Thema: von herzen
07. November 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Fremder,
er sagt, es ist meine Schuld.
Es sei eindeutig meine Schuld,dass du dich auf die Reihe bekommst, sagt er, auch, wenn er natürlich keine Ferndiagnosen stellen könne und weder dich, noch mich sonderlich gut kennt.
Ich bin traurig, weil ich uns nicht auf die Reihe bekommen habe und du es erst jetzt schaffst, wo ich aus deinem Leben so ziemlich verschwunden bin,
und weil ich so viel Hoffnung hatte und mich so oft überwinden musste,
auf dem Festival und hier,
und so oft versucht habe, meine Intuition als Paranoia abzutun,
aber der Gedanke, dass ich es vielleicht doch geschafft habe, dir zu helfen, ist ein ganz schöner, eigentlich.
Er sagt, dass ich Schuld bin, weil ich die Einzige bin, die je ehrlich zu dir war.
Die ganzen Fangirlies dauerläufig am anhimmeln, der Rest schießt sich schlimmer ab als du, und mittendrin tauche ich auf und himmle dich nicht einfach nur nicht stumm an, trinke nur so viel, wie ich auch vertrage und sage dir schonungslos ehrlich ins Gesicht, wenn ich finde, dass du Scheiße gebaut hast.
Muss ziemlich ungewohnt sein.
Vielleicht hat es dich zum Nachdenken gebracht.
Das, was ich gesagt habe und das, was ich nicht gesagt habe; die Tatsache, dass es Alternativen gibt, live vorgelebt von mir, und der Fakt, dass es weitergeht, egal, was einem passiert.
Und du löst dich von der Ghettoschwester, die Angst hat, dass du den Kontakt abbrichst, weil du jetzt nur noch mit anderen Ghettomädchen und vielen Fangirlies unterwegs bist,
und von ihrer Vorgängerin, die im achten Monat schwanger ist von ihrem Freund, den sie seit neun Monaten kennt.
Und du versuchst tatsächlich, auf der Arbeit mal was zu leisten, dein Chef erkennt dich nicht wieder,
und verbringst deine freie Zeit unter der Woche nicht mehr mit der Ghettoschwester oder mit Pizza vorm Fernseher, sondern mit dem Grinch, oder Fangirlies, oder Ghettomädchen, und selten sogar mit Bandproben,
und irgendwie passe ich da nicht mehr rein.
Ich gehe auf Konzerte, nicht in die Dorfdisko, und ich lasse mich nicht planlos vollaufen, weil ich den Sinn darin nicht sehe.
Ich kann mehr, als doof kichern und hohl sein, ich habe ein Gehirn, und manchmal weiß ich sogar, wie man es benutzt.
Und ich wäre so gerne mehr für dich gewesen, aber im Moment geht es wohl wirklich nicht.
Weil du erst langsam realisierst, dass man sich nicht zwingend planlos vollaufen lassen musst,
weil du irgendwie erst noch lernst, wie man sein Gehirn einsetzt und selbstständig denkt,
und weil dir die Welt, die mir oft so schmerzhaft und unbegreiflich vorkommt, so riesig und unfassbar erscheint, dass du erst langsam damit anfängst, über sie nachzudenken.
Er sagt, dass du wegen mir damit anfängst.
Wenn es so ist, und ich es ausgelöst habe, unbewusst oder bewusst, bin ich wenigstens nicht komplett gescheitert und wir haben beide was aus der Sache gelernt.
Ich hätte nach wie vor lieber dich als ein paar neue Lebensweisheiten, aber das bleibt wohl Wunschdenken und ich löse mich davon und konzentriere mich darauf, mein Selbstwertgefühl vom Boden aufzusammeln, während du dich schrittweise auf die Reihe kriegst.
Weißt du was, wir schaffen das. Wir kriegen uns auf die Reihe, jeder für sich.
Es gibt kein "wir", nicht mit uns.
Und ich werde nicht auf dich warten.
Ich werde nicht warten, bis du soweit bist, und hoffen, dass dir dann doch auffällt, wie toll du mich findest,
ich muss wachsen, erstmal versuchen, nicht zu zerbrechen, größer werden, meinen Weg und Frieden finden, irgendwo. Da kann ich nicht einfach auf der Stelle treten und hoffen, dass du irgendwann mit mir weiterlaufen willst.
Letztendlich habe ich schließlich doch das geschafft, was ich anfangs wollte: dir helfen.
Auch,wenn es nie so geplant war. Und immerhin, ich habe etwas aus der Sache gelernt, den Raucher aufgegabelt und deiner Schwester die Haare gefärbt, war auf einem Festival und mit dir in einer kleinen Wall of Love, habe neben dir im Zelt und in deinem Arm geschlafen,
wurde von dir nach der Bitchparty ausgesetzt und allein gelassen, habe gelernt, dass man Gefühle auch so ein bisschen zeigen sollte, und alte Bands wiederentdeckt,
werde von Manchen inzwischen zum Absteigeninventar gezählt und darf manche Bands sogar live fotographieren, weil du mich empfohlen hast und sie gesehen haben, was ich bei euren Auftritten so fertig gebracht habe.
Es hat ja doch alles irgendwie einen Sinn,und unseren haben wir hiermit wohl gefunden, jeder für sich.
Vermutlich ist es damit beendet, vermutlich war es das jetzt wohl. Ich versuche, mich nicht zu sehr daran festzuklammern, damit es in Frieden gehen kann und nicht wieder so hässlich wird, wie es damals mit dem Problem war.
Natürlich tut das weh, zeitweise fühlt es sich an, als würde ich auf der Stelle krepieren deswegen, aber weißt du, auch das geht vorbei, und ich habe zu viele andere Probleme, um nur wegen dir zu weinen.
Nach wie vor wünsche ich dir alles Gute und glaube daran, dass das schon alles irgendwie einen Sinn und seine Richtigkeit hat, auch, wenn es mich emotional zerfleddert und du es mir nicht gerade einfach machst, aber was ist im Leben schon einfach, und für mich bildet sich gerade ein ganz neuer Weg, von dem ich noch nichts weiß, außer, dass er meine ganze Kraft verlangen wird.
Deshalb lasse ich dich gehen, hoffe, dass du dich nicht verläufst, weiß aber, dass das manchmal notwendig und das einzig Richtige ist.
Du machst das schon, irgendwie, zumindest hoffe ich das,
und irgendwie werde ich es auch auf die Reihe kriegen. Ohne dich.
Ohne alles.
Im Endeffekt kann einem niemand helfen, man muss das schon selbst schaffen, irgendwie.
Wir schaffen das schon.
Jeder für sich.
von Herzen,
Frau mayhem.
er sagt, es ist meine Schuld.
