Das Spektrum der an mir Interessierten scheint sich zunehemend auf die Extreme zu verteilen; die Mittfünfziger werden mehr, die 18-22jährigen, die mir trotz der biologischen Zweifel an der Wahrscheinlichkeit dieses Eindrucks das Gefühl geben, ich könnte ihre Mutter sein, ebenfalls.
Ein besonderes Highlight der zweitgenannten Kategorie ist der Metaldude, und damit meine ich eigentlich der Metaldude,denn er ist der feuchte Traum (nicht-Extreme Metal), beziehungsweise fleischgewordener Hass (Extreme Metal) eines jeden Szenepolizisten; und das so gekonnt, dass er sich über optische Klischees erhebt und stattdessen seinen kompletten Persönlichkeitshohlraum nutzt.

Werte Leserschaft, ich präsentiere:
The most metal guy in the world, kurzweilige Romanze für zwei Schauspieler und mindestens einen Statisten.
Es spielen:

Metaldude: zweiundzwanzigjähriger Niedersachse; hoch gewachsen, kurzes, aber optisch ansprechendes Haupthaar in Wikingerblond; dazu passender Bart. Keine Tattoos oder Piercings, die Oberbekleidung mehr Panini-Sammelalbum als Kutte mit Patches; trainierte Figur, Gesamterscheinung sympathisch, wenn auch nicht sofort das gewisse Etwas enthaltend.

Mayhem: beinahe-hochdeutschsprechende Mittzwanzigerin auf Konzertexkursion. Ebenfalls hoch gewachsen, dafür aber nicht sonderlich trainiert; Haupthaar teilweise versilbernd,+- Hüftlänge; kein Bart. Groß- und mittelflächige Tätowierungen auch im sichtbaren Bereich, Sammlung üblicher und etwas unüblicherer metallischer Artefakte in/an Gesicht und Ohren, die Oberbekleidung ein Ensemble aus obskurem Bandschriftzug auf Top und Kunstlederjacke mit ausgewählten (ebenfalls unleserlichen) Patches.
Gesamterscheinung tendenziell weniger sympathisch, dafür definitiv in Erinnerung bleibend.


Statist: generischer Metalhead, kann notfalls durch Person im Panda-Kostüm ersetzt werden, solange man ihr einen Nietengürtel umhängt.

Es begab sich also, dass die Titel-Antiheldin, emotional gereinigt und wiederbelebt durch harmonische Weltverfluchung und Todesschreie auf der Bühne, einen sozialen Moment hatte und beschloss, den zuvor beim Bier holen im Rahmen einer kurzen Smalltalkhandlung kennen gelernten jungen Mann und seine Freunde, zu denen er aufgrund spontaner Sympathie auch meine erklärt hatte, an die frische Luft zu begleiten.
Die Temperaturen hatten beschlossen, von "Höllenschlund" wieder auf "lauer Sommerabend" zu wechseln; eine große Friedlichkeit herrschte in der schwarzgewandeten Gemeindschaft.
Statist an Metaldude und Mayhem gewandt: Ey, hat von euch jemand Feuer?

Metaldude: Ich rauche seit einem Monat nicht mehr.

Mayhem die Dampfe schwenkend: Sorry Kumpel. Aber frag' doch mal bei denen da drüben, die rauchen grad.
Statist ab.
Metaldude: Also ich rauche ja seit einem Monat nicht mehr.

Mayhem: Jo, hast du schon gesagt. Freundlich:Glückwunsch!

Metaldude: ich habe das Buch xy von Autor z gelesen. Da wurde mir bewusst, was für eine Gehirnwäsche rauchen eigentlich ist. Vorwurfsvoller Blick auf die Dampfe.

Mayhem: Naja, Nikotin alleine is' ja auch weder der krasse Suchtstoff, noch der fieseste aller Krebserreger. Und Verhaltensabhängigkeit- wird unterbrochen

Metaldude: Da hängt so viel mehr dran, als man denkt. Das Selbstbewusstsein, alles. Lies das Buch.

Mayhem: Danke, ich werd's mir merken. Gerade bin ich mit dem dampfen aber eigentlich echt zufrieden.

Metaldude: Rauchen ist so schädlich. Der reinste Wahnsinn. Aber klar, der Staat braucht ja Geld. Lies das Buch.

Mayhem: Als Chemiker weißt du vermutlich genauso gut wie ich, dass man das verdampfen einer aus vier langzeitgeprüften Einzelstoffen bestehenden Flüssigkeit nicht mit dem verbrennen von Pflanzenmaterial und weiteren Zusatzstoffen vergleichen kann; und sonst: mir ist schon klar, dass das auch nicht ganz unschädlich ist, aber als deutlich unschädlichere Alternative nehm' ich's gern, Harm Reduction und so. Schön, dass es mit dem ganz aufhören für dich geklappt hat.

Metaldude: Ja du kannst mir später danken.

Schweigen. Das Dampfgerät, so breit wie zwei Feuerzeuge und selbst mit Tank nicht größer als diese, fühlt sich zu unrecht böse angestarrt, weshalb die 9,5Watt-bei-fast-2ohm-Widerstand-Miniwölkchen noch ein bisschen kleiner ausfallen. Kurz wundert sich die Dampfe, warum ihre Besitzerin nicht volle 75w rausballert; dann fällt dem Gerät ein, dass es kein Nebelwerfer, sondern Genussmittelvehikel ist, und es da gar nicht so darauf ankommt, wer die meisten Watt und die größten Wolken hat, und es ist wieder versöhnt und denkt sich, alles ist gut, wenn sie Nebelwerferin sein wollte, würde sie sich einfach ne 120Watt-Box holen, oder gleich 'ne 200er, mit deren Gewicht man Menschen erschlagen kann.

Metaldude: Du bist aber nicht so green lefty-mäßig, oder? Bei den Studenten ist da ja immer so eine Sache.

Mayhem: improvisiert einen wohlformulierten und differenzierten Beitrag, der sie in seiner Konstruktivität selbst erstaunt, Quintessenz: Klischees scheiße, Extreme scheiße, wenn Wahlen sind, suche ich mir das kleinste Übel, und ansonsten lebe ich nach der heiligen Maxime "basale menschliche Kompetenz bitte", beziehungsweise "Sei koa Oaschloch ned, oida".

Metaldude: Ja in Ordnung,dann kann ich es ja sagen: Echt imposante Oberweite.

Mayhem unsicher, ob Konstruktivität oder Full-on-Triggermode das weitere Vorgehen prägen sollen: Props an dich für diesen sanften Themenübergang. Aber bedenke: meine Oberweite und ich könnten immer noch linksgrüne Gutmenschen sein.

Metaldude: Ach, das sehe ich ja dann später.

Mayhem: Nee, nicht, dass du deine wertvolle Zeit verschwendest, ich unterstütze dich da gerne beim Aussortieren. Also: Der Klimawandel ist Fakt, Trans- und Homosexuelle sind nicht krank, mir is' egal, wer wen heiratet, solange beide damit einverstanden sind; Leute, die mit dem Wort "Feminazi" um sich schmeißen oder einfach just because auf alles schimpfen, was nicht Biodeutsch ist (oder aussieht), find ich scheiße; ich lass' mich von der Pharma mit mehreren Medis vollpumpen, weil's mir sonst noch beschissener ginge, und, das Wichtigste natürlich zum Schluss: Ich ernähre mich vegan.