Samstag, 26. Dezember 2020
Thema: Outtakes
Anfang 2020 hatte ich mir gedacht, ok, machen wir doch mal so Neujahrs-Kram.
Ich war, in meinem Selbst und meiner psychischen Verfassung, dermaßen konstruktiv, stabil und einfach insgesamt eine dermaßen coole Socke, dass ich selbst regelmäßig ganz überrascht war darüber, welche Großartigkeiten das Leben und mein Hirn so ausbrüten können.

Gut, ist jetzt alles ein bisschen anders, aber wird wieder. Muss ja.
Und wenn man das Ganze auf ein Jahr verteilt betrachtet, insbesondere angesichts des Umstands, dass da gerade eine Pandemie/Dystopie tobt, in deren Verlauf einfach alle, und ich meine wirklich ALLE Symptome, die ich jemals hatte, mit Volldampf über mich hereingebrochen sind, sieht die Vorsätzeauswertung gar nicht mal so schlecht aus.

Eigentlicher Eintrag vom 08.01.20, Ursprungstext kursiv, Updates ergänzt.

.

1. Nicht wahnsinnig werden Alias Mind Wars: die dunkle Bedrohung
Ich denke da gerade vor allem an die letzte Woche der Abschlussarbeit, wenn ich schreibe, dass es eine Nebelleuchte in meinem Kopf gibt, die niemals aus geht. Nicht Jenseits von Gut und Böse, und auch nicht dann, wenn alles weg ist, die Realität, die Gegenwart und das Ich, und nur noch funkensprühender kreischender Kopfkrieg bleibt und selbst der dann im Nebel versinkt. Die Nebelleuchte bleibt.
Und es ist meine Nebelleuchte. Keine geerbte, keine, die ich geschenkt bekommen hätte, sondern meine eigene, selbst erarbeitete und gebaute.
Ich bin dankbar dafür, dass ich sie habe.
Und dass sie nicht auf externe Energiequellen angewiesen ist. Vielleicht ist das wie beim Fahrrad-Dynamo und solange ich in irgendeine Richtung los- oder weiterexistiere, funktioniert sie.


2. Erhaltende Maßnahmen alias Mind Wars : Die Rückkehr des gesunden Menschenverstands
-> Kippenfrei bleiben, kein Alkohol- oder sonstiges Suchtproblem zulegen, zumindest manchmal sowas wie eine gesunde Schlafmenge haben, Zähne und Gesamtkörper nicht runterwirtschaften
-> Weiter zur Akuttherapie gehen, Medikamente weiterhin zuverlässig nehmen
-> Dafür sorgen, dass die Katzen gesund und munter bleiben


Kippenfrei: Check, ein Lob der Dampfe, ausreichend Nikotin im Liquid und ein Verdampfer, der zum Zug-/Inhalierstil passt, regeln.
Mittlerweile Lungenvolumen fast wie ein junger Gott, getestet u.a. an der im obersten Stockwerk liegenden Neurologenpraxis, beim Yoga, beim Theater und bei sonstigen anstrengenden Tätigkeiten.
Mit meinen Stimmbändern ist in Sachen Tonumfang, Lautstärke und -äußerungsarten ebenfalls großartiges möglich. Auch das, als es noch ging, auf einer mikrofonfreien Theaterbühne in einem gar nicht mal so kleinen Saal mit mittelguter Akustik getestet.

Alkohol und sonstige Krücken: Ein Lob meiner Mutter, die mir zwar so eine Art Suchthirn (seit Generationen im Familienbesitz; wird, zusammen mit dem Trauma, einfach an die nächste Generation weitergereicht), aber auch ein nachhaltig schlechtes Beispiel mitgegeben hat. Ersteres sorgt dafür, dass ich aufpassen muss. Zweiteres sorgt dafür, dass ich dann, wenn es kritisch wird, ihre gelbhäutige Leiche vor mir sehe, auf dem Badezimmerboden liegend, in eingesiffter roten Jogginghose und rotem Pullover, mit schmutzigen Fußsohlen und dem vor ihr sitzenden Kater Mayhem.
Ich habe kein Interesse daran, die arme Katze erneut zu traumatisieren. Und wenn es etwas gibt, was tatsächlich ein Antriebsfaktor ist, dann der Umstand, dass ich nicht wie sie enden werde, die letztlich bloß geschrieben hat, dass sie nicht wie die Ahnenreihe enden will.

