Samstag, 27. September 2014
Thema: off topic
Bevor sie sich später am Abend wieder in einen alkoholbedingten Totalausfall gestürzt hat, hat Tante Emma mir eventuell so ein bisschen einen Nebenjob klar gemacht.
Den Besten, den ich mir, nach Piercerin und Tankstelle, vorstellen kann.

Auto fahren.

Tante Emma: Du fährst doch gern Auto, ne?
Mayhem: Jo, wenn ich denn mal eins hab.
Tante Emma: Und du hattest doch so ein Fahrsicherzeitstrainig, oder?
Mayhem: Naja, mehr oder weniger..
Tante Emma *deutet auf den Proll neben sich*: Den Proll kennste ja. Und dass der Hunde züchtet und verkauft, weißt du?
Proll: Und das ziemlich erfolgreich. Was du auch weißt, weil Tante Emma eh nie was für sich behält.
Ich mach dir ein Angebot, weil du wirklich gut Auto fährst, und vor Allem, weil ich dich echt gut leiden kann und du der loyalste Mensch bist, den ich kenne. Ich brauch einen Fahrer, der an Wochenenden mit mir die Hunde holt und weg bringt. Also zum Beispiel Freitag Nachmittag nach NRW, zwei Hunde holen, je nach Zeitplan am gleichen Tag wieder weg bringen, oder dort pennen und sie am Samstag weiter verkaufen, oder sie erst mal mit hier her nehmen.
Es muss nicht, kann aber sein, dass mal jedes Wochenende dafür drauf geht. Trotzdem, wenn du für ein Festival oder was Wichtiges frei willst, kriegst du frei.
Aber wenn ich sonst sage, du fährst, dann fährst du.
Deal?
Mayhem: Und wenn einen Monat lang nichts ist? Ich hab Miete zu zahlen und zwei Katzen zu ernähren.
Proll: Das passiert nicht. Und deine Kosten werden schon gedeckt. Ich zahl dir festen Minijob-Lohn, plus einen Bonus pro Hund oder Zusatzfahrt im zweistelligen Prozentbereich. Du kannst das Auto unter der Woche oder an freien Wochenenden haben, wenn du da den Sprit selbst zahlst. Ansonsten übernehme ich den. Versicherung durch zwei, und wenn du willst, kannst du deine Bonussummen als Anzahlungen für das Auto verwenden und es, wenn du es abbezahlt hast, behalten.


"Das Auto" ist noch nicht gekauft, und einfach, weil der Proll ein Proll ist, kann es natürlich kein einfacher Kombi sein.
Über VW lässt er immerhin mit sich reden.
Oder das Auto. Im Idealfall als Diesel. Damits nicht gar zu teuer wird.
Nicht DAS Auto, das ist der Polo.
Ich meine den Audi, der mich seit zwei Jahren verfolgt.
Der Fremde, der Raucher, Mr.Gaunt, und selbst der Kater hatten eine Weile, oder haben immer noch den gleichen Audi, alle in schwarz.
Ich kenne das Auto fast so gut, wie ich den Polo kannte, weil ich es so oft für seinen besoffenen Besitzer nach Hause bringen musste.
Der Polo hat mein Herz, für immer und ewig, aber nach dem alten Passat, den Papa Mayhem früher gefahren hat, ist das Auto mein Held.


Fester Lohn,der meine Miete und Versorgung abdeckt, plus netter Bonus, und wieder ein fahrbarer Untersatz (ob Audi, den ich vermutlich eher nicht zu meinem machen würde, so toll er auch ist, oder was anderes), den ich, angemessener Preis, Zustand, und Spritverbrauch vorausgesetzt, nach einer gewissen Zeit übernehmen könnte.
Für das, was ich sowieso mit am Liebsten tue.
Autofahren.
Stundenlang.
In dem Fall mit emotional angespannten Hunden und einem Beifahrer/Chef, der bereits jetzt mehr Geld , als ich jemals besitzen werde, und außerdem einen ganz grauenhaften Musikgeschmack hat.

Ich erwäge tatsächlich, anzunehmen und mir eine normale Jeanshose und ein buntes Shirt ("Im Prinzip kannst du aussehen, wie du willst, aber ich fände es schön, wenn du dich ein bisschen..normal anziehen könntest. Und vielleicht kurz vorher den fetten Bullenring rausmachen, der ist doch bestimmt 3mm stark, oder?") zuzulegen.
Und nach wie vor suche ich den Haken. Und warte auf ein klares "Nein" von meinem Bauchgefühl.
Und warte auf eine Eingebung, wie ich den Hundegestank nach einer Fahrt wieder halbwegs rauskriege.
Tendiere zu literweise Textilerfrischer.