Es sei eindeutig meine Schuld,dass du dich auf die Reihe bekommst, sagt er, auch, wenn er natürlich keine Ferndiagnosen stellen könne und weder dich, noch mich sonderlich gut kennt.
Ich bin traurig, weil ich uns nicht auf die Reihe bekommen habe und du es erst jetzt schaffst, wo ich aus deinem Leben so ziemlich verschwunden bin,
und weil ich so viel Hoffnung hatte und mich so oft überwinden musste,
auf dem Festival und hier,
und so oft versucht habe, meine Intuition als Paranoia abzutun,
aber der Gedanke, dass ich es vielleicht doch geschafft habe, dir zu helfen, ist ein ganz schöner, eigentlich.
Er sagt, dass ich Schuld bin, weil ich die Einzige bin, die je ehrlich zu dir war.
Die ganzen Fangirlies dauerläufig am anhimmeln, der Rest schießt sich schlimmer ab als du, und mittendrin tauche ich auf und himmle dich nicht einfach nur nicht stumm an, trinke nur so viel, wie ich auch vertrage und sage dir schonungslos ehrlich ins Gesicht, wenn ich finde, dass du Scheiße gebaut hast.
Muss ziemlich ungewohnt sein.
Vielleicht hat es dich zum Nachdenken gebracht.
Das, was ich gesagt habe und das, was ich nicht gesagt habe; die Tatsache, dass es Alternativen gibt, live vorgelebt von mir, und der Fakt, dass es weitergeht, egal, was einem passiert.
Und du löst dich von der Ghettoschwester, die Angst hat, dass du den Kontakt abbrichst, weil du jetzt nur noch mit anderen Ghettomädchen und vielen Fangirlies unterwegs bist,
und von ihrer Vorgängerin, die im achten Monat schwanger ist von ihrem Freund, den sie seit neun Monaten kennt.
Und du versuchst tatsächlich, auf der Arbeit mal was zu leisten, dein Chef erkennt dich nicht wieder,
und verbringst deine freie Zeit unter der Woche nicht mehr mit der Ghettoschwester oder mit Pizza vorm Fernseher, sondern mit dem Grinch, oder Fangirlies, oder Ghettomädchen, und selten sogar mit Bandproben,
und irgendwie passe ich da nicht mehr rein.
Ich gehe auf Konzerte, nicht in die Dorfdisko, und ich lasse mich nicht planlos vollaufen, weil ich den Sinn darin nicht sehe.
Ich kann mehr, als doof kichern und hohl sein, ich habe ein Gehirn, und manchmal weiß ich sogar, wie man es benutzt.
Und ich wäre so gerne mehr für dich gewesen, aber im Moment geht es wohl wirklich nicht.
Weil du erst langsam realisierst, dass man sich nicht zwingend planlos vollaufen lassen musst,
weil du irgendwie erst noch lernst, wie man sein Gehirn einsetzt und selbstständig denkt,
und weil dir die Welt, die mir oft so schmerzhaft und unbegreiflich vorkommt, so riesig und unfassbar erscheint, dass du erst langsam damit anfängst, über sie nachzudenken.
Er sagt, dass du wegen mir damit anfängst.
Wenn es so ist, und ich es ausgelöst habe, unbewusst oder bewusst, bin ich wenigstens nicht komplett gescheitert und wir haben beide was aus der Sache gelernt.
Ich hätte nach wie vor lieber dich als ein paar neue Lebensweisheiten, aber das bleibt wohl Wunschdenken und ich löse mich davon und konzentriere mich darauf, mein Selbstwertgefühl vom Boden aufzusammeln, während du dich schrittweise auf die Reihe kriegst.
Weißt du was, wir schaffen das. Wir kriegen uns auf die Reihe, jeder für sich.
Es gibt kein "wir", nicht mit uns.
Und ich werde nicht auf dich warten.
Ich werde nicht warten, bis du soweit bist, und hoffen, dass dir dann doch auffällt, wie toll du mich findest,
ich muss wachsen, erstmal versuchen, nicht zu zerbrechen, größer werden, meinen Weg und Frieden finden, irgendwo. Da kann ich nicht einfach auf der Stelle treten und hoffen, dass du irgendwann mit mir weiterlaufen willst.
Letztendlich habe ich schließlich doch das geschafft, was ich anfangs wollte: dir helfen.
Auch,wenn es nie so geplant war. Und immerhin, ich habe etwas aus der Sache gelernt, den Raucher aufgegabelt und deiner Schwester die Haare gefärbt, war auf einem Festival und mit dir in einer kleinen Wall of Love, habe neben dir im Zelt und in deinem Arm geschlafen,
wurde von dir nach der Bitchparty ausgesetzt und allein gelassen, habe gelernt, dass man Gefühle auch so ein bisschen zeigen sollte, und alte Bands wiederentdeckt,
werde von Manchen inzwischen zum Absteigeninventar gezählt und darf manche Bands sogar live fotographieren, weil du mich empfohlen hast und sie gesehen haben, was ich bei euren Auftritten so fertig gebracht habe.
Es hat ja doch alles irgendwie einen Sinn,und unseren haben wir hiermit wohl gefunden, jeder für sich.
Vermutlich ist es damit beendet, vermutlich war es das jetzt wohl. Ich versuche, mich nicht zu sehr daran festzuklammern, damit es in Frieden gehen kann und nicht wieder so hässlich wird, wie es damals mit dem Problem war.
Natürlich tut das weh, zeitweise fühlt es sich an, als würde ich auf der Stelle krepieren deswegen, aber weißt du, auch das geht vorbei, und ich habe zu viele andere Probleme, um nur wegen dir zu weinen.
Nach wie vor wünsche ich dir alles Gute und glaube daran, dass das schon alles irgendwie einen Sinn und seine Richtigkeit hat, auch, wenn es mich emotional zerfleddert und du es mir nicht gerade einfach machst, aber was ist im Leben schon einfach, und für mich bildet sich gerade ein ganz neuer Weg, von dem ich noch nichts weiß, außer, dass er meine ganze Kraft verlangen wird.
Deshalb lasse ich dich gehen, hoffe, dass du dich nicht verläufst, weiß aber, dass das manchmal notwendig und das einzig Richtige ist.
Du machst das schon, irgendwie, zumindest hoffe ich das,
und irgendwie werde ich es auch auf die Reihe kriegen. Ohne dich.
Ohne alles.
Im Endeffekt kann einem niemand helfen, man muss das schon selbst schaffen, irgendwie.
Wir schaffen das schon.
Jeder für sich.
von Herzen,
Frau mayhem.
Thema: persoenlichkeitsfetzen
04. November 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
Dieser seltsame Moment, eingeklemmt auf der Rücksitztbank des Rauchers, zwischen dem Fremden, der alten Sache und einer Snare Drum.