Schlafmenge, Zähne, Körper nicht zu arg runterwirtschaften: Bröselzahn wurde gezogen und ich habe mir Ende November eine neue elektrische Zahnbürste gegönnt. Wenn die Welt brennt, ist das mit gesundem Schlaf und zweimal täglich Zähne putzen so eine Sache, aber immerhin, ich versuche es. Zwischendurch täglich Yoga, bei Weltenbränden wie aktuell mindestens einmal wöchentlich.
Läuft nicht so gut, wie erwartet und vorgenommen, aber es läuft.

Katzen: Kater Mayhem steuert auf die 15 zu und wirkt, von den üblichen Zipperlein abgesehen,gut in Schuss. Die Katze hat nach wie vor einen kaputten Magen, Asthma und eine Autoimmunerkrankung, seit das Futter passt, sind die Asthmaanfälle aber selten geworden und die Autoimmungeschichte scheint sich komplett schlafen gelegt zu haben, sodass wir das Kortison absetzen durften.
Wünsche mir, dass beide weiterhin gesund, lebendig und glücklich bei mir bleiben; Therapeutin ist darauf vorbereitet, dass ich in ein tiefes dunkles Loch fallen werde, wenn der Kater mal nicht mehr ist.
Hoffe, dass er mir noch eine Weile erhalten bleibt. Vielleicht ist er ja Cathusalem und wir brechen den Katzenalterweltrekord.


3. Bossfight: Uni 1 alias Mind Wars. : Die mitteldunkle Bedrohung
-> schreiben,was dieses Semester geschrieben werden muss
-> zuende bringen, was dieses Semester zuende gebracht werden muss
-> abgeben, was dieses Semester abgegeben werden muss
-> BA: Grobschlachtplan (hübschdeutsch: Exposé) verfassen, für mich oder/und den Dozenten
-> Mail konzipieren, um herauszufinden, ob der das Ding noch betreut, und wie und was und überhaupt - ich habe keinen blassen Schimmer, wie man sowas macht; ggf Sprechstundentermin (wissenschaftliches Schreiben: Check, Recherche: Check, Formalia: Check, Ablauf und restliches Drumherum: AAAAAAAAAH)
-> Mail abschicken, falls Sprechstunde: wahrnehmen, weiteratmen, Punkt 1 nicht vergessen

Neuen Betreuer und neues Thema für die Abschlussarbeit klar gemacht, Abschlussarbeit geschrieben und bestanden.
Die restlichen Leistungen auch.
Blöderweise fehlt jetzt halt anderer Kram und es sieht in einem Fall nur stressig, im anderen dafür aber zappenduster aus (siehe vorheriger Eintrag).

4. Nebenschauplätze regeln alias Episode IV: Eine neue Hoffnung, das wird aber auch mal Zeit!
-> aktuelle Probenzeit und anschließende Aufführungen überleben, eventuell sogar gut
-> potenziellen Freundeskreis nicht vergraulen, bereits vorhandenen sortieren und entsprechend erhalten
-> Schauen, dass die Umwandlung der Akut-Therapie in eine richtige klappt
-> weitermachen mit den mentalen Wurzelbehandlungen
-> Kaffee-Mann weiter treffen, solange ich das möchte und er auch; Punkt 1 beachten

Theater: check, dann kam die Pandemie
Freundeskreis: nicht vergrault!
Therapie: check
Mentale Wurzelbehandlungen: es ist grad die pure Hölle, aber ich bin immer noch da und mache weiter, also kann man das vermutlich auch abhaken?
Kaffee-Mann: schnarchige Angelegenheit, hab interessantere Leute kennen gelernt

5.Bossfight: Uni 2 - Mind Wars Episode V - Das Imperium schlägt hoffentlich ausnahmsweise mal nicht zurück
-> Erledigen, was auch noch zum Folgesemester erledigt werden kann
-> Abgeben, was spätestens zum Folgesemester abgegeben werden muss
-> BA: Schreiben, Abschließen, Abgeben, WODKA.
-> erste Master-Kurse belegen, bewältigen
-> Dazugehörige Prüfungen erledigen, abgeben

HAHAHAHA das Imperium hat mal SOWAS von zurück geschlagen mit den zwei nicht verbuchungsfähigen Geschichten.
Aber: BA geschrieben, BA abgeschlossen, BA abgegeben. Erste Masterkurse belegt und bewältigt. Dazugehörige Prüfungen noch nicht alle erledigt und abgegeben, aber die, die ich durchgezogen habe, sind solides Einskommanochwas.