Die Welt ist seltsam.




Donnerstag, 18. September 2014
Aus dem Zimmer des Hippiehäuptlings schallen die Beatles, Mitbewohnerin Nr.4 berieselt uns mit Simon&Garfunkel, bei mir läuft zur Abwechslung mal wieder Frittenbude.
Dank des wieder funktionierenden Rollos verirrt sich sogar ein bisschen Licht in meinen Teil des Luftschlosses, und zur Abwechslung ist das eigentlich ganz nett.

Die baldige Besucherin, das Mädchen aus D., fängt an, mir Angst zu machen; der Tabak hält inzwischen so lange, dass ich fast überlege, das Experiment zu wagen, wieder komplett auf Schachteln umzusteigen.
Der Surfer ist ausgezogen, keiner mehr da, der nachts mit mir draußen sitzt und raucht.
Bald ist er 400km weit weg.
Ich komme fast damit zurecht.
Immerhin ist der neue Mitbewohner, der das Zimmer des Surfers übernimmt, ebenfalls Raucher.

Ein einunddreißigjähriger (und ziemlich schlechter) Jack Sparrow-Verschnitt, der beinahe mehr Kajal um die Augen hat als ich, und auf jeden Fall ordentlicher lackierte Fingernägel, hat im Gruftkeller nicht nur ein, sondern alle Augen auf mich geworfen, glücklicherweise ist er aber so zurückhaltend/sprachlos im Angesicht meiner strahlenden Schönheit, dass ich mir bis jetzt noch nicht überlegen musste, wie ich ihm möglichst schonend beibringe, dass er im Moment der Inbegriff der Unattraktivität für mich ist.
Sein Freund, den er zum Ausloten der Lage vorgeschickt hatte (ich wusste nicht, dass das auch Männer jenseits des 13.Lebensjahres machen), war deutlich ansprechender und ich wieder überraschend selbstsicher unterwegs.
Passiert in letzter Zeit öfter.


Papa Mayhem war zwischenzeitlich richtiggehend sozial, zumindest so lange, bis die Vatersfreundin beschlossen hat, die "endgültige Trennung" rückgängig zu machen und wieder bei ihm einzuziehen.
Schade, ich hätte mich daran gewöhnen können.

Die Frau mit dem Pferdegebiss beklagt sich aufmerksamkeitswirksam im sozialen Netzwerk; auch ohne Namen ist klar, um wen es geht und neben so ein bisschen Schadenfreude bin ich hauptsächlich genervt von seinen Spielchen und damit beschäftigt, meine Glasglocke durch eine Mauer zu verstärken, um keine ernsthaften Gefühle für den Exilsachsen zu entwickeln, bevor nicht sicher ist, ob mir das gut tut.
Funktioniert überraschenderweise, bis jetzt.
Zu gut.
Ich sollte wieder damit anfangen, mir zu vertrauen.


Meine Glasglocke, unter der ich sitze, ist eine seltsame Geschichte. Ich glaube, Mr.Gaunt hat sie da gelassen; ich habe sie behalten, wie die Mützen und den Patronengürtel.
Ich habe sie übernommen, wie seine Selbstsicherheit und die Zigarettenmarke.
Und egal, wie unwirklich es sich anfühlt, oder ob es gut oder schlecht ist, es scheint zu funktionieren.
Sehr surreal, das alles.




Montag, 8. September 2014
Thema: monolog
Mit drei Stunden Verspätung (schließlich sind wir ja mit dem Postboten gefahren) auf dem Zeltplatz einmarschiert.
Die Flagge gehisst, das erste Bier aufgemacht.
Eine Runde gedreht und die paar Menschen begrüßt, die keinen zu schlimmen Brechreiz auslösen.
...Unter Menschen spüre ich in Insekten auf der Haut..
Später auch ein paar nettere Sichtungen. Der Raucher, der Friseur, der Rentiermann und Co.
Natürlich auch der Exilsachse; das Ignorier-und-Anstarr-Spiel beginnt wieder.