Der Fremde nonstop am Texten mit einem Fangirlie, und immer, wenn sie schreibt, fängt er an, glücklich zu lächeln und es fängt an, weh zu tun.
Er besucht sie nachher noch, hat er gesagt, und hat sich deswegen nicht völlig abgeschossen, sondern nur ein wenig Mut angetrunken.
Sein Fangirlie ist 15, eine blondierte, noch stärker geschminkte Variante der Ghettoschwester und war heute nicht da, weil in der Dorfdisko Lady's Night war und Tanzpop + Freicocktails mit den anderen Fangirlies und Ghettomädchen sich für sie besser angehört haben als Black Metal + Selbstversorgung.
Der Schlagzeuger hat gesagt, ist auch gut so, die Ghettofraktion habe gerade noch gefehlt. Die seien sowieso zu nichts zu gebrauchen, nichtmal rummachen wolle er mit denen.
Der Fremde hat nur weiter sms geschrieben.
Dieses seltsame Gefühl der totalen Entfremdung, der unfreiwiligen Distanzierung von der alten Sache und seine Distanz mir Gegenüber.
Nicht einmal ein höflicher Unterhaltungsversuch, auf die von mir gestarteten wird kurz angebunden reagiert und als ich, aus dem Nichts heraus zugegebenermaßen, erwähne, dass er im letzten Jahr auf keine Nachricht reagiert und auch nicht zurückgerufen hat, reagiert er einerseits verunsichert, andererseits trotzig-unwillig-knatschig und versucht halbherzig, sich rauszureden, bis ich dem Trauerspiel ein Ende bereite und sage, ist jetzt auch egal, ändern können wir sowieso nichts mehr, vorbei ist vorbei, und damit nicht nur die Schweigephase meine.
Er weiß es.
Und schaut mich an und sieht, dass ich es weiß.
Die Seelenverwandschaft, die da mal war, ist verloren gegangen, und ich habe endlich begriffen, dass nicht ich diejenige bin, die daran Schuld trägt.
Ich dachte, wenn es soweit ist, wenn ich vor ihm stehe und wir es realisieren, wenn es wirklich so weit ist, dann würde ich nahe am Weinen sein, und ich würde es ihm sagen, alles, du Idiot, ich war in dich verliebt, aber ich Idiotin habe mich nicht getraut, es zu zeigen, und jetzt ist es zu spät.
Dann kam der Fremde, und auf einmal stehe ich vor der alten Sache und spreche es aus, dass es vorbei ist, das Alles, und behalten den Rest für mich.
Nicht, weil ich mich nicht traue, sondern weil ich abgeschlossen habe .
Die alte Sache ist etwas, womit ich abgeschlossen habe, schon vor dem Fremden und teilweise unbewusst, und auch mit dem Fremden schließe ich ab, egal, ob er bald eine Freundin hat oder nicht, und egal, ob er sich weiter so unschön verhält oder endlich mal ansatzweise Rücksicht nimmt.
Irgendwann ist das Geschichte.
Irgendwann ist es Geschichte, wie die alte Sache.
Irgendwann ist das alles Geschichte, und es fängt jetzt an, dazu zu werden, zu verschwinden und sich zu beenden, jeden Tag etwas mehr.
Immer ein Stück mehr.
Wenn ich ein Gespräch mit den Vermietern ausmache, weil ich die Sache jetzt alleine in die Hand nehme, denn die Nachbarin hat keine Lust mehr,
Wenn ich der Schwester des Rauchers ein Sofa und vielleicht sogar einen Kühlschrank abschwatze, die sie sonst weggeworfen hätte,
wenn ich auf einmal eine potenzielle Mitbewohnerin habe, weil Ms Golightly es zuhause genauso wenig aushält wie ich.
Auch, wenn ich immer noch Angst habe vor Gesprächen, besonders mit den Vermietern wegen der Wohnung und dem Jugendamt wegen Wohnzuschuss.
Und vor zu großen Menschenmengen,
und davor, mich zu blamieren.
Vor dem Schmiertypen.
Vor Umarmungen, manchmal.
Davor, den ersten Schritt auf andere Menschen zu zu gehen und abgewiesen oder ausgelacht zu werden.
Vor dem Abitur.
Vor unbekannten Situationen und Menschen.
Und davor, dass ich da letztendlich alleine durch muss.
Es gibt niemanden, der für dich dein Schicksal niederkämpft, das musst du selbst machen, ob du willst oder nicht.
Und eigentlich ist es nicht die Angst, die einen abhält von irgendwas, die ist maximal ein Grund und oft nur eine Ausrede. Und man hat es selbst in der Hand, wie es weitergeht.
Ob es überhaupt weitergeht.
Es geht weiter.
Ich habe mich dazu entschieden, dass es weitergeht, als ich da auf der Rücksitzbank des Raucherautos saß, eingeklemmt zwischen dem Fremden, der nonstop mit dem Fangirlie schreibt und so positiv-verliebt wirkt, wie ich es in guten Momenten gesehen und mir in schlechten gewünscht habe, der alten Sache, der so unheimlich fremd geworden ist, und einer Snaredrum.
Und eigentlich sollte es schon wieder hell werden, aber weil das Wetter den Weltuntergang übt, ist es stockfinster und ich habe Angst, dass das Auto im Schlamm stecken bleibt und danke dem Schicksal dafür, dass ich eine gute Ausrede , nicht zu fahren, habe, weil das Mayhemmobil doch in der Werkstatt ist.
Auf eine Bahnhaltestelle wartet man seit 30 Jahren.
Und als ich nach dem Aufstehen auf der Terasse des Rauchers sitze und seinen Nachbarn beim Umzug zusehe, festigt sich der Entschluss, dass es weitergeht und wird zu Beton, oder Stahlbeton, und er ist zwar kein Fundament, aber immerhin ein Stützpfeiler, der dafür, dass er in Morast steht, ziemlich stabil wirkt.
Er hält tatsächlich, als der Raucherbruder beim Frühstück darüber witzelt, wie versunken und bescheuert grinsend der Fremde an seinem Handy geklebt hat, und dass er ein paar Tage zuvor bei einem Telefonat mit dem Fangirlie behauptet hatte, alleine und daheim zu sein, obwohl er da eigentlich gerade Bandprobe hatte.
Er hält auch, als der Raucher abwinkt und meint, der Fremde habe jetzt eben seine Ghettotussi gefunden, und er hält sogar dann noch, als sich aus der Masse derer, die sich dazu entschieden haben, ihren (mehr oder weniger großen) Rausch beim Raucher auszuschlafen, Legolas hervortut, abfällig lacht und meint, dass die Tussi ja passen würde. Kein Gespür für Musik und keins für Menschen, Null Rhythmusgefühl, ein IQ auf Zimmertemperaturniveau und nichtmal genug Schauspieltalent, um überzeugend so zu tun, als habe sie eine Persönlichkeit, weshalb das ganze eher einem Schmierentheater gleiche. Oder als ein Vorbote des Weltuntergangs zu deuten sei.
