufgemacht und ihn rausgeschleift. Unter Menschen gehen. Auch, wenn es weh tut. Wir sind da.
Oder versuchen zumindest, es zu sein.
Der Mischpultmann ist ein großer, freundlicher Teddybär und jener Absteigenangestellte, der seinerzeit versucht hat, den Fremden beim Nebelmaschine-Konzert etwas aus der Schusslinie zu ziehen.
Vergeblich, der Fremde ist nicht mehr der, der er mal war, sagt der Mischpultmann und sieht noch trauriger aus als vorher, während wir vor einem Bratwurststand darauf warten, dass sich der Raucher eine Portion Pommes geholt und die Bekannten, auf die wir noch warten, telefonisch erreicht hat.
"Dich hat er ja auch enttäuscht, mayhem...wie er jeden hängen lässt."
-"Was hat er sich denn bei dir geleistet?"
"Wir waren 12 Jahre lang beste Freunde."
Autsch. "Und warum seid ihrs nicht mehr?"
"Ich mache echt sehr viel mit, aber das ging einfach nicht mehr. Er hat sich so total verändert, seit er die Vorgängerin der Ghettoschwester und dann auch die Ghettoschwester kennen gelernt hat, total kindisch und pubertär, weil er da irgendwie dazugehören und was nachholen will. Und das ist einfach so krass, wie deswegen auf einmal alle andern egal sind. Und wie er allgemein total verkackt. Der hat gestern mit meinem Bruder auf der Hochzeit von seinem Chef gespielt, Mittagszeit, und war voll. Hackedicht. Ich hab gemerkt, dass er mehr trinkt, als sein Vater dann ganz offiziell ne andere Frau hatte, und noch mehr, als der sich mit ihr verlobt hat, aber jetzt ist das einfach so... viel."
-"Und ich hab keine Ahnung, was man da machen kann",fügt der Raucher besorgt hinzu und hält uns die Pommes hin. Wir lehnen ab, er versucht es wieder. "Eigentlich is mir der Appetit auch grad vergangen."
"Du isst die jetzt", fordert ihn der Mischpultmann auf, "dir schadet es nicht, und davon abgesehen ändert Nichtessen auch nichts an der Situation."
Betretenes Schweigen, dann wendet er sich wieder an mich: " Jedenfalls habe ich dann, nachdem er immer wieder Mist gebaut und unsere Freundschaft einfach total kaputt gemacht hat, gesagt, wie es ist, nämlich, dass ich das nicht mehr kann. Und dann den Kontakt abgebrochen.
12 Jahre Freundschaft am Arsch, weil der Kerl wegen dem Ghettoverein so rumspackt. Aber es ging einfach nicht mehr."
Versprich mir, dass du vergisst,
wie allein du eigentlich bist
Blut und Wasser in den Augen..
Und die einsachzig geballtes Kuschelbärformat vor mir sehen gerade so elend aus, dass ich das Näheproblem wegdränge, dem Mischpultmann meine Hände auf die breiten Schultern lege, zu ihm hochschaue und ihm sage, dass alles gut wird.
Alles wird gut, Mischpultmann. Das Leben geht weiter, ob man will oder nicht. Alles geht vorbei, auch Freundschaften. Kann man nichts gegen machen..
Und als ich die Traurigkeit inden Augen des Mischpultmannes sehe, finde ich in meinem eigenen Herzschmerztümpel ein bisschen Wut, gerade genug, um sie auch im Dunkeln zu sehen.
Und ich bin wütend auf den Fremden, weil er sich so gemein verhält und das nicht einmal absichtlich tut, sondern weil er so unsensibel geworden ist und es nicht besser wissen will, und weil er 12 Jahre Freundschaft mit einem der gutgläubigsten, gutmütigsten und treusten Menschen, die in der Absteige Musik machen, einfach weggeworfen hat.
Nicht so sehr, weil er mich weggeworfen hat, daran bin ich ja gewöhnt. Aber wenn es um andere Menschen geht, hört der Spaß auf.
