Thema: Outtakes
die kurze und etwas weniger abstrakte Variante: ich ringe nach wie vor mit der Uniblockade, was ziemliche Scheiße ist, hatte einen etwa neunzigsekündigen Anfall spontaner Genialität, in dem ein paar mögliche Erkenntnisse kurz an die Oberfläche blubberten, diese im Eilverfahren handschriftlich auf insgesamt fünf Doppelseiten DIN A4-Karoblock gebannt und arbeite nun daran, sie irgendwie in ein nachvollziehbares Format zu bringen,da ich ein seltsames Gefühl habe, einer wichtigen Sache auf der Spur zu sein.

Der Prozess der Begreifbarmachung ist noch im Entstehen, es fühlt sich an wie ein glitschiger Tentakelmoloch, der genau auf der Grenze zwischen Sumpf und Wahrnehmbaren liegt und mal in die eine, mal in die andere Richtung schwappt.
Da sich Fortschritte in der Bestimmung seiner Umrisse anscheinend bevorzugt (oder überhaupt nur) dann zeigen, wenn ich eine gewisse Anzahl an Abstraktionsebenen einführe (Distanzschaffung durch Rollenannahme, wofür ist man denn sprach- und kulturforschende Schauspielerin), habe ich beschlossen, als Experiment genau das zu tun, und irgendwie ist dabei der folgende Text entstanden.

Welche Ich-Version auch immer ihn ausgebrütet hat: Hallo Selbst, ich hab mir das gerade mal durchgelesen - deine verschrobene Eigenartigkeit ist irgendwie sympathisch, lass uns mal quatschen, ich bestell uns Mittagessen.


vom 13.03.20.



Die Kommandobrücke verkündet:
Da bisherige Maßnahmen zum Umgang mit der Uniblockade

-die kleinen Schritte
-das große TROTZDEM, materialisiert in den Versuchen, das Ding in der Psyche als Gegebenheit zu akzeptieren und trotzdem etwas zu machen, egal, wie viele Stunden mentaler Vorbereitung es für zwei semi-ausformulierte Sätze auf dem virtuellen Papier braucht
- strukturierte, geplante und ritualisierte Vorgehensweise (Schaffen eines dezidierten Arbeitsplatzes, einer festen Zeit, mit und ohne Musik verschiedenster Genres, Zeitplan kurz- mittel und langfristig, Schreibübungen und unzählige Entwürfe, Planungen, Vorgehensbeschreibungen, mentales Manifestieren des großartigen Gefühls, wenn der Scheiß endlich geschafft ist)
- niederschwellige Ansätze (Bücher und Laptop neben dem Bett, ein Satz pro Tag reicht und der Tag hat 24 Stunden, es ist also egal, wann der niedergeschrieben wird)
-einfach machen
- und ähnliches
bisher von ausgesprochen geringem Erfolg waren,
dabei aber vermutlich ebenso viel Zeit, Nerven und Energie gekostet haben (und noch kosten), wie es die ursprünglich aus Zeit-, Energie- und Nervengründen verschobene Option der Ursachensuche und anschließenden Auflösung der unliebsamen Partei getan hätte,
wird die Route neu berechnet.
Zum bisherigen Zeitpunkt ist noch unklar, ob die Wahrheit nicht irgendwo dazwischen liegt, weshalb die testweise Kursänderung regelmäßig evauliert und der vorherige Koordinatensatz als Backup gesichert wird.


Eine Sondertagung unter der Leitung
- der IG HD-TV (Handlungsmaßnahmen Durchführen, Totalschaden Vermeiden)
-des aus ihr hervorgegangene Vereins F.u.C.K..t.h.i.S. (Freunde unkonventioneller Coping-Skills im Kampf gegen traumaverwurzelte hochgradig irritierende Selbstsabotage)
-und der IG Biere (Belastende Identitätserbstücke radikal entsorgen)
wird alsbald mit der Diskussion der weiteren Vorgehensweise und der Erstellung eines entsprechenden Konzepts beginnen.
Einladungen ergingen an alle wichtigen hirneigenen Institutionen - und auch an die unwichtigen, man kann ja nie wissen.
Zudem wurden mit Rundumvorhängen ausgestattete Planschbecken aufgestellt, um im Falle spontaner Besuche aus dem namenlosen Nebel adäquate Aufenthaltsmöglichkeiten gemäß der landestypischen Präferenzen (knapp unter der Oberfläche des Hirnsumpfs, selten als Schemen sicht-, ihre Anwesenheit aber umso intensiver fühlbar) anbieten zu können.