Es ist ein Teil des Weltuntergangs.
Eigentlich ist es ein Teil meines Weltuntergangs, aber ich habe mich dazu entschieden, es zu überstehen, das alles.
Wenn sie mich bei der Zombieapokalypse erwischen, ist das eine Sache, aber der schicksalsbedingte,innere Weltuntergang, durch den ich gerade wate, wird das Letzte sein, wovon ich mich endgültig unterkriegen lasse.
Egal, was passiert.
Denn alles geht vorbei, und irgendwann, da wird alles gut.
Einfach weiteratmen, irgendwann wird alles gut. Ich habe bis jetzt alles überstanden, mehr oder weniger. Ich habe sogar die alte Sache überstanden.
Und ich werde einen Dreck tun und mir mein wohlverdientes Glücklichsein von solchen Kleinigkeiten wie emotionalen Totalzusammenbrüchen, der werten Familie oder einem gebrochenen Herz dauerhaft wegnehmen lassen.
Irgendwann wird alles gut.
Auch, wenn aktuell gar nichts mehr geht.
Der Fremde nonstop am Texten mit einem Fangirlie, und immer, wenn sie schreibt, fängt er an, glücklich zu lächeln und es fängt an, weh zu tun.
Er besucht sie nachher noch, hat er gesagt, und hat sich deswegen nicht völlig abgeschossen, sondern nur ein wenig Mut angetrunken.
Sein Fangirlie ist 15, eine blondierte, noch stärker geschminkte Variante der Ghettoschwester und war heute nicht da, weil in der Dorfdisko Lady's Night war und Tanzpop + Freicocktails mit den anderen Fangirlies und Ghettomädchen sich für sie besser angehört haben als Black Metal + Selbstversorgung.
Der Schlagzeuger hat gesagt, ist auch gut so, die Ghettofraktion habe gerade noch gefehlt. Die seien sowieso zu nichts zu gebrauchen, nichtmal rummachen wolle er mit denen.
Der Fremde hat nur weiter sms geschrieben.
Dieses seltsame Gefühl der totalen Entfremdung, der unfreiwiligen Distanzierung von der alten Sache und seine Distanz mir Gegenüber.
Nicht einmal ein höflicher Unterhaltungsversuch, auf die von mir gestarteten wird kurz angebunden reagiert und als ich, aus dem Nichts heraus zugegebenermaßen, erwähne, dass er im letzten Jahr auf keine Nachricht reagiert und auch nicht zurückgerufen hat, reagiert er einerseits verunsichert, andererseits trotzig-unwillig-knatschig und versucht halbherzig, sich rauszureden, bis ich dem Trauerspiel ein Ende bereite und sage, ist jetzt auch egal, ändern können wir sowieso nichts mehr, vorbei ist vorbei, und damit nicht nur die Schweigephase meine.
Er weiß es.
Und schaut mich an und sieht, dass ich es weiß.
Die Seelenverwandschaft, die da mal war, ist verloren gegangen, und ich habe endlich begriffen, dass nicht ich diejenige bin, die daran Schuld trägt.
Ich dachte, wenn es soweit ist, wenn ich vor ihm stehe und wir es realisieren, wenn es wirklich so weit ist, dann würde ich nahe am Weinen sein, und ich würde es ihm sagen, alles, du Idiot, ich war in dich verliebt, aber ich Idiotin habe mich nicht getraut, es zu zeigen, und jetzt ist es zu spät.
Dann kam der Fremde, und auf einmal stehe ich vor der alten Sache und spreche es aus, dass es vorbei ist, das Alles, und behalten den Rest für mich.
Nicht, weil ich mich nicht traue, sondern weil ich abgeschlossen habe .
Die alte Sache ist etwas, womit ich abgeschlossen habe, schon vor dem Fremden und teilweise unbewusst, und auch mit dem Fremden schließe ich ab, egal, ob er bald eine Freundin hat oder nicht, und egal, ob er sich weiter so unschön verhält oder endlich mal ansatzweise Rücksicht nimmt.
Irgendwann ist das Geschichte.
Irgendwann ist es Geschichte, wie die alte Sache.
Irgendwann ist das alles Geschichte, und es fängt jetzt an, dazu zu werden, zu verschwinden und sich zu beenden, jeden Tag etwas mehr.
Immer ein Stück mehr.
Wenn ich ein Gespräch mit den Vermietern ausmache, weil ich die Sache jetzt alleine in die Hand nehme, denn die Nachbarin hat keine Lust mehr,
Wenn ich der Schwester des Rauchers ein Sofa und vielleicht sogar einen Kühlschrank abschwatze, die sie sonst weggeworfen hätte,
wenn ich auf einmal eine potenzielle Mitbewohnerin habe, weil Ms Golightly es zuhause genauso wenig aushält wie ich.
Auch, wenn ich immer noch Angst habe vor Gesprächen, besonders mit den Vermietern wegen der Wohnung und dem Jugendamt wegen Wohnzuschuss.
Und vor zu großen Menschenmengen,
und davor, mich zu blamieren.
Vor dem Schmiertypen.
Vor Umarmungen, manchmal.
Davor, den ersten Schritt auf andere Menschen zu zu gehen und abgewiesen oder ausgelacht zu werden.
Vor dem Abitur.
Vor unbekannten Situationen und Menschen.
Und davor, dass ich da letztendlich alleine durch muss.
Es gibt niemanden, der für dich dein Schicksal niederkämpft, das musst du selbst machen, ob du willst oder nicht.
Und eigentlich ist es nicht die Angst, die einen abhält von irgendwas, die ist maximal ein Grund und oft nur eine Ausrede. Und man hat es selbst in der Hand, wie es weitergeht.
Ob es überhaupt weitergeht.
Es geht weiter.
Ich habe mich dazu entschieden, dass es weitergeht, als ich da auf der Rücksitzbank des Raucherautos saß, eingeklemmt zwischen dem Fremden, der nonstop mit dem Fangirlie schreibt und so positiv-verliebt wirkt, wie ich es in guten Momenten gesehen und mir in schlechten gewünscht habe, der alten Sache, der so unheimlich fremd geworden ist, und einer Snaredrum.
Und eigentlich sollte es schon wieder hell werden, aber weil das Wetter den Weltuntergang übt, ist es stockfinster und ich habe Angst, dass das Auto im Schlamm stecken bleibt und danke dem Schicksal dafür, dass ich eine gute Ausrede , nicht zu fahren, habe, weil das Mayhemmobil doch in der Werkstatt ist.
Auf eine Bahnhaltestelle wartet man seit 30 Jahren.