Versprich mir, dass du weißt,
wer du in Wirklichkeit bist.
Spiegelbilder entzerren,
mein Herz schlägt nur für dich.
Mein Herz schlägt dir ins Gesicht.
Mein Verstand umarmt dich innerlich.
Meine Wut hält nicht lange aus, aber was habe ich denn erwartet?
Als wir den Fremden und den Grinch erneut treffen und er ihr gerade einen Luftballon kauft, lasse ich es einfach auf mich einprasseln, wie sauren Regen, alleine auf weiter Flur. Nicht gesund, aber irgendwo unterstellen geht auch nicht mehr.
Mein Herz schlägt nur für dich...
Das ganze Verletzsein, die Traurigkeit, die Enttäuschung.
Mein Herz schlägt dir ins Gesicht...
Nicht einmal der Raucher merkt, dass ich im Regen stehe, aber vielleicht liegt das auch daran, dass seine Bekannten endlich erschienen sind; da ist die Frau mit der Opernstimme, die regelmäßig in der Absteige Krach macht, und ihre Bandkollegin Esmeralda, mit der sie seit der Mittelstufe, also fast sieben Jahren, zusammen ist, und als düsteren Schatten hinter ihnen erahnt man Mr.Gaunt, der mich und somit auch den Mischpultmann um mindestens eineinhalb Köpfe überragt und sich, wie der Raucher und ich, hinter Pilotensonnenbrille und bösem Bandshirt tarnt.
Man absolviert keine Begrüßungsumarmungssequenz, sondern nickt sich zu, nur Mr. Gaunt verteilt Handschläge an den Mischpultmann und den Raucher; ich werde ignoriert, aber auch daran habe ich mich inzwischen gewöhnt.
Noch eine Notiz für mich: Nicht alle Leute, die dich nicht begrüßen, finden dich doof.Manche sind auch einfach nur schüchtern.
"Ist Mr. Gaunt eigentlich immer so, oder habe ich es geschafft, gleich vom ersten Eindruck her unsympathisch zu sein?", will ich später trotzdem die Meinung des Rauchers wissen, als wir, ganz untrve, unter einem Sonnenschirm vor der Stammkneipe sitzen und der Rest, zu dem sich noch der Klischeeblackmetalfan und der Masochist gesellt haben, diskutiert, ob man gleich zur bösen Kneipe wechseln, oder doch lieber noch ein bisschen hier draußen sitzen bleiben sollte, schließlich sind die Getränke hier günstiger.
-"Kein Plan, ich weiß nichtmal, ob ich den Kerl schonmal nüchtern erlebt hab, von daher.. allgemein isser aber gern mal bisschen cool, wenn Leute dabei sind, die er nicht kennt. Scheint aber nix zu machen, wenn der will, schleppt der alles ab, was nach Frau aussieht."
-"Mr. Gaunt? Alter, der ist so krass!", mischt sich der KBM ins Gespräch ein, während er sich, wie alle anderen am Tisch außer dem Raucher und mir, eine Zigarette dreht, " der Kerl ist komplett zutätowiert, atmet nur noch mit halbem Lungenvolumen, schaffts, jede Frau aufzureißen, und kippt vor jedem Auftritt erstmal zehn Havanna-Club. Der säuft sogar auf Morphium weiter, ey!" Mr. Gaunt, anscheinend der große Held des KBM, der mit leuchtenden Augen von dessen glorreichen Taten erzählt und dabei immer mehr in Fahrt kommt. "Echt mal, der ist so krass ey.. der hat keinen Magen mehr!"
"Was dir der KBM damit sagen wollte: er ist Mr. Gaunts größter Fan", fasst der Mischpultmann das Gehörte kurz zusammen, "auch, wenn der wahrscheinlich noch mit annähernd normalem Lungenvolumen atmet, vermutlich noch im Besitz seines Magens ist und nur sein Oberkörper komplett verziert ist. Wie du eventuell auf seinen Armen bereits bemerkt hast."
"Der Rest stimmt aber", wirft der Raucher ein.