6.Nachwehen bewältigen
-> Praktika und Finanzen: suchen, sichten, sicher stellen
-> Wohnung mal so richtig in Schuss bringen und erhalten. Oder mein Zimmer
-> nach Kräften weiter am Projekt "von Rapunzel zu Cousin Itt" arbeiten
-> Ehrenamt-Management: Theater zählt, egal, wie das Stipendiengeber sehen. Das Anregen großartiger Therapiefortschritte in den Gehirnen der Mitmenschen auch. Deshalb: nicht zu viel. Finanzen, Uni und Punkt 1 gehen vor


Nachwehenbewältigung: nope, da ungeplanterweise noch mitten in der Shitshow. Gelegentlich großartige Therapiefortschritte in den Gehirnen der Mitmenschen anregend und solide auf dem Weg zu Cousin Itt.


7. Massives Feiern meinerselbst alias Mind Wars : Das Erwachen der Macht - gegen Mittag, vielleicht auch Nachmittag, eventuell verkatert, aber in jedem Fall großartig
-> FESTIVALSAISON WHOOP WHOOP
-> weiter am Projekt "Ganzkörperkunstwerk" arbeiten, soweit finanziell (ich) und zeitlich (Stammtätowierer/ich) möglich
->Positive Denkmuster anerkennen und weiter einschleifen - dieses Maß an Selbstreflektion, Resilienz, Konstruktivität und Differenziertheit ist relativ anstrengend, relativ langwierig, gelegentlich hässlich und dann und wann mit bewusster mentaler Gewalt erarbeitet/errungen, und da es gleichzeitig ziemlich geiler Shit ist, werde ich einen Teufel tun und es degenerieren lassen
->Bier
->Wein
-> Wodka
-> FESTIVALSAISON WHOOP WHOOP WHOOP
-> aber alles in Maßen hier, ich bin schließlich mittlerweile sogar auf dem Papier nicht mehr blutjung, taufrisch und unbesiegbar.

Festivalsaison, weitere Arbeit am Ganzkörperkunstwerk und erleichtert-erfreute Feiereskalation angesichts der in die Nachspielzeit gegangenen Shitshow und der Seuche zunächst vertagt.
Positive Denkmuster einschleifen: erstmal die, die noch da sind, erhalten und die, die verschütt gegangen sind, wieder etablieren.
------


Für's kommende Jahr:
Durchsegeln von was-auch-immer-passieren wird. Und am anderen Ende wieder rauskommen.

Nebelleuchte nicht vergessen.




Montag, 14. Dezember 2020
Mit der Abschlussarbeit knapp am Einskommanochwas entlanggeschrammt, vorsichtig an Entspannung gedacht.
Festgestellt, dass eines der großen Module fehlt.

Nachgefragt: Ja nee, konnten wir Ihnen nicht verbuchen, das geht nur mit einer anderen Prüfungsordnung.

Bisschen Krise, dann: einen Master-Kurs umbuchen, klappt. Schreib' ich halt noch eine Hausarbeit mehr, hab' ja gerade sonst nichts zu tun.
Anfrage zur Verlängerung der Zeugnisfrist, weil das sonst nicht klappt.
Letztmögliche Verlängerung gekriegt, nicht viel, aber immerhin theoretisch machbar.
Vorsichtig an Entspannung gedacht.

Beschlossen, mal zu fragen, was mit dem fehlenden Kurs aus dem Sommersemester ist.
Ja nee, das können wir Ihnen nicht verbuchen. Sie haben einen ähnlichen Kurs in 2017 unter der Modulnummer A mit Prüfungsnummer A schon mal belegt.
Es sei doch total offensichtlich, dass das nicht (wie es im Vorlesungsverzeichnis steht ) als Modulnummer B mit Prüfungsnummer B verbucht werden kann, wenn man einen inhaltich ähnlichen Kurs mal als Modul A für Prüfung A gemacht hat (was nirgends steht, aber halt so ist).

Die zusätzliche Hausarbeit kriege ich noch irgendwie unter, die einzige Alternative zum Sommersemester-Kurs wird voraussichtlich erst wieder im nächsten oder übernächsten Semester angeboten werden und das haut mit der Zeugnisfrist sowas von absolut überhaupt nicht hin.