Und als ich nach dem Aufstehen auf der Terasse des Rauchers sitze und seinen Nachbarn beim Umzug zusehe, festigt sich der Entschluss, dass es weitergeht und wird zu Beton, oder Stahlbeton, und er ist zwar kein Fundament, aber immerhin ein Stützpfeiler, der dafür, dass er in Morast steht, ziemlich stabil wirkt.
Er hält tatsächlich, als der Raucherbruder beim Frühstück darüber witzelt, wie versunken und bescheuert grinsend der Fremde an seinem Handy geklebt hat, und dass er ein paar Tage zuvor bei einem Telefonat mit dem Fangirlie behauptet hatte, alleine und daheim zu sein, obwohl er da eigentlich gerade Bandprobe hatte.
Er hält auch, als der Raucher abwinkt und meint, der Fremde habe jetzt eben seine Ghettotussi gefunden, und er hält sogar dann noch, als sich aus der Masse derer, die sich dazu entschieden haben, ihren (mehr oder weniger großen) Rausch beim Raucher auszuschlafen, Legolas hervortut, abfällig lacht und meint, dass die Tussi ja passen würde. Kein Gespür für Musik und keins für Menschen, Null Rhythmusgefühl, ein IQ auf Zimmertemperaturniveau und nichtmal genug Schauspieltalent, um überzeugend so zu tun, als habe sie eine Persönlichkeit, weshalb das ganze eher einem Schmierentheater gleiche. Oder als ein Vorbote des Weltuntergangs zu deuten sei.
Es ist ein Teil des Weltuntergangs.
Eigentlich ist es ein Teil meines Weltuntergangs, aber ich habe mich dazu entschieden, es zu überstehen, das alles.
Wenn sie mich bei der Zombieapokalypse erwischen, ist das eine Sache, aber der schicksalsbedingte,innere Weltuntergang, durch den ich gerade wate, wird das Letzte sein, wovon ich mich endgültig unterkriegen lasse.
Egal, was passiert.
Denn alles geht vorbei, und irgendwann, da wird alles gut.
Einfach weiteratmen, irgendwann wird alles gut. Ich habe bis jetzt alles überstanden, mehr oder weniger. Ich habe sogar die alte Sache überstanden.
Und ich werde einen Dreck tun und mir mein wohlverdientes Glücklichsein von solchen Kleinigkeiten wie emotionalen Totalzusammenbrüchen, der werten Familie oder einem gebrochenen Herz dauerhaft wegnehmen lassen.
Irgendwann wird alles gut.
Auch, wenn aktuell gar nichts mehr geht.
Thema: kurz gemeldet
02. November 12 | Autor: mayhem | 0 Kommentare | Kommentieren
"Hey mayhem,
wie siehts aus, magst du mit in die Dorfdisko?"
-"Hi Fremder,
Dorfdisko ist nicht so meins, nee. Wie kommst du überhaupt auf die Idee, da hinzugehen?"
"Der Grinch hat gesagt, da soll es ganz gut sein. Sicher, dass du nicht mitwillst? Kostet auch nur 6,50 Euro heute."
-"Finanziell siehts bei mir zur Zeit echt nicht gut aus, da mag ich nicht noch so viel für so schlechte Musik ausgeben, sorry."
Eine Stunde später: Fotos im sozialen Netzwerk, Ghettoschwester am Posen, er betrunken, Grinch am Posen, er halb in ihrem Ausschnitt und noch betrunkener, irgendein Fangirlie, er so gut wie in ihrem Ausschnitt und völlig dicht.
Und ich sehe mir das so an, dann wieder zu meinen Notizen, wieder auf die Fotos, und entscheide mich dafür, meine Seminararbeit weiter zu schreiben.
Arbeitsbilanz: Sieben Seiten voll, noch vier Unterpunkte zu formulieren, davon bilden drei den zweiten Standpfeiler meines Hauptteils; außerdem fehlt noch der Schluss.
Werte Leserschaft, ich verkünde hiermit ganz optimistisch, dass die Mindestseitenanzahl (10 Seiten) sicher überschritten wird. Obergrenze 15 Seiten.
Eigentlich.
Autobilanz: "Mädel, du kannst froh sein,dassde jetzt hier bei uns sitzt und nicht im Krankenhaus liegst. "
Zufällig festgestellt, tendenziell scheiße. Dafür rausgefunden, wieso das Ding durch den TÜV gekommen ist, und in fünf Stunden fahren wir in die Werkstatt, wo mein tapferes kleines Mayhemmobil wohl mindestens eine Woche verweilen wird.
Retten, was noch zu retten ist, und im Endeffekt hätte ich mir von dem Geld locker ein besseres Auto kaufen können.
Aber ist egal, denn das ist jetzt meines, und ich beabsichtige, es zu fahren, bis ich mir ein H-Kennzeichen draufschrauben kann und noch länger, jawohl.
Rein aus Trotz.
Und aus persönlicher Zuneigung, so von Mensch zu Mayhemmobil.
Familiäre Bilanz: Alle Zeichen auf Weltuntergang.
Auch außerhalb der werten Familie.
Aber es gibt ja Lichtblicke, auch, wenn es nur das nahende Ende der Seminararbeit ist, das niedergewalzt wird von der boshaften Vierfaltigkeit der Horrorklausuren Geschichte-Wirtschaft&Recht-Mathe-Chemie ohne nennenswerte Zeitabstände dazwischen.
Oder die Tatsache, dass ich am Wochenende vielleicht Mr. Gaunt wiedersehe.
Und das Rotkreuzmädchen, sollte ich mich trauen, sie zu fragen.
Aber man munkelt, die aktuelle Person an ihrer Seite, wer auch immer das schon wieder sein mag, hätte es nicht so mit dem, was es abseits der Charts und außerhalb der Disko zu hören gibt.
Und dann trudelt so völlig aus dem Nichts eine SMS der alten Sache ein, kurzgefasst-abgehackt, distanziert wie immer, und er entschuldigt sich doch tatsächlich.
Entschuldigt sich dafür, dass er sich so lange nicht gemeldet hat, verspricht, mir zu erklären, wieso, und fragt mich, ob ich auf das Konzert am Ende des Universums gehe.
Und ich sitze so vor meinem Handy, das genau so einen Wackelkontakt hat wie mein rationales Urteilsvermögen, und freue mich ein bisschen. Einfach darüber, ihn mal wieder zu sehen. Endlich mal ein anderer Sanitäter da, sodass ich mir keine Sorgen um meine qualifizierte Erstversorgung machen muss, wenn ich bei dem Versuch, mindestens zwei von fünf Bands zufriedenstellend abzulichten, von Kamikaze-Moshern, herumfliegenden Stagedivern, Bierdosen und/oder diversen Stahlkappen mehr oder weniger fies getroffen werde. Mir tut ja jetzt schon alles weh.
