Mein(e) Partner/Partnerin/Mutter/Arbeitskollegin/Hebamme/Masseuse sagt, ich soll auf Festival xy!
Glückwunsch, je nachdem, um welche Veranstaltung es handelt, steht Ihnen entweder eine grandiose Lebenserfahrung oder die schlimmste Zeit Ihres Lebens bevor.
Um enttäuschte Erwartungen und Komplikationen zu vermeiden präsentiere ich: Einmal Selbstevaluation zum Mitnehmen!

- Wer ist die Person, die mich mitnimmt und wie stehe ich zu ihr?
-> So nett die Vorstellung ist, drei Tage mit dem Lieblings-Feiergnom voll krass Party zu machen, unser Ziel hier ist, halbwegs gesund aus der Nummer wieder rauszukommen und dabei niemanden aus Wut oder Verzweiflung umzubringen.
Die Frage ist also: Halte ich es mit dieser Person drei/fünf/sieben Tage bei sengender Hitze/eisiger Kälte (schließen sich nicht immer komplett aus, sondern tauchen auch gern im Wechsel auf), Staub/Matsch, reduziertem Komfort, eventuell verkatert und hungrig und umgeben von feierwütigen Horden aus? Kann ich mich darauf verlassen, von dieser Person nicht ausgesetzt/verkauft/abgefüllt zu werden? Ja, ich bin ein großer Fan von "better be safe than sorry".

Außerdem doof: Spontane Trennungen auf Festivals. Besonders, wenn der/die Ex die Person ist, der das Auto gehört.

- Wasn das eigentlich?
Abhängig von persönlicher Deppentoleranz und Flexibilität hinsichtlich Musikgeschmack und Budget kann es durchaus möglich sein, einer Person oder dem Freundeskreis zuliebe auf ein Festival zu gehen. Ob das dann so geil ist, ist die andere Frage. Deshalb: Schauen, ob man da Bands kennt/mag, und gerne auch in Alben von denen, die man nicht kennt, reinhören. Niemand muss eine komplette Discographie auswendig lernen, aber zumindest grob zu wissen, ob die lustige Kapelle mit dem unleserlichen Namen einem was taugt und man sie sich live ansehen möchte, ist definitiv von Vorteil und erspart einem u.U. ein bis zu zweistündiges Martyrium voller Langeweile bis Agonie, während dem die restliche Umgebung irgendwie total begeistert von der Scheiße ist, die man sich da reinziehen muss.


-Kann ich da überhaupt hin?
Ich vergesse regelmäßig, in welchem Monat Festivals stattfinden, die ich seit mehreren Jahren besuche. Deshalb: Termin notieren.
Dann: Abgleichen mit Arbeit/Uni/persönlichen Verpflichtungen. Passt? Gut. Festival im Kalender verewigen, damit nicht doch was im gleichen Zeitraum landet. Wer kein junger, unverbrauchter SaufenSexSlayer-Sechzehnjähriger mehr ist, plant einen Tag danach zum Rehabilitieren ein. Oder zwei.
Passt immer noch? Das wird ja immer besser.
Nächster Punkt: Das Geld.
Early Bird-Tickets helfen bis zu einem gewissen Grad, aber zum Ticket addieren sich noch Spritgeld oder Bahnticket, Verpflegung in fester und flüssiger Form und eventuell Einmalanschaffungen in Form von Campingausstattung. Auch Geld für Merch, CDs oder andere Anschaffungen auf dem Gelände (in meinem Fall ging das schon vom Kettenanhänger bis hin zu einer Lederjacke) sollte man einplanen.

-Sind auf der Veranstaltung Menschen, die ich nicht sehen will, und kann ich das ignorieren?
Murphy's Law: Wenn sie da sind, laufen sie einem über den Weg. Immer.

Exfreunde_innen, Mutti, die einem den Besuch gar nicht erlaubt hat, Quoten-Aluhutträger, der obligatorische Bierplautzencreep, und je nach Veranstaltung eventuell auch a)der Klischee-Nazi oder b) der ach-so-linke Möchtegern-Gutmensch können schon mal die Stimmung drücken oder im schlimmsten Fall nachhaltig versauen. Falls Letzteres der Fall ist: Eventuell den Besuch der Veranstaltung überdenken oder sicherstellen, dass genug Menschen dabei sind, die einem gut tun/einen von Dummheiten abhalten/hinter denen man sich verstecken kann.

