Donnerstag, 25. Oktober 2012
Thema: gefunden.




"Love is not blind, it's just deaf and it is dumb."
(Autor unbekannt).
Die Tatsache, dass ich versuche, mich wieder aufzurappeln, hält das Leben leider nicht davon ab, immer wieder den Finger in die Wunde zu drücken.

Gelegentliche Lichtblicke: Bald Dirk Bernemann hören und Mr. Gaunt wieder sehen.
Überhaupt, Mr.Gaunt. Vielleicht ein Lichtblick, vielleicht auch nicht.
Im Moment ist da nur Faszination, für mehr reicht es aktuell nicht bei mir.

Festhalten an mir. Ich mich selbst, und auch der Raucher.
Haben ja sonst niemanden, außer mich.
Uns?

Gelegentliches Wiederaufstehen, zumindest der Versuch. Über mich hinauswachsen, wie heute im Gespräch mit der knusperblonden Wednesday, die so lange toll war, bis sie den Mund aufgemacht und was gesagt hat.

Notwendig wohl auch am nächsten Konzert, live mit der besten Band der Kleinstadt, der wirklich bekannten Band, der Ghettoschwester, ihrer Vorgängerin, zwei Fangirlies und der Gruppe um die Opernsängerin, Esmeralda und Mr.Gaunt.
Und eventuell für den Kampf mayhem vs. Seminararbeit (immer noch ohne nennenswert gutes Infomaterial).

Sie kennen mich, ich komme zurecht.




Donnerstag, 18. Oktober 2012
Und mitten im Chaos taucht der Fremde auf, plötzlich wieder online und auf Kontakt gepolt, und meldet sich, als wäre nichts gewesen, und schreibt, man müsse unbedingt wieder was zusammen machen, ich solle mich doch bitte melden und die Gitarre mitnehmen, wir wollten doch schon seit Ewigkeiten mal zusammen spielen..

Und aus dem inneren Sumpf schießt die Hoffnung geysirartig in die Höhe, bis an die Schädeldecke, und sie schreit, es wird alles gut, er hat es doch gesehen, jetzt wird es, alles wird gut.
" Wer am meisten liebt, ist der Unterlegene und muss leiden."
Fühlt sich nicht gerade angenehm an, sowas.

Oben an der Schädeldecke klebt der Rest meiner noch nie sonderlich gut ausgeprägten Vernunft, den ich über den Sumpf gelegt hatte, um ihn notdürftig abzudecken.
Aber er ist gar nicht bewusstlos, der Vernunftrest, obwohl er das nach so einem Aufprall eigentlich sein müsste, und er erinnert mich daran, auf meine Intuition zu hören.

Also antworte ich dem Fremden nicht, fürs Erste. Der kann ruhig warten.
Und schwebe nicht wie auf Wolken durchs Haus, aufs Happy End muss ich wohl auch warten, denn das hier ist es nicht.
So sehr ich es mir auch wünsche, das ist es nicht.

Ich werde die Gitarre mit in die Kleinstadt nehmen. Und ich werde auch wieder mit dem Fremden weggehen. Vielleicht auch mit ihm zusammen spielen, auf der Terasse des Rauchers, oder, wenn ich mutig bin, in der Stammkneipe, in der passenderweise open stage ist. Eine Herausforderung für mich und gegen meine Unsicherheit. Innerlich zittere ich. Vielleicht nehme ich sie an, trotzdem oder gerade deswegen.
Ich werde beim Raucher schlafen, egal, was passiert, und einen kühlen Kopf bewahren, egal, was vom Fremden kommt.
Ich habe keine Lust, dritte Wahl und nur deshalb wieder gefragt zu sein, weil die Ghettoschwester sich nicht meldet und der Grinch auf die Idee gekommen ist, dass sie ja auch einen Freund hat und das Wochenende bei ihm verbringen könnte.
Aber wenn alle Stricke reißen, setze ich mich ins Mayhemmobil und fahre heim, oder schlafe drin, falls ich schon was getrunken habe. Mein Auto ist groß, meine Sitze sind gemütlich, ich habe zwei Flauschedecken, eine wieder funktionierende Heizung, für 1,57 Euro pro Liter vollgetankt und davon abgesehen einen Gutschein über 40 Euro.
Wenn ich wollte, könnte ich nach Prag fahren.