Konzert. Gemeinsam. Mit der alten Sache. Und wir sind die einzigen Personen , die wir dort kennen, der Rest steht auf der Bühne und sonst ist da nur Unbekanntes, und Unbekannte(s) macht Angst.
Aber wir haben ja noch uns.
Vielleicht wie früher, mit ansatzweise Seelenverwandschaft. Vielleicht auch nicht.
Wir werden sehen.
Und sonst so?
Man stolpert so vor sich hin.
Aber wenigstens ist nicht alles Scheitern.
Vielleicht sehe ich aber auch nur in die falsche Richtung..
wie siehts aus, magst du mit in die Dorfdisko?"
-"Hi Fremder,
Dorfdisko ist nicht so meins, nee. Wie kommst du überhaupt auf die Idee, da hinzugehen?"
"Der Grinch hat gesagt, da soll es ganz gut sein. Sicher, dass du nicht mitwillst? Kostet auch nur 6,50 Euro heute."
-"Finanziell siehts bei mir zur Zeit echt nicht gut aus, da mag ich nicht noch so viel für so schlechte Musik ausgeben, sorry."
Eine Stunde später: Fotos im sozialen Netzwerk, Ghettoschwester am Posen, er betrunken, Grinch am Posen, er halb in ihrem Ausschnitt und noch betrunkener, irgendein Fangirlie, er so gut wie in ihrem Ausschnitt und völlig dicht.
Und ich sehe mir das so an, dann wieder zu meinen Notizen, wieder auf die Fotos, und entscheide mich dafür, meine Seminararbeit weiter zu schreiben.
Arbeitsbilanz: Sieben Seiten voll, noch vier Unterpunkte zu formulieren, davon bilden drei den zweiten Standpfeiler meines Hauptteils; außerdem fehlt noch der Schluss.
Werte Leserschaft, ich verkünde hiermit ganz optimistisch, dass die Mindestseitenanzahl (10 Seiten) sicher überschritten wird. Obergrenze 15 Seiten.
Eigentlich.
Autobilanz: "Mädel, du kannst froh sein,dassde jetzt hier bei uns sitzt und nicht im Krankenhaus liegst. "
Zufällig festgestellt, tendenziell scheiße. Dafür rausgefunden, wieso das Ding durch den TÜV gekommen ist, und in fünf Stunden fahren wir in die Werkstatt, wo mein tapferes kleines Mayhemmobil wohl mindestens eine Woche verweilen wird.
Retten, was noch zu retten ist, und im Endeffekt hätte ich mir von dem Geld locker ein besseres Auto kaufen können.
Aber ist egal, denn das ist jetzt meines, und ich beabsichtige, es zu fahren, bis ich mir ein H-Kennzeichen draufschrauben kann und noch länger, jawohl.
Rein aus Trotz.
Und aus persönlicher Zuneigung, so von Mensch zu Mayhemmobil.
Familiäre Bilanz: Alle Zeichen auf Weltuntergang.
Auch außerhalb der werten Familie.
Aber es gibt ja Lichtblicke, auch, wenn es nur das nahende Ende der Seminararbeit ist, das niedergewalzt wird von der boshaften Vierfaltigkeit der Horrorklausuren Geschichte-Wirtschaft&Recht-Mathe-Chemie ohne nennenswerte Zeitabstände dazwischen.
Oder die Tatsache, dass ich am Wochenende vielleicht Mr. Gaunt wiedersehe.
Und das Rotkreuzmädchen, sollte ich mich trauen, sie zu fragen.
Aber man munkelt, die aktuelle Person an ihrer Seite, wer auch immer das schon wieder sein mag, hätte es nicht so mit dem, was es abseits der Charts und außerhalb der Disko zu hören gibt.
Und dann trudelt so völlig aus dem Nichts eine SMS der alten Sache ein, kurzgefasst-abgehackt, distanziert wie immer, und er entschuldigt sich doch tatsächlich.
Entschuldigt sich dafür, dass er sich so lange nicht gemeldet hat, verspricht, mir zu erklären, wieso, und fragt mich, ob ich auf das Konzert am Ende des Universums gehe.
Und ich sitze so vor meinem Handy, das genau so einen Wackelkontakt hat wie mein rationales Urteilsvermögen, und freue mich ein bisschen. Einfach darüber, ihn mal wieder zu sehen. Endlich mal ein anderer Sanitäter da, sodass ich mir keine Sorgen um meine qualifizierte Erstversorgung machen muss, wenn ich bei dem Versuch, mindestens zwei von fünf Bands zufriedenstellend abzulichten, von Kamikaze-Moshern, herumfliegenden Stagedivern, Bierdosen und/oder diversen Stahlkappen mehr oder weniger fies getroffen werde. Mir tut ja jetzt schon alles weh.
Konzert. Gemeinsam. Mit der alten Sache. Und wir sind die einzigen Personen , die wir dort kennen, der Rest steht auf der Bühne und sonst ist da nur Unbekanntes, und Unbekannte(s) macht Angst.
Aber wir haben ja noch uns.
Vielleicht wie früher, mit ansatzweise Seelenverwandschaft. Vielleicht auch nicht.
Wir werden sehen.
Und sonst so?
Man stolpert so vor sich hin.
Aber wenigstens ist nicht alles Scheitern.
Vielleicht sehe ich aber auch nur in die falsche Richtung..
Thema: monolog
(startet bei 0:25)
So viel verpasst, aus Unsicherheit,
zu viel mitgemacht, gerade ihretwegen.
Und dann liege ich so mit dem Raucher auf dem Sofa, rein freundschaftlich, und starre durch die Balkontür nach draußen, während der Fremde betrunken mit Fangirlies und Ghettomädchen durch die Dorfdiscos stolpert, und ich sage, das geht so nicht mehr.
Und der Raucher schaut mich an und weiß nicht, was ich meine.
Und ich sage wieder, das geht so nicht mehr.
Das geht so nicht mehr, und ich will so nicht mehr.