Theoretisch könnte ich einen weiteren Master-Kurs für diese Leistung umbuchen. Vorsichtige Erleichterung, sicherheitshalber nachgefragt, ob das klar geht.
Absage bekommen, praktisch geht das nämlich nur in der neueren Prüfungsordnung, im Bachelor studiere ich aber noch nach der alten.

Es geht dabei um genau einen ECTS-Punkt.


Mit der neuen Hausarbeit ergibt sich als To Do-Liste im Unibereich:
4* (20 bis 25 Seiten) = 80-100 Seiten wissenschaftlicher Text
4* (45 Minuten Dauer + 3-5 Seiten ) = 180 Minuten Vortrag plus 12-20 Seiten Thesenpapier
plus unbekannter Faktor X für eine Alternative zum nicht verbuchungsfähigen Sommersemester-Kurs (die noch gefunden werden muss)

bis Anfang Februar.

Vorausgesetzt, ich bekomme eine Möglichkeit, den fehlenden Punkt reinzuholen.


Persönlichkeitswachstum hin oder her, nach fast einem Jahr permanenter Existenzunsicherheit mit ewigem Hin und Her, weil das Studium dauernd wegen irgendwas am seidenen Faden hängt und ich mich auf die Gnade anderer Menschen an einflussreicheren Stellen verlassen muss, könnte es langsam auch ruhig mal stabil, sicher und langweilig werden hier. Ehrlich jetzt, man gönne mir doch bitte mal meine verdammte Langeweile.
Muss mir schließlich auch demnächst einen Job suchen, der genug für die allgemeinen Kosten und Studienkredit-Zinsen abwirft, ohne zu viel Zeit von Uni und Psyche zu klauen und nebenher ein bis fünftausend Praktika unterbringen, wie man das als guter Geisteswissenschaftler so macht.

Ein weiteres mögliches Thema für die Masterarbeit wäre da, inklusive Hinweis, dass ich danach eigentlich auch weiter an dem Projekt arbeiten könnte, wenn meine Kompetenz und ich eh schon da sind. Freie Mitarbeit oder Promotion möglich (irgendwie scheint mich letztere zu verfolgen aktuell, dabei kann ich mir das gar nicht leisten).
Ein Angebot für ein Praktikum in einem der Bereiche, in denen ich wirklich gerne arbeiten würde, auch; sobald ich den Bachelor habe.
Zwei Kurse teile ich mir mit jemandem, den ich wirklich gerne meinen Katzen vorstellen noch ein bisschen öfter sehen und noch ein bisschen besser kennenlernen würde.


Und alles hängt an Bürokratie und einem einzigen ECTS-Punkt.

Zum Glück glaube ich nicht an höhere Mächte, sonst würde mir der permanente Hochstromdrahtseilakt nicht nur zusetzen, sondern ich würde mich auch noch veräppelt fühlen.

So mache ich einfach das, was ich immer mache, wenn nicht nur die Hütte, sondern gefühlt die ganze Welt brennt und die Gegenwartsrealität brüchig wird:
Vorbereitung auf den Gewaltmarsch in eine neue, solange aussitzen, dramaturgische Kunstgriffe des Zufalls bewundern, und vor allem: schlicht und ergreifend weiter.

Alles andere wäre schließlich albern.




Dunkel ist's, die Berge schweigen
Schaurig still: Das Labyrinth
Vor mir noch des Lebens Reigen
Ohne Licht und ohne Wind.

Heute muss das Eisen schmilzen
Heute wird der Gang gebohrt
Frisch hinweg mit Schimmelpilzen
Graben ist das Zauberwort!

Wo ein Weg, da ist ein Wille
Ihn zu pflügen durch den Berg
Höllenlärm wird aus der Stille
Das gehört zum Tageswerk!

Stollentrolle fliehn in Scharen,
Wenn ich meine Bahnen zieh
Sinn find ich nur hier den wahren
Aber fertig werd ich nie.

Einmal rechts und zweimal links
Das ist doch nicht schwer zu merken
Nur in diesem Takt gelingt's
Schwerer ist's, ein Hemd zu stärken.

Dann schmolz die Wand, dann brach das Eisen
Und durch das Loch strömte das Licht
Ich spürte Lufthauch, einen leisen
Und hatte weithin klare Sicht.

(Die Finsterbergmade, Hildegunst von Mythenmetz)




Donnerstag, 5. November 2020
Eine Prüfungsleistung vom Frühsommer ist immer noch nicht verbucht, bei der Abschlussarbeit ist auch noch alles in der Schwebe. Nicht gerade angenehm, aber ich hab ja Schwebe- und Ausnahmezustandsroutine mittlerweile.