Themen der geplanten Vorträge und Workshops sind unter anderem:
- Wenn der aktuelle Scheiß komplett unbeeindruckt davon ist, dass man schon ganz anderen überstanden hat: Was, wenn die Krise sich deshalb nicht bewältigen lässt, weil es gar keine ist?
Vortrag von G.Dankenexperiment, basierend auf dessen Dissertation "Das Leben als Frühstückssandwich und das Selbst als Erdnussbutter. Über Wandlungsprozesse, Übergangszustände, Dazwischen-Sein und ausgewogene Mahlzeiten".

- Wie haben die das früher eigentlich gemacht? Grundkurs Psychoarchäologie.
Workshop, in dessen Rahmen die Teilnehmenden die Gelegenheit bekommen, eigene kleine Ausgrabungen vorzunehmen, um verschüttete Persönlichkeitsmerkmale, Selbst- und Fremddefinitionen, vor allem aber frühere Eigenheiten oder/und Symptome freizulegen


- Idiosynkrasie oder Idiotie? Sammlungsorganisation für Psychoarchäologen.
Auf dem Grundkurs aufbauender Workshop, in dem die Prüfung der Funde hinsichtlich ihrer Tauglichkeit als Bewältigungsstrategie oder/und Kampfstoff für den aktuellen Anlass sowie die fachgerechte Aufbewahrung jener Funde, die nicht in diese Kategorie fallen, erarbeitet werden

- Die Bretter vorm Kopf und die, die die Welt bedeuten: Dramenanalytische und literaturwissenschaftliche Verfahren als Mittel zur Annäherung an jene Realitäten, die sich nur durch Verfremdung greifen lassen
Vortrag von Dr.Anne T. Fiction, Dozentin der Tumbleweed School for Actors and Dissociation Artists

- Seek and Destroy: Wege ins Unterbewusstsein zur Ursachensuche und anschließenden Beseitigung des aktuellen Notstands
Diskussionskreis unter der Leitung der gnadenlos optimistischen Kommandobrücke.

- Chaos regiert: Bild, Ton und Sprache als Quellen der Inspiration, Erleuchtung oder vielleicht wenigstens der heilsam-verstörenden temporären Katharsis.
Prof.Dr.Gap Ginnunga, kulturwissenschaftliche Chaosforscherin und Autorin der ständig erweiterten Bestseller-Anthologie "Ist von Trier zu stark, bist du zu schwach - ungewöhnliche Kraftorte der Lebensphilosophie" (aktueller Stand: C wie Cioran bis R wie Rasputin).

Bei einer ausreichenden Anzahl an interessierten Teilnehmern können folgende Kurse fakultativ belegt werden:
- It's not a bug, it's a feature - philosophische Psychoarchäologie.
Zusätzliche Übung zum Aufbaukurs, die sich Interpretationsmöglichkeiten der Gestalt und Eigenschaften gefundener Artefakte widmet.

- Konstruktiver Mottentanz : Selbstmanagement für Affektmenschen, Extrempersonen und andere Zerstörungswütige.
Vortrag von A.M.Piekłowa, Gärtnerin am Baudelaire-Institut und Primaballerina im Dante-Ensemble.

- "Wir sollten das alles hier nehmen und ein Buch daraus machen, oder wenigstens eine Novelle; das ist voll die gute Story, so mit Symbolen und so."
Diskussionskreis, den sich das zwanzigjährige Ich wünscht. Da der interne Generationenvertrag es vorsieht, sich selbst eine gute Mutter-Vater-Kind-Personalunion zu sein, hat sich die restliche Kommandobrücke entschieden, den Vorschlag in das fakultative Programm mit aufzunehmen. So sollen die jüngeren Mitglieder lernen, dass sie wahr- und ernst genommen werden, selbst, wenn Entscheidungen und Ansichten vom Rest der Familie nicht geteilt werden.

- Der Teufel steckt im Projezierten - Idealisieren und Dämonisieren mit gezielten Realitätsschellen effektiv ausknocken. Mit einem Praxisteil und anschließender Tiefenentspannung.
Unter professioneller Anleitung* erlernen die Teilnehmenden Techniken, um sich selbst oder andere von fehlgeleiteten Vorstellungen zu befreien und so die Entstehung tragfähiger, konstruktiver und unter Umständen angenehmer Realitäten zu begünstigen.

Die Teilnahme ist unabhängig vom bisherigen Erfahrungsgrad und sportlichen Fähigkeiten möglich; der Kursleiter* möchte betonen, dass keine Vorkenntnisse notwendig sind. Die Übungen werden in verschiedenen Varianten für Anfänger, Mittelstufe und Profis gezeigt und können an das eigene Level angepasst werden. Modifikationen und Pausen sind jederzeit möglich.

*Kursleiter Bruce Sylvester Terminatóre ist zertifizierter Weltenzerstörer, Personal Trainer und amtierender Champion der internationalen Ohrfeigenmeisterschaften. In seiner Freizeit stemmt er und häkelt Babymützchen.