"Jo, da hab ich ja nix gegen gesagt. Wobei, ich glaube, wenn der so weitermacht, ist seine Lunge echt irgendwann zugeteert und sein Magen weggeätzt... aber dafür hat der Kerl schon Profi-Musiker mit dem Bass an die Wand gespielt."
Wieder ein (mutmaßlich) überragend guter Musiker mit besorgniserregendem Alkoholkonsum.
Da hören die Parallelen zum Fremden allerdings auch schon auf (netterweise), und es sieht so aus, als handle es sich bei Mr. Gaunt um die deutlich extremere Version.
Die Genialsten sind immer die kaputtesten.
Überhaupt sind wir so eine Kuriositätensammlung, und ich glaube, dass das gut so ist. Für alle Beteiligten.
Für den Masochisten, weil er sich jetzt traut, offen über seine Beziehung zu reden und von uns Rückenhalt bekommt, nachdem er zuhause beinahe verstoßen wurde, weil er seine Freundin, die Sadistin, vorgestellt hatte und die Dame genau so aussieht, wie man sie sich im Klischee vorstellt,
für den Raucher, weil das alles wieder anfängt, lebenswert zu sein, und er sich ganz ohne Vorurteilsbombardement von Außen wieder raus in die Welt trauen kann,
für den Mischpultmann, weil wir ihn so kompromisslos einfühlsam wieder aufbauen, dass er gar nicht anders kann, als sich besser zu fühlen,
und vielleicht ja auch für den KBM, in irgendeiner Art und Weise.
Eventuell auch nur, weil er über uns den Fremden kennt, der immer begeistert ist, wenn er an einem Joint ziehen darf (ist ja schließlich cool,macht die Ghettoschwester doch auch... seltsamerweise wurde im Gespräch mit mir immer übers Rauchen egal welcher Substanzen gelästert) und vielleicht potenzielle Kundschaft darstellt.
Und dann sind da noch Ms Golightly und eigentlich auch der Fremde, der sich immer mehr abkapselt. Und manchmal kommt der Musiker vorbei, oder der Schlagzeuger, oder der Pinguin.
Oder die Schwester des Fremden bittet um Unterstützung beim Haaretönen. Auch, wenn sie die so bald nicht mehr von mir bekommen wird, ich war nicht mehr bei ihm und werde es wohl auch so bald nicht mehr sein.
Er hat es mir immer noch nicht gesagt.
Nur freundlich ist er, und zuvorkommend, soweit er das eben kann.
Ich weiß nicht, was es ist, das ich mir da gerade in der Kleinstadt aufbaue, aber ich glaube, es ist gut, auch, wenn niemand weiß, ob es von Dauer ist, man hat ja bereits bei der üblichen Truppe gesehen, wie sowas laufen kann.
Aber vielleicht ist das ja echte, dauerhafte Freundschaft, die ich gefunden habe, hier am Tisch, etwas vernebelt durch die Rauchschwaden der Beteiligten (erwähnte ich schon,dass ich es eigentlich nicht mag, wenn man mich verräuchert, weil ich dann, warum auch immer, öfter mal Nasenbluten bekomme?) und, wenn man die Opernstimme, Mr. Gaunt und Esmeralda einrechnet, zum Großteil hinter verspiegelten Sonnenbrillen und Tätowierungen verborgen, aber definitiv existent, auch, wenn ich mir nicht sicher bin, was die letzten drei, die, bis auf ein wenig Höflichkeitssmalltalk in Form von Fachwissensaustausch von selbsterklärter professioneller Piercerin (die Opernstimme) zu selbstdiagnostizierter Amateuerin (ich) mit "mehr Ahnung als einige Profis und vor allem die Opernstimme"(O-Ton Mischpultmann, Raucher, Masochist) kein Wort mit mit mir reden, eigentlich von mir denken, und ob sie wirklich so ultracool sind, oder nur so tun. Tatsächlich vemute ich Ersteres, aber das muss nicht so schlimm sein, das Rotkreuzmädchen war auch lange Zeit so, und ich habe mich mit der Zeit daran gewöhnt und entsprechende Anpassungen vorgenommen.
