Thema: monolog



Ein leises Schmatzgeräusch, und das Sofa hat mich in sich aufgenommen.
Bin im Oberstufenzimmer, in dem Sofa, das irgendwann sein Skelett verloren hat,nur noch aus Polstermaterial besteht und anscheinend lediglich von seiner Überzugsmaterialhaut zusammengehalten wird. Ein bisschen Form bekommt das ganze durch die zwei Holzstücke, die wohl mal die Armlehnen formen sollten, zumindest so weit, dass man seinen Kopf leicht erhöht lagern kann, wenn man zusammengekauert schlafen will.
Sitze also vergleichsweise bequem, eigentlich in halbliegender Position, wenn auch eher unkonventionell gebettet, höre Sigur Rós und frage mich,was heute eigentlich mit mir los ist.
So kenne ich mich nicht, ausgeglichen und stabil und all das, so ausgeglichen und stabil,dass der sprichwörtliche Fels in der Brandung einpacken kann gegen mich.
Seltsam.
Testweise ein Blick zum Problem, aber da tut sich nichts.
Kein Seelenschmerz, kein Weltuntergang. Die Sonne scheint draußen weiter und in mir drin herrscht immernoch die Ruhe, an die ich sonst nicht einmal zu denken wagte.
Mein Herz überrascht mich immer wieder.
Und ich sitze da so seelenruhig im Sofa, während der Mensch da drüben ebenso in einem anderen liegt und darauf wartet, dass seine Freundin auch Unterrichtsende hat, weil er sie danach, wie immer, heimfährt und anscheinend dort bleibt, weiß das, sehe ihn, höre seine Stimme, als er mit einem anderen Abiturienten spricht, sehe, als er in meine Richtung schaut, Blicke treffen sich kurz, ich sehe weg, wie immer, aber fühle exakt nichts.
Da ist nichts, habe aufgehört, zu fühlen, weil ich es beschlossen habe, einfach so.
Es ist vorbei.
Und ich sitze da so seelenruhig im Sofa, während es einfach so vorbei ist, und habe mich heute nicht verunsichern lassen, nicht durch Blicke, nicht durch Lästereien, nicht durch den Umstand,dass ich der Deutschlehrkraft mitteilen musste, die Lektüre in den Ferien nicht nur nicht gelesen, sondern auch verloren zu haben; etwas, was mich normalerweise bis auf die Knochen verunsichert hätte, mit Menschen reden fällt mir schwer
-aber nicht heute.
Sitze da so seelenruhig im Sofa und habe es geschafft, in der Deutschstunde mit der Lehrkraft zu reden und das Genie während der Gruppenarbeit zu fragen, ob es mit mir und der Zweckgemeinschaft Gruppe sein möchte; einfach so, als wäre das etwas ganz Normales, mit Menschen zu reden. Das Genie hat sich gefreut, wir waren Gruppe und früher als alle anderen fertig, weil er Ahnung hat und ich auch, wir beide sogar mehr als die Deutschlehrkraft, das ist ja das Fatale, und eigentlich hätte ich mich nach dieser Feststellung wieder über die Lehrkraft aufgeregt, aber so sah ich ihn an, den Lehrer, wie er in seiner übertrieben schnellen Art gestikulierend, so nervig formulierend und mit dem furchtbar aggressiv machenden Sprechrhythmus irgendeinen weiteren themafremden Schwachsinn erzählte, und fühlte exakt nichts.
Egal war es mir, was der da machte. Sollte er doch,wenn er dann das Gefühl hatte, das sei Unterricht, was er veranstaltete.

Sitze so seelenruhig im Sofa und denke an die Deutschstunde zurück, und nichtmal im Nachhinein werde ich aggressiv, so, wie es nichts ausmachte, als die Blondine Nr.2 wieder mit dem ewiggleichen Thema anfing, das mich eigentlich nerven sollte, und dann dazu überging, aus dem Beziehungsbettkasten zu plaudern, wieder, und es mir egal war, als Blondine Nr.1 einstimmte.

Nicht einmal im Nachhinein machte es mir etwas aus, weder die Deutschlehrkraft mit dem Unterricht, der keiner ist, noch die Blondinen mit ihrer Ignoranz und ihren ach-so-interessanten Geschichten, noch das Problem;
saß so seelenruhig auf meinem Bett, meinen Tee neben mir und die schlafende Katze auf meinen Beinen, und es machte mir nichts aus, das alles.

Ist relativ angenehm, zur Abwechslung mal nicht das Gefühl zu haben, kaputt zu gehen oder Negativleere zu empfinden, sondern sich in einem Zustand zu befinden, der sehr nahe an Ausgeglichenheit grenzt, an Ruhe.

Vielleicht ist es eine Folge aus der nahezu hypnotischen Wirkung, die das mich schon den ganzen Tag begleitende Ný batterí auf mich hat,
oder ich bin inzwischen so angeknackst,dass ich zur Optimistin mutiere,
oder die Sache mit dem Problem hat meinem Unterbewusstsein einen Schubs in die richtige Richtung gegeben,
vielleicht bin ich aber auch gerade dabei,das zu tun, was immer nur in seiner Verneinung existent war:
Ich krieg mich auf die Reihe.
Eventuell ist das ja wirklich so,dass ich es jetzt auf die Reihe bekomme, mich und vielleicht sogar das Leben, einfach so, aus mir heraus.

Die Vorstellung, ich könnte mich und sogar mein Leben dauerhaft auf die Reihe kriegen ist seltsam, aber genauso seltsam war es, heute einfach so mit Menschen zu reden, weil ich es einfach gemacht habe; ich bin normalerweise sogar dann verunsichert,wenn ich mit der Feindin oder dem Kumpel rede, und die Begrüßungs- und Abschiedsumarmungssequenz bereitet mir im Normalfall ebenfalls Unbehagen und überhaupt sind soziale Interaktionen jeder Art etwas sehr schwieriges, aber vielleicht schaffe ich ja sogar das.
We will see.