-Wie komme ich da überhaupt hin und wieder heim?
Absprache mit möglichst zuverlässigen Menschen. So früh wie möglich. Und mit Alternativplan. Ich spreche aus Erfahrung.

-Wer kümmert sich um meine Wohnung/Katze/Bartagame/kleine Schwester/meinen geliebten Kaktus?
Planung ist alles. Wer tierische, menschliche oder andere Mitbewohner hat, die Betreuung benötigen, sollte sicherstellen, dass sich jemand um diese kümmern kann. Möglichst vor Ticketkauf und euphorischer Abreise mit wehenden Fahnen.
Für alle Crazy Cat Ladies, die ebenso an ihren Plüschnasen hängen wie ich: Trennungsschmerz ist keine Schande. Panik, weil auf dem Festival kein Empfang ist, aber man die Aufpasserin anrufen und nach dem Wohl der Katzen fragen wollte, auch nicht.
Sich dann betrunken an der Brust eines verdammt gutaussehenden Wikingers deswegen auszuheulen...ach, lassen wir das.

-vertrage ich das psychisch und physisch?
Den ganzen Tag und die halbe Nacht u.U. extremem Wetter ausgesetzt zu sein, kann anstrengend werden, wenn man es nicht gewöhnt ist. Große Menschenmengen und das ganze Drumherum eines Festivals auch. Ist eben doch eine Ausnahmesituation. Ich bin weder Medizinerin, noch Psychologin, deshalb: im Zweifel Rücksprache mit Therapeut_in bzw. Arzt/Ärztin halten. Sicher ist sicher, und erspart den Sanitätern auf Festivals ein bisschen Arbeit.

Beispiel: Ich weiß, dass ich zwischen Mitte Juli und Anfang September eigentlich keine Festivals besuchen sollte, weil mein Körper mit Hitze sehr schlecht klarkommt und alles mögliche an Spaßigkeiten von Nasenbluten bis zum Kreislaufkollaps passieren kann. Sollte es mich doch auf eines verschlagen, sind meine Mitcampierenden vorgewarnt und ich bin so vorsichtig wie möglich.
Gleiches gilt für Panikattacken und plötzliche emotionale Tiefs. Ist mir schon passiert, hat keinen Spaß gemacht. Nahestehende Mitcampierende sind informiert, ich achte darauf, meine Medikamente dabei zu haben, regelmäßig zu nehmen und nicht mit Mist zu kombinieren, und darauf, mir genug Rückzugszeit und -möglichkeit zu geben.
Und ich habe ein Plüschtier dabei. Immer. Mir egal, ob das kindisch ist, im Ernstfall hab ich es im Zelt liegen und es hilft mir (und ich habe Angst, dass es mir geklaut wird). Ernsthaft: Zu viel Einpacken ist doof, aber etwas, das ungefährlich und nicht verboten ist und dabei hilft, sich sicherer und besser zu fühlen, sollte einen Platz auf der Packliste haben.


Irgendwelche anderen Hemmnisse?
Beispiele: Weisheitszahn- oder andere OP, frisches Tattoo/Piercing, die Handwerker wollen da aber in die Wohnung, etc.

Nüscht? Wunderprächtig!


Nächste Challenge:
Ticketerwerb
- Dass Tickets günstiger sind, je früher man sie kauft, ist klar. Es hilft, Festivals und favorisierten Bands via Newsletter, Social Media o.Ä. zu folgen, bzw. sich regelmäßig zu informieren, um im Fall des Falles schnell genug zuschlagen zu können. Viele Festivals (z.B. Party.San, In Flammen, Ragnarök, Rockharz) bieten Early Bird Tickets besonders günstig an, gelegentlich kombiniert mit Sonderangeboten wie limitiertem Merch (kann man eine Weile später deutlich teurer verkaufen, so man es nicht behalten möchte) oder dem Campingticket (so Camping denn extra kostet).