Dafür ein neues Sólstafir-Album am Horizont, was standardmäßig Achterbahnen, Zeitreisen, Emotions- und Erinnerungsstürme, Euphorie und Wellenreiten bedeutet.


Das Album heißt Endless Twilight of Codependent Love und in anderen Zusammenhängen würde ich mich schon mal darauf vorbereiten, mich über pathetischen oder/und romantisierenden Müll aufzuregen.

Die erste und dominanteste Reaktion auf das Lesen des Titels, spezifisch nur darauf, war tatsächlich weder Aufregen, Melancholie, Zeitreisen, noch aus irgendwelchen Gräbern emporsteigender ZombiePhantomHerzschmerz (die Sorte Liebeskummer, die eigentlich gar keiner ist, weil man entweder durch den verzerrten Erinnerungsfilter schaut, oder auf die Reflektorfläche für eigene Wunschvorstellungen, zu der man eine Person gemacht hat).
Sondern: gesehen, gehabt, überstanden, zu den Akten gelegt und zwar endgültig.
Keine Sofortidentifikation, korrespondierende Erinnerungen und Seelenqualen oder Herstellung von Parallelen zur irgendwelchen aktuellen Situationen.
"Man muss ja auch nicht alles in Endlosschleifen durchleiden oder jeden Scheiß mitnehmen", sagt die innere MutterVaterKindPersonalunion, nicht ohne Anerkennung, und fügt ein paar Tatsachen und Erkenntnisse hinzu.
- Sowohl ein Selbst (in verschiedenen Versionen) als auch der dazugehörige Selbstwert sind vorhanden; man könnte sogar einen Selbsterhaltungstrieb attestieren und eine Tendenz zur positiven Fürsorglichkeit
- Nix hier endloses Zwielicht
- Sólstafir machen trotzdem eigentlich meistens gute Musik und das Album ist es somit vermutlich auch
- ich kann Dinge (mit-)fühlen und erinnern, ohne mich (wieder) reinstürzen zu müssen
- Album klassisch kaufen und anhören wird dank akutem Mangel an funktionierenden CD-Abspielmöglichkeiten schwierig
- CDs sind mittlerweile auch oldschool anscheinend
- technische Innovationen sorgen dafür, dass ich mich wie eine grantige Oma fühle
- bis ich in paar Jahren 30 bin, hab ich mich wahrscheinlich durch genug Skurrilitäten in vergleichsweise kurzer Lebenszeit navigiert, um innerlich tatsächlich zur grantigen Oma hochzuleveln
- was jetzt auch nicht wirklich schlimm wäre
- ich bin gerne eine grantige Oma. So eine, die in Kneipen sitzt und Schwänke aus ihrer Jugend, Lebensweisheiten und schlechte Witze raushaut, je nachdem, worauf sie gerade Bock hat
-Endlosigkeit ist eine Illusion
- Aussichtslosigkeit auch




Vielleicht ist das dieses ominöse Persönlichkeitswachstum, das die Life Coach - Klonkrieger immer beschwören.




Montag, 12. Oktober 2020
Geschrieben nach Abgabe der Abschlussarbeit, wollte es eigentlich umschreiben, lass es jetzt aber einfach so.

Die geplante Pausenwoche hat sich in eine IchMacheWasAberZuWenig-Mehrwöchigkeit verwandelt, der große Zusammenbruch war noch nicht da. Entweder bereitet er einen besonders fulminanten Auftritt vor, oder er hat sich dafür entschieden, sich lieber etwas weniger intensiv, dafür aber längerfristig und nachhaltiger zu entwickeln (was ich gerade ein bisschen vermute).
Oder er bleibt einfach aus, kann ja passieren, ich ziehe auch das mittlerweile durchaus in Erwägung. Schließlich scheinen Unwahrscheinlichkeiten, die eintreten und das große Trotzdem gerade quasi zum Modus Operandi zu werden - noch eine 1,2, diesmal knallhart Sprachwissenschaft, gute zwei Notenstufen besser als das, was ich da sonst so vollbracht habe. Kann natürlich auch sein, dass das ein dramaturgischer Kunstgriff des Zufalls ist, um es für ein wenig Situationskomik mit einem Versagen in der Abschlussarbeit zu kombinieren.