Ich überstehe das alles. Ich bin inzwischen stolze Besitzerin eines Traguspiercings und habe sogar das überstanden, da packe ich das Wochenende ja wohl mit links. Egal, wie pärchenübersättigt unsere Gruppe diesmal ist, wie zwanghaft mich der Mischpultmann von sich überzeugen will und wie freundlich der Fremde ist.
Danach kann ich implodieren und mein Herz Blut kotzen gehen, so viel es will, aber ich steh das durch.
Wieder aufstehen, wie immer.
Ich krieg das hin. Und hätte ich die Möglichkeit, nochmal an den Anfang zurückzukehren, es anders oder besser zu machen, ich würde es nicht tun.
Kommt ja doch alles, wie es muss, und alles geht vorbei.
Und vielleicht wird ja doch alles gut, auf irgendeine Art und Weise, irgendwann.

"(....) Noch einmal anfangen? Aber es hülfe nichts.
Es würde wieder so werden. - Alles würde wieder so kommen, wie es gekommen ist.
Denn Etliche gehen mit Notwendigkeit in die Irre, weil es einen rechten Weg für sie überhaupt nicht gibt.
"



------
Zitate aus Thomas Manns Tonio Kröger.




Montag, 15. Oktober 2012
Mit dem Raucher in meinem Zimmer gesessen, das Telefon auf meinen Knien liegend.
Die Nummer rausgesucht, ihn nochmal angesehen und in seinem Blick die Bestätigung gefunden, dass es das Richtige ist, was ich tue. So tief wie möglich eingeatmet, um die Ketten wegzusprengen, die mir Herz und Kehle zusammenschnüren.
Vatersfreundinstimme auf der anderen Seite der Tür. Das Telefon will sie, jetzt sofort.
Wir brauchen es kurz, bitte.Dauert nicht lang.
Kein "es dauert nicht lang". Sie braucht das Telefon, jetzt.
-Aber es ist doch wichtig, und dauert wirklich nicht lange. Bitte.
Kein aber, das Telefon. Jetzt, sofort.
Erstaunlich, Papa Mayhem wird wieder richtiggehend gesprächig mir gegenüber, sobald es um seine Freundin geht.
Ein Blick auf die Uhr lässt Telefonweggeben wie keinen sehr weisen Schachzug erscheinen. Blick zum Raucher, der das selbe denkt wie ich.
"Du gibst mir jetzt das Telefon!" Vatersfreundin, die gleichzeitig klopft und eintritt, mir das Telefon aus der Hand reißt, dabei einen Finger umbiegt und so schnell wieder verschwindet, wie sie angegriffen hat.
Auch eineinhalb Stunden später kein Telefon, sie hat ihre Schwester an der Strippe (zu erkennen daran,dass sie noch lauter telefoniert, als sie sowieso schon ist) und das kann dauern. Außerdem warten der Mischpultmann, der Fremde und mutmaßlich Mr.Gaunt schon seit geraumer Zeit darauf, von uns eingesammelt zu werden


Im Gruftkeller gesessen und erfolgreich die Tränen zurückgehalten.
Als der Fremde erst behauptet, krank daheim zu liegen und dann damit rausrückt, mit dem Grinch ins Kino gegangen zu sein.
Als mir klar wird, dass er es mir immer noch nicht gesagt hat. Wir seitdem keinen Kontakt mehr hatten. Er es nichtmal fertig gebracht hat, mir für heute abzusagen, geschweige denn, zu reagieren.
Als die Erkenntnis folgt, dass es mal wieder daran gescheitert ist, dass ich "zu erwachsen" bin.
Als mein Gedächtnis mich unsanft daran erinnert, dass es bis jetzt jedes Mal so war.

Am Auto mit dem Mischpultmann auf den Raucher, Ms Golightly und den Masochisten gewartet und jeden Annäherungsversuch erfolgreich abgeschmettert, wie auch seine vorhergehenden Versuche, mich abzufüllen;
ich weiß nicht, wer mehr über meine Trinkfestigkeit erstaunt ist, er oder ich. Aber er hat wohl seine Lektion gelernt, investiere nie in den Versuch, eine Frau betrunken zu machen, nur, weil du anders noch weniger Chancen bei ihr hättest. Sie könnte es bemerken und ein wenig ausnutzen,um auch mal wieder zu ihrem Malibu-Kirsch zu kommen.
Allgemein macht man Leute nicht einfach betrunken.