- Wer gerne gefährlich lebt ein spontaner Mensch ist, kann hoffen, dass jemand kurz vor Veranstaltungsbeginn ein Ticket raushaut. Funktioniert aber nicht immer und das Risiko, überteuert vor Ort eines kaufen zu müssen, muss mit einkalkuliert werden. Mir persönlich(!) ists zu hoch und ich ordere meine Tickets, sobald ich genug Geld beiseite gelegt habe und der Meinung bin, dass die bestätigten Bands den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Preis rechtfertigen.

-Sollte sich eigentlich von selbst ergeben, aber hey, unser Ziel hier ist "idiotensicher", deshalb: Ticketbestellungen/-kauf bitte nur bei seriösen Händlern.
Am Einfachsten ist das Ordern beim Festivalveranstalter direkt, oder über Plattformen wie eventim. Privatkauf (siehe vorheriger Punkt) geht oft gut, kann einem aber auch mal ein gefälschtes Ticket einbringen, ebenso wie die Bestellung bei semi-koscheren Onlinehändlern. Bei kleineren Festivals wohl eher weniger, aber gerade, wenn größere angepeilt sind (Summerbreeze, das sagenumwobene Wacken, etc) wächst das Risiko definitiv.
Kein richtiges Ticket => Kein Festivalbesuch, dafür Stress mit dem dortigen Personal => doof.

- Semi-spontane Menschen können je nach Festival auch die Option eines e-Tickets, das zuhause ausgedruckt wird, nutzen (vgl. Ragnarök, Rockharz).

Du sollst nicht begehren deines nächsten Campingstuhl, oder: Verdammt, wir hätten uns mal absprechen sollen!
Leider muss man auch dann noch mit den zukünftigen Mitcampierenden sprechen, wenn An- und Abreise geklärt sind:
Fünf Campingkocher zu haben ist unpraktisch, gar keinen..auch. Wenn das Gleiche mit Pavillons passiert, kann das platztechnisch sogar echt blöd werden, deshalb sind Absprachen eine wunderbare Sache.
Schlüppis teilen würde ich tendenziell nicht empfehlen, aber bei Gegenständen, die von mehreren Personen genutzt werden (können) spart man sich unnötiges Geschleppe und Platzverschwendung, wenn vorher geklärt wird, wer was schon zuhause rumfliegen hat und mitbringt (Auch hier: Schreibt's euch auf, Kinnersch!), wer nicht, und wer armen und schlecht ausgerüsteten Menschen eventuell aushelfen kann.
Im Ernstfall kann man sich auch manches von den Nachbarn leihen, aber zumindest eine Minimalausstattung sollte drin sein.
Sprach die Frau, die immer noch keinen Hammer hat und die Heringe ihres Zeltes deswegen mit der Stiefelspitze einklopft, wenn sie sich mal wieder nicht traut, die Nachbarn anzusprechen.





huehnerschreck, Dienstag, 4. April 2017, 18:14
sehrsehr gute liste!
“better safe than sorry”ist ein motto, dem man insgesamt deutlich öfter folgen sollte. eigentlich. *hust*

für den punkt „packlisten“ schlage ich insbesondere den unterpunkt „erste hilfe“ vor:
* desinfektionsspray
* pflaster (optimal in mehreren größen UND blasenpflaster)
* kohletabletten
* brandsalbe/kühlgel
* gaffertape (braucht man ohnehin für ungefähr alles)
* kompressen/wundabdeckung
* heftpflaster.
die overachiever können noch
* rettungsdecke,
* elastikbinde,
* klammerpflaster,
* betaisodonasalbe o.ä.
* diese spezialscheren mit dem geknickten schnabel
u. dgl. dazutun. meine erfahrung (ausm sport): so blöd, wie es manchmal kommt, kannste gar nicht denken. und: am besten in nen ziplock-beutel packen. nasses pflaster klebt nicht gut. just sayin' ...
für alle technikaffineren mitreisenden kann man sowas gut in einer liste in einer cloud (wunderlist z.b.) speichern und sieht dann auch, was schon abgehakt ist.