-------


(Wie es mir geht und wonach sich das Lied anfühlt: Nebeldecke, Zwischenwelten, Zwischenzeiten, irgendwo dahinter ein Irgendwas, vielleicht das große Trotzdem, vielleicht das Gegenteil, vielleicht auch beides)

Die Suche nach passenden Worten.

Camus:
Mitten im tiefsten Winter wurde mir bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.
Hmpf.

Dürrenmatt:
Aber nun schloss ich mich ein, besiegte meine Furcht. Allein. Es war schwer, nun ist es getan. Ein Zurück gibt es nicht.
Hm.

Dirk Bernemann:
Es gibt keine Lösungen, nur Angst und manchmal Mut.
Hm?


Ich
...übergebe meine Seele dem Gott, der
Nee.
...übergebe mein Schicksal dem Betreuer meiner Abschlussarbeit, dem Prüfungsamt und dem Kollektiv des Studienkreditsatans.
Auch nicht.

...habe weder die innere Schönwetterfront des Camus- noch die Angstfreiheit des Dürrenmatt-Zitats.

Muss ich vielleicht auch gar nicht haben.
Schamloses Eigenzitat, weil treffende Feststellung:
"Krisen durchschiffe ich nicht aus Optimismus, Resilienz oder aufgrund besonderer Begabungen,
sondern aus reinem Trotz und Sturheit.

Ich habe mich für Abschluss+Selbstüberwindung+Lebensbewältigung entschieden, das Beibehalten dieser Bewegungsrichtung ist eine logische Selbstverständlichkeit. Träge Masse, Newtonsche Gesetze.

Nach ein paar Tagen wird es zum Experiment, ich sehe es als Fallstudie an; teilnehmende Beobachtung, wenn ich mir selbst über die Schulter gucke beim Kampf gegen gefühlt eine ganze Existenz.
Das tue ich in dieser Zeit oft; Existenzkämpfe ausfechten und mir über die Schulter gucken, gleichzeitig am Ende und außerhalb von allem. Ich sag's ja immer wieder, das menschliche Gehirn ist eine Wunderkammer.

Der Zeitpunkt, an dem ich emotional und psychisch zerstört scheine, ist irgendwann erreicht, weinen ist gar kein Ausdruck für das, was manchmal passiert. Zwischendurch sitze ich auf meinem Bett, dem Boden oder irgendwo anders und schreie fünf Minuten am Stück, nicht bloß ein Urschrei, mehr, anders, es fühlt sich nicht mehr wie etwas Menschliches an. Aber irgendwer hat es stummgeschaltet - die Haltung passt, die Mimik passt, die Stimmbänder tun ihren Job, aber es kommt kein einziger Ton raus.
Nach einer Weile macht das lautlose Abgrundtiefe dem Nebel oder einer regulären Verzweiflungswelle Platz, ich panikattacke so vor mich hin, sterbe ein bis tausend Tode, mein Herz scheint auch mitmachen zu wollen, sich aber unklar darüber zu sein, ob es Rhythmusstörungen, einen Infarkt, plötzlichen Tod oder eine Explosion aufs Parkett legen will.

Dann setze ich mich wieder an den Schreibtisch und mache weiter, ich habe schließlich akademische Großartigkeiten oder zumindest eine ausreichende Abschlussarbeit zu vollbringen.
Wenn das gefühlte Existenzende ein besonders beeindruckendes war, mache ich vorher noch ein paar Notizen, Experimente sollten dokumentiert werden, Forschungsreisen sowieso. Ein ähnliches Prinzip wie das, das Papa Mayhem auf übriggebliebene Schrauben und Muttern und die Orginalverpackungen elektrischer Geräte anwendet: für irgendwas kann man das bestimmt mal brauchen.
Zwischendurch sagt das Hirn, eigentlich wär's einfacher, wenn wir uns umbringen, dann wäre wenigstens Ruhe. Ich bedanke mich beim Hirn für die Information, man soll ja alles erst mal wertfrei annehmen, weise es dann aber darauf hin, dass wir gerade nicht wirklich sterben wollen, sondern lediglich keinen Ausweg sehen und es mir egal ist, ob irgendwas "einfacher" wäre - ob Ghostwriting oder Todesflucht, beides wäre Verantwortungsverweigerung, und sowas machen wir hier nicht. Newtonsches Gesetz, träge Masse in Bewegung, ich habe 2014 beschlossen, dieses Studium aufzunehmen und erfolgreich zu beenden, also mache ich das. Ich lass mich doch nicht von Geldproblemen, altem Trauma, neuer Scheiße, tragikomischer Lebensdramaturgie, so ein bisschen Pandemie oder einem psychischen Totalausfall aufhalten. Wäre ja noch schöner.