Im Auto neben dem Raucher gesessen und, als sich Ms Golightly ein Lied ausgesucht hat, zusammenbruchsfrei Wings von Frittenbude gehört.
Auch, wenn es das Festivallied ist, das erzählt von Hinfahren und Vorfreude, von Warten und Imautoschlafen, auf dem Schoß des Fremden, von Imzeltliegen und Frieren, in den Armen des Fremden.
Von Zugfahrten in die Kleinstadt, mit ein wenig Vorfreude und viel geistiger Anstrengung zur Optimismusbeschaffung, und immer mit dem Gedanken, es wird alles gut, muss ja.
Von dieser betäubten Fassungslosigkeit, die sich einstellt, wenn man realisiert, dass man mal wieder verloren hat.
Von Liebe, zumindest für mich, und eigentlich habe ich gehofft, dass es ein glückliches Liebeslied ist, für mich.
So ist es eben nur ein Liebeslied, und ich nehme nicht ihn mit, aber dafür ein Erinnerungsbündel, ein Quäntchen mehr Lebensweisheit, ein paar weitere Narben, denn irgendwann sind es nur noch Narben und keine Platzwunden mehr, und ich weiß ein wenig mehr, wie es aussieht, wenn die Endzeitstimmung akut gefährlich wird.
Vielleicht gehöre ich zu denen, die nicht dazu bestimmt sind, glücklich zu werden.

Am Tisch der Raucherfamilie gesessen, von Großvater Raucher als "guter Fang" bezeichnet worden, wovon er auch nicht abkam, als wir erklärt haben, dass wir nicht zusammen sind, und von Großmutter Raucher ein Kompliment für meine ausnahmsweise offenen Haare bekommen, "so schöne lange, rote Wellen, wie eine Elfe. Oder eine von den Urwaldfrauen da, wie eine Amazona." Amazone, korrigiert der Raucherbruder. Und meint, dass das davon abgesehen nicht geht, entweder Elfe oder Amazone.
Jeglichen Fluchtinstinkt erfolgreich unterdrückt, obwohl mir so sehr nach Weglaufen war. Immer wieder vom Raucher beruhigt worden, niemand hasst mich, alles wird gut, ich störe nicht, sonst war der Fremde auch immer einfach so zum Geburtstagskuchen da, und abends.
Der Fremde hat auch keine Angst davor, mit unbekannten Menschen zu reden.
Oder mit ihnen an einem Tisch zu sitzen und Kuchen zu essen, während sich die Überzeugung, von ihnen mit den Augen seziert zu werden und einen Eindruck zu hinterlassen, der nicht gerade positiv ist, immer weiter festigt, wie Beton, der sich als Mauer um das Selbst hochzieht und einen so nur noch mehr isoliert.

Viel zu spät nach Hause gekommen, weil Großmutter Raucher und die Rauchermutter mich ins Kreuzverhör genommen haben, während Großvater Raucher und der Rauchervater parallel ihren Sohn über unser Verhältnis zueinander ausfragten, sie mir nebenher noch Kuchen andrehen wollten und der Hund so lange die Tür blockierte und mich nicht gehen lassen wollte, bis der Raucherbruder ihn angeleint und Gassi geschleift hat.
Bemerkt, dass sich dem Raucher gegenüber die altbekannte Näheallergie (wieder?) einstellt.

Mich auf die Suche nach dem Telefon gemacht, um anzurufen. Ohne Raucher.
Es blockiert vorgefunden, gewartet, irgendwann fast durchgedreht und die große Runde spazieren gegangen.
Drei Stunden später wieder heimgekommen und nicht getraut, bei der Notfallnummer anzurufen.
Versagt.




Montag, 8. Oktober 2012
Wieder auf dem Boden hinter der Zimmertür gesessen und am Ende gewesen. Die üblichen Gründe, der eine weiblich, dauerrauchend und hexenartig, der andere soll wohl mein Papa sein.
An dieser Stelle also mal wieder danke fürs Kaputtmachen. Auch an den Fremden.

Im Unterricht mal wieder was gesagt, so, wie früher; danach als akut suizidgefährdet eingestuft worden.
Danach Familienidylle, sobald ich wieder halbwegs sprechen und klar denken kann ein Anruf beim Raucher,ich brauch Unterstützung und Rückenhalt, und das nicht zu knapp.

Auch,wenn der Fremde mal gesagt hat, dass ich stärker bin, als ich denke; der Fremde hat auch so getan, als wäre das was gegenseitiges, und der Fremde ist ...der Fremde.
Ich weiß, wann man aufhören muss. Das ist jetzt.
Und eigentlich traue ich mich nichtmal, mich dort zu melden und einen Termin auszumachen, aber so geht das nicht mehr.
Und deshalb bitte ich jetzt den Raucher darum, mich anzurufen, wenn er Feierabend hat, und erkläre ihm dann, dass er mir helfen muss, mit fremden Menschen zu telefonieren und da auch wirklich einen Termin auszumachen.
Nächste Station: Sozialpsychatrischer Notdienst.