Ich will nicht mehr an ruinierten Abenden seelisch am Zusammenbrechen sein, weil der Fremde wieder mal Mist gebaut hat, eifersüchtig sein, wenn er mit der Ghettofraktion weggeht und vor mich hin leiden, wenn er einerseits schlagartig aufmerksam und freundlich, aber andererseits jedes Fangirl wichtiger als ich ist,
ich will nicht mehr mit kleinen Angstzuständen kämpfen müssen, sobald da fremde Menschen sind, denn verdammt nochmal, nicht jeder findet mich sofort total scheiße oder nähert sich mir nur mit ausreichend Vorurteilen als Polsterung um sich herum und ich sollte das irgendwann mal begreifen,
ich will nicht mehr in Dauersorge ums Mayhemmobil sein, weil es jeden Tag was anderes hat und Papa Mayhem einen Werkstattbesuch kategorisch verbietet, sich aber, trotz entsprechender Aussage, auch nicht selbst drum kümmert,
ich will nicht mehr perspektivenlos in meinem Weltuntergang hängen, weil die Seminararbeit so ein Monster ist, die Vatersfreundin auch, die Nachbarin es nicht schafft, mit ihren Eltern endlich mal einen Termin auszumachen wegen der Wohnung, ich somit immer noch nicht sicher weiß, ob ich nächsten Monat zu dieser Zeit schon Mathe, Chemie, Wirtschaft, Geschichte und einen Umzug hinter mir habe oder eben nicht, die drei erstgenannten Fächer mich so dermaßen aus der Bahn werfen, das fünfte Abifach eine Katastrophe wird, es mit Psychologie nicht klappt und mir die ernsthaften Alternativen fehlen,
denn ich will nicht mehr Alternativbegabungen suchen, weil ich eigentlich genau weiß, dass meine nunmal nicht in den Bereichen liegen, mit denen man normalerweise Geld verdient, ich habe eben nur Sprache und Schreiben, und Fotographieren plus Musik als künstlerischen Kleinkram nebenher als das, was ich wirklich gut kann.
Ich will, nicht zum ersten Mal, etwas mehr emotionale Stabilität und mein kleines Glück im großen Leben, vielleicht wird dann der Schreibzwang weniger, am produktivsten bin ich ja, wenn es wehtut, aber damit kann ich leben. Vielleicht würde ich mich dann aber auch genau darüber beschweren, wer weiß.
Ich will meine Ruhe und meinen Frieden haben, einen Plan und ihn auch befolgen (können), festen Boden unter den Füßen, der mir nicht immer wieder weggerissen wird,
eine Familie, die man auch so bezeichnen kann,
will ganz weit weg von hier,
aber ohne die zu verlieren, die wohl ansatzweise wichtig sind,
und möchte genau vor ihnen fliehen,
ich will heimkommen und nicht feststellen müssen, dass Wohnzimmer und Bad abgeschlossen und alle potenziell mittagessentauglichen Lebensmittel außer dem Fertigkram versteckt worden sind, weil die Vatersfreundin der Meinung ist, dass ich in den neu renovierten Räumen und an den Essensvorräten, die ich ihnen angeblich "wegfressen" würde, nichts zu suchen habe,
ich will nicht traurig werden, wenn ich heim muss,obwohl dort die Katze wartet, weil die Wochenenden so voller Akzeptanz und Verständnis sind und die restlichen Tage so grau und kalt und wie Glassplitter oder Betonmauer mit Stacheldraht,
und ich will, verdammt nochmal, endlich eine Reaktion von Hamburg und Magdeburg, damit ich weiß, ob ich da meine Bewerbung hinschicken muss oder mir den Aufwand und das Porto sparen kann. Ob Flucht eine gute Idee ist, kann ich mir dann immer noch überlegen.
Und der Raucher sagt, ich könne das alles so viel besser ausdrücken als er, und dass er es nicht versteht, wieso es immer mich so böse erwischt. Und ich erzähle ihm von dem Zitat aus Tonio Kröger, und er sagt, dass das ungerecht ist und ich Glücklichsein verdient habe. Nicht erst im nächsten Leben, sondern jetzt.
Dass das so doch nicht weitergehen kann.
Und deswegen ändere ich es jetzt, sage ich ihm und an dem Abend gehen wir viel zu spät noch in die böse Kneipe, weil an allen anderen Orten das Risiko, dem Fremden auf Sauftour zurück Richtung Wohnung zu begegnen, zu groß ist, und ich übe, den Fluchtreflex zu kontrollieren.
Tatsächlich falle ich nicht weiter auf, ich tarne mich hinter der Art von Normalität, die hier praktiziert wird, und passe sie, je nach Gesprächspartner, ein wenig an, was auch erstaunlich gut klappt, bis der Schmiertyp auftaucht und mir, selbstverständlich rein zufällig, den Weg verstellt, als ich gerade auf dem Weg vom Tresen zurück zum Raucher bin.
"Ach, das ist ja eine angenehme Überraschung, dich hier zu treffen!" Schmiertypgrinsen, sehr schmierig und mit Tendenz ins Boshafte. Durchatmen, alles wird gut.
Die Linke in die Handtasche krallen, die Rechte leicht auf der Hüfte abstützen, antworten: "Solltest du nicht bei deiner Frau, dem Kind oder schon längst im Bett sein? Mit dem Alter steckt man die Feierei nicht mehr so gut weg."
Egal, ob das gut war oder nicht, ich bin ja sowas von stolz auf mich.
Auch, wenn ich gerade total verängstigt bin.
"Frech sein kannst du ja. Ich sag dir was, ich steh auf die Masche, aber ich kann dir auch ganz schnell zeigen, wer hier der Boss ist.." Und aus dem Weg geht er auch nicht.
-"Danke, kein Bedarf. Such dir irgendeine, die drauf steht, meinetwegen bezahl sie dafür oder so, aber lass mich in Ruhe."
Schmiertyplachen, er setzt an, etwas zu sagen, wird aber unterbrochen: "Geht mal aus dem Weg, da kommt ja kein Mensch durch!"
Mr.Gaunt hat die Kneipe betreten, drängelt sich leicht genervt an mir vorbei und schiebt den Schmiertyp zur Seite. Geistesgegenwärtig folge ich der großen, schwarzen Gestalt so schnell wie möglich, bis ich mich in Sicherheit vor dem Pedobären wähne und mich hinsetzen will, nur, um meinen Platz beim Raucher vom Mischpultmann und den zweiten freien Stuhl vom Musiker belegt vorzufinden.
Mir ist eigentlich nach Weinen und Flucht und mich daheim im Bett vergraben, aber Selbstfahren ist nicht drin, Nullpromillegrenze für Fahranfänger und davon abgesehen zu viel Eis, um mit praktisch profillosen Sommerreifen am Auto und Malibu-Kirsch und Bacchus halbtrocken im Blut heil drüberzukommen, also frage ich am Nebentisch, ob ich einen Stuhl haben darf, drängle mich zwischen den Raucher und den Musiker, der mit seiner übertriebenen, emotional-kindlichen Hyperaktivität, die er betrunken an den Tag legt, gerade das Letzte ist, was ich brauche, und überstehe noch eine Dreiviertelstunde rumsitzen und mit halbem Ohr Gesprächen folgen , die mich eigentlich gar nicht interessieren.
Eventuell auch, weil Mr. Gaunt in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes sitzt und ich ihn sogar drei Stunden beobachten könnte, ohne dass mir langweilig wird, obwohl er nicht viel mehr macht als dasitzen, trinken, ins Nichts starren und gelegentlich mit einem weiblichen Relikt der Achtziger, komplett mit Dauerwelle und Schulterpolstern, reden.