Die Abschlussarbeit wird fertig. Nicht, weil ich die Angst überwunden oder einen großen Erleuchtungsmoment gehabt hätte.
Ich habe beschlossen, dass sie fertig wird, also wird sie fertig.
Ich habe beschlossen, dass ich sie abgebe, also mache ich das.

Nachdem die letzten Sätze geschrieben sind, renne ich zum Copy Shop. Einerseits, weil die Zeit drängt, andererseits, weil die Ur-Angst und der damit einhergehende Fluchtreflex da sind. Angst vor Menschen, Angst vor Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit, Angst vor allem, wie ein wildes Tier, das man gefangen und in der Stadt ausgesetzt hat.
Zweimal drucken, zweimal binden, einmal auf CD, einmal Briefumschlag bitte.

Danach laufe ich durch meine große Stadt und während ich mir so dabei zuschaue, erinnere ich mich an das, was Legolas von Menschen und Kriegen erzählt hat. Und an einen Theatermenschen, der nach einem Stück gesagt hat, andere spielen ihre Rolle, Frau Mayhem wird vom Menschen zur Naturgewalt.
Ein paar mal werde ich fast von Rad- oder Autofahrern überrollt, die der Meinung sind, so eine rote Ampel wäre eher ein Vorschlag als eine Anweisung; ich widerstehe dem Impuls, irgendwie zu reagieren oder auch nur einen Schritt langsamer zu laufen. Ich lass mich doch nicht von Arschlochmenschen oder meinem Bedürfnis, ihren Schädel auf den Asphalt zu schlagen, bis nur noch blutiger Glibber übrig ist, aufhalten.


Nach ein paar Abkürzungen über Firmenparkplätze, durch den ein oder anderen Hinterhof und einen Bürobetonklotz (ich lauf doch keinen Umweg, wenn ich da einfach geradlinig vorne rein- und hinten wieder raus marschieren und so mehrere Minuten sparen kann) bin ich noch zur richtigen Uhrzeit am richtigen Gebäude.


Zwei Minuten später ist die Abschlussarbeit abgeben und ihr pünktlicher Eingang bestätigt.


Wieder zuhause ergreife ich prophylaktische Sicherheitsmaßnahmen für den großen Zusammenbruch, der hinter dem Nebel lauert und irgendwann rauskommen wird.
Sicherstellen, dass genug Lebensmittelvorräte für die nächsten Tage da sind, eine schwere Decke bereit legen und schon mal ein paar Filme raussuchen. Was stumpfsinnig-lustiges, falls das doch mal hilft, was verstörend-grausiges, falls ich mich in die Realität zurücktriggern muss. Lars von Trier zur Beruhigung, für die Rückkehr zu emotionaler Ausgeglichenheit und Seelenfrieden.
Wie abgemacht kurzes Telefonat mit der Therapeutin, um meine Verfassung zu evaluieren.
Ganz viele Emotionen, aber alle unter einer dichten Nebeldecke. Zwischenwelten, Überforderung, Traumahirn.
Ich widerstehe der Versuchung, den Nebel für mehr Produktivität ausnutzen oder zwanghaft verjagen zu wollen.
Stattdessen verordne ich mir eine mehrtägige Pause, bis zu eine Woche verschreibe ich mir, beruhige mich aber, dass ich das nicht einhalten muss, wenn ich nicht möchte.
Verschiebe die Jobsuche auf das Ende jener Pausenwoche, das Weiterschreiben an den anderen Master-Angelegenheiten auch. Meine Aufgaben sind jetzt, mich zu entspannen (eine Maßnahme, deren konsequente Umsetzung, bzw. das notwendige Festhalten daran trotz der Zwischenrufe aus dem Kopf, durchaus auch stressig sein kann), Yoga zu machen, schrittweise Zimmer und Wohnung wieder hübsch zu kriegen und aufzuarbeiten, was alles an Erwachsenen-Dingen liegen geblieben ist.
Später.
Erst mal Pause.

Muss mich ja nicht auch noch fahrlässig in (weitere) Abgründe stürzen, nur, weil die erste Abschlussarbeit abgegeben ist.