Vielleicht ändern sie sich ja auch noch und nähern sich wieder dem Boden, falls wir uns öfter begegnen; glaubt man dem Raucher, sind sie sowieso schon viel menschlicher geworden als noch vor einem halben Jahr.
Davon abgesehen, Menschen ändern sich, der Grinch, eigentlich glücklich vergeben, aber eine Angehörige der Kleinstadtghettofraktion, schmiert sich an den Fremden, der die Ghettoschwester vernachlässigt, ich schaffe es manchmal, mit fremden Menschen zu reden, der Raucher raucht beinahe gar nicht mehr und Mr.Gaunt hat angefangen, Gedichte zu schreiben, ein Schock für Freunde und Familie, und er hört nicht mehr auf damit, schreibt innerhalb kürzester Zeit ganze Schulhefte voll, laut dem KBM mit Blut, aber der Mischpultmann meint, eventuell war das früher so, jetzt, mit 25 bis 27 (so sicher ist man sich da am Tisch nicht), sei er bestimmt ruhiger geworden und auf Kugelschreiber oder Füller umgestiegen.
Und all die Songs, die ich nie schrieb,
all die Zeilen, die ich schrie, die mich am Leben hielten
Eingebrannt
in Mark und Bein. All die Fetzen, die sich Gedanken nannten,
vertont mit Augen zu und durch.
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Zitate aus Chaostheorie, Ode to Self und Lebewohl von Thoughts Paint The Sky
Thema: kurz gemeldet
27. September 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Referrer des Tages:
search request: Urlaub Psychoterror Hass Verachtung.
Urlaub könnte ich tatsächlich gebrauchen. Urlaub vom ganzen Rest, Ruhe und Auftanken und all das.
Aber es wäre ja doch nur Weglaufen, also lasse ich es.
Selbst der Lichtblick, das Konzert morgen,dunkelt alles nur noch mehr ab.
Thoughts Paint The Sky live, Abschiedskonzert, mit dem Raucher.
Geplant war, mit dem Fremden hinzugehen.
Geplant war auch, dass ich fahre.
Jetzt habe ich weder den Fremden, noch mein Auto bei mir,den ersten habe ich verloren, das zweite verliere ich noch, weil Papa Mayhem nicht mehr in die Stadt fahren will.
Heute wäre der Termin, Probefahrt, anschauen, kaufen, anmelden. Neue Bremsscheiben sind drauf, der Rest noch annehmbar, der Preis in Ordnung.
Adios, MayhemMobil, es wäre ja auch zu schön gewesen.
Immerhin, der Hauch einer Chance. Die Mailbenachrichtigungen sprechen von einem Post im Netzwerk des Misstrauens, man sucht für das Konzert jemanden, der Fotos macht.
Nach dem Tod der alten Kamera und dem Erwerb der neuen auf leicht absurdem Weg könnte ich mich melden.
Ich kann fotographieren, eigentlich.
Pflanzen und Tiere und Landschaften.
Bands? Ich habe es bei der besten Band der Kleinstadt versucht, und war semi-zufrieden. Teilweise null Wirkung, allgemein die Stimmung nicht genug eingefangen.
Der Raucher und der Fremde haben sich vor Begeisterung fast nicht mehr eingekriegt, als sie die Bilder gesehen haben.
Einen Versuch wäre es wert, aber wenn es nichts wird, habe ich ein Problem.
Überhaupt, diese Angst, zu scheitern.
Wegen der Seminararbeit (noch nicht angefangen), jetzt mit den Fotos, allgemein.
Es steht so viel auf der Kippe im Moment.. und ich habe doch Höhenangst.
Aber manchmal muss man wohl über seinen Schatten springen, mit Anlauf. Und hoffen, dass bei der Landung nicht so viel kaputtgeht.
Die letzten Male ging es gut, wenn auch nicht im Hinblick aufs Endresultat. Aber ich habe es gelernt, durch den Fremden, unbewusst, wie fotographieren.