"Brauchst den nicht so anstarren, brauchst gar nicht so starren, du hast eh keine Chance!", durchbricht der Musiker meine fast meditative Versunkenheit.
-"Das weiß ich auch."
"Na also, dann ist ja gut. Alternativen haste nicht so?"
-"Ich dachte, ich hätte eine, aber die Dame ist stumpfer als der Klischeeblackmetalfan, und sie hat Kafka beleidigt."
"Oh, das hätte ja gar nichts werden können. Nee, das hätte nichts werden können, du brauchst wen mit Bildung undso, mit Bildung!"
Mr. Gaunt hat angefangen, irgendetwas aufzuschreiben, sein Tempo dabei reicht problemlos an meines in Deutschklausuren (14 Seiten plus Gliederung plus Schreibplan plus Stichpunkte zur Textzusammenfassung in etwas mehr als zweieinhalb Stunden) heran.
"Brauchst gar nicht so starren, ehrlich!"
-"Mach ich nicht. Wo sind eigentlich der Mischpultmann und der Raucher?"
Als ob ich starren würde. In den dichten Nebelschwaden der als "Raucherklub" ausgewiesenen bösen Kneipe lässt sich sein neues Tattoo sowieso nicht richtig erkennen.
"Pissen."
Mr.Gaunts Aschenbecher quillt über und man kann den Zigaretten förmlich beim Verschwinden zusehen.
-" Sag mal, woher weißt du eigentlich, dass er noch nicht über die Löwin hinweg ist?"
Der Musiker nippt kurz an seinem Campari Orange, seufzt dann auf diese allwissend-pseudoverständnisvolle "Ach Mädchen, was soll ich noch mit dir machen, das ist doch so glasklar"-Art und erklärt dann: "Na, das hat mir der Mischpultmann erzählt."
-"Der Mischpultmann."
"Ja, der hat mich abends mal angerufen, ob ich vorbeikommen will, so kurz mal vorbeikommen auf ein Bier oder so, und ich hab gesagt, nee, Bier mag ich nicht, kein Bier, hab ich gesagt, aber vorbei komm ich trotzdem und bring Berentzen mit. Und bin dann vorbeigekommen, nicht so wie der Fremde, der die Leute einfach sitzen lässt." Oh ja...
-"Ja, und weiter?"
"Ja, und dann hat er erzählt, was mir auch aufgefallen ist, nämlich dass dir Mr. Gaunt aufgefallen ist. Und hat gesagt, dass das gar nicht geht, weil der nicht zu dir passt, viel zu alt und viel zu hässlich."
-"Davon abgesehen, dass ich nichts von ihm will, sinds nur fünf bis acht Jahre, je nachdem, wie alt der jetzt eigentlich ist, und das geht. Bei mir zumindest."
"Genau das hab ich ihm auch gesagt, genau das, die mayhem, die is viel weiter als andere in ihrem Alter, aber wollt er nicht hören, der Mischpultmann. Hat gesagt, das geht nicht, dass so eine wie du sich mit so einem wie dem abgibt, und ich hab gesagt, Alter, sei mal nicht so paranoid, sie wird sich schon nicht total verknallen, das wird sie schon nicht, und wenn sie ihn süß findet, soll sie halt.
Und dann hat er wieder gesagt, dass das so nicht geht, und bestimmt nicht so harmlos ist, schließlich haste gefragt, ob Mr.Gaunt mit in den Gruftkeller geht und warst enttäuscht, als er nicht da war."
-"Jetzt mal abgesehen davon, dass das immer noch nicht bedeutet, dass ich was von ihm will, wäre ich sehr froh, wenn du mal auf den Punkt kommen würdest..."
"Kein Stress Mädel, kein Stress. Ganz ruhig, wir haben alle Zeit der Welt." Er trinkt betont langsam von seinem Campari Orange, bevor er fortfährt, " Jedenfalls hat der Mischpultmann dann noch ne Weile erzählt, warum Mr. Gaunt nicht zu dir passt, und dann gesagt, dass das sowieso nicht gehen würde, weil der ja noch an der Löwin hängt. Und ich hab gefragt, echt?, ist doch schon ewig her, und der hat gesagt, ja, echt jetzt, siehst doch, wie er sich wegsäuft. Und ich hab gesagt, Alter, hab ich gesagt, da könntest du Recht haben. Ich hab immer gedacht, Mr.Gaunt hätt schon immer so viel getrunken und sich halt jetzt mit der Zeit gesteigert, aber der Mischpultmann hat das total plausibel erklärt, dass das eigentlich an der Löwin liegt, weil er noch was von der will. War so voll die Erleuchtung für mich."
Hat das total plausibel erklärt...Verdachtsmoment.
-"Danke. Bin gleich wieder da, ich such mal den Raucher,kann doch nicht sein, dass die so lange brauchen."
"Vielleicht haben sie Probleme mit der Prostata!", ruft mir der Musiker nach, als ich, zielsicher meiner Intuition folgend, nach draußen gehe und den Raucher mit Kippe in der Hand auf der Treppe sitzend finde.
"Wieso rauchst du nicht einfach drinnen?"
-"Weil ich mich schäm."
"Musst du nicht." Ich setze mich neben ihn.
-"Aber ich wollt doch aufhören."
"Rückschläge hat man immer. Und aufhören willst du ja immer noch und schaffst das auch."
-"Wenn dus sagst..."
"Das weiß ich, du kennst mich doch, ich hab immer Recht."
"Stimmt auch wieder."
-"Siehst du. Und die Schachtel müsste doch auch bald leer sein, oder?"
"War die Letzte." Als Beweis überreicht er mir die leere Schachtel. "Und jetzt kauf ich mir keine mehr und nehm keine mehr an. War grad nur scheiße,weil da drin echt jeder gequalmt hat, außer dir und dem Mischpultmann..."
-"Ach Mensch, ist doch nicht schlimm". Ich umarme ihn kurz, weil ich mir denke, dass ihm das jetzt vielleicht ganz gut tun könnte, und baue ihn seelisch wieder ein bisschen auf. Dann erzähle ich ihm vom Gespräch mit dem Musiker.
"Du meinst, der Mischpultmann könnt den Musiker angelogen haben?", fasst der Raucher meine Gedanken folgerichtig zusammen.
-"Kann ja sein. Denkst du, der macht sowas?"
" Naja, der kann richtig gut lügen, wenns drauf ankommt... Und dasser was von dir will,merkt man auch. Hm. Weiß nicht,könnt schon sein."
-"Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit?"
"50/50, würd ich sagen. Obwohl, vielleicht sogar mehr."
Ja super.