Dann tritt Mr.Gaunts Band auf, reißt mir dabei routinemäßig mein kleines Herz raus, legt einen Brand in der leeren Höhle und liefert nebenbei ein absolut episches Konzert ab.
Gewöhnt man sich dran.
Auch daran, Mr.Gaunt mit neuer Freundin zu sehen, die gar nicht mehr so neu ist.
An den Fluchtreflex.
Daran, ihm nicht mehr in die Augen sehen zu können, weil sonst das fragile Gerüst, das gerade mein emotionales Innenleben darstellt, in sich zusammenfällt und tonnenschwer auf mich herab stürzt.
Unsere Ignoranz ist kein Spiel, sondern absolute Gleichgültigkeit auf der einen, und der stockende Versuch eines Heilungsprozesses auf der meinen Seite.
Unter Menschen stelle ich mich lieber mal ins Abseits, bevor ich alles abfackel und mit euch verbrenn..

Gegen Abend beschließe ich, dass mich der Exilsachse vorerst genug möglichst auffällig nicht beachtet hat (und umgedreht) und begrüße ihn. Es folgen ein paar Versuche seinerseits, mich verbal aus der Reserve zu locken, auf die ich so gekonnt reagiere, dass ich mir selbst ganz unheimlich bin und mich fast ein bisschen freue.

Die Freude vergeht mir, als er nach der letzten Band mit seiner Gelegenheitsaffäre (sie will eigentlich eine Beziehung und fühlt sich ausgenutzt; er sagt, sie soll ihn nicht stressen), der Frau mit dem Pferdegebiss, die Zweisamkeit seines Zeltes meiner Gesellschaft vorzieht.
Auch Tante Emma hat irgendwie besseres zu tun (vor Allem mit dem Rentiermann), als mir seelische und moralische Unterstützung zu leisten, und Ms Golightly ist seit heute Nachmittag verschollen.
Also parke ich meinen Klappstuhl vor unserem auf einmal so geräumigen Zelt, stelle meine Stiefel daneben ab, und mache es mir zwischen Tante Emmas Gepäck, das für eine italienische Großfamilie reichen würde, und Ms Golightlys Plüschtieren bequem.
Alleine.
Bitte ein mitleidiges "Oooooooh" an dieser Stelle.

Am letzten Abend habe ich die Fielmannfrau gefunden, die wieder aufgetauchte Angst/Aggression/Ekel vor/gegen fremde/betrunkene Menschen nach ein paar Versuchen halbwegs nieder gerungen, höre meine Nackenmuskulatur weinen und bin erneut zu der Erkenntnis gekommen, dass Mr.Gaunt die Art des Lebens ist, das, was ich dem Raucher emotional angetan habe, wieder auszugleichen.
Außerdem habe ich vom Grinsebuddha genug "Band Member"-Getränkebons bekommen, um außer der Fielmannfrau (und natürlich den Menschen auf der Bühne) nur noch das Barpersonal anschauen zu müssen.
Die Versuche des Exilsachsen, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ignoriere ich mit gelassener Gleichgültigkeit; erst, als ich nach einer Kippenpause wieder vor die Bühne gehe und er gerade von dort kommt, treffen sich unsere Blicke, genau die halbe Sekunde lang, die er braucht, um an mir vorbeizulaufen.
Mit der Frau mit dem Pferdegebiss.

"Heeeeey mayhem, lässt dich auch mal bei uns im Camp Deluxe blicken?"
-"Sorry Friseur, ich hol nur meinen Klappstuhl." Eigentlich wollte ich auch einen Brandsatz auf das Zelt des Exilsachsens werfen, aber das wäre mehr Emotionalität, als er verdient hat.
"Och maaaaan".

Vor meinem eigentlichen Zelt sitzen Ms Golightly, Tante Emma, der Fremde und eine Freundin von ihm, die Bikerin. Einfach so, sind sie alle wieder da.
Man hat sogar eine Lücke für meinen Klappstuhl gelassen, und zur Begrüßung drückt mir die Bikerin wortlos eine Zigarette und unsere Packung Gummibärchen in die Hand.
Manches braucht keine Worte.
Dann sagt sie, wenn der Fremde, der so geistesgegenwärtig war, seine Gitarre mitzubringen, und ich nicht sofort für sie Snuff, Trough Glass und rein aus Prinzip irgendwas von Pink covern, skalpiert sie mich mit bloßen Händen und verspeist mein Gehirn.