Tief durchatmen, ich kann das.
Auch, wenn mir die Energie fehlt, ich kann das, alles.
Ich überstehe das. Alles.
Alles wird gut, irgendwie. Irgendwann, und wenn es im nächsten Leben ist..
Back to being productive, in der Theorie.
In der Praxis: Unwohl fühlen und Zufluchtsort suchen.
Leider gibt es keinen, die Zeit, in der ich den Fremden einfach mal schnell anklingeln und mit ihm meinen Endlosfreistundenblock verbringen konnte, sind vorbei.
Vielleicht Musik hören und schlafend stellen.
Winterschlaf, warten auf bessere Zeiten.
Und im Hintergrund die Geräuschkulisse von Super Mario, sie haben ihre Playstation wieder ins Oberstufenzimmer mitgenommen.
search request: Urlaub Psychoterror Hass Verachtung.
Urlaub könnte ich tatsächlich gebrauchen. Urlaub vom ganzen Rest, Ruhe und Auftanken und all das.
Aber es wäre ja doch nur Weglaufen, also lasse ich es.
Selbst der Lichtblick, das Konzert morgen,dunkelt alles nur noch mehr ab.
Thoughts Paint The Sky live, Abschiedskonzert, mit dem Raucher.
Geplant war, mit dem Fremden hinzugehen.
Geplant war auch, dass ich fahre.
Jetzt habe ich weder den Fremden, noch mein Auto bei mir,den ersten habe ich verloren, das zweite verliere ich noch, weil Papa Mayhem nicht mehr in die Stadt fahren will.
Heute wäre der Termin, Probefahrt, anschauen, kaufen, anmelden. Neue Bremsscheiben sind drauf, der Rest noch annehmbar, der Preis in Ordnung.
Adios, MayhemMobil, es wäre ja auch zu schön gewesen.
Immerhin, der Hauch einer Chance. Die Mailbenachrichtigungen sprechen von einem Post im Netzwerk des Misstrauens, man sucht für das Konzert jemanden, der Fotos macht.
Nach dem Tod der alten Kamera und dem Erwerb der neuen auf leicht absurdem Weg könnte ich mich melden.
Ich kann fotographieren, eigentlich.
Pflanzen und Tiere und Landschaften.
Bands? Ich habe es bei der besten Band der Kleinstadt versucht, und war semi-zufrieden. Teilweise null Wirkung, allgemein die Stimmung nicht genug eingefangen.
Der Raucher und der Fremde haben sich vor Begeisterung fast nicht mehr eingekriegt, als sie die Bilder gesehen haben.
Einen Versuch wäre es wert, aber wenn es nichts wird, habe ich ein Problem.
Überhaupt, diese Angst, zu scheitern.
Wegen der Seminararbeit (noch nicht angefangen), jetzt mit den Fotos, allgemein.
Es steht so viel auf der Kippe im Moment.. und ich habe doch Höhenangst.
Aber manchmal muss man wohl über seinen Schatten springen, mit Anlauf. Und hoffen, dass bei der Landung nicht so viel kaputtgeht.
Die letzten Male ging es gut, wenn auch nicht im Hinblick aufs Endresultat. Aber ich habe es gelernt, durch den Fremden, unbewusst, wie fotographieren.
Tief durchatmen, ich kann das.
Auch, wenn mir die Energie fehlt, ich kann das, alles.
Ich überstehe das. Alles.
Alles wird gut, irgendwie. Irgendwann, und wenn es im nächsten Leben ist..
Back to being productive, in der Theorie.
In der Praxis: Unwohl fühlen und Zufluchtsort suchen.
Leider gibt es keinen, die Zeit, in der ich den Fremden einfach mal schnell anklingeln und mit ihm meinen Endlosfreistundenblock verbringen konnte, sind vorbei.
Vielleicht Musik hören und schlafend stellen.
Winterschlaf, warten auf bessere Zeiten.
Und im Hintergrund die Geräuschkulisse von Super Mario, sie haben ihre Playstation wieder ins Oberstufenzimmer mitgenommen.