"Schön haste gesungen", findet die Bikerin, als ich sie am nächsten Morgen mit der Fielmannfrau zum Toilettenwagen eskortiere.
-"Wenn du das sagst."
Weil ich mich hinter meiner Sonnenbrille verstecke, sieht der Exilsachse nicht, ob die Tatsache, dass er dort steht und die Pferdegebissfrau im Arm hält, meine Gleichgültigkeit auch nur ansatzweise berühren kann.
Er sieht auch nicht, dass meine Zigarette erst halb aufgeraucht war, als ich sie gerade weggeworfen habe, um so schnell wie möglich in den Toilettenwagen flüchten zu können.
Aber ich sehe, dass seine Gleichgültigkeit durch mein Auftauchen zumindest kurz ins Schwanken gerät.
Dass er den Arm weg zieht, mich ansieht, und sofort weg schaut.
Die Sprüche, die er in Richtung Fielmannfrau wirft, wirken fast so hölzern wie die, die sie sich zur vermeintlichen Tarnung meiner Unsicherheit von mir anhören muss, als wir wieder raus gehen und er immer noch da steht.
Als die Bikerin mit einem absolut befriedigten "Boah Leute, ich musste sowas von kacken!" den Toilettenwagen verlässt, können wir endlich gehen, nachdem ich den Exilsachsen aus Versehen angeschaut, dabei aber keine Miene verzogen und absolute Immunität gegen seinen Huskyblick bewiesen habe.
Kopf hoch, Kippe an, und weiter gehts.

Ich verabschiede mich nicht (weshalb sollte ich?) ; erst, als der Friseur mir etwas später schreibt, erzähle ich irgendwas von alkoholbedingtem Totalausfall und entschuldige mich, einfach gegangen zu sein, ohne ihm, dem Rentiermann, und Bauarbeiterbob Tschüss gesagt zu haben.

Ich weiß nicht, ob ich Lust auf Spielchen habe.
Die Glasglocke um mich scheint so viel möglich werden zu lassen, aber es bin immer noch ich, die darunter sitzt.
Und so, wie es aussieht, wäre Zuneigung in egal welcher Form gerade das Beschissenste, was ich im Hinblick auf den Exilsachsen ausbrüten könnte.
Ich bin zu alt zu kaputt für so eine Scheiße.




Mittwoch, 3. September 2014

Alles fühlt sich so nach "guter alter Zeit" an, da konnte ich einfach nicht anders.

Pack- und Besorgungslisten schreiben, Hin- und Heimfahrt organisieren und in dem ganzen Wirbel dafür sorgen, dass Tante Emma nicht mental kollabiert ("Das ist so kompliziert!" - "Hast du dir meine Liste durchgelesen?" -"Nein, das ist alles so kompliziert! Ich könnt durchdrehn!" -"Lies sie mal. (..) Hast dus jetzt verstanden?"
-"Ja.Aber keine Ahnung, das ist alles so kompliziert!")
und ich nicht absolut entnervt ausraste.
Die Festivalvorbereitungen laufen auf Hochtouren, und dank meiner Fähigkeit, alles bis ins kleinste Detail durchzuplanen und in Listenform zu bringen, kommen wir mal sowas von klar (also, außer Tante Emma. Für die komme ich mit klar).

Das letzte Mal ausgiebiges Beautyprogramm, um sich dann, wohlduftend, mit perfekt geformten Augenbrauen, frisch geschwärztem Ansatz und sonst keinem Haar zu viel am Alabasterkörper in die Schlamm- oder/und Staubschlacht zu werfen.
Sie würden sich wundern, wie gut es, entgegen mancher Klischees, vor Metalbühnen riecht; der Haartick ist irgendwie geschlechtsunabhängig ziemlich weit verbreitet.

Noch eine Waschmaschine, bis (so gut wie) alles an Ausrüstung und Kleidung sauber ist (Die letzte große Frage der Menschheit: Was mach ich mit meiner Lederleggings?), und noch schätzungsweise ein Bier und ein Bambi-Augenaufschlag, bis ich unserem Nachbarn eine Stange tschechische Zigaretten abgeschwatzt habe.

Die Gratistickets, die der Cubaner netterweise an uns weitergegeben hat, habe ich heute auch aus dem Briefkasten gezogen, und somit kann es dann morgen los gehen.
Mit Tante Emma, dem Fremden und Ms Golightly im Schlepptau, im Auto des Postboten, mit dem Exilsachsen und dem Raucher in der Campingcrew und Mr.Gaunt auf der Bühne.

Ich verbeuge mich vor dem geneigten Publikum und verabschiede mich in Richtung eines Ereignisses, das für die einen Urlaub, und für die anderen einfach die größte, friedlichste Massenschlägerei der Welt des dazugehörigen Bundeslandes ist.
Ernsthaft, mir geht es gut.
Wissen Sie, wie lange ich darauf gewartet habe?

See you later, wenn ich die Kommentarfunktion wieder angeschalten habe,
auf Wiedersehen und Prost,
mayhem.